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Panama Papers

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Panama Papers
Beschreibung
Zeitrahmen 1977-Frühjahr 2016
Veröffentlichung 3. April 2016
Umfang 11,5 Millionen Dokumente (2,6 Terabyte)

214 488 Briefkastenfirmen

Schlüsselmedien Süddeutsche Zeitung
ICIJ
Themen Steuerdelikt Briefkastengesellschaft
Internet
Personen Liste von Personen, die in den Panama Papers genannt werden
Offizielle Webseite Das Internationale Konsortium von Investigativen Journalisten (ICIJ)

Als Panama Papers [ˈpanaˌmaː ˈpeɪpəʳz] (deutsch Panama-Papiere) werden vertrauliche Unterlagen des panamaischen Offshore-Dienstleisters Mossack Fonseca bezeichnet, die zahlreiche Steuer- und Geldwäschedelikte sowie den Bruch von UN-Sanktionen durch Kunden dieses Unternehmens belegen sollen.[1] Infolge des mit 2,6 Terabyte bisher größten bekanntgewordenen Datenlecks gelangten am 3. April 2016 erste Inhalte an die Öffentlichkeit. Die Enthüllungen haben in zahlreichen Ländern öffentliche Debatten über Briefkastenfirmen, Steueroasen, Steuerdelikte und Steuermoral ausgelöst.

Bei den Dokumenten handelt es sich um rund 11,5 Millionen E-Mails, Briefe, Faxnachrichten, Gründungsurkunden, Kreditverträge, Rechnungen und Bankauszüge aus den Jahren 1977 bis 2015.[1] Ein anonymer Whistleblower hatte sie 2015 zunächst der Süddeutschen Zeitung zugespielt. Anschließend koordinierte das International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) die ein Jahr dauernde Auswertung der Daten und die weiteren Recherchen. Am 3. April 2016 präsentierten 109 Zeitungen, Fernsehstationen und Online-Medien in 76 Ländern gleichzeitig die ersten Ergebnisse.[2][3] Die Originaldaten wurden bisher nicht veröffentlicht.

Veröffentlichung

Hintergrund

Wie aus den Panama Papers hervorgeht, half die Anwaltskanzlei Mossack Fonseca mehr als 14 000 Klienten bei der Gründung von 214 488 Firmen an 21 Offshore-Finanzplätzen.[4] Ihre Kunden können diesen Firmen Vermögenswerte übertragen und Finanztransaktionen über sie vornehmen. Sie müssen aber nicht als deren Eigentümer in Erscheinung treten, da die Kanzlei auf Wunsch eigene Mitarbeiter als nominelle Direktoren oder treuhänderische Verwalter stellt. Sie können legalen Zwecken wie der Anonymisierung von Vermögensverhältnissen oder der Steuervermeidung dienen, aber auch illegalen wie der Steuerhinterziehung, der Geldwäsche oder der Umgehung von Sanktionen.

Mossack Fonseca ist weltweit der viertgrößte Anbieter und Verwalter sogenannter Offshore-Firmen.[5] Das Unternehmen wurde von Jürgen Mossack sowie dem Autor und Anwalt Ramón Fonseca Mora gegründet.[6] Es hat mehr als 500 Mitarbeiter und unterhält neben dem Hauptsitz in Panama-Stadt mehr als 40 Niederlassungen und Partnerbüros weltweit.[6]

Primärdaten und ihre Aufbereitung

Die Süddeutsche Zeitung will weder die Originaldokumente veröffentlichen noch Strafverfolgungsbehörden die Rohdaten zur Verfügung stellen.[7] Dies wird verschiedentlich kritisiert,[8] unter anderem von Wikileaks. Einige wenige Dokumente sind offenbar dennoch online gestellt worden.[9][10]

Um die Dokumente durchsuchbar zu machen, verwendet die Süddeutschen Zeitung das Programm Nuix, das auch bei internationalen Ermittlungsbehörden zum Einsatz kommt.[11]

Beteiligte Medien

An der Recherche zu den Panama Papers und ihrer Aufbereitung für die Öffentlichkeit waren 376 Journalisten aus 76 Ländern beteiligt. Sie arbeiten u. a. für folgende Medien:

Involvierte Personenkreise und Unternehmen

In den Panama Papers finden sich die Namen zahlreicher Prominenter aus aller Welt, etwa die von 140 Politikern, darunter frühere und noch amtierende Staats- und Regierungschefs. Auch etliche, in ihrem Finanzgebaren zu Transparenz verpflichtete Sportfunktionäre sind von der Veröffentlichung der Daten betroffen.[14] Daneben enthalten die Daten die Namen von Drogenschmugglern, Terroristen sowie von Firmen, die auf Sanktionslisten stehen. So sollen arabische Ölunternehmen über Offshorefirmen Kerosin an die syrische Regierung unter Baschar al-Assad verkauft haben, die wegen des syrischen Bürgerkriegs Ziel internationaler Sanktionen ist.[15]

Nach einer ICIJ-Analyse haben über 500 Banken sowie deren Tochtergesellschaften und Niederlassungen rund 15 600 Briefkastenfirmen über Mossack Fonseca registriert, die britische HSBC und die mit ihr verbundenen Unternehmen allein 2 300. Soweit bisher bekannt, haben folgende fünf Banken die meisten Offshore-Unternehmen für ihre Kunden gegründet:[16]

Sitz Bank Anzahl
Luxemburg Luxemburg Experta Corporate & Trust Services (100-%-Tochter der BIL) 1659
Luxemburg Luxemburg Banque J. Safra Sarasin – Luxembourg S.A. 0963
Bailiwick of Guernsey Guernsey Credit Suisse Channel Islands Limited 0918
Monaco Monaco HSBC Private Bank (Monaco) S.A. 0778
Schweiz Schweiz HSBC Private Bank (Suisse) S.A. 0733

Deutschland

Zu den Klienten von Mossack Fonseca sollen auch mehrere tausend Deutsche gehören. Sie wurden der Kanzlei von mindestens 28 deutschen Banken vermittelt. Eine solche Vermittlung durch in- oder ausländische Kreditinstitute ist bei Dienstleistungen im Zusammenhang mit Offshore-Firmen üblich. Sechs der sieben großen deutschen Kreditinstitute arbeiten mit der Kanzlei zusammen. So hat Mossack Fonseca bis 2007 Kunden der Deutschen Bank dabei unterstützt, mehr als 400 solcher Gesellschaften zu gründen. Die Panama Papers nennen insgesamt mehr als 1200 Briefkastenfirmen, die mit Hilfe deutscher Banken gegründet wurden oder von ihnen verwaltet werden.[17]

Dänemark

Dänische Banken, vor allem Nordea mit Niederlassungen in Luxemburg, sind Großkunden von Mossack Fonseca. Die Kundschaft der Banken wiederum setzt sich heterogen zusammen. So besitzen auch Gärtnereibetriebe, Innenarchitekten und andere Kleinunternehmer Briefkastenfirmen in Panama.[18] Die größte nordische Bank unterhält einige hundert Offshorefirmen. Die Geschäfte mit Mossack Fonseca sollen schnellstmöglich abgewickelt und beendet werden. Zudem wurde eine interne Untersuchung angekündigt.[19]

Österreich

Nach dem Magazin Falter, das zu den Medien gehört, die im Fall der Panama Papers recherchieren, sind viele mittelständische Unternehmen aus Österreich in den Daten von Mossack Fonseca zu finden. Zudem dienten Wiener Banken speziell osteuropäischen Politikern und Oligarchen dazu, in Offshore-Firmen ausgelagerte Geldmittel zu nutzen. Namentlich wird in diesem Zusammmenhang auch die Bank Hypo Vorarlberg genannt.[15]

Reaktionen und Folgen

Frankreich

Die französische Finanzstaatsanwaltschaft stellte erste Untersuchungen an. Präsident François Hollande will Steuerhinterzieher verurteilen und bestrafen.[20]

Island

Durch die Panama Papers wurde bekannt, dass Ministerpräsident Sigmundur Davíð Gunnlaugsson von 2007 bis 2009 Miteigentümer der Briefkastenfirma Wintris Inc. war, die während der Finanzkrise in Island zu den Gläubigern der in Insolvenz gegangenen Finanzinstitute Landsbanki und Kaupthing Bank gehört hatte. Daraufhin demonstrierten zwei Tage lang Zehntausende vor dem Parlament in Reykjavik und forderten den Rücktritt Gunnlaugssons.[21] Am 4. April 2016 gab der Politiker seinen Verzicht auf das Amt des Regierungschefs bekannt, erklärte aber, seinen Posten als Parteivorsitzender behalten zu wollen.[22][23]

Tschechien

Der tschechische Ministerpräsident Bohuslav Sobotka äußerte sich positiv zu den Enthüllungen: „Die Panama Papers machen einmal mehr deutlich, wie sehr das Karussell von Offshore-Firmen und Steuerparadiesen eine Verhöhnung aller Menschen ist, die ehrlich arbeiten und Steuern zahlen“.

Russland

Im kremleigenen Nachrichtenportal Sputnik News vom 28. März 2016 bezeichnete Dmitri Sergejewitsch Peskow, der Pressesprecher von Wladimir Putin, die bevorstehenden Enthüllungen schon im Vorfeld als „internationale Medienattacke“ gegen den russischen Staatspräsidenten. Es werde versucht, dessen Familie „informationsseitig zu treffen“. Zudem würden „Putins Freunde aus der Kindheit erwähnt werden, Unternehmer wie Juri Kowaltschuk, Arkadi Rotenberg, Boris Rotenberg und andere.“[24][25] Die freie Berichterstattung über die Panama Papers wurde in Russland weitgehend unterdrückt. [26]

China

China hat seine staatliche Zensur angewiesen, sämtliche Erwähnungen der Panama Papers zu unterbinden.[27]

Chile

Der Chef von Transparency International Chile, Gonzalo Delaveau, reichte am 4. April 2016 seinen Rücktritt ein. Delaveau wurde in den Panama Papers mit mindestens fünf Briefkastenfirmen in Verbindung gebracht. Der Rücktritt wurde vom Vorstand angenommen, wie die Organisation via Twitter mitteilte.[28]

Reaktionen relevanter Privatpersonen

Der ehemalige britische Botschafter und Menschenrechtsaktivist Craig Murray befürchtet, dass das Internationalen Konsortium von Investigativen Journalisten westliche Politiker und Unternehmen deckt[29], da große westliche Firmen seine Geldgeber seien.[8] Die Süddeutsche Zeitung weist dies entschieden zurück: In den Panama Papers seien bislang keine Unterlagen über US-amerikanische oder deutsche Politiker aufgetaucht. Einzige Ausnahme sei Helmut Linssen, der bereits 2014[30] zurückgetreten ist, als seine Offshore-Firma bekannt wurde.[7]

Edward Snowden bezeichnete die Panama Papers als „größten Leak in der Geschichte des Datenjournalismus“.[31]

Siehe auch

Publikationen

Commons: Panama Papers – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b Süddeutsche Zeitung: Die Panama Papers – das bisher größte Datenleak. In: sueddeutsche.de. Süddeutsche.de, abgerufen am 4. April 2016.
  2. Panama Papers: Ein globales Netz für geheime Vermögen. In: tagesanzeiger.ch. tagesanzeiger.ch/, abgerufen am 4. April 2016.
  3. Süddeutsche Zeitung: Putins reiche Freunde – die Spur des geheimen Geldes. In: sueddeutsche.de. Süddeutsche.de, abgerufen am 4. April 2016.
  4. [1] Stuttgarter Nachrichten, 4. April 2016.
  5. What are the Panama Papers? A guide to the biggest data leak in history. In: The Guardian, 3. April 2016 (englisch).
  6. a b Martha M. Hamilton: Panamanian Law Firm Is Gatekeeper To Vast Flow of Murky Offshore Secrets. International Consortium of Investigative Journalists, 4. März 2016, abgerufen am 4. April 2016.
  7. a b Süddeutsche.de GmbH: Panama Papers – Häufige Fragen zu Panama Papers - und Antworten. In: Süddeutsche.de. 5. April 2016, abgerufen am 5. April 2016.
  8. a b craig: Corporate Media Gatekeepers Protect Western 1% From Panama Leak 397. In: Craig Murray. 4. April 2016, abgerufen am 4. April 2016.
  9. Spiegel Online: Panama Papers: Veröffentlicht, nicht öffentlich. In: Spiegel Online. 4. April 2016, abgerufen am 5. April 2016.
  10. DocumentCloud. In: DocumentCloud. Abgerufen am 5. April 2016.
  11. Süddeutsche Zeitung: Die Panama Papers – das bisher größte Datenleak. In: Süddeutsche.de. Abgerufen am 5. April 2016.
  12. Офшоры. Вскрытие. In: krug.novayagazeta.ru. Abgerufen am 3. April 2016.
  13. "Panama Papers": Russland sieht Informationsattacke des Westens. In: gmx.at. Abgerufen am 3. April 2016.
  14. The Power Players. In: icij.org. panamapapers.icij.org, 3. April 2016, abgerufen am 4. April 2016.
  15. a b Florian Klenk, Josef Redl: Die große Offshore-Schau. Falter, 3. April 2016, abgerufen am 4. April 2016.
  16. The Panama Papers Numbers. In: icij.org. panamapapers.icij.org, abgerufen am 4. April 2016.
  17. Süddeutsche.de GmbH: Panama Papers – Mehrere Tausend Deutsche nutzten Briefkastenfirmen von Mossack Fonseca. In: Süddeutsche.de. 4. April 2016, abgerufen am 4. April 2016.
  18. Hans Drachmann: Danskere i skjul: Broget dansk flok har selskaber i Panama. In: Politiken.dk. 5. April 2016, abgerufen am 6. April 2016 (dänisch).
  19. John Hansen: Nordea kulegraver alle offshore-forretninger. In: Politiken.dk. 5. April 2016, abgerufen am 6. April 2016 (dänisch).
  20. France opens probe after Panama leaks. In: Reuters. 4. April 2016, abgerufen am 4. April 2016.
  21. "Panama Papers" provozieren Massenprotest in Island. N24, 4. April 2016, abgerufen am 5. April 2016.
  22. Panama Papers – Island Regierungschef tritt zurück. In: Die Zeit vom 4. April 2016.
  23. Panama Papers: Islands Premier Gunnlaugsson kündigt Rücktritt an. In: sueddeutsche.de. ISSN 0174-4917 (sueddeutsche.de [abgerufen am 5. April 2016]).
  24. Sputnik: Kreml warnt vor bestellter Medienattacke auf Putin. In: Sputnik Deutschland. 28. März 2016, abgerufen am 5. April 2016.
  25. Süddeutsche.de GmbH: Panama Papers – Was die Panama Papers in Russland auslösen. In: Süddeutsche.de. 4. April 2016, abgerufen am 5. April 2016.
  26. SRF vom 04.04.16: «Der Grossteil der Russen kriegt den Offshore-Skandal nicht mit»: http://www.srf.ch/news/international/der-grossteil-der-russen-kriegt-den-offshore-skandal-nicht-mit
  27. Guardian vom 4. April 2016 - http://www.theguardian.com/news/2016/apr/05/all-mention-of-panama-papers-banned-from-chinese-websites
  28. http://www.sueddeutsche.de/politik/panama-papers-proteste-in-island-premier-zeigt-sich-offen-fuer-neuwahlen-1.2932195
  29. How the Center for Public Integrity is Funded. In: Center for Public Integrity. 7. März 2011, abgerufen am 4. April 2016.
  30. Süddeutsche.de GmbH: Helmut Linssen – CDU-Schatzmeister versteckte Geld in Panama. In: Süddeutsche.de. 10. Februar 2015, abgerufen am 5. April 2016.
  31. Edward Snowden: Twitter. Twitter, archiviert vom Original am 3. April 2016; abgerufen am 3. April 2016: „Biggest leak in the history of data journalism just went live, and it's about corruption. http://panamapapers.sueddeutsche.de/en/“