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Al gran sole carico d’amore

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
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Werkdaten
Originaltitel: Al gran sole carico d’amore

Kommunardinnen kämpfen auf der Place Blanche, 1871

Form: Szenische Handlung in 2 Teilen
Originalsprache: Italienisch
Musik: Luigi Nono
Libretto: Luigi Nono und Juri Ljubimow
Literarische Vorlage: Texte von Gramsci, Marx, Gorki, Brecht, Pavese, Rimbaud, Lenin, Fidel Castro, Che Guevara
Uraufführung: 1. Fassung: 4. April 1975
2. Fassung: 26. Juni 1978
Ort der Uraufführung: 1. Fassung: Teatro alla Scala im Teatro Lirico (Mailand)
2. Fassung: Städtische Bühnen Frankfurt, Oper Frankfurt
Spieldauer: 1 Stunde, 30 Minuten
Ort und Zeit der Handlung: Russland, Frankreich, Kuba, Lateinamerika und Vietnam, in Zeiten der Revolution (19. und 20. Jahrhundert)
Personen
  • Tania (Sopran)
  • Thiers (Tenor)
  • Favre (Bass)
  • Louise Michel (4 Soprane)
  • L’ufficiale, Offizier (Tenor)
  • Il soldato, Soldat (Tenor)
  • Bismarck (Bass)
  • La madre, Mutter (Alt)
  • Deola (4 Soprane)
  • Pavel (Bariton)
  • Il direttore di una fabbrica russa del 1905, Leiter einer russischen Fabrik im Jahr 1905 (Tenor)
  • Il delatore, Spitzel (Tenor)
  • Haydée (Sopran)
  • Una madre e donne vietnamite, Mutter und vietnamesische Frau (Sopran)
  • Gramsci (Bariton)
  • Dimitrov (2 Bässe)
  • Castro (Bass)
  • Männliche und weibliche Kommunarden, Guerillas, Genossen, das Volk von Paris, moderne Arbeiter, Mütter, sizilianische Einwanderer, kubanische Frauen, Gefangene

Al gran sole carico d’amore („Unter der großen Sonne von Liebe beladen“) ist eine Oper von Luigi Nono aus dem Jahre 1975, die er als „Szenische Handlung in zwei Teilen“ („Azione scenica in due tempi“) bezeichnet. Die Librettisten Luigi Nono und Juri Petrowitsch Ljubimow erzählen darin die Geschichte des Kommunismus und des Klassenkampfes anhand mehrerer Frauenschicksale und verwenden dazu Texte von Gramsci, Marx, Gorki, Brecht, Pavese, Rimbaud, Lenin, Fidel Castro und Che Guevara.

Das Werk gilt als einzige Revolutionsoper des 20. Jahrhunderts und ist in dreierlei Hinsicht innovativ:

  1. Wegen der Entstehungsgeschichte im Kollektiv
  2. Musikalisch als Hauptwerk der Avantgarde
  3. Szenisch als Montage und Streifzug durch die Geschichte ohne Handlung im klassischen Sinne.

Entstehung

Nono plante kurz nach der Uraufführung von „Intolleranza 1960“ im Jahre 1961 eine neue Oper. Er bezeichnete in einem Brief an Carla Henius am 15. Mai 1964 die in Arbeit befindliche „La fabricca illuminata“ als „ein Fragment meines neuen Theaterwerkes“, in dessen Zentrum zwei Figuren Cesare Paveses stehen sollten: Masino und das Freudenmädchen Deola. Bereits damals war daran gedacht, die Deola mit vier Sopranen zu besetzen und durch die umfangreiche Verwendung des Tonbandgerätes und des Chores eine spezifische Form der Simultanität zu erzielen. Nono hatte bereits 1970 gemeinsam mit Giovanni Pirelli das Thema der Pariser Kommune im Hinblick auf eine szenische Arbeit aufgegriffen, die aber nicht ausgeführt wurde.

Die Scala erteilte Nono im Jahre 1972 einen Kompositionsauftrag für eine neue Oper. In enger Zusammenarbeit mit Ljubimow, dem Leiter des Taganka-Theaters in Moskau, dessen erste Regiearbeit im Westen „Al gran sole carico d’amore“ werden sollte, entstand die Zusammenstellung der Dokumentationen, Gedichte und Texte für das Libretto. Durch Ljubimow wurden die bereits in „Intolleranza 1960“ verarbeiteten Einflüsse des russischen Avantgardetheaters der Zwischenkriegszeit noch verstärkt. Nonos Konzept eines Situations– und Ideentheaters verband sich mit Ljubimows Theaterarbeit, die ausführliche Textbearbeitungen, Umstellungen, Montagen und vielschichtige Szenerien verwendet.

Auf diese Weise entstand die Oper in Zusammenarbeit von Komponist, Regisseur, dem Dirigenten Claudio Abbado und dem Bühnenbildner Dawid Borowskij. Die Claudio Abbado und Maurizio Pollini gewidmete Partitur wurde am 15. August 1974 abgeschlossen und ist bei Ricordi in Milano erschienen.[1]

Nono unterzog das Werk für die Frankfurter Inszenierung einer Umarbeitung, welche eine Neuinstrumentation und teilweise Neukomopsition sowie die Revision der Tonbandanteile und ihrer Länge betrafen.[2]

Werkbeschreibung

Das Werk in zwei Akten ist für Orchester, Solli (Sopran, Mezzosopran, Alt, Tenor, Bariton, Bass), Chöre, Sprecher und stumme Rollen geschrieben. Das Libretto stammt vom Komponisten und von Juri Petrowitsch Ljubimow, der auch die Uraufführung inszenierte.

Der erste Teil der szenischen Aktion behandelt die Ereignisse der Pariser Commune von 1871, der zweite bezieht sich unter anderem auf den St. Petersburger Aufstand von 1905.

Der Inhalt besteht aus keiner linearen Erzählung sondern aus einer Aneinanderreihung einzelner Szenen aus Revolutionen und Revolutionsversuchen in Russland, Frankreich, Kuba, Lateinamerika und Vietnam. Die Oper zeichnet nur Momente und Episoden. Im Mittelpunkt stehen Revolutionäre und Frauen, die beim Versuch umkommen, die Gewalt zu stoppen. Dazu gehören Che Guevara, die Anarchistin Louise Michel, Haydée Santamaría und andere.

Im Libretto werden Texte von Fidel Castro, Che Guevara, Tania Bunke, Karl Marx und Wladimir Iljitsch Lenin verwendet und auf Ausschnitte aus Werken von Bertolt Brecht, Arthur Rimbaud. Cesare Pavese und Maxim Gorkis Roman „Die Mutter“ zurückgegriffen.

Die Uraufführung fand am 4. April 1975 unter der Leitung von Claudio Abbado im Teatro Lirico in Mailand statt.[3]

Orchester und Tontechnik

Nono bedient sich bei der musikalischen Umsetzung einer deutlich verstärkten Orchesterbesetzung. In die Klangwellen des Orchesters mischen sich Geräusche von Industrieanlagen, wiedergegeben über ein Tonbandgerät.

Flöten und 4 Piccolos, 4 Oboen, 4 Klarinetten und Bassklarinette, 4 Fagotte, 4 Hörner, 4 Trompeten, 4 Posaunen, 11 Pauken, Schlagzeug (4 Fässer ohne Saiten, Trommeln mit 2 Seilen, 2 Tomtoms, 2 große Boxen, Glocken, Marimba, Becken), verstärkte Harfe, Streicher und ein 4-Spur-Tonbandgerät.[4]

Diskografie

Literatur

  • Pipers Enzyklopädie des Musiktheaters, Band 4, Hrsg. Carl Dahlhaus und Forschungsinstitut für Musiktheater der Universität Bayreuth unter Leitung von Sieghart Döhring, ISBN 3-492-02411-9

Einzelnachweise

  1. Archivio Luigi Nono, Venezia, abgerufen am 8. März 2016
  2. Pipers Enzyklopädie des Musiktheaters, Band 4, S. 461/462
  3. „Al gran sole carico d’amore“ im Opernführer abgerufen am 19 August 2014
  4. „Al gran sole carico d’amore“ auf der Website der Luigi Nono–Stiftung abgerufen am 19 August 2014