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Diakoniewerk Halle

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Das Diakoniewerk Halle ist eine soziale Einrichtung die als diakonisches Unternehmen in Halle (Saale) ein Krankenhaus, zwei Altenpflegeheime, eine Kindertagesstätte, ein Wohnheim für Menschen mit Behinderung sowie ein Ausbildungszentrum für Pflegeberufe betreibt. Seit 1991 gehört auch die Poli Reil als Tochterunternehmen zum Diakoniewerk Halle. Das Diakoniewerk ist als kirchliche Stiftung bürgerlichen Rechts organisiert. Oberstes Gremium ist ein Kuratorium,[1] Vorsitzender ist seit März 2014 der Theologe und Regionalbischof Johann Schneider.[2]

Das Diakoniewerk Halle ist Mitglied im Kaiserswerther Verband.

Geschichte

Erstes Bettenhaus 1868
Kirche im Diakoniewerk

Am 6. Juli 1857 wurde die Diakonissenanstalt mit der Weihung des Mutterhauses gegründet. Die Gründung erfolgte auf Initiative von Mathilde Tholuck, Ehefrau des halleschen Theologie-Professors August Tholuck, die sich an der Arbeit des Diakonissenhauses in Kaiserswerth orientierte. 1868 wurde am heutigen Standort im Mühlweg ein Neubau als erstes modernes Großkrankenhaus Halles eröffnet. In dem Gebäude mit drei Etagen waren neben Patientenzimmern auch eine Apotheke, sowie Wohnungen für die Hausgeistlichen, Diakonissen, Büros, Wirtschaftsräume und eine Kapelle untergebracht.[3]

1872 wurde Pastor Otto Jordan mit der geistlichen und wirtschaftlichen Leitung der Diakonissenanstalt betraut. Er übte diese Funktion 44 Jahre lang bis 1916 aus und war damit maßgeblich für die weitere Ausrichtung und Entwicklung der Einrichtung verantwortlich. Er trieb vor allem den Ankauf weiterer Grundstücke voran und warb dafür um die Gunst neuer finanzieller Wohltäter. In seiner Amtszeit entstanden zahlreiche neue Gebäude, unter anderem 1883 der Martinstift, welches von Beginn an als erstes Altenheim konzipiert war, 1886 ein Schwesternhaus (das heutige Mutterhaus). [4]

1893 erhielt die Diakonissenanstalt eine eigene Kirche, die von Friedrich Fahro nach dem Wiesbadener Programm entworfen wurde. Die neogotische Inneneinrichtung ist bis heute fast vollständig erhalten. 1908 erhielt die Kirche eine Orgel. 1918 wurde der Anstaltsgemeinde das Parochialrecht zuerkannt.[5]

Anfang des 20. Jahrhunderts folgten zahlreiche weitere Neubauten, unter anderem eine Wäscherei (1903), ein Kindergärtnerinnen- und Hortnerinnen-Seminar (1908), eine Hauswirtschaftsschule (1911), ein Säuglingsheim (1911) sowie der Jugendhof mit Kinderhort und Kindergarten (1914). Die Schwesternschaft der Diakonissen erlebte in diesen und den folgenden 20 Jahren ihre Blütezeit. Bis kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs gehörten mehr als 400 Diakonissen, Novizinnen, Probeschwestern und Diakonissenschülerinnen zum halleschen Mutterhaus.

Am 5. Juli 1945 beschlagnahmte die Rote Armee das Krankenhaus mit seinen 360 Betten und betrieb ein eigenes Lazarett. Das "Gartenkrankenhaus" mit etwa 80 Betten verblieb bei der Diakonissenanstalt und wurde weiterhin als Krankenhaus betrieben.

Zwischen 1948 und Ende der 1990er Jahre etablierte sich das Mutterhaus der Diakonissenanstalt als ein wichtiges Zentrum der Kirchenpolitik. Hier fanden regelmäßig die Synoden der Kirchenprovinz Sachsen statt. Zum ersten Mal tagte die Synode am 12. Oktober 1948 im Mutterhaus.[6]

In den 1960er Jahren ging die Anzahl der Diakonissen stark zurück. Neueinsegnungen wurden seltener. Im Jahr 1978 wurde die letzte Diakonisse eingesegnet. Parallel dazu verringerten sich auch die Mitgliedszahlen der evangelischen Gemeinden im Osten Deutschlands. 1982, zum 125-jährigen Bestehen der Diakonissenanstalt, erfolgte die Umbenennung der Einrichtung in Evangelisches Diakoniewerk Halle. Damit einher gingen strukturelle Veränderungen, unter anderem die Einrichtung einer Vertretung der Mitarbeitenden. Dieser Prozess wurde wesentlich vom damaligen Rektor Reinhard Turre begleitet und im engen Austausch mit Verantwortlichen des Kaiserswerther Verbandes der Bundesrepublik vollzogen.[7]

Ab 1990

Nach der Wiedervereinigung Deutschlands wurde 1991 das beschlagnahmte Krankenhaus an die Stiftung zurückgegeben. Gemeinsam mit dem Diakoniewerk Kaiserswerth wurde eine gemeinnützige GmbH gegründet, die fortan die bis dahin eigenständige Poli Reil betreibt. Zum 1. Januar übernahm das Diakoniewerk die Trägerschaft sowie das Gebäude der Hautklinik Harz, die bis dahin dem staatlich geführten Bezirkskrankenhaus Halle angehörte.[8][9]

Neben der professionellen Betreuung und Pflege von kranken bzw. alten Menschen ist das Diakoniewerk ab den frühen 1990er Jahren sehr aktiv bei der Förderung bürgerschaftlichen Engagements. Im Juli 1993 gründet sich im Martinstift die Regionalgruppe Halle des Deutschen Sozialwerks, im Jahr 1999 ist das Diakoniewerk Gründungsmitglied der Freiwilligenagentur Halle.

1996 erhielt die Einrichtung ihren heutigen Namen. Am 28. April 1996 wurde das Johannes-Jänicke-Haus eingeweiht, welches ein Altenpflegeheim beherbergt. Finanziert wurde der Neubau aus Mitteln des Landes Sachsen-Anhalt, des Bundes und der Stadt Halle. Darüber hinaus wurden auch Gelder aus Lotteriefonds, des Diakonischen Werks der EKD, aus Eigenmittels und Spenden eingesetzt. Der Name des Hauses würdigt Bischof Johannes Jänicke, der auch in Halle aktiv war und als Kuratoriumsvorsitzender des Diakoniewerks wirkte.[10] Die Innengestaltung wurde von Studierenden der Kunsthochschule Burg Giebichenstein konzipiert und umgesetzt.[11]

1996 wurden außerdem im Bethcke-Lehmann-Haus ein Wohnheim für Menschen mit Behinderung und eine Kindertagesstätte neu eingerichtet.

2002 wurde das Ausbildungszentrum für Pflegeberufe gegründet in welchem die verschiedenen Ausbildungsangebote zusammengefasst angeboten wurden.[12][13]

Zwischen 2004 und 2009 wurden neue Gebäude auf dem Gelände des Diakoniewerks errichtet. Mit dem Mathilde-Tholuck-Haus wurde 2004 ein weiteres Altenpflegeheim in Betrieb genommen, konzipiert für Menschen mit Demenzerkrankung. Das Gartenkrankenhaus wurde 2006 ersetzt durch einen Funktionstrakt der sowohl neue OP-Säle und eine Intensivstation wie auch ein Radiologisches Zentrum und eine Notaufnahme beherbergt. 2009 wurde ein neues Bettenhaus eingeweiht.

Im März 2014 wurde das Diakoniewerk Halle zum Gesellschafter der Christlichen Akademie für Gesundheits- und Pflegeberufe Halle. Mit dieser Beteiligung wurde das eigene Ausbildungszentrum aufgelöst bzw. die dort angebotenen Ausbildungen in eine neue Trägerschaft überführt.[14][15]

Heute sind im Diakoniewerk Halle etwa 600 Mitarbeitende beschäftigt. Die verbliebenen 21 Diakonissen (Stand September 2013) sind aus dem aktiven Dienst ausgeschieden und lediglich ehrenamtlich im Diakoniewerk tätig.

Diakoniekrankenhaus

Studie von Dr. Kurt Witthauer
zu Aspirin

Mit einem neu errichteten Bettenhaus im Mühlweg nahm 1868 das Krankenhaus seinen Betrieb auf. Es war das erste Großkrankenhaus in Halle (Saale). Erster allgemeiner Chefarzt des Krankenhauses war Dr. Barries.[16]

Von Beginn an war das Krankenhaus nicht nur ein Ort der Pflege, sondern durch die dort wirkenden Ärzte auch für Wissenschaft und Forschung wichtig. Seit 1876 operierte Alfred Genzmer seine Patienten im Diakoniekrankenhaus. Er nahm die Listersche Lehre von der Antisepsis auf und führte wie auch in der Universitätsklinik die antiseptische Wundbehandlung ein. Als berufener Professor an der Universität setzte er seine Lehren im Diakoniekrankenhaus in die Praxis um. 1894 wurde er Chirurgischer Chefarzt und behielt diese Position bis zu seinem Tod im Jahr 1912.[16]

Als eines der ersten Krankenhäuser in Halle verfügte das Diakoniekrankenhaus ab 1895 über ein Röntgenzimmer[16] und war eines der ersten mit einer kompletten Röntgenstation.

1898 testete der Gynäkologe Kurt Witthauer den Wirkstoff Acetylsalicylsäure an 50 Patienten und erforschte seine fiebersenkende und schmerzstillende Wirkung. Nach diesen Tests wurde der Wirkstoff unter dem Namen Aspirin massenhaft hergestellt und in den Handel gebracht.

Ab 1981 wurde Hans-Joachim Maaz zum Chefarzt der neu eingerichteten Klinik für Psychotherapie und Psychosomatik und entwickelte hier seinen eigenen Therapieansatz.

Zwischen 1945 und 1991 wurde das heutige Hauptgebäude des Krankenhauses als Lazarett der Roten Armee genutzt. Medizinische Versorgung für die Bevölkerung Halles war nur in Nebengebäuden wie dem Gartenkrankenhaus möglich, welches in den späten 90ern abgerissen wurde.[17]

Ab 1995 wurde die Chirurgie neu strukturiert. Zunächst wurde durch Dr. Blumenstein eine eigenständige Klinik für Gefäßchirurgie gegründet, ab 1996 wurde unter Dr. Olaf Fischbeck eine thoraxchirurgische Abteilung etabliert. 1997 wurde die Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Thoraxchirurgie mit Chefarzt Uwe Rose gegründet.[16]

Heute ist das Krankenhaus ein Schwerpunktversorger mit Spezialisierung auf Geriatrie, Psychosomatik, Pneumologie, Chirurgie (besonders Thorax- und Visceralchirurgie) sowie Gastroenterologie und Angiologie. Mit dem Darmzentrum Diako und dem Lungenkrebszentrum Diako betreibt das Krankenhaus zwei zertifizierte, interdisziplinär arbeitende Organzentren.[18][19]

Das Krankenhaus verfügt über 230 Betten und 30 tagesklinische Plätze.

Das Diakoniekrankenhaus ist akademisches Lehrkrankenhaus der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.

Persönlichkeiten

Literatur

  • Alfred Genzmer / Otto Fritz Das evangelische Diakonissenkrankenhaus zu Halle, Halle 1907
  • Christoph Radbruch, Elisabeth Koch Von der Diakonissenanstalt zum Diakoniewerk Halle, Halle 2011

Quellen

  1. Homepage des Diakoniewerks Halle
  2. Neuer Vorsitzender des Kuratoriums - Meldung auf der Seite des Diakoniewerks vom 1. April 2014
  3. Alfred Genzmer Das evangelische Diakonissenkrankenhaus zu Halle Halle 1907, S.4
  4. Christoph Radbruch, Elisabeth Koch Von der Diakonissenanstalt zum Diakoniewerk Halle, Halle 2011, S. 57 ff.
  5. Christoph Radbruch, Elisabeth Koch Von der Diakonissenanstalt zum Diakoniewerk Halle, Halle 2011, S. 109 f.
  6. Christoph Radbruch, Elisabeth Koch Von der Diakonissenanstalt zum Diakoniewerk Halle, Halle 2011, S. 227
  7. Reinhard Turre Erfahrungen und Erwartungen. Eine Bilanz zum Abschied aus dem Dienst der Diakonie, Festrede, 2004
  8. Rote SED-Vergangenheit: Arzt muß in den Ruhestand gehen in BILD Halle am 17. Oktober 1992
  9. Aktenvermerk über die Absprachen beim Ministerium für Arbeit und Soziales des Landes Sachsen-Anhalt am 24. September 1992; Kopie im Archiv des Diakoniewerks Halle
  10. [Im Spätherbst 1995 sollen die Senioren einziehen] in die kirche, 3. April 1994
  11. Abschnitt Johannes-Jänicke-Haus auf der Homepage des Diakoniewerks
  12. Meldung Gesellschafter der Christlichen Akademie auf diakoniewerk-halle.de am 31. März 2014
  13. Ausbildung von gesundheitsberufen auf hallespektrum.de am 31. März 2014
  14. Meldung Gesellschafter der Christlichen Akademie auf diakoniewerk-halle.de am 31. März 2014
  15. Ausbildung von gesundheitsberufen auf hallespektrum.de am 31. März 2014
  16. a b c d Uwe Rose Das Diakoniekrankenhaus Halle in: Die Chirurgen-Vereinigung Sachsen-Anhalt 1990-2000 Halle 2001, S. 130
  17. Homepage des Diakoniewerks Halle > Unterseite Geschichte>20. Jahrhundert
  18. Seite des Lungenkrebszentrums und des Darmzentrums
  19. Meldung auf hallespektrum.de am 25. September 2012.

Koordinaten: 51° 29′ 38,3″ N, 11° 57′ 36,4″ O