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V-Modell (Entwicklungsstandard)

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
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Das V-Modell ist ein spezielles Vorgehensmodell zur Softwareentwicklung. Das V-Modell ist einer von vielen Versuchen, in Deutschland eine Richtlinie für die Entwicklung von IT-Systemen der öffentlichen Hand einzuführen. In der Regel wird ein neues V-Modell nach einer Katastrophe mit dem jeweils vorhergehenden V-Modell entwickelt. Das Bestreben ist, ein auf die öffentliche Hand zugeschnittenes Prozessmodell als Richtlinie einzuführen. Allgemeine Eigenschaften solcher Modelle und die Vor- und Nachteile, die mit ihrer Anwendung einhergehen, werden in den genannten Artikeln beschrieben (Vorgehensmodell (Software), Prozessmodell (Software)). Einige Risiken sind aus Erfahrung bekannt.

Im Gegensatz zu einem klassischen Phasenmodell werden lediglich Aktivitäten und Ergebnisse definiert und keine strikte zeitliche Abfolge gefordert. Insbesondere die typischen Abnahmen, die ein Phasenende definieren, sucht man hier vergeblich. Dennoch ist es möglich, die Aktivitäten des V-Modells z. B. auf ein Wasserfallmodell oder ein Spiralmodell abzubilden.

Geschichte

Im Jahre 1986 startete das Bundesministerium für Verteidigung zwei Projekte

  • Softwareentwicklungsumgebung für Informationssysteme (SEU-IS) und
  • Softwareentwicklungsumgebung für Waffen- und Waffeneinsatzsysteme (SEU-WS)

mit folgenden Zielen:

  • Die Kosten über den gesamten Software Entwicklungs- und Pflegeprozess transparent zu machen und in Folge auch zu begrenzen.
  • Durch geeignete Maßnahmen einen Mindeststandard für Softwarequalität zu garantieren bzw. diesen weiter zu verbessern.
  • Durch Vergleichbarkeit der Angebote von Dritten eine größere Unabhängigkeit von einzelnen Anbietern zu erlangen.
  • Die Entwicklung von Software im eigenen Hause zu standardisieren und transparenter zu gestalten.

Der militärische Ursprung

Hierzu wären grundsätzlich auch Prozessmodelle der NATO-Verbündeten in Frage gekommen, wie z. B. der amerikanische Standard DoD STD 2167 A oder der französische Standard GAM T 17. Eine eingehende Prüfung dieser Modelle zeigte jedoch, dass sie nicht in der Lage waren, allen Anforderungen gerecht zu werden. Somit entschloß man sich zu einer Eigenentwicklung, die im Jahre 1988 - als Ergebnis des Projektes SEU-WS - eine erste Version des V-Modells hervorbrachte. In dieses wurden dann bis April 1990 die Erkenntnisse aus dem Projekt SEU-IS integriert und die verbesserte Version des V-Modells per Erlass vom Februar 1991 durch den Bundesminister für Verteidigung als Entwicklungsstandard für die Softwareerstellung bei der Bundeswehr festgeschrieben.

Das zivile V-Modell

Da sich auch andere Bundesbehörden mit ganz ähnlich gelagerten Problemen konfrontiert sahen, wurde das V-Modell Ende 1991 an die Koordinierungs- und Beratungsstelle der Bundesregierung für Informationstechnik in der Bundesverwaltung (KBSt) übergeben, mit der Aufgabe eine zivile Fassung des V-Modells zu erstellen. Diese Arbeiten waren im August 1993 abgeschlossen und die daraus resultierende einheitliche Version des V-Modells durch den Bundesminister der Verteidigung und den Bundesminister des Inneren veröffentlicht und festgeschrieben.

V-Modell 97

Neue Softwareentwicklungsansätze (z. B. Objekt-Orientierung, etc.) machten eine Überarbeitung des V-Modells notwendig, zumal dieses bis zu diesem Zeitpunkt sehr stark auf den "klassischen Softwareentwicklungsansatz" zugeschnitten war. Als Ergebnis wurde im Juni 1997 das V-Modell '97 veröffentlicht, welches seit dem für jegliche Softwareentwicklung in der Bundesverwaltung zur Anwendung empfohlen wurde.

V-Modell XT

Dieses Werk wurde im Zuge von neuen Erkenntnissen in der Softwareentwicklung im Februar 2005 durch die Version 1.0 des V-Modell XT (XT = Extreme Tailoring) ersetzt. Hauptänderungspunkte sind hierbei

  • Einbindung des Auftraggebers: Bisher waren die Vorgaben auf den Auftragnehmer ausgerichtet. Nun gibt es auch Vorgehensbausteine für den Auftraggeber.
  • Stärkere Modularisierung: Die vier bisherigen Submodelle existieren in dieser Form nicht mehr, sondern nur noch Vorgehensbausteine, aus denen das konkrete Vorgehensmodell eines Projekts zusammengestellt wird ("tailoring").
  • Stärkere Orientierung in Richtung agiler und inkrementeller Ansätze: "Weg vom Wie, hin zum Was." Das V-Modell XT gibt keinerlei Vorschriften über die zeitliche Abfolge von Vorgehensbausteinen vor. Die erzeugten Produkte stehen im Mittelpunkt und nicht die Dokumentation wie bei RUP.

Eine einleitende Übersicht findet man in Grundlagen des V-Modells.

Grundstruktur des V-Modells

Der Aufbau der Dokumentation

Die Dokumentation des V-Modell XT besteht aus 9 Teilen, wovon lediglich die beiden ersten Teile für alle V-Modell-Anwender verpflichtend sind. Die übrigen 7 Teile verstehen sich als Nachschlagewerke. Das V-Modell XT besteht aus folgenden Teilen:

  1. Teil 1: Grundlagen des V-Modells (Einführung, Konzepte, ...)
  2. Teil 2: Eine Tour durch das V-Modell (Kleines Beispielprojekt)
  3. Teil 3: V-Modell-Referenz Tailoring (Wie passe ich das V-Modell an mein Projekt an?)
  4. Teil 4: V-Modell-Referenz Rollen (Wen brauche ich für mein Projekt?)
  5. Teil 5: V-Modell-Referenz Produkte (Wie sollen Projektergebnisse aussehen, was enthalten sie?)
  6. Teil 6: V-Modell-Referenz Aktivitäten (Wie erstelle ich Produkte?)
  7. Teil 7: V-Modell-Referenz Konventionsabbildungen (Ich kenne schon VM97/CMMI/... Wo im V-Modell XT finde ich Entsprechendes?)
  8. Teil 8: Anhang (Welche Werkzeuge und Methoden kann/soll ich einsetzen? Glossar...)
  9. Teil 9: Vorlagen (Vorlagendateien (RTF) mit Anwendungsbeschreibung)

Der V-Modell-Kern

Das V-Modell fasst eine Reihe von ähnlich gelagerten Tätigkeiten zu einem so genannten Vorgehensbaustein zusammen. Einige dieser Vorgehensbausteine finden bei allen Projekten Anwendung und werden daher als V-Modell Kern bezeichnet. Dazu gehören :

  1. PM: Projektmanagement
  2. QS: Qualitätssicherung
  3. KM: Konfigurationsmanagement
  4. PA: Problem- und Änderungsmanagement

Produkte und Aktivitäten

Das V-Modell definiert eine Reihe von Dokumenten, die als Produkte bezeichnet werden. Diese setzen sich aus einzelnen Themen zusammen. Produkte, die einen starken inhaltlichen Zusammenhang haben, werden wiederum derselben Produktgruppe zu geordnet.

Jedes definierte Produkt durchläuft vier Zustände:

  1. geplant
  2. in Bearbeitung
  3. vorgelegt
  4. akzeptiert

wobei folgende Übergänge zwischen diesen Zuständen möglich sind:

Dokumenten-Status und deren Übergänge
Dokumenten-Status und deren Übergänge

Tätigkeiten, die Produkte verändern, bezeichnet man als Aktivitäten; diese sind ihrerseits aus einzelnen Teilaktivitäten zusammengesetzt, die dann jeweils genau ein Thema behandeln. Inhaltlich verwandte Aktivitäten werden dabei wiederum zu Aktivitätengruppen zusammengefasst. Zu jeder Aktivität ist genau hinterlegt, welche Produkte sie benötigt bzw. verändert und welche Arbeitsschritte notwendig sind, die gewünschte Modifikation herbeizuführen. Zu diesem Zweck ist jeder Aktivität ein Produktfluss und eine Abwicklung definiert. Während der Produktfluß beschreibt, aus welchen Aktivitäten die benötigten Eingabeprodukte mit welchem Zustand kommen, um dann in modifizierter Form bzw. modifiziertem Zustand an eine nachfolgende Aktivität weitergereicht zu werden, beinhaltet die Abwicklung genauere Anweisungen zur Durchführung der Aktivität.

Die zeitliche Abfolge der Aktivitäten ergibt sich somit aus der Verfügbarkeit der benötigten (Teil-)Produkte in einem bestimmten Zustand.

Besonderheiten

Vorgehensmodelle werden zur Anwendungsentwicklung von IT-Systemen verschiedenster Größe und Komplexität verwendet. Um bei Abwicklung kleinerer und mittlerer Projekte keinen übermäßig großen Mehraufwand zu produzieren, definiert das V-Modell für diese Projektgrößen Streichbedingungen, die die Menge der Aktivitäten und Produkte auf das notwendige Maß reduzieren. Den Vorgang des Anpassens des V-Modells auf die projektspezifischen Bedürfnisse bezeichnet man als Tailoring.


Werkzeuge

Literatur

Zum V-Modell 97

  • Dröschel, W.; Heuser, W.; Midderhoff, R. (Hrsg.): Inkrementelle und objektorientierte Vorgehensweisen mit dem V-Modell 97. ISBN 3486242768
  • Dröschel, W.; Wiemers, M. (Hrsg.): Das V-Modell 97. Der Standard für die Entwicklung von IT-Systemen mit Anleitung für den Praxiseinsatz. ISBN 3486250868

Zum V-Modell XT

  • D. Niebuhr, A. Rausch, Erfolgreiche IT-Projekte mit dem V-Modell XT, in: OBJEKTspektrum 3/05
  • C. Bartelt, T. Ternité, M. Zieger, Modellbasierte Entwicklung mit dem V-Modell XT, in: OBJEKTspektrum 5/05
  • A. Rausch, M. Broy, Das V-Modell XT - Grundlagen, Erfahrungen und Werkzeuge, dpunkt.verlag, 2005
  • KBSt.bund.de - Umfangreiche Informationen und Downloads zum V-Modell XT.
  • IABG.de - Umfangreiche Informationen und Downloads zum V-Modell 97.
  • hu-berlin.de - Onlineversion des V-Modells 97.