Zum Inhalt springen

Fieseler Fi 103

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 29. März 2006 um 11:59 Uhr durch Udo.bellack (Diskussion | Beiträge) (link auf RLM-System). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
V1 – Fliegende Bombe

Die V1 (Vergeltungswaffe 1); auch Fliegende Bombe, Fieseler Fi 103, Kirschkern, Dynamitmeteor oder unter dem Tarnnamen FZG 76 (Flakzielgerät) bekannt, ist eine Bezeichnung für ein unbemanntes, sprengstoffbeladenes Flugzeug und war damit die erste (heute als Marschflugkörper bezeichnete) Waffe dieser Gattung, die im Krieg eingesetzt wurde. V1 war die von Josef Goebbels erfundene, propagandistische Bezeichnung, Fieseler Fi 103 die militärische Bezeichnung anhand des RLM-Systems für Flugzeuge.

Die V1 wurde in Deutschland entwickelt und im Zweiten Weltkrieg von Juni 1944 bis März 1945 eingesetzt. Sie startete normalerweise von einer Startrampe aus, später wurde sie auch von Flugzeugen aus abgesetzt. Hauptsächlich wurde sie gegen London und Antwerpen gerichtet. Später wurde sie durch die V2-Rakete ergänzt.

Entwicklung

V1 im Deutschen Museum
Datei:V1-20040830.jpg
V1 im Armeemuseum Brüssel
Die Loon war ein US-Nachbau der V1
Modell in Peenemünde

Entwickelt wurde die V1 von Robert Lusser von der Firma Fieseler und von Fritz Gosslau von der Firma Argus, die das Triebwerk herstellte. Der erste Test der V1 fand am 24. Dezember 1942 in Peenemünde statt. Hierfür wurden am nordöstlichsten Ende der Insel Usedom drei verschiedene Startrampen errichtet. Weitere Startstellen für die Erprobung der V1 befanden sich in Zempin auf der Insel Usedom. Der erste offizielle Start fand am 12. Juni 1944 statt - in den frühen Morgenstunden des 13. Juni schlug die erste V-1 in London ein.

So war das fertige Flugzeug ein - für die damalige Zeit - durchaus komplexes Gerät mit einer automatischen Kreisel-Kurssteuerung; ein kleiner Propeller an der Spitze trieb ein Zählwerk zur Reichweitenkontrolle an.

Das Triebwerk war ein so genanntes Verpuffungstriebwerk (keine Rakete, sondern ein intermittierendes Pulso-Schubrohr - erfunden von Paul Schmidt). Damit es ansprang, wurde eine Startmenge Kraftstoff eingespritzt und elektrisch per Zündkerze gezündet. Aufgrund der gasdynamischen Vorgänge lief das Triebwerk nach kurzer Zeit alleine weiter, es war in Resonanz geraten. Sobald der Unterdruck im Triebwerk einen bestimmten Wert erreicht hatte, öffnete er ein federbelastetes Ventil; die angesaugte Luft wurde mit Kraftstoff versetzt und dort von den teilreflektierten Restgasen des letzten Zyklus gezündet: daher auch das typische Geräusch, das die Londoner bald fürchten lernten. Fast schlimmer aber war es, wenn das Geräusch aufhörte; d. h. dass der Reichweitenmesser das Triebwerk abgestellt hat, und dass die Bombe gleich irgendwo einschlagen würde.

Der Marschflugkörper mit weniger als 600 km/h Marschgeschwindigkeit war nicht unerreichbar für die schnellsten alliierten Jäger; neben dem »simplen« Abschießen (das für den Jäger gar nicht so ungefährlich war – ein 850-kg-Sprengkopf hat einen recht großen Explosionsradius) haben einige Piloten eine andere Methode benutzt, eine V-1 zum Absturz zu bringen: wenn sie es schafften, den Flügel der V-1 mit dem eigenen Flügel weit genug anzuheben, wurde der querruderlose Flugkörper instabil, die Kreiselsteuerung versagte und die Bombe stürzte ab.

V4

Die Version Fieseler Fi 103R Reichenberg, auch als V4 bezeichnet, war bemannt; sie sollte gegen die alliierten Bomberströme eingesetzt werden. Der Pilot sollte das Flugzeug auf das Ziel ausrichten und dann mit dem Fallschirm aussteigen. Obwohl 175 Exemplare gebaut wurden, wurde das Vorhaben 1944 aufgegeben.

Es gab ernste Anstrengungen, die V4 als Kamikaze-Waffe zu benutzen. Dazu wurde die Militäroperation Selbstopfer ins Leben gerufen. Die Selbstaufopferungspiloten wurden dem KG 200 unterstellt. Diese Organisation wurde jedoch durch einen Befehl Hitlers wieder aufgelöst.

Einsatz

Datei:V1 London.jpg
V1 im Flug über London 1944
  • Vom Boden gestartet: 8.892
    • davon erfolgreich : 7.488
      • 3.957 davon von den Briten abgeschossen (52,8%):
        • durch Abfangjäger 1.847
        • durch die Flak 1.878
        • durch die Seile der Sperrballone 232
  • Aus der Luft gestartet: 1.600 (Flugzeug He 111 H-22, Verlust: 80 von 100 Maschinen)
  • Ziel London: 2.419 trafen und detonierten
  • Ziel Antwerpen/Brüssel (1945): 2.488

Die Herstellungskosten betrugen 3.500 Reichsmark (RM) und für den Bau waren ca. 280 Arbeitsstunden nötig.

Im Siebengebirge gibt es noch Reste von zwei Abschussrampen zu sehen, ebenso in Ruppichteroth, Peenemünde und bei Zempin auf der Insel Usedom.

Opfer

Durch den Einsatz der V1 gegen London starben 6.184 Zivilisten und weitere 17.981 Briten wurden schwer verletzt.

In Antwerpen und Umgebung wurden 10.145 Menschen verwundet oder getötet, außerdem waren weitere 4.614 Opfer (z.B. größtenteils in Lüttich) zu beklagen.

Technische Daten

Fieseler FZG-76:
Kenngröße Daten
Flügelspannweite    5,30 m
Länge    7,742 m
Antrieb    Ein Argus As 014 Pulso-Schubrohr mit 335 kp Maximalschub
Marschgeschwindigkeit    576 km/h in 760 m Höhe
Reichweite    257 bis 286 km
Treffergenauigkeit    im Umkreis von 12 km
Besatzung    keine
Fluggewicht    2.160 kg
Bewaffnung    847,11 kg Sprengkopf aus Amatol

In den USA wurde unter der Bezeichnung JB-2 (Republic Aviation Corporation / Ford Motor Company) bereits 1944 eine Kopie entwickelt (Testflüge in Eglin Field, Florida im Oktober 1944) und ab 1945 gebaut. Insgesamt 1.000 Stück, die aber nie zum Einsatz kamen. Ihr Einsatz war bei der Invasion Japans geplant.

Auch in der Sowjetunion wurde mit Nachbauten experimentiert (ein und zweistrahlig).

Siehe auch

Literatur

  • Luftfahrt History Heft 2 - Fieseler Fi 103 "Reichenberg" - Die Geschichte der bemannten V1 link