Wikipedia
Wikipedia ist ein Projekt zur Erstellung einer Enzyklopädie. Es ist gleichzeitig der Name für im Rahmen dieses Projekts im Aufbau befindlichen Enzyklopädien in zahlreichen Sprachen. Wikipedia verwendet die Wiki-Technik als Werkzeug für die Zusammenarbeit zwischen Autoren. Wikis sind Websites, die es jedem Internetnutzer erlauben, ohne weitere Anmeldung mitzuarbeiten. Jeder kann darin neue Artikel schreiben oder bestehende verbessern.
Die erste Wikipedia-Fassung auf englisch entstand im Januar 2001. Sie wird ebenso wie das deutschsprachige Schwesterprojekt von der amerikanischen Wikimedia Foundation betrieben. Die deutschsprachige Variante der Wikipedia ist unter http://de.wikipedia.org verfügbar und wurde im Mai 2001 ins Leben gerufen. Zur Zeit enthält die deutsprachige Wikipedia 3.010.519 Artikel.
Das Projekt
Obwohl Wikis aufgrund ihres Prinzips für beliebige Textsorten verwendet werden können, beschränkt sich das Projekt selbst auf enzyklopädische Einträge. Die verwendete Software stellt verhältnismässig wenige Mechanismen zur Verfügung, um zu gewährleisten, dass nur Enzyklopädieartikel in Wikipedia integriert werden. Die Selbstbeschränkung beruht deshalb in diesem Gemeinschaftsprojekt vor allem auf sozialen Protokollen.
Alle Mitarbeiter der Wikipedia haben sich selbst verpflichtet, von ihnen beigetragene Inhalte unter der GNU Freie Dokumentationslizenz zu veröffentlichen. Diese Lizenz erlaubt es anderen, die Inhalte nach Belieben zu überarbeiten und zu verbreiten, sofern Ursprungsautoren und Versionsgeschichte genannt werden. Eine Eigenschaft der verwendeten Lizenz ist, dass spätere Einschränkungen nicht möglich sind. Die Lizenz macht es damit unmöglich, Artikel später unter Berufung auf das Urheberrecht einer Exklusiv-Verwertung zuzuführen. Für viele Autoren ist diese Idee des Open Content ein wesentlicher Grund, bei der Wikipedia mitzuarbeiten.
Um den wissenschaftlichen Ansprüchen an Enzyklpädien gerecht zu werden, gibt es die Richtschnur des neutralen Standpunkts (NPOV, von englisch neutral Point of View). Diese Richtschnur besagt, dass Artikel so ausgewogen und neutral wie möglich geschrieben werden sollen. Existieren zu einem Eintrag mehrere verschiedene Ansichten, so sollte ein Artikel diese erwähnen. Der Neutrale Standpunkt sagt allerdings nicht aus, dass alle Ansichten gleichwertig präsentiert werden müssen: Die im Rahmen der wissenschaftlichen Methode plausiblere Ansicht kann etwa an erster Stelle genannt werden (siehe auch: Ockhams Rasiermesser). Ebenso wie die Eigung einzelner Artikel für eine Enzyklopädie wird auch die Einhaltung des Neutralen Standpunkts lediglich durch den sozialen Prozess bei der Entstehung von Artikeln gewährleistet.
Die Anzahl der Wikipedias in anderen Sprachen wächst laufend. So existiert etwa auch für die internationale Plansprache Esperanto ein Ableger. Mit der Esperanto-Wikipedia wird auch gleichzeitig die erste Enzyklopädie auf Esperanto überhaupt erstellt. Zur Zeit sind die drei umfangreichsten Wikipedia-Enzykopädien die englischsprache, die deutschsprachige und die japanische (Stand Juni 2004).
Verwendung von Wikipedia-Artikeln
Ein wesentlicher Kritikpunkt an der Wikipedia ist, dass Artikel von jedermann verändert werden können und niemand für die Vollständigkeit und Richtigkeit der Information bürgt. Zwar sind auch herkömmliche Enzyklopädien nicht fehlerfrei, diese können allerdings aufgrund ihres festgelegten Review-Prozesses weniger Fehlinformation enthalten. Die Betreiber der Wikipedia stellen sich auf den Standpunkt, dass es aufgrund der Einfachheit, Änderungen vorzunehmen auch die Hemmschwelle sinkt, unzureichende und falsche Artikel zu korrigieren. Nach ihrer Ansicht reifen die Artikel somit, da Fehler nach einiger Zeit gefunden und behoben werden.
Durch die Fähigkeit der Software, zu jedem Artikel dessen Versionsgeschichte anzurufen und Querverweisen zu folgen, können sich Leser und Autoren allerdings verhältnismässig einfach die Entstehung eines Artikels überprüfen und sich damit ein umfassenderes Bild machen. Ebenso kann zu jedem Artikel eine Diskussionsseite abgerufen werden, die nicht in den Artikeltext gehörende Anmerkungen enthält. Die Annahme der Betreiber von Wikipedia ist, dass Leser das Gelesene hinterfragen und diese Angebote annehmen.
Software
Ursprünglich arbeitete Wikipedia auf Basis der Software UseModWiki von Clifford Adams. Mittlerweile verwenden alle Sprachen die speziell für das Projekt geschriebene Software MediaWiki.
Allgemein akzeptierte Regeln
Um das Wikipedia-Projekt übersichtlich und produktiv zu gestalten, haben sich unter den Wikipedianern einige Regeln etabliert:
- Vieles, aber nicht alles gehört in die Wikipedia. Beispielsweise sind reine lexikalische oder Wörterbucheinträge im zukünftigen deutschsprachigen Wiktionary-Projekt besser aufgehoben (siehe Was Wikipedia nicht ist). Daher sollte man vorher überlegen, ob ein geplanter Artikel den enzyklopädischen Charakter der Wikipedia in weitestem Sinne erfüllt.
- Artikel sollten nachvollziehbare Namen haben. Die Zuordnung und der Umgang mit den Artikeln werden durch die Regeln für die Namensgebung erleichtert.
- Größere Veränderungen des vorhandenen Artikeltextes sollten vorab angekündigt werden. Jeder Artikel verfügt über eine eigene Diskussionsseite. Zwar ist es eigentlich der Sinn der Wikipedia, Änderungen sofort vorzunehmen (siehe Sei mutig beim Ändern der Seiten), aber schon aus Höflichkeit gegenüber den vorhergehenden Autoren sollten z. B. größere Textänderungen oder das Löschen ganzer Passagen vorher auf der Diskussionsseite des betroffenen Artikels zur Debatte gestellt werden. Sinnvolle Ergänzungen und Erweiterungen können aber natürlich sofort erfolgen.
- Man kann nicht alle Regeln befolgen. In der Wikipedia gibt es eine Menge weiterer Regeln, die von Einzelnen aufgestellt wurden und von den anderen Teilnehmern unterschiedlich akzeptiert werden. Eine dieser Regeln ist: "Wenn Dich Regeln so nervös und depressiv machen, dass Du keine Lust mehr hast, am Wiki teilzunehmen, dann ignoriere sie einfach und mach weiter." Es ist oft überraschend, wie diszipliniert und wohlerzogen hier trotzdem alles abläuft.
Die Mitarbeiter der Wikipedia
Wikipedia wird ebenso wie das Vorgänger-Projekt Nupedia von Richard Stallman unterstützt, einem der Gründer der Freien-Software-Bewegung und der Free Software Foundation. Stallman äußerte sich zur Notwendigkeit und Nützlichkeit einer freien Enzyklopädie in seinem Artikel "The Free Universal Encyclopedia and Learning Resource", noch bevor die Wikipedia und die Nupedia gegründet wurden.
Es gibt keinen Chefredakteur im engeren Sinne. Jimmy Wales und Larry Sanger, die die Wikipedia gegründet haben und von der Firma Bomis für ihre Betreuung bezahlt werden oder wurden, sehen sich selbst als normale Teilnehmer. Sie achten aber trotzdem darauf, dass das Projekt nicht aus dem Ruder läuft. Andere gegenwärtige und ehemalige Angestellte von Bomis, die sich an der Wikipedia beteiligt haben, sind u. a. Tim Shell, einer der Mitgründer von Bomis, der Programmierer Jason Richey und Toan Vo.
Die Wikipedia lebt von ihrer Vielzahl an freiwilligen Helfern. Viele tausend Wissenschaftler, Hobbyisten, Lehrer, Studenten und andere Wissensbegeisterte aus der ganzen Welt sind bereits irgendwann mal auf der Website gelandet und haben sich angesichts der hohen Aktivität und der Einfachheit der Bedienung entschlossen, ihr Wissen beizusteuern. Die Zahl der Wikipedianer (wie die Projektteilnehmerinnen und -teilnehmer sich selbst nennen) nimmt immer weiter zu, und viele davon haben ein sehr hohes Wissensniveau.
Wikipedianer, die sich über einen längeren Zeitraum hinweg engagieren, können zusätzliche Rechte erhalten und als Administratoren (auch: Sysop) beispielsweise Artikel löschen oder kurzzeitig sperren.
Siehe auch: Wikipedia:Benutzerarten
Eine kurze Geschichte der Wikipedia
Am 22. Oktober 1993 schrieb Rick Gates folgenden Beitrag in der Newsgroup alt.internet.services:
"Wow! An Internet Encyclopedia!
The more I thought about this, the more I realized that such a resource, containing general, encyclopedic knowledge for the layman, would be an important tool for some types of research, and for the Net.Citizenry in general.
Ahh.. but what about contributors... where will you find authors to write the short articles you need? Well, I'd first have to start out by finding some way of communicating with an extremely diverse set of people... everyone from linguists, to molecular biologists, from animal rights activists to zymurgists, and from geographers to gas chromotographers. Guess what? :-) The Net provides just such an arena! So I thought about it some more...'
...and came to the conclusion that this is a good idea!"
Ungefähre Übersetzung ins Deutsche:
"Wow! Eine Internet-Enzyklopädie!
Je länger ich darüber nachdachte, desto mehr erkannte ich, dass eine solche Ressource mit allgemeinem enzyklopädischen Wissen für den Laien ein wichtiges Instrument bei gewissen Arten von Informationsrecherchen sein würde - und zu dem ein wichtiges Instrument für die Internetgemeinde allgemein.
Aber woher würden die Beiträge kommen? Wo findet man Autoren für die kurzen Artikel? Nun, ich würde zunächst einen Weg finden müssen, um mit den vielen verschiedenen Menschen in Kontakt zu treten ... von Sprachwissenschaftlern bis zu Molekularbiologen, von Tierschützern bis zu Fermentationsexperten, von Geographen bis zu Gas-Chromotographen. Aber das Netz bietet genau dieses Forum! Also habe ich noch etwas weiter darüber nachgedacht...
...und kam zu dem Ergebnis, dass es eine gute Idee wäre!"
Bald wurde innerhalb einer Mailingliste und später in der Usenet-Newsgroup comp.infosystems.interpedia über ein Projekt mit Namen Interpedia diskutiert. Es war als eine über das Internet zu verbreitende Enzyklopädie geplant, die es jedem ermöglichen sollte, zu einem zentralen Katalog Artikel in Form von Webseiten beizutragen. Es gab jedoch Differenzen über Formate und Festlegungen der Weiterverbreitung, so dass das Projekt im Planungsstadium steckenblieb und schließlich auslief. Andere Webprojekte (z. B. Suchmaschinen etc.) traten an seine Stelle (siehe auch Vorgänger der Wikipedia).
Die Idee zur Wikipedia in ihrer heutigen Form wurde Anfang 2001 von Larry Sanger, dem damaligen Chefeditor der Nupedia, und einem befreundeten Programmierer, Ben Kovitz, entwickelt. Schon seit längerer Zeit hatten Sanger und Jimmy Wales über eine offenere Ergänzung zur Nupedia nachgedacht, und das von Kovitz vorgestellte Wiki-Konzept überzeugte sie.
Bereits wenige Tage später ging das erste Wiki online; als offizielles Geburtsdatum der Wikipedia unter eigener Web-Adresse wurde der 15. Januar 2001 festgehalten (Wikipedia-Tag). Das Projekt wurde sehr gut angenommen und erreichte sowohl von den Benutzer- als auch von den Artikelzahlen her schon bald ein exponentielles Wachstum. Besonderen Andrang gab es auf der Wikipedia immer nach der Nennung in News-Portalen wie Slashdot.
Der deutsche Ableger der Wikipedia wurde wenige Monate danach im Mai 2001 gestartet und enthielt Mitte 2002 bereits rund 4.300 Artikel. Ende des gleichen Jahres startete das Wiktionary-Projekt als Wörterbuch-Ableger der englischsprachigen Wikipedia.
Das Wachstum der Wikipedias setzte sich in einem enormen Tempo fort. Anfang 2003 konnte die englischsprachige Wikipedia ihren 100.000sten Artikel, die deutschsprachige nur wenige Tage später ihren 10.000sten Artikel feiern; letztere verdoppelte ihre Artikelanzahl bis Anfang Juli auf 20.000.
Kurzzeitig gebremst wurde das Wachstum im Dezember 2003 durch technische Probleme und den anhaltenden Ansturm von Benutzern und Autoren. Durch einen Online-Spendenaufruf kamen innerhalb eines einzigen Tages über 20.000 US-Dollar zusammen, so dass die alte Hardware erneuert werden konnte.
Nachdem die technischen Probleme im Januar 2004 beseitigt worden waren, setzte sich das Wachstum der Wikipedias fort: Die englische Wikipedia erreichte Anfang Februar den Stand von 200.000 Artikeln, die deutschsprachige folgte wenige Tage später mit ihrem 50.000sten Artikel. Am 25. Februar erreichte das Projekt den Meilenstein von insgesamt 500.000 Artikeln in allen mehr als 50 Sprachversionen.
Auch das Medieninteresse an der deutschsprachigen Wikipedia nimmt kontinuierlich zu: Bisher gab es u. a. Berichte in Der SPIEGEL, Focus, den Tagesthemen und auf RTL 2.
Eine ausführlichere Darstellung der Geschichte der Wikipedia ist unter Geschichte der Wikipedia und im Ankündigungsseiten-Archiv der internationalen Wikipedia zu finden.
Ableger der Wikipedia
Der in der Wikipedia oft geäußerte Wunsch vieler Schreiber, auch Wörterbucheinträge zu erstellen, führte zur Einrichtung von Wiktionary, dem Online-Wiki-Wörterbuch, dessen deutsche Version seit dem 1. Mai 2004 aufgebaut wird. Die Kamelopedia ist eine leicht ironische Schwester der Wikipedia, von einigen Wikipedianern 2004 als kleine Fingerübung ins Leben gerufen, inzwischen mit beachtenswerten Zuwachsraten (mehr als 1000 Artikel Mitte Mai 2004). Doch keine Konkurrenz zur Wikipedia, nur ein kleiner Zerrspiegel oder eine weitere Spielwiese.
Im Juli 2003 wurde die Idee geäußert, über eine Enzyklopädie hinauszugehen und freie Lehrbücher zu erstellen. Zu diesem Zweck wurde das "Wikimedia Free Textbook Project" begonnen.