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Der Chinese (Glauser)

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Der Chinese in der Werkausgabe des Limmat Verlages, 1995

Der Chinese ist der vierte Wachtmeister Studer-Roman des Schweizer Autors Friedrich Glauser. Dieser Krimi, geschrieben 1937, ist...

Erster Satz

Studer stellte das Gas ab, stieg ab von seinem Motorrad und wunderte sich über die plötzliche Stille, die von allen Seiten auf ihn eindrang. Aus dem Nebel, der filzig und gelb und fett war wie ungewaschene Wolle, tauchten Mauern auf, die roten Ziegel eines Hausdaches leuchteten.

Inhalt

Ausgangslage

An einem Juniabend muss Wachtmeister Studer im Weiler Pfründisberg mit seinem Motorrad einen Zwischenstopp einlegen, um Benzin zu tanken. Dabei lernt er James Fahrni kennen, einen Weltenbummler, der auf das Ende seiner Tage wieder in die bernische Heimat zurückgekehrt ist. Der Fremde, den Studer wegen seines Aussehens insgeheim «Chinese» tauft, prophezeit, er werde innerhalb der nächsten Monate getötet werden. Auch die in Frage kommenden Täter scheint Fahrni schon zu kennen und stellt diese dem Wachtmeister in der Dorfbeiz unauffällig vor: Vinzenz Hungerlott, Leiter der Armenanstalt, Ernst Sack-Amherd, Direktor der Gartenbauschule und Rudolf Brönnimann, der Wirt der «Sonne». Studer nimmt die Befürchtungen des «Chinesen» nicht ernst und verlässt Pfründisberg wieder, nachdem sein er sein Motorrad aufgetankt hat. Exakt vier Monate später muss der Wachtmeister wieder nach Pfründisberg. Auf dem Friedhof ist die Leiche von James Fahrni entdeckt worden: Mit einem Herzschuss liegt der Tote, eine Waffe neben sich, auf dem Grab der kürzlich verstobenen Frau von Vinzenz Hungerlott. Da die Kleider des Toten keine Schusslöcher aufweisen, schliesst Studer Selbstmord aus und beginnt zu ermitteln.

Ermittlung

Auflösung

Entstehung

Vereinfachung

Am 8. Januar 1938 schrieb er entnervt an seine langjährige Brieffreundin und Gönnerin Martha Ringier: «Eine so kompliziert-verfehlte Geschichte wie die Fieberkurve soll mir nicht mehr passieren. Ich muss meine Fabeln vereinfachen, dann kann ich mich auf wenige Menschen beschränken und jeden dann richtig hinmalen.»[1]

Matto: Januar 1936 mit der Niederschrift und hatte bis Ende Mai beinahe alle 26 Kapitel geschrieben. Ab Juni in Angles

Angles bei Chartres: Juni 1936 - Februar 1937 La Bernerie: März 1937 bis Dezember 1937 (dazwischen in Basel)

Dazwischen die leidige Überarbeitung der Fieberkurve

Glauser in Angles, immer noch am Fieberkurven-Handlungchaos. Schon bei Matto regiert ein Handlungsort und wenige Personen. Nun bei Chinese noch enger: drei Gebäude, wenige Hauptfiguren

Schlumpf Erwin Mord für Glauser derjenige Roman war, der ihm den Durchbruch verschafft hatte, Die Fiebkurve sein grosses «Sorgenkind». Von der ersten Niederschrift bis zur Publikation vergingen zwei Jahre, Matto regiert sein Schlüsselroman


26.9.36 an Robert Schneider fragt nach den Bedingungen des Wettbewerbes und weiter: «Übrigens wird der Roman in einem Armenhaus, in einer Gartenbauschule und in einer Beize spielen, er wird heissen ‹Der Chinese›, und mein Freund Studer wird ihn nennen: ‹Die Geschichte der drei Atmosphären›. Jawohl.»[2]

27 Kapitel

Logiklöcher

Problem 1: Auflösung wie die Kleider von James Fahrni keine Einschusslöcher aufwiesen? Problem 2: Auflösung, warum der Schlüssel im Gewächshaus innen steckte Locked Room Mystery

«Mit eindringlichen Milieustudien und packenden Schilderungen der sozialpolitischen Situation gelingt es ihm [Glauser], den Leser in seinen Bann zu schlagen. [...] Glauser beleuchtet die dunklen Flecken, die normalerweise absichtlich ausgeklammert werden, weil sie die vermeintliche Idylle stören.»[3]

Biografischer Hintergrund

Schauplätze

Gärtnerei

Friedrich Glauser in der Gartenbauschule Oeschberg, 1930/31

Vom Juni 1926 bis zum März 1927 arbeitete er in Liestal als Handlanger bei Jakob Heinis Gärtnerei. («Baumschule Ellenberger» in Schlumpf Erwin Mord)

Friedrich Glausers Psychoanalyse bei Max Müller begann im April 1927 und dauerte rund ein Jahr. Während dieser Zeit arbeitete er in der Gärtnerei Jäcky in Münsingen.

1. April 1928 Stellenantritt als Hilfsgärtner bei R. Wackernagel in Riehen, gemeinsame Wohnung mit Beatrix Gutekunst in Basel an der Güterstrasse 219.

September bis Dezember 1928: Stellenwechsel zur Handelsgärtnerei E. Müller in Basel.

März 1930 trat Glauser dann in die Kantonale Gartenbauschule Oschberg (vermittelt durch Max Müller) ein; Vereinbarung zu regelmässigem Opiumbezug. und schloss ein Jahr später (Februar) mit Diplom ab; die Erfahrungen in Gartenbaumschulen verarbeitete er dann 1937 in seinem vierten Studer-Roman Der Chinese detailliert zu einem Hauptschauplatz.

Emil Weibel, ehemaliger Gartenbaulehrer, erinnerte sich 1975 im Dokumentarfilm Betrifft Friedrich Glauser – Eine Ermittlung: «Glauser kam im Frühling 1930 als Jahresschüler hierher. Man wusste weiter nichts von ihm. Im Laufe der Zeit stellte sich dann heraus, dass er weit in der Welt herumgereist war. Vom Direktor erfuhren wir, dass er Schriftsteller war, Romane schrieb. In der freien Zeit am Abend schrieb er, immer rauchend. Wahrscheinlich damit er Ideen für einen Krimi hatte, brauchte er Rauschgift. Da sind dann mit der Zeit gewisse Schwierigkeiten aufgetreten, weil er dies nicht einfach kaufen konnte.»[4]

Figuren

Hans der Güggel

15. August 1936 an Martha Ringer: «Das Wetter ist schön, ich hab dem Hans heut das Seiltanzen gelehrt, auf dem Wäscheseil, er ist ein wenig ungeschickt, aber sonst gelehrig. Und wenn alles schief geht, tret ich im Küchlin als Hühnerdresseur auf - der junge Schweizer Schriftsteller, dessen Namen man sich wird merken müssen, in einer Solonummer, umgeben von seinem Hühnerschwarm. Wenn das nicht zieht!»[5] Foto

Ein Hühnerhof (1936)[6]

«‹Hansli!› rief die Wäscherin»[7]

Erlebnisse

Publikationen

Der Chinese in der Buchausgabe des Morgarten-Verlags, Zürich 1939

Rezeption

Der Bund (Bern): «Es sei festgehalten, dass das Buch nicht etwa von einem wirklichen Chinesen handelt und daher auch nicht in fernen Orient spielt, sondern der ‹Chinese› ist der Spitzname für einen heimgekehrten Auslandsschweizer, dessen geheimnisvoller Tod den Kern- und Ausgangspunkt der geschickt behandelten Falbel ist. Ausser dem uns bereits lieb gewordenen Studer sind alle Figuren aus so bodenständigen Material geschaffen; sie handeln und sprechen so lebendig und ungekünstelt, dass man das Buch nicht nur in äusserster Spannung geradezu verschlingt, sondern es noch ein zweite Mal bedächtig liest, um all seine psychologischen und kriminalistischen wie auch sprachlichen Eigenarten in Ruhe geniessen zu können. Kann man von einem Kriminalroman mehr verlangen? Wir glauben nicht.»

Verfilmungen

1978: Der Chinese, Deutschland/Schweiz, Fernsehfilm, Regie: Kurt Gloor; mit Hans Heinz Moser als Studer

Nachwort zu Knarrende Schuhe, Hannes Binder und Gloor. Kurt Gloor:

In Glausers Fieber (1999) liess er den Schriftsteller Glauser seinen eigenen Roman Die Fieberkurve schreiben. «Ich erinnere mich, mit wie mit grosser Lust auch ich die Glauser-Geschichten las, damals, vor zwölf Jahren, als ich sie alle hintereinander in mich hineinschlüpfte. Besoffen war ich von den bilderstarken Geschichten, von Glausers Genauigkeit im Detail und von seinen exakten Beschreibungen von Stimmungen, Situationen und Figuren. Er hatte es mir angetan, dieser wunderbare Erzähler, dieser scharfsinnige Menschenbeobachter, der die Welt seiner Figuren kennt - aus eigener, bitterer Erfahrung. Ich freute mich darauf, aus Der Chinese einen Fernsehfilm zu machen. Doch die Enttäuschung war gross, als ich von der Bavaria Film in München das Drehbuch zugeschickt bekam. Das war kein richtiger Glauser mehr, das ging eher in Richtung Dutzendkrimi. Weg wahr er, der witzig-lisitge, gelegentlich auch gallig-ironische Blick von Glauser auf sein Personal und dessen Befindlichkeiten, Eitelkeiten, Hoffnungen Sehnsüchte und Dummheiten. (…) Der Drehbuchautor hatte den Chinesen entschlackt, mit deutscher Gründlichkeit. So setzte ich mich selber dran, versuchte, den verloren gegangenen Glauser wieder anzupflanzen, damit die Geschichte wieder riecht, nach Bätziwasser und Brissagos, nicht bloss nach Milch von glücklichen Kühen. Aber das war schwierig. Denn all das kunstvoll verschlungene erzählerische Girlanden- und Efeuwerk, das das Lesevergnügen bei Glauser ausmacht, treiben einem Drehbuchautor, der zu Vereinfachungen, Kürzungen, Weglassungen und Entflechtungen gezwungen ist, den kalten Schweiss auf die Stirn. Glauser, so schien es mir, ist unbestrittener Schweizermeister im zigmal hundert Meter dramaturgischen Fallenstellen. Manchmal frage ich mich, ob der Schriftsteller Glauser etwas gegen Drehbuchautoren und Filmemacher gehabt haben könnte - gewissermassen prophylaktisch.» Auch Hannes Binder, der Glausers Chinese (und Die Speiche als Comic adaptierte, kämpfte mit denselben Problemen: «Muss man zuviel davon weglassen, so hat man am Schluss nur noch das Gerüst einer wackligen Geschichte und spürt den Glauser nicht mehr.»[8]

Theateradaption

Comic

Comicadaption von Hannes Binder 1988

Hörbücher

Literatur

  • Gerhard Saner: Friedrich Glauser, zwei Bände, Suhrkamp, Frankfurt am Main / Zürich 1981, ISBN 3-288-04130-4
  • Bernhard Echte und Manfred Papst (Hrsg.): Friedrich Glauser – Briefe 1. Arche Verlag, Zürich 1988, ISBN 3-7160-2075-3.
  • Frank Göhre: Zeitgenosse Glauser – Ein Portrait. Arche Verlag, Zürich 1988, ISBN 3-7160-2077-X.
  • Bernhard Echte (Hrsg.): Friedrich Glauser – Briefe 2. Arche Verlag, Zürich 1991, ISBN 3-7160-2076-1.
  • Rainer Redies: Über Wachtmeister Studer – Biographische Skizzen. Edition Hans Erpf, Bern 1993, ISBN 3-9055-1760-4.
  • Friedrich Glauser: Der Chinese. Limmat Verlag, Zürich 1996, ISBN 3-85791-244-8.
  • Heiner Spiess und Peter Edwin Erismann (Hrsg.): Erinnerungen. Limmat Verlag, Zürich 1996, ISBN 3-85791-274-X.
  • Hannes Binder: Nüüd Appartigs… – Sechs gezeichnete Geschichten. Limmat Verlag, Zürich 2005, ISBN 3-85791-481-5.
  • Martina Wernli: Schreiben am Rand – «Die Bernische kantonale Irrenanstalt Waldau» und ihre Narrative (1895–1936). Transcript, Bielefeld 2014, ISBN 978-3-8376-2878-4 (Dissertation Eidgenössische Technische Hochschule ETH Zürich, Nr. 20260, 2011, 388 Seiten).

Einzelnachweise

  1. Bernhard Echte (Hrsg.): Friedrich Glauser – Briefe 2. Arche, Zürich 1995, ISBN 3-7160-2076-1, S. 816.
  2. Bernhard Echte (Hrsg.): Friedrich Glauser – Briefe 2. Arche, Zürich 1995, ISBN 3-7160-2076-1, S. 373.
  3. Erhard Jöst: Seelen sind zerbrechlich - Friedrich Glausers Kriminalromane beleuchten Schweizer Schattenseiten. In Die Horen - Zeitschrift für Literatur, Kunst und Kritik. Witschaftsverlag, Bremerhaven 1987, S. 75.
  4. Dokumentarfilm Betrifft Friedrich Glauser – Eine Ermittlung von Felice Antonio Vitali, 1975
  5. Bernhard Echte (Hrsg.): Friedrich Glauser – Briefe 2. Arche, Zürich 1995, ISBN 3-7160-2076-1, S. 341/963.
  6. Friedrich Glauser: Das erzählerische Werk, Band 3: König Zucker. Zürich 1993, ISBN 3-85791-205-7, S. 172.
  7. Friedrich Glauser: Der Chinese. Limmat Verlag, Zürich 1996, ISBN 3-85791-244-8, S. 64/65.
  8. Hannes Binder: Nüüd Appartigs… – Sechs gezeichnete Geschichten. Limmat Verlag, Zürich 2005, ISBN 3-85791-481-5, S. 226