Ermordung der Zarenfamilie

Die Ermordung der Zarenfamilie durch die Bolschewiki im Verlauf des russischen Bürgerkriegs begann weder mit dem ehemaligen Zaren Nikolaus II. und seiner Familie, noch endete sie mit den Ereignissen in Jekaterinburg am 16./17. Juli 1918.
Vorgeschichte
Russland zu Beginn der 19. Jahrhunderts
Russland stand Anfang des 20. Jahrhunderts vor großen inneren Problemen. Die russischen Randprovinzen, wie zum Beispiel das Großherzogtum Finnland oder die Ukraine, widersetzten sich zunehmend der Russifizierungspolitik des Zaren. Bereits unter Alexander III. ging Russland dazu über den Randprovinzen ihre Freiheiten zu nehmen. Dies führte zu starken Konflikten innerhalb des russischen Reiches. Die erhofften Veränderungen, verbunden mit dem neuen Zaren Nikolaus II., der nach dem frühen Tode Alexander III in Jahre 1894 den Thron bestieg, erfüllten sich nicht. Nikolaus hielt wie sein Vater stur an der russischen Autokratie fest. In Russland herrschte revolutionäre Stimmung. Die aufgestauten Aggressionen gegen die zunehmende Einschränkung der Autonomie in den Randgebieten des Reichs traten schon bald offen zu Tage. Der russische Polizeistaat und die Autokratie wurden im gemeinen Volke immer unbeliebter. Der russisch japanische Krieg, der die Revolutionäre Stimmung im Lande durch einen schnellen Sieg im Keim ersticken sollte führte genau zum Gegenteil. Nach der vernichtenden Niederlage der russischen Flotte bei Port Arthur, wurde das Zarenreich von der Revolution im Jahr 1905 ergriffen. Zunächst versuchten die Machthaber die Revolution niederzuwerfen. Nachdem zaristische Soldaten Demonstranten am so genannten Blutsonntag niedergeschossen hatten, sah sich der Zar zu Veränderungen im Reich genötigt, um den Frieden wiederherzustellen. Nikolaus musste sich von der Autokratie teilweise verabschieden und einer gewählten Volksvertretung zustimmen. Im Oktobermanifest von 1905 berief er die erste Duma ein und ernannte Sergei Witte zum ersten Vorsitzenden.
Russland wurde auch in den folgenden Jahren von Streiks unter den Arbeitern heimgesucht. Die Lage im Land entspannte sich nur oberflächlich und die eingeführte Pressefreiheit nutzen die radikalen Kräfte, die Bolschewiki zur Meinungsbildung. Die Regierung unter Stolypin konnte trotz guter Wirtschaftslage die Situation unter den Arbeitern und Bauern nicht sonderlich verbessern. Die Radikalisierung der Arbeiter schritt im ganzen Land voran und die Regierung verlor die Kontrolle über Land und Leute. Gleiches trifft auf den Zaren Nikolaus II. und seinem Hof zu. Sie verspielten in der Öffentlichkeit ihr Ansehen. Ohnehin nicht beliebt beim Volk, sank die Beliebtheit der Krone rapide seit der Wunderheiler Grigori Rasputin am Hofe verkehrte. Seine Wirkung auf die Krankheit des Thronfolgers ließen ihn in der Gunst der Familie steigen. Rasputin schadete besonders der als Deutsche bezeichneten Zarin Alexandra Fjodorowna. Die Ablehnung der breiten Masse, wie auch in Teilen der Zarendynastie selbst, führte zur weitgehenden Isolierung des Zaren samt seiner Familie. Sie zogen sich in ihre Paläste zurück und verloren den Bezug zu den Problemen der Bevölkerung. Im ersten Weltkrieg wurde der Boden zum Sturz der Monarchie und der über 300 Jahre währenden Romanowdynastie in Russland gelegt.
Russland während des ersten Weltkrieges
Die Eskalation in Europa, die nach der Ermordung des österreichischen Thronfolgepaars einsetzte, konnte auch der Zar nicht entspannen. Durch die Telmobilmachung der russischen Streitkräfte wurde der Konflikt noch angeheizt und die Bündnistreue Deutschlands auf die Probe gestellt. Der Krieg konnte schließlich nicht mehr verhindert werden und 1914 begann der erste Weltkrieg. Die russischen Truppen konnten gegen die deutsche kaiserliche Armee nicht bestehen und mussten bei Tannenberg eine empfindliche Niederlage einstecken. An der südlichen Front lief es gegen die österreichischen Truppenverbände besser. Im weiteren Verlauf des Krieges konnten die zaristischen Truppen kaum Erfolge vorweisen.
Der Kriegsausbruch hatte, wie in allen beteiligten Ländern so auch in Russland zu einem gehörigen Anstieg des Patriotismus geführt. Dieser Patriotismus machte auch vor den Politikern nicht Halt. Es kam zur Zusammenarbeit zwischen der Regierung und der Duma, doch der zunehmende Misserfolg an den Fronten des Krieges stoppte das Miteinander von Regierung und Duma. Die Duma verfiel wieder auf ihr altes Ziel zurück, die Veränderung der Verfassung durchzusetzen. Die Dumamitglieder strebten eine konstitutionelle Monarchie an. Schließlich arbeiteten sie aneinander vorbei.
Die Lage in der Hauptstadt verschlimmerte sich noch, nachdem der Zar im August des Jahres 1915 den Oberbefehl über die Truppen von seinem Onkel Nikolaus Nikoljewitsch übernahm. Eine Wende an der Front blieb jedoch aus. Die Aufgabe erforderte es, das sich Zar Nikolaus II. fast ausschließlich im Mogiljower Hauptquartier aufhielt, wodurch Alexandra Fjodorowna faktisch zur Regentin in Petrograd wurde. Unter dem Einfluss von Rasputin traf sie umstrittende Entscheidungen und entließ mehrere Minister auf gut Dünken. Im Herbst 1916 hielt Miljukow seine berühmte „Dummheit oder Verrat“ Rede. Er bezeichnete den Ministerpräsidenten der Duma Stürmer, einem Günstling Rasputin, und indirekt die Kaiserin Alexandra Fjodorowna als Landesverräter. Stürmer musste zurücktreten und Russland stand vor der Revolution.
Februarrevolution und Abdankung
Den Zaren holten im Verlauf des Krieges die inneren Probleme des Landes ein. Durch den Krieg war eine grundlegende Versorgung der Bevölkerung mit lebensnotwendigen Dingen nicht mehr gewährleistet und die Inflation tat ihr übriges. Immer mehr Menschen verarmten. Es kam im November 1916 zu ersten Unmutsbekundungen seitens der Bürger. In Kreisen der Romanowfamilie bildete sich eine Opposition zum Zaren heraus, die begann gegen die Zarin und Rasputin zu arbeiten. Duma und Regierung lagen seit Monaten im Streit und auf der Straße häuften sich die Proteste. In der Reihen der oppositionellen Familienmitgliedern beschloss man die Beseitigung Rasputins. Felix Jussopow und Dimitri Pawlowitsch ermordeten Rasputin im Dezember 1916. Eine Veränderung der Umstände setzte jedoch nicht ein. Die Mörder Rasputins verbannte der Zar aus der Hauptstadt, eine Tatsache die ihnen später das Leben rettete. Die Ermordung Rasputins verschärfte die Lage und die Erleichterung über dessen Ermordung hielt nicht lange an. Die Lage in der Hauptstadt begann außer Kontrolle zu geraten, nachdem die Arbeiter gegen die Regierung und den Zaren demonstrierten.
Der Zar bemühte sich die Lage in den Griff zu kriegen, scheiterte jedoch. Die Bevölkerung versagte dem Zaren zunehmend die Gefolgschaft. Russland wurde nach 1905 erneut von einer Revolution ergriffen. Im Februar 1917 häuften sich die Demonstrationen in Petrograd. Wurde zu Beginn noch der Unmut über die Knappheit an Lebensmitteln geäußert, schlug die Stimmung bald um. Streiks in den Fabriken kamen hinzu und die Garnisonstruppen widersetzten sich ihren Befehlen und schlossen sich den Demonstranten an. Am 26. Februar/ 11. März 1917 löste der Zar die Duma, die nicht in der Lage war die Situation zu beruhigen, auf, womit er auch die Abgeordneten gegen sich aufbrachte.
Die Revolution beschränkte sich in den ersten Februartagen auf Petrograd, Die Nachricht verbreitete sich an den folgenden Tagen im russischen Reich und in anderen Städten kam es ebenfalls zu Aufständen. Im der Hauptstadt fernen Hauptquartier der Armee wollte der Zar zunächst den Aufstand militärisch niederschlagen lassen; seine Generalität widersetzte sich ihm und legte Nikolaus II den Thronverzicht nahe. Isoliert von den Petrograder Ereignissen und ohne Unterstützung in den eigenen Reihen wie bei den Verbündeten, die den Zaren fallen gelassen hatten und längst auf eine neue Regierung setzten, sah sich Nikolaus II zur Abdankung gezwungen. Am 2./15. März 1917 unterzeichnete er die Abdankungsurkunde. Nikolaus dankte zu Gunsten seines Bruders Michail Romanows ab. Dass Nikolaus auch für seinen Sohn Alexei abdankte führte zu Problemen, denn die Befürworter der Abdankung hatten dies nicht bedacht Die Angestrebt Regentschaft Michail fiel damit aus.
Die Dumaabgeordneten überredeten nun auch Michail Alexandrowitsch zur Abdankung. Der Großfürst sah sich zu ohne Unterstützung und verzichtete am folgenden Tag den 3./16. März ebenfalls auf den russischen Thron. Die Staatsform sollte auf einer konstituierenden Versammlung geklärt werden, nach dem Willen des Volkes. In den Tagen der Revolution ließen die Umstände keine Wahlen zu, daher blieb die Staatsform offen.
Die provisorische Regierung übernahm die Macht. Eine ihrer ersten Amthandlungen war die Inhaftierung der Zarenfamilie im Alexanderpalast in Zarskoje Selo.
Die provisorischen Regierung
Oktoberrevolution und Machtergreifung der Bolschewiki
Das Schicksal des Großfürsten Michail Romanows
Hausarrest in Gatschina
Einen Tag nach der Abdankung des Zaren wurde im Petrograder Exekutivkomitee beschlossen die Zarenfamilie zu inhaftieren. Gesondert wird im Bericht ein Beschluss zu Michail Alexandrowitsch gefasst. In diesem heißt es, dass die faktische Inhaftierung des Großfürsten vorzunehmen sei. Der Großfürst Michail Romanow, seine Frau Nathalie Brassowa, ihr gemeinsamer Sohn Georg Michailowitsch Brassow und Nathalies Tochter Nathalie (Tata) Mamontow aus erster Ehe standen unter der Aufsicht der revolutionären Armee.
Seit dem Frühjahr 1917, nach den anfänglichen Unruhen der Abdankung konnte Michail Alexandrowitsch Romanow mit seiner Familie relativ unbehelligt in Gatschina leben, wenn auch unter ständiger Beobachtung der Regierungstruppen. Am 21. August 1917 wurde die vorhandene Bewegungsfreiheit vom Ministerpräsidenten Alexander Kerenski weitestgehend eingeschränkt. Fortan standen der ehemalige Großfürst Michael Romanow und seine Frau Nathalie Brassowa unter Hausarrest. Die Notwendigkeit für diesen Schritt lieferte aus Sicht der Regierung die Aufdeckung einer angeblichen Verschwörung monarchischer Kreise, die mit dem abgedankten Zaren in Kontakt zu treten suchte.
Verbannung nach Perm
Nach der Oktoberrevolution verschlechterte sich die Lage in Russland besonders infolge des deutschen Vormarsches in Richtung Petrograds. Ebenfalls negativ wirkten sich konterrevolutionären Entwicklungen im Land aus. Der Umstand, dass Michail Alexandrowitsch in Gatschina unter Hausarrest stand und der Ort mittlerweile nahe der deutschen Front lag, führte zur Verbannung des Großfürsten aus Gatschina. Mit anderen Personen des alten Zarenregimes zusammen wurde der Großfürst nach Perm in den Ural verbannt. Nathalie Brassowa ersuchte darum das Schicksal ihres Mannes zu teilen, durfte ihrem Mann aber nicht in die Verbannung folgen. Michail Romanow und sein Sekretär Brian Johnson erreichten Perm am 17. März 1918.
Quartier bezogen die Verbannten Michail Alexandrowitsch, Brian Johnson, Oberst Pjotr Snamerowski sowie die Diener Michails in einem Permer Hotel. Die erste Zeit ihrer Verbannung gestaltete sich unproblematisch, durften sie sich doch frei im Ort bewegen. Einzige Auflage war täglich bei der örtlichen Tscheka zu erscheinen. Nathalie Brassowa reiste nach Perm zu ihrem Mann, nachdem sie ihren gemeinsamen Sohn außer Landes geschafft hatte. Georg Michailowitsch Brassow konnte Russland über Deutschland nach Dänemark verlassen. Der dänische König Christian X. nahm ihn bei sich auf. Nathalies Aufenthalt bei ihrem Mann war nur von kurzer Dauer, schon wenige Tage später reiste sie wieder in Richtung Moskau ab. Sie hatte den Entschluss gefasst sich direkt bei Lenin für ihren in Perm inhaftierten Mann zu verwenden.
Die Nacht des 13. Juni 1918
Am Abend des 12. Juni 1918 wurde der Großfürst in einer als Verhaftung getarnten Aktion aus seinem Quartier geholt; begleitet von seinem englischen Sekretär Brian Johnson. Die Permer Tscheka stellte die Aktion dar, als wäre Michail Alexandrowitsch nebst Sekretär aus dem Hotel entführt worden. Eine Stunde nach dem vermeintlichen Verschwinden des Großfürsten wurde eine groß angelegte Suchaktion gestartet.
Andrei Markow einer derer, die an der Vollstreckung des Befehls zur Entführung Michaels beteiligt waren, war auch unmittelbar für die Liquidierung verantwortlich. Die von Markow angeführte Gruppe von Bolschewiki brachte die Beiden in Droschken aus der Stadt. Sie fuhren mit ihnen in Richtung Motowilicha. Den Gefangenen wurde zur Beruhigung gesagt, dass sie erneut verlegt würden und aus dem Gebiet weggebracht würden. In einem Wald ließ Markow die Droschken stoppen; die Gefangenen aussteigen und erschoss sie am frühen Morgen des 13. Juni 1918. Anschließend wurden die Leichen der Wertgegenstände beraubt und im Waldboden verscharrt. Das Grab des ehemaligen Großfürsten Michail Alexandrowitsch Romanows und seines Sekretärs Brian Johnson wurde bis heute nicht gefunden.
Folgen
Die nächtliche Aktion im Hotel blieb nicht ohne Folgen für weitere Personen aus dem Umfeld des Großfürsten. Es galt die Personen, die Zeugen der nächtlichen Ereignisse gewesen waren, zu beseitigen. Am Tage nach der Ermordung des Großfürsten am 13. Juni wurde der Diener Michails Tschelyschew und sein Fahrer Borunow, sowie Oberst Snamerowski verhaftet. Den Verhafteten warfen die Tschekisten eine Beteiligung an der vermeintlichen Entführung des Großfürsten vor. Als unliebsamen Zeugen inhaftierte die Tscheka auch den Hotelverwalter Saposhnikow.
Außerdem wurde eine formale Untersuchung zur Aufklärung der Flucht Michael Romanows eingeleitet, die für Michails Verwandten noch Konsequenzen haben sollte. Nach der Beseitigung der Spuren, sahen die Bolschewiki die Tat als ausreichend vertuscht an.
Die Inhaftierten wurden später liquidiert.
Nachwirkungen
Die Presse berichtet ausführlich von der so genannten Flucht des ehemaligen Großfürsten. Für die Bolschewisten führte dies zu unerwünschten Nebenwirkungen. In der Bevölkerung kursierten über die Flucht zahlreiche Gerüchte. Viele Anhänger der alten Ordnung knüpfen ihre Hoffnungen an die Flucht Michails. Es kam zu sonderbaren Meldungen. Unter anderem wurde berichtet, dass sich der Großfürst den weißen Truppen angeschlossen hätte und bereits ein Manifest an das Volk gerichtet habe. Derartige Meldungen fanden eine derart große Beachtung in der Presse und im gemeinen Volk, dass die Bolschewiki sich genötigt sahen erst die erneute Festnahme Michail Alexandrowitsches bekannt zu geben und im Winter 1918 schließlich dessen Erschießung.
Der Ermordung Michail Alexandrowitsch Romanows, der vom seinem Bruder Nikolaus den Thron für einen Tag erbte, folgten die Morde von Jekaterinburg, Alapajewsk und Petrograds. Sie bildet somit den Auftakt zu den Verbrechen der Bolschewiki an der Dynastie der Romanows.
Schicksal der Familie Michails
Natascha Brassowa verließ Perm Richtung Moskau, dort traf sie mit Lenin zusammen und verwendete sich für ihren nach Perm verbannten Mann. Ohne Erfolg reiste aus Moskau ab, um ihre Tochter Nathalie, genannt Tata, aus erster Ehe, in Petrograd zu besuchen. Dort wurde sie am 13. Juni verhaftet. Nach dreimonatiger Inhaftierung gelang ihr mit der Hilfe des Festungsarztes die Flucht.
Am 7. September wurde Tata aufgrund des Verschwindens ihrer Mutter verhaftet, jedoch bereits am 10. September wieder freigelassen. Mutter und Tochter tauchten unter und flüchteten vor den Bolschewisten erst in die von den Deutschen besetzte Ukraine. Nach Kriegende drohte ihnen erneut Gefahr von den Bolschewiki und sie flohen nach Odessa. Dort gelang ihnen an Bord einen englischen Kriegsschiffs die Flucht aus Russland. Natascha und Tata emigrierten nach England.
Die Ereignisse um Nikolaus II.
Inhaftierung im Alexanderpalast
Nach seiner Abdankung kehrte der Zar am 9. März 1917 zu seiner Frau Alexandra Fjodorowna und seinen Kindern Olga, Tatjana, Maria, Anastasia und Alexei nach Zarskoje Selo zurück. Dort wurde die Zarenfamilie samt ihrem Gefolge unter Hausarrest gestellt. Abgesehen von der eingeschränkten Bewegungsfreiheit, hatte die Familie wenig Entbehrungen zu erleiden. Man vertrieb sich die Zeit mit Gartenarbeit und kurzen Spaziergängen in Garten des Alexanderpalastes.
Die Regeln des Hausarrests wurden zunehmend verschärft. Der erste Schlosskommandant Kotzebue pflegte ein nachsichtiges Verhältnis zu den im Alexanderpalast internierten Arrestanten. Er wurde das erste Opfer von Denunziationen. Ihm wurde von offizieller Seite vorgeworfen, dass er stundenlang mit der Hofdame der Zarin Anna Wyrubowa verkehren würde. Der Justizminister der provisorischen Regierung Alexander Kerenski ersetzte Kotzebue durch Korowitschenko. Außerdem ließ er die Hofdamen der Zarin Anna Wyrubowa und Lili Dehn verhaften. Die Trennung von ihrer langjährigen Hofdame und Freundin traf Alexandra Fjodorowna sehr schwer. Anna Wyrubowa wurde der Spionage für den Kriegsgegner Deutschland bezichtigt und in der Peter-und-Pauls-Festung inhaftiert und vernommen. Die Anschuldigungen hielten einer genauen Überprüfung nicht stand und Anna Wyrubowa durfte das Gefängnis verlassen. Sie flüchtete nach der Oktoberrevolution vor den Bolschewisten über den Meerbusen nach Finnland und fand Zuflucht in einem Kloster.
Die Lage der Familie änderte sich Mitte August 1917, als die Familie samt Gefolge in die Verbannung nach Sibirien gehen musste. Alexander Kerenski war um die Sicherheit des ehemaligen Zaren besorgt, da sich andeutete, dass ein aufgebrachter Mob den Palast erstürmen und Rache am Zaren nehmen könnte. Es hatte solche Versuche bereits gegeben. Die erste Überlegung der provisorischen Regierung zielte darauf ab, den Zaren ins Exil nach England zu schicken. Nikolaus Vetter mütterlicherseits König Georg V. von England bot dem Zaren zunächst Asyl in England an, musste aber aufgrund des Drucks seiner Regierung das Angebot zurückziehen. Ebenfalls negativ auf das englische Angebot wirkte sich die Angst der königlichen Familie aus, der gestürzte Zar könnte auch in England zur Grundlage einer Revolution werden. Nikolaus sowie Alexandra Fjodorowna äußerten nie den Wunsch ins Exil gehen zu wollen.
Verbannung in Tobolsk
So wurde die Familie nach Sibirien verbannt, dem Ort, der seit jeher die Verbannungsstätte des Zarismus gewesen war. Die Familie wurde offiziell nach Tobolsk evakuiert, wo sie im einstigen Gouverneurshaus, mit dem Namen Haus der Freiheit, samt Gefolge untergebracht wurden. Nach der Machtübernahme der Bolschewisten und dem Sturz der Kerenski Regierung verschlechterte sich die Situation für die im Haus der Freiheit lebenden Personen in den ersten Monaten des Jahres 1918. Die Freiheiten, die ihnen noch gewährt wurden, schränkten die neuen Machthaber zunehmend ein. Das Klima zwischen den Bewohnern und den Bewachter verschlechterte sich ebenfalls.
Prozess?
Ursprünglich planten die Bolschewiki den ehemaligen Zaren vor ein Gericht zu stellen. In einem großen Schauprozess sollten dem Zaren Nikolaus II. seine Verbrechen am russischen Volke nachgewiesen werden. Wie einst in der französischen Revolution der König Ludwig XVI. von Frankreich verurteilt wurde, sollte auch der Zar gerichtet werden. Der Prozess sollte in Moskau stattfinden, der neuen Hauptstadt von Sowjetrussland, und für die Anklage war Lew Trotzki vorgesehen. Da der geplante Prozess die Anwesenheit des Zaren in Moskau verlangte, beauftragte Jakow Swerdlow den Sowjetkommissar Wassili Jakowlew mit den Planungen für die Überführung Nikolaus’ nach Moskau. Anfang April 1918 erhielt Jakowlew den Auftrag die gesamte Familie nach Moskau zu bringen. Jakowlew begab sich nach Tobolsk, um der Familie den Beschluss mitzuteilen. Er plante die Familie über Jekaterinburg nach Moskau zu bringen. Der Umweg über Jekaterinburg war seines Erachtens nötig, um die dortigen Bolschewiki nicht zu beunruhigen, da sie für eine sofortige Liquidierung des Zaren eintraten.
Zitat von Saslawski: „Die Romanows muss man einfach abknallen.“
Verlegung nach Jekaterinburg
Die Fahrt nach Jekaterinburg gestaltete sich schwierig. Hauptgrund für die Verzögerung war die Transportunfähigkeit des Thronfolgers Alexei, der an einem erneuten Ausbruch seiner Hämophilie Krankheit litt. Der Rat der Volkskommissare in Moskau änderte daraufhin die Anweisung für Jakowlew, der nun mit dem Zaren alleine Tobolsk verlassen sollte.
Die Zarin Alexandra Fjodorowna bestand allerdings darauf ihren Mann zu begleiten. Die Verantwortlichen entsprachen der Bitte. Alexandra beschloss ihre Tochter Maria ebenfalls mitzunehmen, während sich die anderen Töchter um den Kranken Alexei kümmern sollten. Mit den drei Romanows reisten die Hofdame Anna Demidowa, der Oberst Dolgorukow, der Leibarzt Dr. Jewgeni Botkin und Nikolaus' Diener Tschemodurow nach Jekaterinburg. In der Nacht des 25. April 1918 brach der Tross auf und verließ Tobolsk.
Die Romanows erreichten Jekaterinburg am 30. April. Ein Zwischenfall ereignete sich am Bahnhof, wo eine aufgebrachte Menge die Romanows erwartete und die sofortige Unterbringung im Quartier verhinderte. In der Nacht wurden die Romanows schließlich in ihre neue Unterkunft gebracht. Die Bolschewiki hatten für die Familie das Haus des Ingenieurs Ipatjew requiriert. Eilig errichteten sie einen mannshohen Bretterzaun um das Anwesen, dass unter den Jekaterinburger Bolschewiki nur Haus zur besonderen Verwendung hieß.
In diesem Haus herrschte ein für die Romanows strenges und demütigendes Regime. Um die Gefangenen von der Außenwelt abzuschneiden, waren keine Ausgänge in die Stadt erlaubt und nur kurze Aufenthalte im kleinen Garten des Ipatjewhauses gestattet. Zu einem späteren Zeitpunkt wurden sogar die Fenster mit weißer Farbe gestrichen, damit die Inhaftierten völlige isoliert waren. Die in Tobolsk zurückgebliebene Teil der Familie, sowie die restliche Dienerschaft traf am 23. Mai in Jekaterinbung ein. Sie wurde von Gebietssowjet Alexander Beloborodow in Empfang genommen und zum Ipatjewhaus überführt. Von den Personen, die sich zusammen mit den Kindern aus Tobolsk aufgemacht hatten, um zur Zarenfamilie zu gelangen, wurden nur wenige zur Familie vorgelassen. Ins Haus zu besonderen Verwendung durften die Zarenkinder sowie der Koch Charitonow und sein Neffe Leonid Sednew. Am folgenden Tag wurden außerdem der Matrose Nagorny und Nikolaus Lakai Trupp zur Familie vorgelassen, allerdings musste Nikolaus' alter Kammerdiener Tschemodurow das Haus verlassen.
Der Kammerdiener und das restliche Gefolge inhaftierten die Bolschewiki im örtlichen Gefängnis.
Die Mordnacht
Die Tscheka von Jekaterinburg übernahm die Bewachung der Romanows am 4. Juli 1918. Sie wurde von Jakow Jurowski geleitet. In den ersten Juliwochen fiel in Moskau die Entscheidung die Zarenfamilie hinzurichten. Lenin und Swerdlow waren zu der Überzeugung gekommen, das ein Prozess gegen den ehemaligen Zaren nicht möglich sei. Eine Verhandlung gegen den Zaren trug das Risiko dessen eventueller Unschuld an dem ihm vorgeworfenen Verbrechen und hätte die Revolution an sich in Frage gestellt. Der Rat der Volkskommissare in Moskau beschloss schließlich die Vernichtung der Zarenfamilie in Jekaterinburg, sie solle nicht den herannahenden weißen Truppen in die Hände fallen. Die Bolschewisten wollten den Weißen keine Figur für eine etwaige Konterrevolution überlassen.
Jurowski wurde mit der Erschießung der Familie und allen im Haus befindlichen Dienern beauftragt. Nachdem Jekaterinburg bereits von den weißen Armeen eingekesselt war, musste die Angelegenheit schnell erledigt werden. In der Nacht vom 16. auf den 17. Juli 1918 weckte Jurowski den Leibarzt des Zaren Dr. Botkin. Er wurde angewiesen die restlichen Personen im Ipatjewhaus zu wecken und ihnen mitzuteilen, da sie sich in den unteren Teil des Hauses begeben sollen. Die Tscheka brachte die Gefangenen in den Keller des Hauses in einen eigens hergerichteten Raum. Den gefangenen Romanows und ihrer Dienerschaft wurde mitgeteilt, dass sie zu ihrem Schutz in den Keller gebracht würden, da es in dieser Nacht in der Stadt zu Schusswechseln kommen könne. Die Zarin beschwerte sich beim Kommandanten Jurowski über den leeren Raum, woraufhin Jurowski zwei Stühle bringen ließ, auf denen die Zarin und ihr Kranker Sohn Alexei platznahmen. Die anderen Anwesenden wies Jurowski an sich in zwei Reihen aufzustellen, angeblich für ein Foto, das Moskau verlange da Gerüchte über ihre Flucht aufgetaucht seien. Anschließend führte er das Erschießungskommando herein. Jurowski eröffnete dem Zaren, dass sie erschossen werden.
Anschließend schoss der Kommandant Jakow Jurowski auf den Zaren. Auch alle anderen anwesenden Schützen schossen zunächst auf Nikolaus, weshalb der Zar sofort starb. Anschließend setzte eine wilde Schießerei ein, in deren Folge die restlichen Delinquenten niedergeschossen wurden. Alexei und drei seiner Schwestern lebten noch und lagen schwer verletzt am Boden. Da die Kugeln, die auf sie abgefeuert wurden abzuprallen schienen, gingen die Schützen dazu über, die Opfer mit dem Bajonett zu erstechen. Die Bajonette blieben jedoch zum Teil in den Miedern der Mädchen stecken. Nach 20 Minuten war auch der Letzte tot.
Spurenbeseitigung
Nach dem Mord versuchte Jurowski die Spuren des Verbrechens zu verwischen. Die sterblichen Überreste wurden zu einem Bergwerksschacht in einem nahe gelegenen Wald gebracht. Die Waldung lag in der Nähe des Dorfes Koptjaki und wurde von den Bewohnern Vier Brüder genannt. Die entkleideten Leichen wurden in den Schacht geworfen und die Kleidung verbrannt. Bereits am folgenden Tag jedoch holte man die Leichen wieder heraus. Die Spuren sollten noch gründlicher beseitigt werden, so sollten Alexandra und Alexei verbrannt werden, man erwischte jedoch die Hofdame Demidowa anstelle der Zarin. Anschließend wurde eine Grube ausgehoben in der die restlichen Leichen begraben wurden. Um die Leichen unkenntlich zu machen schüttete man ihnen Schwefelsäure über die Gesichter. Jurowski fuhr mit dem Lkw mehrere Male über die zugeschüttete Grube und ließ Baumstämme über die Grabstelle legen. Die letzte Ruhestätte der Zarenfamilie schien endgültig vertuscht.
Am 19. Juli 1918 erschien die offizielle Mitteilung über die Erschießung Nikolaus Alexandrowitsch Romanows in der Presse. Allerdings verschwieg die Führung der Bolschewisten die Erschießung der Familie. Sie behauptete Alexandra Fjodorowna und ihre fünf Kinder seien in Sicherheit. Die öffentliche Reaktion auf die Nachricht der Ermordung Nikolaus II. blieb verhalten, nur die Kreise der Monarchisten zeigten sich geschockt. Das Verschwinden der Familie war der Nährboden für zahlreiche Gerüchte, die sich schnell verbreiteten. Die Gerüchte nahmen seltsame Formen an, so wurde unter anderem berichtet, dass die gesamte Familie hingerichtet worden sei oder aber dass sogar Nikolaus überlebt hätte. Die Bolschewiki hielten an ihrer Lüge fest, dass die Familie in Sicherheit sei. Erst die Veröffentlichung des Buches des Ermittlers der weißen Armee, Nikolai Sokolow, im Jahre 1925 ließ keinen Zweifel mehr an der Ermordung der gesamten Zarenfamilie.
Sokolows Ermittlungen
Die Stadt Jekaterinburg wurde von den Bolschewiki am 25. Juli 1918 aufgegeben und von den weißen Truppen eingenommen. Die Weißen inspizierten sogleich das Ipatjewhaus, wo sie Spuren der Tat fanden. Die Ural-Regierung setzte ein Ermittlungsverfahren ein, um den Fall Romanow aufzuklären. Die ersten Ermittler Namjotkin und Sergejew begannen ihre Arbeit, wurden jedoch schon bald von Nikolai Sokolow abgelöst. Sokolow ging mit Akribie an die Arbeit. Die Ermittler durchsuchten Häuser und verhafteten verschiedene Personen, unter ihnen Bolschewiki die nicht mehr aus dem Kessel um Jekaterinburg herausgekommen waren, wie Pawel Medwedjew, dem Chef der Wachen des Ipatjewhauses. Er setzte seine Ermittlungen auch fort, nachdem die Bolschewiki längst den Ural zurückerobert hatten. Selbst im Pariser Exil sammelte er Beweise und Zeugenaussagen. Erst sein Tod beendete seine Nachforschungen. Die Ergebnisse seiner Arbeit veröffentlichte er in dem 1925 erschienen Buch Die Ermordung der Zarenfamilie. Seinen Beweisen für die Hinrichtung der gesamten Familie fehlten allerdings die Leichen zu Untermauerung seiner Thesen.
Alexander Awdonin, Geologe aus Jekaterinburg und Geli Rjabow, ein bekannter Filmemacher und Autor, begannen Mitte der 1970iger Jahre sich mit dem Schicksal der Zarenfamilie auseinander zusetzten. In Jahr 1976 reiste Rjabow nach Swerdlowsk (Jekaterinburg). Die Beiden begaben sich auf die Suche nach den Gebeinen der Zarenfamilie. In der Sowjetunion oblag die Angelegenheit über das Schicksal des letzten Zaren strengster Geheimhaltung. Daher fürchtete Awdonin wie Rjabow, dass, wenn sie je das Grab kennen würden, der KGB sämtlich der noch erhaltenen Spuren beseitigen würde. Der Abriss des Ipatjewhauses durch den Gebietssowjet Boris Jelzin 1977 bestätigte ihre Befürchtungen. Nach gründlichem Studium der Quellen, unter anderem Sokolows Buch, wurde sie auf ein im Buch veröffentlichtes Foto aufmerksam. Es zeigt den mit Baumstämmen befestigten Weg zu den Schächten im Wald der Vier Brüder. Dort begannen sie ihre Suche und fanden dort im Mai 1979 das Grab der Ermordeten. Dem Grab entnahmen sie drei Schädel für weiterführende Untersuchungen. Dies gestaltete sich in der Sowjetunion allerdings schwierig und nach einem Jahr legten sie die Schädel wieder in ihr Grab im Wald. Im Jahr 1989 nach den Umwälzungen im Ostblock veröffentlichte Rjabow seinen Fund und es dauerte bis zum 12. Juli 1991 ehe die sterblichen Überreste exhumiert wurden. Im Grab befanden sich neun der elf ermordeten Personen. Mittels DNS Analyse konnte die geborgenen Leichen einwandfrei identifiziert werden. Für die Analyse wurde von lebenden Verwandten Blutproben genommen. Der nächste lebende Verwandte von Alexandra Fjodorowna war Prinz Philip Mountbatten, Ehemann von Elizabeth II von Großbritannien, mit dessen Probe die Zaren sowie deren Töchter identifiziert wurden. Die Vergleichsprobe für den Zaren lieferte Xenia Sfiris, eine Nachfahrin Irina Jusopowas, Tochter Xenia Romanows, Schwester Nikolaus'. Da im Grab zwei Leichen fehlen, die von Alexei und einer seiner Schwestern (Maria oder Anastasia), verstummten die Gerüchte über ein mögliches Überleben eines Familienmitgliedes nicht.
Folgen und Auswirkungen
Die von Lenin und anderen Bolschewiki gestreuten Desinformationen über das Schicksal der Romanows waren der Beginn zahlreicher Gerüchte und Spekulationen. Es kursierte jede nur erdenkliche Variante über das Schicksal der Romanows. Da den Ermittlungen Sokolows die Leichen fehlten konnte auch sein Bericht im Jahr 1925 die Gerüchte nicht verstummen lassen und die Regierung gab nur die Erschießung Nikolaus II. zu. Nachdem die Regierung die Ermordung der gesamten Familie gestand, waren so viele Desinformationen gestreut worden, dass niemand der Erklärung Glauben schenkte. Da die Romanows eines der reichsten Adelshäuser seiner Zeit waren, tauchte immer wieder Hochstapler auf. Nicht nur innerhalb Russland sondern auch im Ausland bemühten sich Personen um das Erbe der Zarenfamilie. Die bekanntesten Hochstapler waren Anna Anderson, die behauptete Anastasia zu sein, ebenso wie Eugenia Smith und der polnische Oberst Galeniewski, der angab Zarewitsch Alexei Romanow zu sein. Keinem gelang der Beweis für seine Abstammung. Selbst die bekannteste und mysteriöseste unter ihnen, Anna Anderson, wurde mittels DNS-Analyse posthum der Lüge überführt.
Achtzig Jahre nach der Ermordung des Zaren und seiner Familie wurden die sterblichen Überreste der Zarenfamilie in St. Petersburg in der Peter-und-Pauls-Kathedrale beigesetzt. Die Familie wurde aufgrund ihres Martyriums von der orthodoxen Kirche in Russland 2000 heilig gesprochen, die russische Auslandskirche kanonisiert die Familie bereits 1981.
Schicksal des Zarengefolges
Die Romanows in Alapajewsk
Verbannung der Großfürsten
Nach der Abdankung Nikolaus II. blieben viele der Großfürsten in Russland. Die provisorische Regierung interessierte sich erst nicht weiter für die große Familie der Romanows. Einzig den Zaren stellte die Regierung im Alexanderpalast unter Hausarrest. Schon bald trat eine Veränderung der Lage ein, der Kornilow-Putsch hatte die junge Regierung erschüttert. Außerdem verspielten die Politiker ihr Vertrauen in der Bevölkerung zunehmend. Daher wurden einige Großfürsten verhaftet und andere unter Beobachtung gestellt. Im Verlauf des Kornilow Putsches wurde unter anderem Paul (Pawel) Alexandrowitsch zusammen mit seiner Frau, der Fürstin Olga Palej und seinem Sohn Wladimir Palej verhaftet.
Die Machtergreifung der Bolschewiki im Oktober 1917 führte zu weiteren Verschlechterungen für die Großfürsten. Im Frühjahr 1918 mussten einige Großfürsten Petrograd verlassen und sich in die Verbannung begeben. Am 2. April 1918 trafen Sergej Michailowitsch, Wladimir Palej, Ioann Konstantinowitsch sowie dessen Frau Jelena Petrowna, Konstantin Konstantinowitsch und Igor Konstantinowitsch in Wjakta ein. Einige Bedienstete der Großfürsten folgten ihnen freiwillig zum Ural in die Verbannung.
In den nächsten Monaten sollten die Großfürsten mehrfach verlegt werden. Die erste Verlegung beschloss der örtliche Gebietssowjet. Nach nur einem Monat in Wjakta wurden die Verbannten nach Jekaterinburg verlegt. Als Begründung diente einmal mehr die befürchtete Konterrevolution.
Jelisaweta Fjodorowna
Jelisaweta Fjodorowna, Schwester der Zarin und Witwe von Großfürst Sergej Alexandrowitsch, war wie ihre Schwester eine geborene Prinzessin von Hessen-Darmstadt. Seit dem Tode ihres Mannes lebte sie als Äbtissin des Martha-Maria-Klosters der Barmherzigkeit in Moskau.
Nach dem Sturz des zaristischen Regimes in Russland bemühte sich Kaiser Wilhelm II. um seine Jugendliebe Jelisaweta Fjodorowna. Der Kaiser bot ihr seine Hilfe Russland zu verlassen. Sie lehnte jedes seiner Angebote ab und änderte selbst nach der Oktoberrevolution nicht ihre Meinung. Von den Bolschewisten aus Moskau in den Ural verbannt, wurde auch sie schließlich nach Jekaterinburg verlegt. Dort traf sie am 17. Mai 1918 ein. Der Gebietssowjet Alexander Belorodow internierte sie zusammen mit den anderen Großfürsten. Die Äbtissin wurde von zwei Nonnen ihres Klosters begleitet, die freiwillig die Verbannung auf sich nahmen.
Zweite Verbannung
Im Mai 1918 befanden sich nahezu alle in den Ural verbannten Romanows in Jekaterinburg. Daher fasste der Ural Gebietssowjet Alexander Belorodow den Entschluss einen Teil der Romanows erneut zu verlegen, um die Zahl der Romanows in der Stadt zu verringern.
Großfürst Sergej Michailowitsch sandte ein telegrafisches Beschwerdeschreiben über seine erneute Verlegung direkt an Lenin und Serdlow und bat aufgrund seines Rheumaleidens um Verlegung nach Wologda oder Wjakta. Der Bitte wurde nicht entsprochen.
Jelisaweta Fjodorowna, Sergej Michailowitsch, Ioann Konstantinowitsch und Jelena Petrowna, Wladimir Palej sowie die Brüder Konstantin und Igor Konstantinowitsch erreichten am 20. Mai 1918 Alapajewsk. Zu Beginn ihres Aufenthalts in Alapajewsk konnten sich die Romanows noch frei bewegen, sie konnten den Gottesdienst besuchen oder in der Stadt spazieren gehen. Die vermeintliche Flucht Michail Alexandrowitsches aus Perm am 12. Juni veränderte die Bedingungen für die Alapajewsker Verbannten. Fortan mussten sie unter Gefängnisregime leben. Die Dienerschaft der Großfürsten wurde angewiesen Alapajewsk zu verlassen, gleiches galt für die Gefährtinnen Jelisaweta Fjodorownas. Die serbische Prinzessin Jelena Petrowna war schon abgereist.
Die Mordnacht des 17. Juli
Die Gefangenen von Alapajewsk wurden einen Tag, nachdem die Zarenfamilie in Jekaterinburg ermordet worden war, ebenfalls hingerichtet. In der Nacht vom 17. auf den 18. Juli brachten mehrere Bolschewiki, angeführt von Pjotr Starzew und Grigori Abramow, die inhaftierten Romanows aus der Stadt. Unter dem Vorwand einer erneuten Verlegung schaffte man die Romanows zu einem Bergwerksschacht im nahe gelegenen Wald. Dort stieß man sie lebend in den Schacht und überließ sie ihrem Schicksal. Nur den sich wehrenden Großfürsten Sergej Michailowitsch töteten sie per Kopfschuß. Anschließend warf man Balken und Granaten in den Schacht. Nach drei Tagen verstummten die Letzten, als die Bolschewiki den Schacht zuschütteten.
Neben den sechs Mitgliedern der Romanow Dynastie Jelisaweta Fjodorowna, Sergej Michailowitsch, den Brüdern Ioann, Igor und Konstantin Konstantinowitsch und Graf Wladimir Palej musste auch der Diener Fjodor Remes sowie die Nonne Warwara Jakowlewa ihr Leben lassen. Sie waren bis zum Ende bei den Romanows geblieben.
Ermittlungen
Weiteres
Die Großfürsten in Petrograd
Die Großfürsten, die in Petrograd geblieben waren, konnten unter der Kerenski Regierung relativ unbehelligt leben. Erst mit der Oktoberrevolution änderte sich ihre Situation. Nachdem der Großfürsten Michail Alexandrowitsch Romanow in die Verbannung nach Perm geschickt wurde, mussten auch andere Mitglieder der Romanow-Dynastie Petrograd verlassen. Ihnen drohte die Verbannung nach Wologda. Die Großfürsten Nikolaus Michailowitsch, Dimitri Konstantinowitsch und Paul Alexandrowitsch forderte die Sowjetregierung auf Petrograd zu verlassen. Der Fürstin Olga Palej gelang es durch intensive Bemühungen ihren schwerkranken Mann Paul Alexandrowitsch vor der Verbannung zu bewahren. Die Großfürsten Nikolaus Michailowitsch und Dimitri Konstinowitsch schickten die Petrograder Sowjets Ende März 1918 nach Wologda.
Im April 1918 traf dort auch Georg Michailowitsch ein, der in Helsingsfor am Bahnhof von Rotfinnen verhaftet worden war. In Wologda konnten die Romanowfürsten unter ähnlichen Bedingungen leben, wie ihre Verwandten in Wjakta. Zu Beginn ihres Aufenthalts in Wologda standen die Großfürsten brieflich noch in Kontakt mit ihren Verwandten in Wjakta. Die vermeintlichen Flucht Michail Alexandrowitsch's änderte alles. Die getarnte Erschießung des Zarenbruders Michail, nutzten die Bolschewisten zur Verschärfung der Lebensumstände für alle Romanows. Die Großfürsten wurden verhaftet und ins örtliche Gefängnis gebracht. Nach kurzer Zeit überstellte man die Gefangenen der Petrograder Tscheka. Sie wurden in der Peter-und-Pauls-Festung inhaftiert.
Die körperliche Verfassung und die Bemühungen Olga Palejs verhinderte die Verbannung Paul Alexandrowitsches nach Wologda, schützte ihn aber nicht vor der Verhaftung durch die Petrograder Tscheka im August 1918. Im gleichen Monat wurde auch Gawriil Konstantinowitsch, der aus denselben Gründen wie Paul Alexandrowitsch noch in Petrograd lebte, verhaftet.
Nachdem Gawriil Konstantinowitsch im selben Gefängnis wie sein Onkel inhaftiert wurde, gelang es, ihn vor der Hinrichtung durch die Tscheka zu bewahren. Im Gefängnis verwendete sich der zuständige Arzt Iwan Manuchin für eine Freilassung des schwerkranken Großfürsten und es ist im Besonderen den Bemühungen Maxim Gorkis zu verdanken, dass Gawriil Romanow freigelassen wurde. Er emigrierte später über Finnland nach Deutschland und war eine der wenigen Quellen, die über das nur wenig bekannte Schicksal der Petrograder Gefangenen berichten konnte. Maxim Gorki verwendete sich ebenfalls für die anderen Großfürsten insbesondere für den Historiker und Wissenschaftler Nikolaus Michailowitsch. Die Akademie der Wissenschaften Petrograds unterstützte Maxim Gorki in seinen Bemühungen die Freilassung ihres Ehrenmitgliedes Nikolaus Michailowitsches zu erwirken. Die Befürworter der Freilassung führten die international anerkannten Arbeiten des Historikers und seinen unpolitischen Lebenswandel an, um ihren Argumenten Ausdruck zu verleihen. Maxim Gorki wandte sich direkt an den Rat der Volkskommissare, sowie an Lenin persönlich seiner Bitte nachzugeben. Lenin lehnte die Freilassung ab und antwortete auf ein Schreiben Gorkis mit den Worten:<br\> "Die Revolution braucht keine Historiker."
Ab dem 15. Januar 1919 wurde an höchster Stelle über das Schicksal der als Geiseln in der Peter und Pauls Festung inhaftierten Großfürsten entschieden. Zu diesem Zweck tauschten die Petrograder Tscheka und der Rat der Volkskommissare in Moskau einige Mitteilungen aus. Am Ende wurde beschlossen alle in Haft befindlichen ehemaligen Großfürsten zu liquidieren und auch keine Ausnahme bezüglich Nikolaus Michailowitsches gemacht.
In der Nacht vom 28 auf den 29. Januar wurden die vier Großfürsten Nikolaus Michailowitsch, Paul Alexandrowitsch, Dimitri Konstantinowitsch sowie Georg Michailowitsch in der Peter und Pauls Festung an die Wand gestellt und erschossen. Die Ermordung der deutschen Genossen Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg diente den Bolschewisten als Begründung für die Hinrichtung der Romanowfürsten.
Emigration der Romanows
Nicht alle Mitglieder der Romanow-Dynastie wurden Opfer der Bolschewiki, eine größere Anzahl von ihnen konnte sich auch ins Ausland flüchten. Die größte Gruppe unter den Flüchtlingen bildeten jene, die Russland über die Krim verlassen hatten. Nach der Abdankung Nikolaus II. waren einige der Großfürsten dorthin gegangen um dem revolutionären Petrograd zu entfliehen. Andere, wie Nikolaus Nikolajewitsch, wurden dorthin verbannt. Sie hatten sich in ihren Sommerpalästen niedergelassen und konnten die erste Zeit nach der Abdankung hier gut überstehen. Die provisorische Regierung stellte sie nach dem Kornilow-Putsch unter Beobachtung, doch erst mit der Machtergreifung der Bolschewisten in den Wirren der Oktoberrevolution wurde die Lage auch für die Romanows auf der Krim gefährlicher. So verhinderte der Matrose Sadoroshny die geplante Erschießung der Krimverbannten im Frühjahr 1918, da ein Befehl Lenins aus Moskau nicht vorlag. Schließlich nahmen die Deutschen die Krim ein, weigerten sich jedoch die Großfürsten ausreisen zu lassen. Erst im April 1919 verließen die Großfürsten die Krim auf einem englischen Marineschiff. Die englische Königin Alexandra hatte ein Schiff für ihre Schwester, die Zarenwitwe Maria Fjodorowna, geschickt. Diese weigerte sich aber an Bord zu gehen, wenn nicht sämtliche Romanows die sich hier aufhielten mitgenommen würden. So verließen die Krimverbannten auf dem Schlachtschiff HMS Marlborough ihre russische Heimat und gingen in die Emigration. Mit Maria Fjodorowna verließen ihre beiden Töchter Xenia und Olga mit ihren Familien Russland. Ebenfalls auf der Krim befanden sich die Familien der Brüder Nikolaus und Peter Nikolajewitsch.
Die Familie der verwitweten Maria Pawlowna ereilte die Revolution in Kislowodsk im Kaukasus. Sie verließen Russland mit ihren beiden jüngeren Söhnen Boris und Andrej Wladimirowitsch, sowie deren Geliebten. Ihr ältester Sohn Kirill Wladimirowitsch emigrierte mit seiner Frau Viktoria Fjodorowna und seine beiden Töchtern Maria und Kira über eine nördliche Route nach Finnland. Bereits im Juni 1917 stellte Kirill einen Antrag auf Ausreise bei der provisorischen Regierung dem entsprochen wurde.
Dimitri Pawlowitsch gelang ebenso die Flucht aus Russland er emigrierte nach Paris. Dimitri befand sich zum Zeitpunkt der Revolution als einer der Mörder Rasputins in der Verbannung an der Persischen Grenze. Es gelang ihm in den Monaten nach der Revolution die Flucht nach Teheran in Persien, ehe er in die Emigration nach Frankreich ging.