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Benutzer:Arcitorius10/Bamberger & Hertz

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Bamberger & Hertz

Rechtsform offene Handelsgesellschaft
Gründung 1889
Auflösung 1938/39 (Arisierung)
Sitz Frankfurt am Main
Leitung Heinrich, Gustav, Ludwig und Fritz Bamberger
Mitarbeiterzahl 700 (1932)
Umsatz 12 Mio. Reichsmark (1932)
Branche Herrenbekleidung, Textileinzelhandel


Bamberger & Hertz war ein inhabergeführtess deutsche Herrenbekleidungsunternehmen mit sechs Standorten in Süddeutschland. Die reichsweit bekannte Textileinzelhandels-Gruppe war von 1904 bis 1938 am Markt.


Geschichte

Gründung und Aufbau

1889 gründet Jacob Bamberger mit seinem Schwager Karl Hertz in Worms ein Spezialgeschäft für Herren- und Knabenbekleidung.[1] Unter dem Namen Bamberger & Hertzbauten Jacob Bambergers Söhne eine Einzelhandels-Kette für Herren- und Knabenmode auf: Heinrich Bamberger eröffnete 1904 in Frankfurt/Main (Zeil 112) ein erstes Herrenmodehaus. Max Bamberger folgte 1910 in Stuttgart (Poststraße 2), Ludwig und Gustav Bamberger 1911 im familieneigenen Königsbau in Leipzig (Goethestraße 1). Fritz Bamberger schloss im Oktober 1914 mit Eröffnung des vierten Standorts in München (Kaufingerstraße 22, heute 28) die Aufbauphase ab. Das Einzelhandelsgeschäft in Worms betrieb Jacob Bamberger bis zum Tod seiner Frau Frieda 1907. Dann zog er zu seinem ältesten Sohn Heinrich Bamberger nach Frankfurt/Main. Das Geschäft übernahm 1909 die Wormser Familie Adler.

Die Bamberger-Gruppe in der Weimerer Republik

Nach der Konsolidierung der vier Häuser in der Weimarer Republik expandierte „Bamberger & Hertz“ nach Köln. 1928 eröffnete das fünfte Herrenkonfektionshaus (Breite Straße, Ecke Berlich). Ein Jahr später firmierte auch Leopold Oppenheimer, verheiratet mit Hella Bamberger, in Saarbrücken das „Welt-Kaufhaus“ in „Bamberger & Hertz“ (BahnhofstraßeXX) um. Ende der 1920er-Jahre zählte die Unternehmensgruppe in Sortiment, Werbung und Preisgestaltung zu den progressivsten der Herren- und Knabenbekleidungsbranche im Deutschen Reich. 1927 etwa schrieb die Dresdner Bank: „Die Firma gehört zu den ersten und bedeutendsten Konfektionshäusern in Deutschland, erfreut sich allerbesten Ansehens.“ Fundamente des Erfolges bildeten des Sortiments sowie die Preisgestaltung. Für die Qualität und Auswahltiefe des Sortiments aller Häuser war der Zentraleinkauf unter Leitung von Johann Baptist „Hans“ Hirmer verantwortlich. Bereits vor 1910 nahm der Textileinzelhändler Sommer- und Wintersportmode in das Sortiment. 1935 statte Bamberger & Hertz als erstes Fachgeschäft in Deutschland alle Herrenhosen mit Reißverschlüssen aus. Bamberger & Hertz arbeitete mit nicht verhandelbaren Festpreisen und zeichnete die Ware sichtbar aus. Zum Erfolg trugen die originellen Werbemaßnahmen bei. 1925 bündelte die Gruppe die Produktwerbung in einer Werbezentrale unter Leitung des Reklamefachmanns Emil Haller. Werbegrafiker wie Josef Mauder, Karl Boehmer, Max Schwarzer oder Henry Ehlers arbeiteten für Bamberger & Hertz. 1929 engagierte das Familienunternehmen den Fotografen Albert Renger-Patzsch. Reichsweite Bekanntheit erreichte die Werbefigur „Der freundliche Herr“, die von 1928 bis 1934 die Werbung des Herrenausstatters prägte. Die Zeitschrift „Gebrauchtsgrafik“ stellte 1932 fest: „Die Werbefeldzüge der Firma Bamberger & Hertz“ gehören zu den erfolgteichsten, die in den letzten Jahren in Deutschland unternommen wurden.“ Professionell geführt war auch die Kundenbindung: Drei Angestellten pflegten die Kundenkartei mit 363.500 Stammkunden. Für die Zielgruppe Kinder und Jugendliche gab es eigene Werbemaßnahmen: So erschien eine eigene Zeitschrift „Der freundliche Herr. Monatsschrift der Bamberger & Hertz-Buben“ mit Beiträgen von Autoren wie etwa Erich Kästner. 1930 bis 1932 erreichte die Bamberger & Hertz-Gruppe mit ihren bis zu 700 Beschäftigten einen Jahresumsatz von 12 Millionen Reichsmark und damit etwa drei Prozent des Branchenumsatzes.

Anfeindungen und Repressionen im NS-Staat

Die Machtübernahme der Nationalsozialisten markiert den Anfang des Endes der Unternehmensgruppe. Die Boykotte jüdischer Geschäfte am 1. April 1933 bedeuteten eine starke Einschüchterung der Kunden wie der Mitarbeiter: In München bekleben SA-Männer die Bamberger & Hertz-Schaufenster in der Augustinerstraße mit Plakaten. In den folgenden Jahren wirkte sich die repressive Politik der Nationalsozialisten, die auf die Verdrängung der jüdischen Gewerbetreibenden aus der Wirtschaft des Deutschen Reichs zielte, immer stärker auf die Unternehmensgruppe aus. Antisemitischen Anfeindungen folgten direkte Übergriffe: In München drang im Mai 1935 ein Mob in das Geschäft ein und droht, alles kurz und klein zu schlagen. Existenzbedrohend war die Einschränkung der Produktwerbung. Behörden und Verlage begannen ab 1935, Plakate und Inserate zu verbieten oder abzulehnen. BU: Wo das Unternehmen noch werben konnte, überklebten Parteiaktivisten Plakate mit antisemitischen Parolen. Den Verlust an Werbeöffentlichkeit konnte die Bamberger-Gruppe auch nicht durch erlaubte Werbeformen wie etwa Kinoreklame ausgleichen. In der Folge entkoppelte sich der Gruppen-Umsatz vom Branchentrend und stürzte von 1932 bis 1938 um 42 % ab. Die beiden Häuser in Frankfurt/Main und Saarbrücken mussten bis 1937 geschlossen werden: Das Haus in Saarbrücken wurde nach Angliederung des Saarlandes an das Deutsche Reich aufgelöst. Die Familie Oppenheimer, die sich für einen Verbleib des Saarlandes bei Frankreich stark gemacht hatte, zog fluchtartig nach Paris. Ihr Sohn Max Ophüls wurde als Filmemacher berühmt. Im Haus in Frankfurt/Main halbierte sich wegen massiver antijüdischer Hetze der Umsatz bis 1934. Besonders aktiv war dort die Nationalsozialistische Betriebszellenorganisation (NSBO): Angestellte legten den Versandkartons Flugzettel mit der Aufforderung bei, nicht bei Juden zu kaufen. Heinrich Bamberger starb 1934 als gebrochener Mann; seine Kinder Willy, Frieda und Franz konnten nach England emigrieren. Zum Jahresende 1935 wurde das Haus an Peek & Cloppenburg veräußert.

Zerschlagung und Arisierung

Angesichts der antijüdischen Repressionen sah Fritz Bamberger, nach dem Tod Heinrich Bambergers der eigentliche Lenker des Konzerns, die Notwendigkeit zu handeln. Einen Verkauf der gesamten Bamberger & Hertz-Gruppe an Peek & Cloppenburg lehnten die deutschen Behörden im Sommer 1938 ab. Es blieb nur die Zerschlagung der Gruppe und die Veräußerung der einzelnen Standorte.

Bamberger & Hertz München

In München gelang es Fritz Bamberger, das Haus an Vertraute zu übergeben, die er in den leitenden Angestellten Hans Hirmer und Emil Haller fand. Die am 25. August 1938 gegründete Hirmer & Co. KG übernahm durch Kauf alle Werte des Münchener Bamberger & Hertz-Hauses. Trotz aller Bemühungen von Hans Hirmer und Rechtsberater Dr. Werner Hilpert zielten die von den Behörden durchgesetzten Bedingungen des Verkaufs darauf ab, Fritz Bamberger unwiderruflich und zu für ihn möglichst ungünstigen Bedingungen aus dem Unternehmen zu drängen. Die Endgültigkeit des erzwungenen Verkaufs hob allerdings ein mündliches, nicht schriftlich festgehaltenes „Gentlemen ́s Agreement“ zwischen Fritz Bamberger und Hans Hirmer auf, das hinter den offiziellen Verträgen geschlossen wurde. Demnach sagte Hirmer Bamberger zu, das Unternehmen als „Sachwalter“ treuhänderisch zu führen und ihm nach Ende des NS-Regimes die Rückkehr in das Unternehmen zu ermöglichen. Noch vor den Pogromen am 9. und 10. November 1938 eröffnete das Haus nach behördlicher Genehmigung von Ende Oktober 1938 am 5. November 1938 unter dem Namen Hirmer. Bei den Pogromen wenige Tage später blieb es weitgehend unbeschädigt. Hans Hirmer behielt Organisation und Werbeauftritt des Unternehmens bei und führte das Unternehmen durch den Zweiten Weltkrieg.

Bamberger & Hertz Stuttgart

Das Haus Stuttgart, das Fritz Bamberger seit Max Bambergers Tod 1928 führt, will er ebenfalls an seinen Vertrauten Hans Hirmer übergeben. Doch der NSDAP nahestehende Textilhändler vor Ort verhindern einen Verkauf. Die Niederlassung wird in der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 schwer beschädigt, wie US-Konsul Samuel Honaker an die US-Botschaft berichtet. Im Januar 1939 werden die Immobilie und das Geschäft weit unter Wert an die Firma Bachmann & Maurer zwangsverkauft.

Bamberger & Hertz Köln

An dem jüngsten Bamberger & Herzt-Haus in Köln zeigte die Hamburger Textilhandelskette Esders & Dyckhoff großes Interesse. Die reichsweit agierende Handelskette verfügte über gute Verbindungen zum NS-Staat und stand in unmittelbarer Konkurrenz zur Bamberger-Gruppe. 1938 nutzte sie die Zwangslage des jüdischen Familienunternehmens aus und erwarb im August 1938 das Köln Haus rund 450.000 Reichsmark unter Schätzwert.

Bamberger & Hertz Leipzig

Anders als Fritz Bamberger verweigerte sich Gustav Bamberger in Leipzig trotz aller Repressalien, das Herrenkonfektionshaus zu verkaufen. In der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 wurde es durch Brandstiftung zerstört. Das Geschäft wurde polizeilich geschlossen, Gustav Bamberger unter dem Vorwurf der Brandstiftung und des versuchten Versicherungsbetrugs enteignet. Der amtlich bestellte Liquidator meldete dem Amtsgericht Leipzig am 10. Dezember 1938 die Auflösung der Firma. Ludwig Bamberger, der sich bereits 1936 aus dem Unternehmen zurückgezogen hatte, und seine Frau Olga blieben in Leipzig. Sie starben nach ihrer Deportation in den Jahren 1942 und 1944 im Konzentrationslager Theresienstadt. Ihre Kinder Heinz und Elisabeth konnten in die USA emigrieren. Gustav Bamberger glückte die Flucht nicht mehr. Er kam zu einem unbekannten Zeitpunkt in einem Vernichtungslager bei Riga um.

Fritz Bamberger gelang als einzigem der Brüder die Flucht in die USA. Mit seiner Familie emigrierte er am 29. März 1939 mittellos über England in die USA: Die auf Sperrkonten überwiesenen Kauferlöse für die Häuser in Köln, Stuttgart und München wurden zugunsten des Deutschen Reichs eingezogen. In den Vereinigten Staaten baut sich Fritz Bamberger eine neue, wesentlich bescheidenere Existenz im Bereich Damenmoden auf. Nach Kriegsende wird er US-Bürger.

Rückerstattung und Wiedergutmachung

Fritz Bamberger kämpft nach Ende der NS-Herrschaft jahrelang um Entschädigung für das enteignete Vermögen der gesamten Familie. In den Westzonen vertritt der ehemalige Bamberger & Hertz-Rechtsberater und Buchenwald-Überlebende Dr. Werner Hilpert die Familie. Die in Leipzig in der Sowjetischen Zone liegenden Vermögenswerte schienen für immer verloren. In den westlichen Besatzungszonen konzentrierten sich Bamberger und Hilpert vor allem auf das Haus in München.

Ausgleich in München

Dort stand Hans Hirmer zu dem 1938 getroffenen „Gentlemen´s Agreement“ und nahm nach Kriegsende Kontakt zu Fritz Bamberger auf. Für diesen stand außer Frage, dass Hirmer das Unternehmen in München weiterführen sollte. Er selbst lehnte es ab, von den USA nach München zurückzukehren. Für beide bestand Übereinstimmung, dass bei der Rückabwicklung des Tarngeschäfts von 1938 auch die Leistung von Hans Hirmer beim Erhalt des Unternehmens von 1938 bis 1945 und bei dessen Wiederaufbau nach Ausbombung im Januar 1945 und Plünderung zu Kriegsende Berücksichtigung finden musste. Trotz dieses Grundkonsenses ziehen sich die komplizierten Verhandlungen bis 1949 hin. Schließlich schließen beide am 21. November 1949 einen Vergleich. Dieser berücksichtigt ausgleichend einerseits die Eigentümerrechte von Fritz Bamberger an dem unter dem Zwang der Nationalsozialisten verkauften Unternehmen Bamberger & Hertz München, indem das Unternehmen vollumfänglich rückerstattet wird, andererseits die Leistung von Hans Hirmer bei der Führung des Unternehmens als Sachwalter während und nach dem Krieg, indem der Vergleich Fritz Bamberger und Hans Hirmer auf gemeinsame Gründung eines Nachfolgeunternehmens verpflichtet. Im Handelsregister findet dies Niederschlag durch die zeitgleiche Löschung der Sachwalterfirma und Eintragung der gemeinsam neu gegründeten Firma Hirmer & Co. KG zum 21. Juni 1948, dem Tag der Währungsreform in den Westzonen. Die Übernahme des Münchner Hauses des Textileinzelhandelsunternehmens Bamberger & Hertz ist einer von nur drei bekannten Fällen in München, bei denen sich die Käufer an den im NS-Staat nahezu außer Kraft gesetzten Verhaltensregeln des „ehrbaren Kaufmanns“ orientierten und mündlich vereinbarten, die Geschäftsübergabe nach Änderung der politischen Verhältnisse nachzubessern oder rückabzuwickeln, und sich nach 1945 auch an die Abmachung hielten.

Prozesse um Stuttgart und Köln

Ganz anders dagegen stellte sich die Situation für die beiden anderen Standorte in Köln und in Stuttgart dar. Weder zeigten sich dort die Käufer bereit, Ansprüche der Familie Bamberger anzuerkennen, noch war es ihnen gelungen, nach den Ausbombungen restitutionsfähige Unternehmen wiederaufzurichten. Stattdessen bestanden die Arisierungsprofiteure darauf, dass die Kaufverträge rechtmäßig zustande gekommen seien. In langwierigen juristischen Prozessen erstritt Fritz Bamberger mit Unterstützung von Dr. Werner Hilpert Entschädigungszahlungen.

Austritt Fritz Bamberger aus Hirmer & Co.

Alle emigrierten Mitglieder der Familie Bamberger verblieben auch nach Gründung der Bundesrepublik weiter in den USA, da sie aus Sicherheitsgründen nicht mehr in Deutschland leben wollen. Die Geschäftsführung des gemeinsamen Unternehmens überließ Fritz Bamberger weitgehend Hans Hirmer. Er zog sich schließlich rückwirkend zum 31. Dezember 1950 ganz aus der Gesellschaft zurück. Neben der Furcht vor der Ausweitung des Korea-Kriegs auf Europa und damit einen erneuten Verlust seines Eigentums in Deutschland dürfte vor allem die Sorge um die finanzielle Altersversorgung seiner Familie das Motiv für die Auszahlung und seinen Austritt aus der Hirmer & Co. KG (neu) gewesen sein. Hans Hirmer blieb seinem Förder verbunden und zahlte ihm eine Pension. Die Familien Bamberger udn Hirmer sind bis heute freundschaftlich verbunden.

Restitution des Königsbaus in Leipzig

Damit endet das wirtschaftliche Engagement der Familie Bamberger in Deutschland nicht. Nach der deutsch-deutschen Wiedervereinigung 1990 erhalten Henry und Li Bamberger das Eigentum am Königbau in Leipzig von der Treuhandanstalt vollständig restituiert.

Literatur

  • Aufgezählter Listeneintrag

Wolfram Selig: Bamberger & Hertz. In: Wolfram Selig: „Arisierung“ in München. Die Vernichtung jüdischer Existenz 1937 – 1939. Metropol Verlag, Berlin 2004, ISBN: 3-936411-33-6, S. 190-194.

  • Aufgezählter Listeneintrag

Andrea Lorz: "Der Freundliche Herr" lädt ein zum Kauf. Bamberger & Hertz, Herren- und Knabenkonfektion, Königsbau, Goethestraße 1. In: Andrea Lorz: Suchet der Stadt Bestes. Lebensbilder jüdischer Unternehmer aus Leipzig. Pro Leipzig Verlag, Leipzig 1996, ISBN: ISBN-10: 3-000005-97-8, S. 42-67.

Jüdische Museum Berlin: Bamberger & Hertz München (http://www.jmberlin.de/1933/2013/04/01/boykottaktion-am-geschaftshaus-bamberger-hertz/)

Bayerischer Rundfunk: Hörspiel „Bamberger, Hertz und Hirmer“, 20.06.2012 (http://www.br.de/unternehmen/inhalt/bildungsprojekte/arisierung-audioguide-audio-bamberger100.html)

Hirmer Gruppe München: Geschichte (http://www.hirmer-gruppe.de/ueber-uns/geschichte)

Einzelnachweise

  1. Andrea LorzXX.