Finnische Sprache
Finnisch (Suomi) | ||
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Gesprochen in |
Finnland, Estland, Schweden, Norwegen (Finnmark), Russland (Karelien) | |
Sprecher | 6 Millionen | |
Linguistische Klassifikation |
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Offizieller Status | ||
Amtssprache in | Finnland, Europäische Union | |
Sprachcodes | ||
ISO 639-1 |
fi | |
ISO 639-2 | (B) fin | (T) |
Finnisch (suomi) gehört zum ostseefinnischen Zweig der finno-ugrischen Sprachen. Damit ist es entfernt mit dem Ungarischen und eng mit dem Estnischen verwandt. Finnisch ist eine der beiden Amtssprachen in Finnland mit etwa 4,7 Millionen Sprechern (92 % der Bevölkerung). Daneben ist es eine der Amtssprachen in der EU. In Schweden, wo es von 300.000 Menschen gesprochen wird, ist Finnisch als offizielle Minderheitensprache anerkannt. Außerdem gibt es finnischsprachige Minderheiten in Norwegen (Finnmark), Russland (Karelien) und Estland.
Finnisch ist eine agglutinierende Sprache und unterscheidet sich stark von den indogermanischen Sprachen, zu denen der Großteil der in Europa gesprochenen Sprachen gehört. Deshalb hat Finnisch einen Ruf als schwer erlernbare Sprache.
Rechtschreibung und Aussprache
Rechtschreibung
Das finnische Alphabet besteht aus 29 Buchstaben:
a, b, c, d, e, f, g, h, i, j, k, l, m, n, o, p, q, r, s, t, u, v, w, x, y, z, å, ä, ö
Die Buchstaben b und f kommen nur in Lehnwörtern vor, die Buchstaben c, q, w, x, z und å („schwedisches“ o) sind sehr selten und kommen nur in Fremdwörtern vor. Teilweise verwendet man bei Lehnwörtern für den Laut [ ] das Sonderzeichen š. Es kann aber auch durch sh oder einfach s ersetzt werden (z.B. šakki, shakki oder sakki „Schach“). Noch seltener ist die stimmhafte Entsprechung ž, die bei geographischen Bezeichnungen wie Fidži vorkommt. Bei der Suche in Wörterbüchern ist zu beachten, dass ä und ö im Alphabet nach z an letzter Stelle stehen und nicht wie im Deutschen bei a und o. Weiterhin besitzt das w häufig kein eigenes Kapitel, sondern wird bei dem v eingeordnet.
Lange Laute werden mit doppelten Buchstaben geschrieben (tuli „Feuer“; tulli „Zoll“; tuuli „Wind“).
Das Finnische hat eine fast völlig phonematische Orthographie, d.h. die Zuordnung von Phonemen (Lauten) und Graphemen (Buchstaben) ist eindeutig. Einzige Ausnahmen sind die Buchstabenkombinationen nk und ng, die [ ] und [ ] gesprochen werden. Lehnwörter werden konsequent an die finnische Orthographie angepasst (z.B. filosofia „Philosophie“). Weil „so geschrieben, wie gesprochen wird“, ist die finnische Rechtschreibung sehr leicht zu erlernen.
Aussprache und Betonung
Bei folgenden Buchstaben unterscheidet sich der Lautwert vom Deutschen:
Vorlage:Highlight1 | Buchstabe | Vorlage:Highlight1 | Lautwert | Vorlage:Highlight1 | Beschreibung |
---|---|---|
e | [ | ]stets offen wie in dt. wenn |
h | [ | ]wie dt. h; auch vor Konsonanten deutlich ausgesprochen |
k | [ | ]wie dt. k, aber unbehaucht |
o | [ | ]stets offen wie in dt. toll |
p | [ | ]wie dt. p, aber unbehaucht |
r | [ | ]gerolltes r (Zungenspitzen-r) |
s | [ | ]stets stimmlos wie in dt. Hass |
t | [ | ]wie dt. t, aber unbehaucht |
v | [ | ]wie dt. w |
y | [ | ]wie dt. ü |
ä | [ | ]offener als dt. ä, wie im engl. hat |
ö | [ | ]offenes ö wie in dt. Hölle |
Sowohl Vokale als Konsonanten können lang oder kurz sein und. Lange Laute werden deutlich länger ausgesprochen als kurze. Es ist zu beachten, dass die Qualität der Vokale unabhängig von ihrer Quantität ist; anders als im Deutschen wird z.B. o stets [ ] gesprochen, unabhängig davon, ob es lang oder kurz ist.
Im Finnischen wird stets die erste Silbe eines Wortes betont. Daneben liegt ab der dritten Silbe auf jeder zweiten Silbe eine Nebenbetonung, wobei die letzte Silbe unbetont bleibt. Die Länge der Vokale ist unabhängig von der Betonung.
Phonetik
Phoneme
Das Finnische verfügt über 8 kurze und 8 lange Vokale.
Vorlage:Highlight1 rowspan="2" | | Vorlage:Highlight1 colspan="2" | vorne | Vorlage:Highlight1 rowspan="2" | mitte | Vorlage:Highlight1 rowspan="2" | hinten | |
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Vorlage:Highlight1 | ung. | Vorlage:Highlight1 | ger. | |||
Vorlage:Highlight1 | geschlossen | ||||
Vorlage:Highlight1 | halboffen | ||||
Vorlage:Highlight1 | offen |
Daneben gibt es im Finnischen insgesamt 16 verschiedene Diphthonge, die als Phoneme gewertet werden:
ai [ ], au [ ], ei [ ], eu [ ], ie [ ], iu [ ], oi [ ], ou [ ], ui [ ], uo [ ], yi [ ], yö [ ], äi [ ], äy [ ], öi [ ], öy [ ]
Das Finnische verfügt über 14 eigenständige Konsonantenphoneme. Weitere 4 Konsonanten kommen nur in Lehnwörtern vor.
1) Diese Laute kommen nur im Lehnwörtern vor.
2) Der Laut [ ] nimmt als einziger stimmhafter Plosiv eine Sonderrolle im phonologischen System des Finnischen ein. Er kommt bei echt finnischen Wörtern nur im Wortinneren als schwache Stufe von [ ] vor. Historisch geht er auf den Frikativ [ ] zurück, der mit d geschrieben wurde. Als der Laut [ ] nicht mehr gesprochen wurde, behielt man die Schreibung d bei und sprach sie [ ] aus. Der Laut [ ] kommt in keinem finnischen Dialekt vor, dort ist der ursprüngliche Laut entweder ausgefallen oder hat sich zu [ ], [ ] oder [ ] entwickelt.
3) Der Knacklaut [ ] wird in der Schrift nicht wiedergegeben, kommt aber kombinatorisch am Ende bestimmter Wörter (z.B. mit Auslaut -e) und Formen (z.B. dem Imperativ) vor, wenn ein weiterer Vokal folgt. Vgl. ole aina! „sei immer!“ [ ] und en ole aina „ich bin nicht immer“ [ ].
4) [ ] kommt in den Verbindungen nk [ ] und dessen schwacher Stufe ng [ ] vor.
Bei echt finnischen Wörtern können am Wortanfang keine Konsonantenverbindungen stehen. Ältere Lehnwörter wurden angepasst: Bei ihnen ist nur der letzte Konsonant der Verbindung erhalten:
Bei neueren Lehnwörtern bleiben die Konsonantenverbindungen erhalten:
- stressi (Stress)
- professori (Professor)
Am Wortende können nur die Konsonanten -n, -t, -l, -r und -s stehen. An neuere Lehnwörter wird meist ein -i angehängt.
Vokalharmonie

Die Vokalharmonie ist ein zentrales Lautgesetz des Finnischen. Es besagt, dass die Hintervokale a, o und u nicht innerhalb eines Wortes zusammen mit den Vordervokalen ä, ö und y vorkommen können. Die Vokale e und i sind neutral und können innerhalb eines Wortes mit beiden Gruppen vorkommen. Endungen und andere Suffixe werden an den Wortstamm angepasst:
- talo (das Haus) – talossa (im Haus)
- metsä (der Wald) – metsässä (im Wald)
Enthält ein Wort nur neutrale Vokale, werden für die Endungen die vorderen Vokale verwendet:
- meri (das Meer) - meressä (im Meer)
Eine Ausnahme bilden zusammengesetzte Wörter, bei denen die Bestandteile durchaus unterschiedliche Vokalgruppen haben dürfen.
Bei Fremdwörtern, die vordere und hintere Vokale enthalten, werden in der nachlässigen Aussprache meist hintere Vokale als die korrespondierenden vorderen ausgesprochen. Beispielsweise wird Olympia von manchen Sprechern wie Olumpia gesprochen.
Stufenwechsel
Der Stufenwechsel betrifft die Konsonanten k, p und t. Diese kommen in einer „starken“ und einer „schwachen“ Stufe vor. Die starke Stufe steht, wenn die letzte Wortsilbe offen ist (z.B. katu „die Straße“). Die schwache Stufe steht, wenn an das Wortende ein Suffix angefügt wird, wodurch die ursprünglich letzte Wortsilbe geschlossen wird (z.B. kadun „der Straße“).
Wegen verschiedener Lautentwicklungen gibt es Unregelmäßigkeiten im Stufenwechsel, z.B. muss vor einem langen Vokal auch in einer geschlossenen Silbe die starke Stufe stehen (z.B. katuun „in die Straße“).
Der Stufenwechsel kommt sowohl bei der Deklination als der Konjugation vor. Bei der Mehrzahl der Wörter steht die Grundform (Nominativ bei Nomina, Infinitiv bei Verben) in der starken Stufe. Manche Wörter unterliegen dem umgekehrten Stufenwechsel, bei dem die Grundform in der schwachen Stufe steht und die flektierten Formen überwiegend die starke Stufe annehmen (z.B. tuote „das Produkt“ - tuotteen „des Produktes“).
Man unterscheidet zwischen quantitativem und qualitativem Stufenwechsel. Dem quantitativen Stufenwechsel werden doppelte Konsonanten in der schwachen Stufe zu einfachen reduziert:
- kk → k: pankki (die Bank) - pankin (der Bank)
- pp → p: oppia (lernen) - opin (ich lerne)
- tt → t: katto (das Dach) - katot (die Dächer)
Vom qualitativen Stufenwechsel sind die Einzelkonsonanten k, p und t sowie zahlreiche Konsonantenverbindungen betroffen. Diese Art des Stufenwechsels ist nicht mehr produktiv, d.h. neuere Wörter sind nicht mehr von ihm betroffen (vgl. katu „die Straße“ - kadun „der Straße“ und auto „das Auto“ - auton „des Autos“).
- k → -: lukea (lesen) - luen (ich lese)
- p → v: rapu (der Krebs) - ravun (des Krebses)
- t → d: katu (die Straße) - kadulla (auf der Straße)
- nk → ng: Helsinki) - Helsingissä (in Helsinki)
- mp → mm: kampa (der Kamm) - kammat (die Kämme)
- nt → nn: antaa (geben) - annan (ich gebe)
- rt → rr: parta (der Bart) - parran (des Bartes)
Sonderfälle:
- uku → uvu: luku (die Zahl) - luvun (der Zahl)
- yky → yvy: kyky (die Fähigkeit) - kyvyn (der Fähigkeit)
- hke → hje: rohkenen (ich wage) - rohjeta (wagen)
- lke → lke: olki (das Stroh) - oljen (des Strohs)
- rke → rje: särkeä (zerbrechen) - särjen (ich zerbreche)
Grammatik
Die Grammatik kennt keine Artikel, weder bestimmte noch unbestimmte.
mies (Mann, der Mann, ein Mann);
nainen (Frau, die Frau, eine Frau). Häufig wird allerdings das
Zahlwort yksi – eins oder das Pronomen eräs - ein(e) verwendet, um Unbestimmtheit zu unterstreichen:
- Ovella seisoo (yksi/eräs) mies. - Es steht ein Mann an der Haustür.
Es kann jedoch das Demonstrativpronomen se - die/der/das als einen bestimmten Artikel verwendet werden:
- Se mies, jonka näit eilen, on veljeni. - Der Mann, den du gestern gesehen hast, ist mein Bruder.
Das Finnische kennt keine grammatischen Geschlechter.
Bei der 3. Person Einzahl gibt es nur eine Form: hän (= er, sie). Für Gegenstände und Tiere sowie umgangssprachlich gelegentlich auch für Personen wird in der 3. Person Einzahl das Demonstrativpronomen „se“ verwendet.
Weibliche Berufsbezeichnungen kommen immer mehr aus der Mode; man verwendet sie eigentlich nur noch, wenn man betonen will, dass es um eine weibliche Person geht:
myyjä (Verkäufer allgemein); myyjätär (Verkäuferin)
Kasus
Im Finnischen gibt es 15 Kasus (Fälle). Die meisten von ihnen übernehmen ähnliche Funktionen wie die Präpositionen im Deutschen. Aufgeteilt werden sie in grammatikalische Kasus, die in ihrer Funktion den deutschen Kasus ähneln, Lokalkasus, die konkrete und abstrakte örtliche Relationen bezeichnen und die sogenannten marginalen Kasus, die in der heutigen Sprache nur noch selten benutzt werden (hauptsächlich in festen Redewendungen). Sie werden meist durch Präpositionen ersetzt. Neben den 15 Kasus gibt es den kasusähnlichen Prolativ, der den Weg ausdrückt, über den eine Handlung ausgeführt wird (z.B. postitse auf dem Postweg, kirjeitse brieflich).
Die Kasus werden gebildet, indem die Kasusendungen an den Wortstamm angehängt werden. Die Kasusendungen sind unabhängig vom Worttyp einheitlich. Die Endungen im Plural entsprechen prinzipiell denen im Singular, wobei zwischen Wortstamm und Endung das Pluralkennzeichen -i- tritt (z.B. Singular talossa, Plural taloissa). Eine Ausnahme bildet der Nominativ mit der Pluralendung -t (talot).
Übersicht:
Vorlage:Highlight1 | Fall | Vorlage:Highlight1 | Suffix | Vorlage:Highlight1 | Beispiel | Vorlage:Highlight1 | Übersetzung | Vorlage:Highlight1 | Erklärung |
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Vorlage:Highlight4 align="left" colspan="5" | Grammatikalische Kasus | ||||
Nominativ | - | talo | das Haus | Grundform; Subjektskasus |
Genitiv | -n | talon | des Hauses | Zugehörigkeit (wessen?) |
Akkusativ | -, -n 1) | talon, talo | das Haus | Objektskasus |
Partitiv | -(t)a2) | taloa | das Haus | Teilobjekt, unbestimmte Menge; kann als Objektskasus fungieren |
Vorlage:Highlight4 align="left" colspan="5" | Innere Lokalkasus | ||||
Inessiv | -ssa2) | talossa | im Haus | im Raum (wo?) |
Elativ | -sta2) | talosta | aus dem Haus | aus dem Raum (woher?) |
Illativ | -Vn3) | taloon | ins Haus | in den Raum (wohin?) |
Vorlage:Highlight4 align="left" colspan="5" | Äußere Lokalkasus | ||||
Adessiv | -lla2) | talolla | auf dem Haus | auf etwas, mit etwas (worauf?, womit?) |
Ablativ | -lta2) | talolta | vom Haus | von etwas (von wo?) |
Allativ | -lle | talolle | auf das Haus | auf/zu etwas (auf/zu wem/was?); entspricht auch oft dem deutschen Dativ |
Vorlage:Highlight4 align="left" colspan="5" | Abstrakte Lokalkasus | ||||
Essiv | -na2) | talona | als Haus | Zustand (als was?) |
Translativ | -ksi | taloksi | zum Haus | Zustand als Ergebnis einer Veränderung |
Vorlage:Highlight4 align="left" colspan="5" | Marginale Kasus | ||||
Abessiv | -tta2) | talotta | ohne Haus | Mangel, ohne etwas |
Instruktiv | -(i)n | taloin | mittelst Häusern | Art und Weise (mittelst was?); in der Regel nur im Plural |
Komitativ | -(i)ne-4) | taloineen | mitsamt (seiner) Häuser | Dazugehörigkeit (mit wem oder was zusammen?); steht stets im Plural |
1) Der Akkusativ entspricht im Singular je nach syntaktischer Stellung formal dem Nominativ oder Genitiv, im Plural entspricht er dem Nominativ.
2) Diese Endungen unterliegen der Vokalharmonie, d.h. anstelle des a kann ein ä stehen.
3) Verdopplung des vorangehenden Vokals + n
4) Der Komitativ verlangt ein Possessivsuffix.
Verben
Das finnische Verb hat vier Tempora (Präsens, Imperfekt, Perfekt und Plusquamperfekt), vier Modi (Indikativ, Konditional, Imperativ und Potential), vier Infinitive und ein Verbalsubstantiv sowie vier Partizipien. Das finnische Passiv unterscheidet sich vom deutschen Passiv und ist eine unpersönliche Form.
Die finnischen Verben werden in sechs Typen eingeteilt. Die Endungen sind für alle Typen gleich, aber die Wortstämme unterliegen bei der Konjugation unterschiedlichen Veränderungen.
- Typ 1: sanoa (sagen) – sanon (ich sage)
- Typ 2: syödä (essen) – syön (ich esse)
- Typ 3: tulla (kommen) – tulen (ich komme)
- Typ 4: haluta (wollen) – haluan (ich will)
- Typ 5: tarvita (benötigen) – tarvitsen (ich benötige)
- Typ 6: paete (fliehen) – pakenen (ich fliehe)
Konjugation
Konjugation des Verbs puhua (sprechen) im Präsens:
Vorlage:Highlight1 | Person | Vorlage:Highlight1 | Endung | Vorlage:Highlight1 | Beispielwort | Vorlage:Highlight1 | Übersetzung |
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1. Sing. | -n | (minä) puhun | ich spreche |
2. Sing. | -t | (sinä) puhut | du sprichst |
3. Sing. | -V1) | hän puhuu | er/sie spricht |
1. Pl. | -mme | (me) puhumme | wir sprechen |
2. Pl. | -tte | (te) puhutte | ich sprecht |
3. Pl. | -vat2) | he puhuvat | sie sprechen |
1) Verdopplung des vorangehenden Vokals
2) Diese Endung unterliegt der Vokalharmonie, d.h. statt des a kann ein ä stehen.
Die Personalpronomina der ersten und zweiten Person können weggelassen werden, da die Person bereits durch die Personalendung eindeutig bestimmt ist.
Tempora
Das Präsens bezeichnet gegenwärtige oder zukünftige Handlungen. Das im Finnischen nicht vorhandene Futur wird durch das Präsens ersetzt (menen huomenna „ich gehe morgen“, „ich werde morgen gehen“). Um den Zukunftsbezug eindeutig kennzuzeichnen, kann eine Umschreibung mit dem Verb tulla (kommen) verwendet werden (tulen menemään huomenna).
Das Imperfekt (auch Präteritum) bezeichnet die abgeschlossene Vergangenheit. Es wird regelmäßig mit dem Tempuszeichen -i- gebildet. Die Endungen sind die selben wie im Präsens.
- puhun (ich spreche) - puhuin (ich sprach)
Das Perfekt bezeichnet eine Handlung, die in der Vergangenheit stattgefunden oder angefangen hat aber in der Gegenwart relevant ist. Es entspricht dem englischen Present Perfect. Das Plusquamperfekt bezieht sich auf eine Handlung, die vor einem Vergleichszeitpunkt in der Vergangenheit stattfand. Perfekt und Plusquamperfekt werden mit dem Hilfsverb olla (sein) und dem Patzizip Perfekt gebildet.
- olen puhunut (ich habe gesprochen), olet puhunut (du hast gesprochen) etc.
- olin puhunut (ich hatte gesprochen), olit puhunut (du hattest gesprochen) etc.
Modi
Der Indikativ ist der Grundmodus und wird zur Darstellung der Wirklichkeit benutzt.
- puhun (ich spreche), puhut (du sprichst) etc.
Der Konditional drückt hypothetische oder bedingte Handlungen aus. Er wird mit dem Moduszeichen -isi- gebildet.
- puhuisin (ich würde sprechen), puhuisit (du würdest sprechen)
Der Imperativ ist die Befehlsform. Neben den Imperativen der 2. Person Singular und Plural gibt es auch Imperative für die 3. Person Singular und Plural und die 1. Person Plural (veraltet).
- puhu! (sprich!), puhukoon! (er spreche!), puhukaamme! (lasst uns sprechen!), puhukaa! (sprecht!), puhukoot! (sollen sie sprechen!)
Der Potential bezeichnet eine wahrscheinliche, aber nicht sichere Handlung. In der heutigen Sprache ist er recht selten. Er wird mit dem Moduszeichen -ne- gebildet.
- puhunen (ich spreche wohl), puhunet (du sprichst wohl) etc.
Passiv
Anders als im Deutschen und den meisten anderen indogermanischen Sprachen ist das finnische Passiv keine Umkehrung des Aktivs, sondern könnte als eine Art „4. Person“ bezeichnet werden. Es bezeichnet unpersönliche Handlungen, bzw. Handlungen, bei denen der Ausführende ungenannt bleibt.
Das Kennzeichen des Passivs ist -ta/-tä-. Es kommt in allen Tempora und Modi vor.
- Präsens: puhutaan (es wird gesprochen)
- Imperfekt: puhuttiin (es wurde gesprochen)
- Perfekt: ollaan puhuttu (es ist gesprochen worden)
- Plusquamperfekt: oltiin puhuttu (es war gesprochen worden)
- Konditional: puhuttaisiin (es würde gesprochen werden)
- Imperativ: puhuttakoon! (es werde gesprochen!)
- Potential: puhuttaneen (es wird wohl gesprochen)
Infinitive
Finnische Verben haben vier Infinitive und ein Verbalsubstantiv (die Einordnung der Infinitive variiert in unterschiedlichen Grammatiken). Der 1. Infinitiv (puhua „sprechen“) entspricht dem deutschen Infinitiv und ist die Grundform des Verbs. Die übrigen Infinitive werden dekliniert und dienen zur Bildung zahlreicher temporaler, modaler, finaler u.ä. Satzkonstruktionen (z.B. puhuessani „während ich spreche“, puhumatta „ohne zu sprechen“, olen puhumaisillani „ich bin nah dabei, zu sprechen“ etc.).
Das Verbalsubstantiv wird mit dem Suffix -minen gebildet und kann in allen Kasus dekliniert werden. Es entspricht dem substantivierten Infinitiv des Deutschen (puhuminen „das Sprechen“, puhumisen „des Sprechens“ etc.).
Partizipien
Im Finnischen gibt es vier Partizipien. Es gibt sie in zwei Zeitebenen (Präsens bzw. gleichzeitig und Perfekt bzw. vorzeitig) jeweils als aktive und passive Form. Daneben existiert ein Agenspartizip, das das Partizip Perfekt Passiv ersetzt, wenn das Agens (die handelnde Person) genannt wird.
- Partizip Präsens Aktiv: puhuva (sprechend)
- Partizip Präsens Passiv: puhuttava (zu sprechen)
- Partizip Perfekt Aktiv: puhunut (gesprochen habend)
- Partizip Perfekt Passiv: puhuttu (gesprochen)
- Agenspartizip: minun puhuma (von mir gesprochen)
Verneinung
Die Verneinung wird mit dem speziellen Verneinungsverb ei und dem nicht konjugierten Verbstamm gebildet.
- (minä) en puhu (ich spreche nicht)
- (sinä) et puhu (du sprichst nicht)
- hän ei puhu (er spricht nicht)
- (me) emme puhu (wir sprechen nicht)
- (te) ette puhu (ihr sprecht nicht)
- he eivät puhu (sie sprechen nicht)
Das verneinte Imperfekt wird anders gebildet als der bejahte, nämlich mit ei und dem Partizip Perfekt des Verbs. Das verneinte Perfekt und Plusquamperfekt werden durch Verneinung des Hilfsverbs olla gebildet.
- puhuin (ich sprach), puhuit (du sprachst) etc. – minä en puhunut (ich sprach nicht), sinä et puhunut (du sprachst nicht) etc.
- olen puhunut (ich habe gesprochen), olet puhunut (du hast gesprochen) etc. – en ole puhunut (ich habe nicht gesprochen), et ole puhunut (du hast nicht gesprochen) etc.
- olin puhunut (ich hatte gesprochen), olit puhunut (du hattest gesprochen) etc. – en ollut puhunut (ich hatte nicht gesprochen), et ollut puhunut (du hattest nicht gesprochen) etc.
Beim verneinten Imperativ steht das Verneinungsverb in einer speziellen Imperativform älä.
- puhu! (sprich!), puhukaa!' (sprecht!) – älä puhu! (sprich nicht!), älkää puhuko! (sprecht nicht!)
Haben
Es gibt im Finnischen kein Wort für „haben“. Stattdessen verwendet man eine Konstruktion mit der 3. Person Singular von olla (sein) und dem Adessiv.
- minulla on auto (wörtlich „bei mir ist ein Auto“: „ich habe ein Auto“)
Fragen
Bei Entscheidungsfragen wird an das konjugierte Verb (oder auch an andere Wörter) die Frage-Endung -ko oder -kö (s. Vokalharmonie) angehängt.
Das sieht dann beispielsweise so aus:
Puhutko suomea? – Sprichst du finnisch?;
Etkö puhu suomea? – Sprichst du nicht finnisch?
Die Endung -ko/-kö steht fast ausschließlich bei Ja-/Nein-Fragen. Kann man die Frage nicht mit Ja oder Nein beantworten, steht sehr selten -ko/-kö:
Puhuuko joku suomea? - Spricht jemand finnisch? Kuka puhuu suomea? – Wer spricht finnisch?
Aber:
Kauanko (= kuinka kauan) se kestää? (nicht Kestääkö se kauan?) - Wie lange dauert es?
Montako (= kuinka monta) teitä (Partitiv!) on? (nicht Onko teitä monta?) - Wieviele seid ihr?
Umgangssprache
Im Finnischen unterscheiden sich geschriebene und gesprochene Sprache mehr als in den meisten anderen europäischen Sprachen. Die Unterschiede sind sowohl lautlicher als grammatikalischer Natur. Die Umgangssprache variiert je nach dialektalem Hintergrund, Alter und sozialer Stellung des Sprechers, aber auch bei ein und derselben Person je nach Situation.
Die finnische Umgangssprache basiert im Wesentlichen auf dem Dialekt von Helsinki, hat sich aber zu einer überregionalen gesprochenen Standardsprache entwickelt.
Die wichtigsten Merkmale der Umgangssprache sind:
- Lautliche Verschleifung: mä oon statt minä olen (ich bin), lukee statt lukea (lesen)
- Gebrauch der sächlichen Pronomina der 3. Person (Singular se, Plural ne) auch für Personen (statt hän, he)
- In der 1. und 2. Person müssen die Personalpronomina genannt werden: mä kuulen statt kuulen (ich höre)
- Verlust der Possessivsuffixe zugunsten des Genitivs der Personalpronomina: mun auto statt autoni (mein Auto)
- Unterschiede in der Konjugation: Ersetzung der 1. Person Plural durch die Passivkonstruktion: me mennään statt me menemme (wir gehen); Die 3. Person Plural übernimmt die Form der 3. Person Singular: autot ajaa statt autot ajavat (die Autos fahren)
- Bevorzugung analytischer Konstruktionen: Satzentsprechungen werden durch Nebensätze ersetzt: kun mä olin tullut statt tultuani (als ich gekommen war); Die selteneren Kasus wie der Abessiv werden durch Präpositionen ersetzt: ilman rahaa statt rahatta (ohne Geld)
- Vor allem im informellen Bereich Abkürzung von Wörtern: telkkari statt televisio (Fernseher)
Dialekte
Die Unterschiede zwischen den finnischen Dialekten sind recht gering und unterscheiden sich fast ausschließlich in der Aussprache. Die finnischen Dialekte teilen sich in eine westliche und eine östliche Hauptgruppe. Die Klassifizierung des im nordschwedischen Tornedalen gesprochenen Meänkieli ist umstritten. In Finnland wird es meist als westfinnischer Dialekt angesehen, während es in Schweden als eigenständige Sprache klassifiziert wird.
Wortschatz
Erbwörter und Neuschöpfungen
Fremd- und Lehnwörter und ihre Anpassung
Durch jahrhundertelange Zugehörigkeit Finnlands zum Kgr. Schweden enthält die finnische Sprache sehr viele Lehnwörter aus dem Schwedischen, z.B. kuppi (schwed. koppen "Tasse") oder auch die Wochentage maanantai, tiistai, usw. Daneben entstand ein Slang namens Kökki-ruotsi (Küchen-Schwedisch), der mit schwedischen Wörtern angereichert ist. Es war die Sprache von Finnen, die bei reichen schwedischen Familien als Hausangestelle arbeiteten. Bekannte Wörter sind z.B. likka (schwed. flicka "Mädchen") oder tykätä (schwed. tycka "gern haben").
Handelsbeziehungen zum deutschen Sprachraum im Mittelalter brachten auch einige Lehnwörter aus dem Mittelhochdeutschen in die finnische Sprache, so zB kuningas ("König") oder kauppa ("Handel"). Das für Deutsche ungewohnte Schriftbild und die fremde Lautbildung machen es für den Lerner allerdings sehr schwierig, Wörter germanischen Ursprungs auch als solche zu erkennen.
Die kurze Zugehörigkeit Finnlands zu Russland hat in der Sprache sehr wenige Spuren hinterlassen, zumal Russisch nie Amtssprache war.
Anders als zum Beispiel in der deutschen Sprache ist der Einfluss des Englischen eher gering. Selbst Wörter wie Jeans, Finnisch farkut, werden konsequent übersetzt. Am ehesten noch in der Wirtschaftsfachsparche werden Englische Ausdrücke verwendet, die dann allerdings häufig Finnisch betont werden.
Literatur
Grammatiken
- Karlsson, Fred: Finnische Grammatik. Autorisierte Übersetzung aus dem Finnischen von Karl-Heinz Rabe. Bearbeitet von Cornelius Hasselblatt und Paula Jääsalmi-Krüger. 4. Auflage. Buske, Hamburg 2004
- Buchholz, Eva: Grammatik der finnischen Sprache, Hempen, Bremen, 2004, ISBN 3-934106-40-4
Lehrbücher
- Semrau, Richard: Langenscheidts Praktisches Lehrbuch Finnisch, Langenscheidt, Berlin, 1996, ISBN 3-468-26140-3
- Steiner, Marja-Liisa: Finnisch für Sie. 4. Auflage. Hueber, Ismaning, 1989, ISBN 3-19-005076-7
- Riekkinen-Gebbert, Senja: Yksi, kaksi, kolme. Finnisch für Deutschsprachige : Lehrbuch, Hempen, Bremen, 2003, ISBN 3-934106-23-4
- Low, Hillevi: Finnisch für Globetrotter. 2. Auflage. Rump, Bielefeld, 1989, ISBN 3-922376-14-2