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Altkraftwerk Lippendorf

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Altkraftwerk Lippendorf

Lage

Das Altkraftwerk Lippendorf befindet sich in Deutschland im Bundesland Sachsen (Landkreis Leipziger Land), etwa 15 km südlich von Leipzig, in einer Höhe von 138,5m über dem Meeresspiegel. Der Ort Lippendorf gehört zu der Gemeinde Neukieritzsch.

Geschichte des Kraftwerkstandortes

  • 1921 – Erschliessung Großtagebau Böhlen. Der Abraum aus dem Aufschluß wurde oberhalb der Ortslage Lippendorf verkippt, so entstand die Hochhalde.
  • 1923 bis 1926 – Die Aktiengesellschaft Sächsische Werke und ASW Böhlen erworben Grund und Boden der Gemarkung Medewitzsch
  • 1927 – Am 24. Juni kam es zu einem Dammbruch der Aschespülkippe. Lippendorf wurde teilweise zerstört und die Bewohner mussten evakuiert werden.
  • 1944 bis 1945 – Während der Bombardierung der Böhlener Werke wurden die umliegenden Orte in Mitleidenschaft gezogen
  • ab 1964 – Spahnsdorf und Teile von Lippendorf mussten dem Altkraftwerk weichen

Planungsphase

12. November 1963 – Volkswirtschaftsrat und Staatliche Plankommission der DDR legen sich darauf fest, anstelle des Standortes für das Kraftwerk Rohrbach im Raum südlich des Kombinates Böhlen ein kombiniertes Kondensations- und Industriekraftwerk mit einer Aufbauleistung von 600MW zu errichten.

Das Altkraftwerk bestand aus:

  • einem Kondensationskraftwerk mit 4× 100MW elektrischer Leistung , nachfolgend Kond genannt
  • einem Industriekraftwerk mit 4× 50MW elektrischer und 550MWth (Megawatt thermischer Leistung), nachfolgend IKW genannt

Am 27. Juli 1964 wurde beschlossen, das Vorhaben mit Ziel einer Inbetriebsetzung des ersten Blocks bis zum 1. März 1968 durchzuführen. Generalprojektant für das Bauvorhaben war Energieprojektierung Berlin. Das technische Projekt für das Kondensationskraftwerk erarbeitete die VVB Braunkohle, während die VVB Mineralöle das Industriekraftwerks projektierte.

Ende 1967 wurde beschlossen, anstelle der ursprünglich geplanten 4 nur 2 Entnahmegegendruckturbinen und zusätzlich 2 Entnahmekondensationsturbinen zu errichten. Alle Turbinen sollten eine Nennleistung von 50MW aufweisen.

Baugeschehen

1964 – Verlagerung von Produktionsanlagen des Kombinates Böhlen und Abbruch von Teilen der Orte Lippendorf und Spahnsdorf
1. September 1964 – Aufbau der Baustelleneinrichtung durch VE BMK Süd Leipzig
November 1964 – Beginn Mutterbodenabtragung
1965 – Geländeberäumung und Verlegung von Produktionsanlagen im Bereich der Standorte für den späteren Kohlebunker mit Bandanlagen, Esse mit Rauchgasanlagen, Hauptpumpenhaus. Da der Schornstein auf dem Gelände von Klärteichen errichtet werden soll, mußten zur Erreichung der Standfestigkeit vier Bohrungen im Fundamentbereich von bis zu 120m Tiefe durchgeführt werden. Diese Bohrungen wurden von Pontons aus im Klärteich niedergebracht und die ausgelaugten Hohlräume mit Beton verfüllt. Die 110KV-Kabeltrasse für die Elektroschmelzöfen des VEB Ferrolegierungswerkes mussten ebenfalls umverlegt werden. Mit Beginn des Jahres 1965 wurden zur Unterbringung der Bau- und Montagearbeiter 600 Wohnungen in Neukieritzsch und westlich des Ortes Lippendorf ein Wohnlager errichtet.
März 1966 – Einbringung des Kiesbettes für den Hallenbau und Gründungsarbeiten für das 6-geschossige Verwaltungsgebäude. Beginn der Erdarbeiten am Kühlturm 1. Im ehemaligen Klärteich erfolgte der Erdaushub und die Einbringung des Unterbetones für das Schornsteinfundament. Aushub der Baugrube für die Kraftwerksblöcke.
18. April 1966 – Grundsteinlegung im Fundament des Kühlturms 1
September 1966 – Fertigstellung des Rohbaues für das zukünfige Verwaltungsgebäude mit Umkleideräumen und Küchentrakt
Dezember 1966 – Fundamentierungsarbeiten für den Schornstein sind abgeschlossen
Januar 1967 – Der Unterbeton für die Kraftwerksblöcke wird eingebracht
September 1967 – Montagebeginn Dampferzeuger 1
Oktober 1967 – Inbetriebnahme der Küche und des Verwaltungsgebäudes
15. Dezember 1967 – Kühlturm 1 ist rohbaufertig
Januar 1968 – Rohbaufertigstellung der Chemischen Wasseraufbereitung
Mai 1968 – Montagebeginn Turbosatz 1

Inbetriebnahme

  • 8. Dezember 1968 – Erteilung der Freigabe zum Probebetrieb Block 1 durch die Technische Abnahmekommision
  • 15. Dezember 1968 – Dampferzeuger 1 wird erstmalig gezündet und die Betriebsparameter angefahren Unregelmäßigkeiten an Messeinrichtungen des Dampferzeugers sowie Störungen am Generator führten zur Rücknahme der Freigabeerklärung
  • 30. Dezember 1968 – Erneute Erteilung der Freigabe zum Probebetrieb Block 1
  • 1. Januar 1969 – Beginn Trockenfahrt Generator 1
  • 4. Januar 1969 – Erste Netzschaltung Block 1 und Beginn Probebetrieb
  • 1. Juli 1969 – Beginn Dauerbetrieb Block 1
  • 29. April 1969 – Beginn Probebetrieb Block 2 (Dauerbetrieb ab 19. September 1969)
  • 30. Juli 1969 – Beginn Probebetrieb Block 3 (Dauerbetrieb ab 1. November 1969)
  • 17. Januar 1970 – Beginn Probebetrieb Block 4 (Dauerbetrieb ab 3. April 1970)
  • 23. Juni 1970 – Beginn Probebetrieb Dampferzeuger 5 (Dauerbetrieb ab 14. Oktober 1970)
  • 26. Juni 1970 – Beginn Probebetrieb Turbosatz 5 (Dauerbetrieb ab 14. Oktober 1970)
  • 25. September 1970 – Beginn Probebetrieb Tubosatz 6 (Dauerbetrieb ab 10. Dezember 1970)
  • 4. November 1970 – Beginn Probebetrieb Dampferzeuger 6 (Dauerbetrieb ab 10. Dezember 1970)
  • 30. Juli 1971 – Beginn Probebetrieb Dampferzeuger 7 des IKW (Dauerbetrieb ab 21. Dezember 1971)
  • 17. September 1971 – Beginn Probebetrieb Turbosatz 7 (Dauerbetrieb ab 21. Dezember 1971)
  • 17.Februar 1972 – Beginn Probebetrieb Turbosatz 8 (Dauerbetrieb ab 22. April 1972)

Produktivphase

Bereits in der Inbetriebsetzungsphase, dem Probebetrieb der Anlagen und in der ersten Phase des Dauerbetriebes aufgetretene Störungen machten umfangreiche Stabilisierungsmaßnahmen erforderlich.

Ein Großbrand in der Bekohlungsanlage am 9. Dezember 1969 brachte auf Grund seiner Auswirkung auf die Probe- und Dauerbetriebsphase an den 100MW-Blöcken eine Verzögerung von 5 Tagen.

Unregelmäßigkeiten in der Temperaturfahrweise des Schornsteines hatten den Abriss des Rauchrohres im oberen Bereich zur Folge. Das Rauchrohr aus Schamottemauerwerk, dass alle 50m ringförmig in der statischen Stahlbetonsäule in Gleitschuhen geführt wurde, hatte sich offensichtlich durch zu hohe Temperaturunterschiede während der An- und Abfahrprozesse verklemmt, was schließlich zum Abriss führte.

Zur Beseitigung dieser Schäden wurde im Zeitraum vom 16. Juni bis 13. Juli 1973 ein Kraftwerksstillstand eingeordnet und durchgeführt. Beim Abfahren und anschließenden Wiederanfahren erfolgte eine gezielte Überwachung der Temperaturgradienten am Rauchrohr des Schornsteines, um weitergehende Schäden zu vermeiden.

Die nichtbeherschbare Entsorgung der E-Filterasche führte 1973 zu einem grundlegenden Umbau des hydropneumatischen Entaschungssystems (Import aus Ungarn) im Bereich des Kond-Kraftwerkes und damit zur Stillegung der HP-Station Nord.

Die nunmehr gemeinsame hydraulische Verspülung von Feueraum- und E-Filteraschen war aber auch nicht ohne Probleme. Es konnten zwar Undichtheiten an den Aschebreileitungen durch mechanisches Abschleifen zurückgedrängt werden, dafür kam es zu Inkrustierungen in den Leitungen, hervorgerufen durch den hohen Kalkanteil der Aschen. Diese Inkrustrierungen schränkten den Transport erheblich ein, so das nur durch ständige Reinigungsarbeiten mittels Hochdrucktechnik bzw. Molchen der Betrieb aufrecht erhalten werden konnte.

Die E-Filteraschen des IKW wurden über die HP-Station Süd bis zu Umbaumaßnahmen in den 90er Jahren separat verspült. Auf Grund der guten Zementierungseigenschaften dieser E-Filteraschen wurden sie über einen langen Zeitraum zum Versetzen von alten ausgekohlten Strecken im Bergbau und auf Grund des hohen Kalkanteils im Bereich der Rekultivierung eingesetzt. Zur Verladung auf LKWs ist in der HP-Station Süd eine Verladestation errichtet worden.

Die eingesetzten Rohbraunkohlen der unterschiedlichsten Qualität hatten in Verbindung mit Falschlufteinbrüchen an den Dampferzeugern enorme Verschlackungserscheinungen zur Folge. Schlackestürze während des Betriebes und die damit verbundenen Schlackeanhäufungen in den Trichterschrägen erforderten einen enormen Arbeitsaufwand. In einigen Fällen kam es zu Schlackeanhäufungen bis +10m im Feuerraum, was den Einsatz von Sprengtechnik erforderlich machte.

Die Schlackeansätze am Rohrsystem wurden durch Abspritzen mit Wasser beseitigt. Zunächst musste dies manuell durchgeführt werden musste, später jedoch übernahmen steuerbare Automatiklanzen den Reinigungsprozess. Der damit verbundene Wassereintrag, teils auch hinter die Verdampferheizflächen, führte zur Korrosionerscheinungen an Abdichtungen und Anlenkungen der Sektionen, die ihrerseits Schäden an den Druckkörpern bewirkten. Etwa 40% aller Störungen an den Dampferzeugern fanden hier ihren Ursprung.

Die Abscheidungsgrade der E-Filter waren in den ersten Betriebsjahren nicht befriedigend. Die Saugzüge liefen häufig als reine „Aschepumpen“. Dementsprechend hoch war der Verschleiß am Saugzugkreisel. Durch ständiges Optimieren der E-Filter konnte der Abscheidungsgrad jedoch im Laufe der Jahre verbessert werden.

Als ein weiteres Problem erwiesen sich von Anfang an das kalte Ende der Turbosätze 1 bis 4 im Kond-Kraftwerk. Die kühlwasserseitige Verschmutzung der Kondensatoren durch den Eintrag von Ablagerungen aus dem Leitungssystem war sehr groß und verhinderte die Funktionsfähigkeit der eingesetzten ABEKA-Anlagen.

Dies alles hatte zur Folge, daß ein großer manueller Aufwand zur Reinigung der Kondensatoren und der Versprühsysteme am Kühlturm betrieben werden musste. Die manuelle Reinigung der Kondensatoren mittels Durchschießen von Gummistopfen („Kondensatorschießen“) war mit einer hohen körperlichen und gesundheitlichen Belastungen des Reinigungspersonals verbunden.

Erst die Einführung der thermischen Reinigung der Kondensatoren brachte eine wesentliche Verbesserung der Kondensatorgrädigkeit und damit des Wirkungsgrades.

Mitte der 70er Jahre machte eine Initiative zur wärmewirtschaftlichen Fahrweise der Hauptanlagen (Dampferzeuger und Turbine), die sogenannte „Kalorienjägerbewegung“ von sich reden. Diese Initiative hatte die Fahrweise der Hauptanlagen mit den energiewirtschaftlich günstigsten Parametern zum Inhalt. Die Fahrweise der Anlagen wurde über Prozessrechner abgerechnet und führte in der Tat zu einer Verbesserung des spezifischen Brennstoffwärmeverbrauches.

Zur Substitution von Heizöl (Schweröl) wurden Mitte der 80er Jahre beginnend an den Dampferzeugern 2, 3, 4 und 5 Anlagen für den Einsatz von Kohlestaub als Zünd- und Stützfeuer installiert. Die Bevorratung mit Kohlestaub erfolgte über die vorhandenen Mühlensysteme in entsprechend dafür errichteten Kohlestaubbunkern. Die Anlagen bewährten sich jedoch im praktischen Einsatz nicht, die Systeme verstopften kontinuierlich infolge noch vorhandener Feuchtigkeit im Kohlenstaub.

Als positiv gestaltete sich der Einsatz von Importerdgas (IEG) als Hauptfeuerung an den Dampferzeugern 6 und 7 in den Jahren 1973 bis 1978. Dabei wurde die Möglichkeit der Feuerung mit Rohbraunkohle niemals aufgegeben. Die gleitende Umstellung einer Fahrweise von Erdgas auf Rohbraunkohle und umgekehrt, als auch die Gemischtfahrweise war jederzeit ohne Leistungseinschränkung möglich.

Der Aufbau einer Anlage zur Siebkohleproduktion im Bereich des Brecherturms der Bokohlungsanlage Mitte der 80er Jahre hatte sich nicht bewährt. Der Einsatz dieser Anlage war durch die Bekohlungsfahrweise relativ begrenzt möglich und stellte mehr eine „Steinaushaltung“ als eine Produktionsstätte für Siebkohle dar.

Im Oktober 1970 begann mit dem Dauerbetrieb des Dampferzuegers 5 und des Turbosatzes 5 die Prozessdampfversorgung des ehemaligen Kombinates „Otto Grotewohl“ Böhlen. Nach Inbetriebnahme aller Anlagen des IKW und der Verdampferanlage wurde Prozessdampf in den Druckstufen

  • 38bar über je eine Rohrleitung DN 300 und DN 400
  • 4,8bar über vier Rohrleitungen DN 800

zum Dampfverteiler im Petrolchemischen Kombinat Böhlen geliefert. Der Prozessdampf 38bar über die Rohrleitung DN 400 wurde direkt zur „Olefine“ im PCK Böhlen geliefert. Dieser diente vorrangig zu Kühlzwecken der Ethylenanlagen im PCK.

Die 38bar-Prozessdampflieferung, Eigenverbrauch der Turbospeisepumpen und HDV 2 im IKW wurde durch die Entnahmen der der Gegendruck (je 200t/h) gedeckt. Zusätzlich sicherte die 150t/h-Station den Netzbedarf im Störungsfall mit 38bar-Dampf ab.

Die 4,8bar-Prozessdampflieferung, Eigenverbrauch wie Polsterdampf aller Speisewasserbehälter und Heizdampf für die Verdampferanlage wurden nach Wärmebedarf des Dampfnetzes über Gegendruck der Entnahmegegendruckmaschinen, Abdampf der Turbospeisepumpen, Brüdendampf der Verdampferanlage bzw. über Anzapfungen der Entnahmekondensationsturbinen abgedeckt.

Die Kondensatrücklieferung der Dampfabnehmer betrug 60% und führte speziell in den Wintermonaten zu akuten Kesselspeisewasserengpässen. Spitzenwerte der Prozessdampflieferungen

  • Druckstufe 38bar 150t/h
  • Druckstufe 4,8bar 350t/h
  • Wärmelieferung 380MWth

Die 100% Versorgung des 38bar-Prozessdampfnetzes über alle Zeiträume war unabdingbar und hatte umfangreiche Stabilisierungsmaßnahmen zur Folge. Es wurde eine weitere 150t/h-Station, sowie eine Kalte Reserve 4 installiert. Durch die Nutzung der Anzapfung 1 der Entnahmekondensationsturbinen, der Frischdampfsammelschiene im Kond/IKW wurde die Verfügbarkeit noch weiter erhöht.

Desweiteren erfolgte die Wärmeversorgung der Gemeinde Neukieritzsch (komplettes Neubaugebiet, Kindergarten und Gemeindeverwaltung), der Gärtnerei Kieritzsch und des Wohnlagers Lippendorf mit 4,8bar Prozessdampf, wobei sich im Ferrolegierungswerk Lippendorf eine Umformerstation (U 3) befand. Diese Umformerstation versorgte außer die Gemeinde Neukieritzsch, der Gärtnerei Kieritzsch, daß Ferrolegierungswerk Lippendorf. In der Umformerstation U 3 wurde mittels 4,8bar Prozessdampf (Sommerleitung DN 150/Winterleitung DN 400) Heizwasser auf bis zu 130°C erwärmt.

Mit dem Wegbruch der Karbochemie im ehemaligen Kombinat „Otto Grotewohl“ Böhlen und der Aufnahme der Eigenversorgung durch den „Olefinekomplex“ erfolgte eine drastische Reduzierung der Prozessdampfabnahme. Die vorhandenen freien Wärmekapazitäten waren Grundlage für die durch die ehemalige VEAG erfolgte Planung einer Fernwärmetrasse zur Stadt Leipzig. Nach Abschluss komplizierter Verhandlungen mit den Stadtwerken Leipzig bildete die gemeinsame Erklärung der Vorstände von VEAG und Stadtwerke am 12. November 1993 zur Fernwärmeversorgung der Stadt Leipzig die Basis für Planung, Genehmigung und Bau der Fernwärmeversorgungsanlage bis zum Winter 1996/97. Zur Grundlastversorgung der Stadt Leipzig wurde aus dem IKW über Heizdampf eine Wärmeleistung von 207MW ausgekoppelt, in Heißwasser umgeformt, in einer Fernwärmetrasse zum Standort Heizkraftwerk Leipzig-Süd transportiert und dort in das Verbundnetz eingespeist.

Rückbau

Technische Daten (im Vergleich zum Neubaukraftwerk Lippendorf)

Gesamtübersicht

Kond IKW Neubau
Nennleistung je Werk in MW 400 200 1866
Blockanzahl 4 SS-KW 1 2
Nennleistung je Block/TS in MW 100 50 933
Kurzzeitleistung je TS in MW 110 55 /
Feuerungsart BK-Staub 2 BK-Staub BK-Staub
Einsatzart Mittellast Fahrplan 3 Grundlast
Rauchgasentstaubung je DE 2 E-Filter 2 E-Filter 2 E-Filter
Rauchgasentschwefelung je DE / / REA
Rauchgasentstickung / / Primär 4
Fernwärmeauskopplung in MWth / 550 330
Nettowirkungsgrad in % 26 24 42
Brennstoffausnutzungsgrad in % 26 60 46

1 Sammelschienenkraftwerk
2 Braunkohlenstaubfeuerung
3 Verhältnis Elektroenergie- zu Wärmenergieerzeugung je nach Lastanforderung
4 Grenzwerte werden durch Primärmaßnahmen an der Feuerung eingehalten

Kond IKW Neubau
Art 4x Naturumlauf 4x Naturumlauf 2x Zwangdurchlauf
Höhe in m 54 54 163
Nennleistung in t/h 330 420 2420
FD Druck in bar 135 120 267,5
FD Temp. in °C 535 535 554
ZD Druck in bar 30 / 52
ZD Temp. in °C 530 / 583
Mühlen pro DE 4 4 8
Altkraftwerk Neubau
Höhe in m 300 1 nicht vorhanden 2

1 War zum Bauzeitpunkt der höchste Massivbau der DDR (diente als Testobjekt für den Berliner Fernsehturm) und zum Rückbautermin das höchste gesprengte Bauwerk in Europa.
Der untere Schornsteinschaft wurde aus Stahlbeton in Kletterschalung ausgeführt. Ab einer Höhe von 44,7m erfolgte die Bauweise mittels Gleitschalung (erstmalig bei einem 300m Schornstein). Das innen liegende zylindrische Rauchrohr aus Schamotte wurde aller 50m ringförmig im Schornsteinschaft geführt. Die Höhenausdehnung war durch Gleitführungen gewährleistet. Zwischen Schornsteinschaft und Rauchrohr führte ein ALPICA-Aufzug bis auf die Höhe von 250m. Die restlichen 50m mußten für Kontrollen am Schornsteinkopf außen gestiegen werden.

2 Die gereinigten Abgase werden über die Kühlturme, unter Ausnutzung deren Thermik, an die Umwelt abgegeben.

Kond IKW Neubau
Anzahl 4 2+2 2
Bauart 3-gehäusige Kondensationsturbine 1-gehäusige Entnahmekondensationsturbine
2-gehäusige Entnahmegegendruckturbine
5-gehäusige Kondensationsturbine
Druck v. HD-Teil in bar 128 115 259,5
Temp. v. HD-Teil in °C 530 530 550
Druck v. MD-Teil in bar 30 / 50
Temp. v. MD-Teil in °C 530 / 582
Nenndrehzahl in U/min 3000 3000 3000
FD-Menge in t/h 320 250 ( Entnahmekondesationsturbine)
420 ( Entnahmegegendruckturbine)
2420
Entnahmekondensationsturbine

Der Typ P 50-130/5 ist eine Entnahme-Kondensationsmaschine aus der 50MW-Industriedampfturbinen-Baukastenreihe des VEB Bergmann-Borsig/Görlitzer Maschinenbau. Diese Turbinen (Turbosatz 7 und 8) sind speziell für den Einsatz in Industriekraftwerken entwickelt. Wärmeelastisches Verhalten, automatisierter An- und Abfahrprozeß bei Eignung zum täglichen An- und Abfahren gestattete einen optimalen Kraftwerksbetrieb auch bei Übergangszuständen für die Wärme- und Stromerzeugung. Die Maschinen waren eingehäusig ausgeführt und mit wärmeelastischen, radialen Abdichtungen versehen.

Alle Hilfsanlagen wurden in Montageblöcken vereinigt.
Der Kondensator war als Kastenkonstruktion ausgeführt.
Die hydraulische Turbinen-Einheitsreglung wurde zur Brandschutzsicherheit mit Wasser als Regelflüssigkeit betrieben.
Entnahmedruck normal – 5bar
Einsatzbereich – 4–7bar
Anzahl der Anzapfungen - 5
Kühlwassertemperatur – 28–40°C
HD Teil – 7 stufige Ausführung
ND Teil – 6 stufige Ausführung
Turbinenlager – 8 Traglager / 1 Klotzlager
Kritischer Drehzahlbereich – zwischen 1050 und 2000U/min

In der Projektierungsphase für die Tubosätze 7 und 8 des IKW entschied man sich für eine Wasserhydraulische Einheitsreglung der Firma VEB Bergmann Borsig/Görlitzer Maschinenbau. Auschlaggebend für den Einsatz dieser Reglung war unter anderen die Lieferung und Inbetriebnahme einer 57/62MW Heizgegendruckturbine für das Kraftwerk Naistenlahti in Tampare (Finnland) durch durch VEB BB/GMB.

Die Wasserhydraulische Einheitsreglung ist eine hydrodynamische Reglung, die nach dem Zulauf-Ablauf-Prinzip arbeitet und einen weitestgehend reibungs- und verschleißfreien Aufbau hatte.
Da Wasser als Regelflüssigkeit verwendet wurde, ist eine Brandgefahr ausgeschlossen.
Die Anlage bestand aus 4 Grundbausteinen und mehreren Zusatzbausteinen für besondere Regelaufgaben. Ergänzt wird diese Reglung durch ein einheitliches Sicherheitssystem.

Was sprach für den Einsatz einer Wasserhydraulischen Reglung gegenüber einer ölhydraulischen Reglung?

Vorteile
Die Reglung ist absolut Brandsicher.
(Die mit dieser Reglung ausgestatteten Turbinen waren die brandsichersten der Welt).
Kein erhöhter Verschleiß gegenüber ölhydraulischen Regelungen.
Keine Verringerung der Funktionstüchtigkeit.
Verbesserung der Arbeiten bei Montage, Prüfung, Einstellung und Wartung.
Besonders ausgebildete Schmierölversorgung mit folgenden Hauptkennzeichen:
Minimiertes Schmierölvolumen.
Zusammenfassung aller für die Lagerölversorgung notwendigen Aggregate zu einem Schmierölblock.
Entfernen des Schmierölblockes von der Turbine und eine seperate Aufstellung nach baulichen Gegebenheiten.
Keine turbinenwellengetriebene Hauptölpumpe.
Anstelle der Hauptölpumpe traten elektrische Pumpen im Schmierölblock.
Notölversorgung erfolgte über einen turbinenwellengetriebenen Notölkreisel.
Abschirmung sämtlicher Ölleitungen gegenüber Heißteilen.

Nachteile
Wasser ist durch den in ihm gelösten Sauerstoff aggressiv und lässt Stahl korrodieren.
Wasser ist dünnflüssiger als Öl.
Wasser besitzt so gut wie keine Schmierfähigkeit.

Konstruktive Merkmale

Reglungs- und Ölsystem wurden getrennt aufgebaut.
An Stelle des unter hohem Druck stehenden Öles wird Wasser (Kondensat) verwendet, daß eine zentrale Wasserversorgung liefert.
Vermeidung aufeinandergleitender Teile wie Kolben, Buchsen und Bolzengelenke im Übertragungssystem.
Verwendung von Steuerelementen, deren Steuerkanten bzw. Steuerflächen durch konstruktive Maßnahmen berührungs- oder relativbewegungsfrei angeordnet sind (Düse-Prallplattesystem).
Verwendung von Weichpackungen zur Abdichtung von Zylinderräumen bei Kraftkolben und Kraftkolbenspindeln von Stellmotoren.
Verwendung nichtrostender Materialien.
Unter Beachtung dieser Vorraussetzungen wurden die Erfahrungen mit ölhydraulischen Reglungen genutzt. Auch die Grundkonzeption mit den standardisierten Bausteinen (Regelblock, Universalmeßwerk, Rechenwerk und Stellmotor) wurden beibehalten.

1. Baustein – Regelblock

Im Regelblock sind Elemente der Reglung und Ölversorgung vereinigt. In diesem Block wirkt Öl bis zu den Trenneinrichtungen. Es hat die Aufgabe, das Drehzahlsignal und Signale für das Turbinensicherheitssystem zu bilden. Der Regelblock besteht aus einem zylinderförmigen Gehäuse, daß eine kleine Notölpumpe (Impeller), der das Drehzahlsignal erzeugt sowie den Überdrehzahlschalter und die Drucklagersicherung aufnimmt. Der Reglerblock wurde an das Außenlager der Turbine angeflanscht und mit der Turbinenwelle gekuppelt.

2. Baustein – Universalmeßwerk

Das Universalmeßwerk ist ein Meß- und Übertragungsglied. Es hat die Aufgabe, Drücke zu messen und in eine dem nachgeschalteten Gerät entsprechende Größe umzuwandeln. Das Meßwerk besteht aus zwei Haupteilen (Meßeinrichtung und Verstelleinrichtung). Der auf den Faltenbelag wirkende Eingansdruck ist je nach Verwendungszeck des Bausteines entweder der Entnahmedruck, der Gegendruck oder das vom Regelblock kommende Drehzahlsignal.

3. Baustein – Rechenwerk

Das Rechenwerk ist ein proportional wirkendes Übertragungsglied, daß sowohl eine Signalverstärkung als auch eine Signalmischung unter Einhaltung der notwendigen Entkopplungen bei Mehrfachreglungen ermöglicht. Das Rechenwerk besteht aus einem Gehäuse, daß einen Hebel enhält, auf den ein Faltenbelag und eine Druckfeder wirkt. Der Hebel steuert je nach Turbinenart ein bis drei Abläufe in Abhängigkeit des vom Universalmeßwerk kommenden Signales und erzeugt dadurch entsprechende Ausgangssignale.

4. Baustein – Stellmotor

Der Stellmotor ist ein Druck- Wegeumformer, der dem Rechenwerk nachgeschaltet ist. Er dient der Betätigung der Regelventile, wobei zu jedem Regelventil ein Stellmotor gehört. Der Stellmotor besteht aus dem Steuerteil und dem Kraftteil. Durch verschiedene Rückführfedern und Anschläge im Steuerteil wird das gewünschte Verhältnis zwischen dem Rechenwerk kommenden Eingangssignal und dem Ventilhub erzielt.

Entnahmegegendruckturbine

Der Typ PR-50-111/38/5, eine zweigehäusige Entnahmegegendruckturbine, stellte auf Grund hoher Entnahmedampfmengen eine Spezialkonstruktion dar.
Diese Turbinen (Turbosatz 5 und 6) für das IKW-Kraftwerk wurden von der Firma VEB Bergmann-Borsig (BB)/Görlitzer Maschinenbau (GMB)konstruiert und gefertigt.
Die Turbine ist für den Einsatz in Industriekraftwerken entwickelt und hatte sich in langjährigen Betriebseinsatz bewährt.
Die Maschinen waren in hohem Maße wärmebeweglich gestaltet und mit dem bewährten System der hydraulischen BB/GMB-Einheitsreglung ausgerüstet.
Nennentnahmedruck – 38bar
Regelbereich – 36-40bar
Anzahl der Anzapfungen - 1
Nenngegendruck – 5bar
Regelbereich – 4–7bar
HD Teil – 9 stufige Ausführung (1. Stufe als Curtisrad ausgelegt)
ND Teil – 8 stufige Ausführung
Turbinenlager - 10 Traglager / 1 Klotzlager
Kritischer Drehzahlbereich – zwischen 1100 und 1750U/min (der Drehzahlbereich, wo sich die Welleneigenschwingung mit der Drehzahl (=Frequenz) überschneidet und es zu unerwünschten Resonanzen kommt. Dieser Bereich muss beim Anfahren schnell überfahren werden, sonst kommt es zu erhöhter Wellenschwingung, was bis zur mechanischen Zerstörung der Welle bzw. der Lager führt.)

Die Dampfströmung einer Entnahmegegendruckturbine ist analog der einer Entnahmekondensationsturbine, nur das der Dampf aus dem Niederdruckteil nicht in einen Kondensator strömt, sondern einer weiteren Verwendung zugeführt wird.

Der Drehzahlregler einer Entnahmegegendruckturbine wird nur zum Anfahren des Turbosatzes gebraucht und nach Inbetriebnahme des Entnahme- und Gegendruckreglers ausgeschaltet. Das bedeutet, daß die Drehzahl der Maschine von dem elektrischen Netz bestimmt wird, mit dem sie synchron läuft.

Das Primäre ist die Reglung der Dampfdrücke.
Die elektrische Leistung ist von ihnen abhängig.
Bei diesen Turbinentyp verstellen die Faltbeläge der Druckregler sogenannte Prallplatten, durch welche die Aufblenden gesteuert werden.
Arbeiten auf ein Dampfnetz mehrere derartige Turbinen, so werden die Regelimpulse nicht direkt von den Dampfleitungen entnommen, sondern erst von Druckmeßwandlern umgeformt.
Damit soll verhindert werden, daß mehrere Druckregler in einem Dampfnetz gleichzeitig arbeiten.
Von den Druckmeßwandlern werden die Impulse dan an die einzelnen Turbinen weitergegeben.
Der Gegendruckregler beeinflußt Hoch- und Niederdruckventile gleichsinnig, während der Entnahmedruckregler nur die Hochdruckventile beeinflußt.
Mit einer Änderung der einzelnen Dampfmengen ist also auch immer eine Änderung der elektrischen Leistung verbunden.
Die Sicherheitseinrichtungen für die Turbine sind die gleichen wie bei der Entnahmekondensationsturbine, nur das hier die Kondensatordrucksicherung entfällt.
Hinzu kommt eine Verrieglung zum Generatorschutz, der bei elektrischer Überlastung des Generators auf den Gegendruckregler wirkt und die Maschine entlastet.

Kond IKW Neubau
Scheinleistung in MVA 4x 125 4x 58,8 2x 1167
Spannung in kV 10,5 10,5 27
Frequenz in Hz 50 50 50
Drehzahl in U/min 3000 3000 3000
Kühlung H2/H2O H2/H2O H2/H2O
Kond IKW Neubau
Scheinleistung in MVA 4× 125 4× 63 4× 1100 1
Übersetzung in kV 10,5/220 10,5/110 27/400

1 2 pro Block

Altkraftwerk Neubau
Art
2× Naturzug
Nasskühlturm
2× Naturzug
Nasskühlturm
Durchsatz in t/h 36000 84600
Höhe in m 113,2 1 174,5

1 Errichtet mit einer hydraulisch betriebenen Gleitschalung bei laufenden Vortrieb. Zum damaligen Zeitpunkt eine ingenieurtechnische Glanzleistung durch die bauausführende SBKM Kühlturmbau Leipzig, da weltweit erstmalig angewand. Als höchste Leistung wurden 1,5m Vortrieb in 24 Stunden erreicht.


Literatur

  • VEAG: Kraftwerk Lippendorf 1969–2000