Cluster (Physik)
Unter einem Cluster versteht man eine Ansammlung von Atomen oder Molekülen, deren Anzahl zwischen n=3 und n~50000 liegt. Aufgrund ihrer geringen Größe haben Cluster Eigenschaften, die von denen eines makroskopischen Festkörpers abweichen. Konzepte aus der Atom- und Molekülphysik versagen oft, wenn es um die Erklärung von Eigenschaften solch kleiner Partikel geht. Die Eigenschaften der Cluster stellen also ein Bindeglied zwischen Atom- und Molekülphysik auf der einen, und der Festkörperphysik auf der anderen Seite dar. Gegenstand der Forschung in diesem Gebiet ist daher, wie sich aus den Eigenschaften eines Atoms oder Moleküls die makroskopischen Eigenschaften eines Festkörpers entwickeln.
Einteilung der Cluster
Generell werden die Cluster nach Anzahl der Atome eingeteilt:
- n = 3 - 12 Atome: Mikrocluster
Für Mikrocluster sind noch alle Bestandteile des Clusters an der Oberfläche. Konzepte und Methoden der Atom- und Molekülphysik und der Oberflächenphysik sind anwendbar und brauchbar.
- n = 13 - 100 Atome: Kleine Cluster
Die Eigenschaften kleiner Cluster werden entscheidend von Quanteneffekten bestimmt. Die elektronischen Energieniveaus liegen zwar schon recht nahe beieinander, aber für eine Bänderstruktur wie im Festkörper ist die Anzahl der Atome noch zu gering. Der Einbau eines Atoms oder Moleküls kann noch sehr viel ändern. Oft existieren viele isomere Clusterstrukturen mit nahe beieinander liegenden Energieniveaus. Molekulare Konzepte verlieren ihre Brauchbarkeit. Auch hier spielt die Oberflächenphysik, wegen der großen Anzahl der Oberflächenatome des Clusters, noch eine sehr wichtige Rolle.
- n = 100 - 1000 Atome: Große Cluster
Man beobachtet einen graduellen Übergang zu den Eigenschaften des Festkörpers, wie etwa Übergänge bei Kristallgittern (Chrom hat beispielsweise bei ungefähr n=490 einen Übergang von fcc(<490) zu bcc (>490); diese Werte haben eine Schwankungsbreite von 100 Atomen.)
- n > 1000 Atome: Kleine Teilchen bzw. Nanokristalle
Einige, aber noch nicht alle Festkörpereigenschaften haben sich entwickelt. Ab ungefähr 50000 Atome habe sich die Eigenschaften nun so stark entwickelt, daß man ab dann von einem Festkörper spricht.
Klassifikation von Clustern nach dem Typ ihrer chemischen Bindung
- metallische Cluster: halbvolles Band delokalisierter Elektronen, Beispiele: Alkalimetallcluster, Al-, Cu-, Fe-, Pt-, W-, Hg-Cluster; jeweils mit n>200 Atome, mittlere Bindungsenergie: 0,5 - 3 eV
- kovalente Cluster: durch sp-Hybridisierung ausgerichtete Bindung durch Elektronenpaare; Beispiele: C-, Si-, Hg-Cluster; jeweils mit 30<n<80 Atomen, mittlere Bindungsenergie: 1 - 4 eV, Hg~0,5 eV
- ionische Cluster: Bindung durch Coulomb-Kräfte zwischen Ionen, Beispiele: (KF)-, (CaI2)-Cluster, mittlere Bindungsenergie: 2 - 4 eV
- Cluster mit Wasserstoffbindung: starke Dipol-Dipol-Anziehung, Beispiele: (HF)-, H2O)-Cluster, mittlere Bindungsenergie: 0,15 - 0,5 eV
- molekulare Cluster: Van-der-Waals-Cluster, plus schwache kovalente Anteile, Beispiele: (I2)-, (As4)-, S8-, Organische Molekülcluster, mittlere Bindungsenergie: 0,3 - 1 eV
- van-der-Waals-Cluster: induzierte Dipol-Wechselwirkung zwischen Atomen und Molekülen mit abgeschlossener elektronischer Schale, Beispiele: Edelgas-, (H2)-, (CO2)-, Hg-Cluster; jeweils mit n<10 Atome, mittlere Bindungsenergie: 0,001 - 0,3 eV
Ausgewählte Eigenschaften der Cluster
Auch in der Übergangsphase von der Flüssigkeit zum Festkörper können sich Cluster bilden, also Gruppen von Molekülen in bestimmter, relativ kompakter Anordnung als Vorstufe zum Kristallgitter. Dieser Effekt ist beispielsweise für die Dichteanomalie des Wassers verantwortlich.
Viele Eigenschaften der Materie, wie Farbe und Leitfähigkeit, sind typische Vielteilchenphänomene und treten im einzelnen Atom oder Molekül nicht auf. Die Clusterphysik beschäftigt sich mit der Untersuchung von Clustern unterschiedlicher Größe, um den Übergang von atomaren Eigenschaften zu typischen Festkörpereigenschaften zu erforschen.
Freie Cluster haben zudem aufgrund ihrer geringen Ausdehnung unterhalb der Wellenlänge sichtbaren Lichts interessante optische Eigenschaften. So kann z.B. bei Alkali- und Edelmetall-Clustern das Oberflächenplasmon-Polariton angeregt werden.
Literatur
Einführende Literatur
- H. Haberland: Kapitel Cluster in Bergmann ° Schaefer: Gase, Nanosysteme, Flüssigkeiten (Bd. 5) 2. Auflage, de Gruyter (2006)
Weiterführende Literatur
- diverse Bücher aus der Springer-Clusterphysics-Reihe
- Haberland, H.: Clusters of Atoms and Molecules., Springer, 52, 1994
- Bohren, C. F. und Huffman, D. R.: Absorption and Scattering of Light by Small Particles. Wiley, 1983
- Kreibig, U. und Vollmer, M.: Optical Properties of Metal Clusters. Springer, 1995