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Hunnen

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Der Begriff Hunnen ist eine Sammelbezeichnung für eine Gruppe zentralasiatischer Völkerschaften mit nomadischer, später halbnomadischer Lebensweise, die ursprünglich im Gebiet zwischen Issyk-Kul und Ulan-Bator beheimatet gewesen waren. Sie sollten für die weitere asiatische und europäische Geschichte eine bedeutende Rolle spielen.

Namensherkunft

Die ursprüngliche Volksbezeichnung der hunnischen Stämme war einst Turuken/Türüken. Diese Volksbezeichnung bedeutet wohl "die Tapferen" oder "die Ehrenvollen". Dieser Name wurde recht bald vom Adel (Khagan, Khan, Tajang, Batur u. a.) für sich beansprucht. Statt dessen wurde nach der hunnischen Reichsgründung (209 v. Chr.) die Volksbezeichnung "Hunne" üblich und 174 v. Chr. durch den damaligen Hunnenkönig Yabgu Teoman Karakhan schriftlich als Volksname dem chinesischen Han-Kaiser übermittelt.

(Die alte Volksbezeichnung Turuk selbst wurde über den Namen Turkut zum Vorläufer des mittelalterlichen Volksnamens Turk. Aus diesem wurde dann das moderne Türk (Türke). Dabei darf man nicht ausser Acht lassen, dass die heutigen Türken - wie die Hunnen vor ihnen - ein Mischvolk darstellen. Und auf dieses Mischvolk wurde der Name des Turukenstammes übertragen bzw. von diesem übernommen. Die heutigen Ungarn benennen die heutigen Türkeitürken z.B. noch mit dem alten Namen: Török = Turuken.)

Das Wort "Hunne" (Eigenbezeichnung der Hsiung-nu war Hun bzw. Hunlar) ist ein alttürkisches mit der Bedeutung von "Mensch" oder "Volk". Es ist verwandt mit dem tungusischen Chun, das "Kraft" oder "Mut" bedeutete. Das die Hunnen kurzfristig zum "Herrschervolk" im nördlichen China aufstiegen, belegt die Tatsache, dass Chün zur chinesischen Bezeichnung des Fürsten wurde.

Ursprünge der hunnischen Völker

Es spricht heute vieles für eine Herkunft der Turuken, Hsiung-nu und Hunnen aus der heutigen Mongolei und der angrenzenden Altai- und Sajangebirge.

Die Hunnen gingen demnach aus einer Verschmelzung verschiedener Altai- und Sajanvölker hervor. Dort vermischten sich über mehrere Jahrhunderte etliche iranisch-indogermanische Gruppen (Saken, Sarmaten) einerseits und mongolisch-tungusische Volksteile aus der Taiga sowie aus dem chinesischen Randgebiet vertriebene Viehzüchter andererseits. Die sogenannten Chieh oder Chi-Chi-Hunnen, einer der 19 Stämme der Hsiung-nu-Konföderation wurden z.B. an ihren langen Nasen und vollen Bärten erkannt (349 v. Chr.).

Im 8. Jahrhundert v. Chr. verzeichnet man am Altai bereits Pferdeschirrungen und das Fehlen fester Siedlungen. Den Chinesen waren diese Barbaren unter den nacheinander benutzten Sammel-Bezeichnungen Jung, Ti und Hu/Hiu-yun bekannt. Die Ti werden in zwei Feldzügen (714 und 541 v. Chr.) als zu Fuß kämpfend beschrieben. Die Hsiung-nu - laut gängiger Überlieferung ein "Zweig" ebendieser Hu/Hiu/Hiun-yun/Ti-Barbaren - waren aber überwiegend Reiternomaden, wenn auch nicht vollständig (in Transbaikalien Beispielsweise nicht).

Als legendenhafter Stammvater der Hunnen gilt Chungvi Khan (türkisch: Çungvi Han), der erstmals 1800 v. Chr. erwähnt wird. Im Jahre 1766 v. Chr. wird in Inschriften der chinesischen Xia-Dynastie erwähnt, dass Kia, das 17. Mitglied dieser Dynastie, entmachtet wurde. Dessen Sohn Sunni begründete nun mit 500 Stammesangehörigen den eigenständigen "Hui-Stamm". Dieses "Hui-Volk" wurde wohl zum tragenden Stamm der späteren Hunnen, da vor allem die heutige türkische Geschichtsschreibung sie als solchen bezeichnet. Sunni begründete vielleicht auch den bedeutenden "Aschina-" und den verwandten "Tukyu"-Klan", auf den sich alle späteren Hunnenherrscher (aber auch die ersten Führer der frühen "Gök-Türken") zurückführten.

Um 300 v. Chr. setzte sich nun bei diesem Mischvolk die Volksbezeichnung "Hunne" durch, während die alte Bezeichnung "Turuken" nur noch auf den hunnischen Erbadel angewendet wurde.

Die Hsiung-nu

Im 3. Jahrhundert. v. Chr. gründeten nun die Hsiung-nu unter Yabgu Teoman Karakhan (209 - 174 v. Chr.) ein großes Reich, das mehrfach Han-China bedrohte. Dieses Reich der verschiedentlich als "Groß-Hunnen" (türkisch: Büyük Hun) bezeichneten Hunnen umfasste formal rund 18 Mio. km².

Das Reich der Hsiung-nu war ein typisches Nomaden-Reich, das alten Traditionen entsprechend zwei Herrschern unterstand: Yabgu Teoman Karakhan – er ist eventuell mit dem legendenhaften Heerführer Oghus Khan identisch – unterwarf 201. v. Chr. die Kirgisen im Talasgebiet (Manas-Epos) und dessen Bruder Bagatir Khagan indessen die östliche Mongolei. Stammheimat der beiden Brüder war wohl das Altai-Gebirge. Hauptstadt dieses Reiches wurde das westmongolische Gool Mod, in der Nähe des Ötüken'de Noyun-Ula. Sie lag also am Mongolischen Altai. Nach der Reichsgründung wurde Yabgu Teoman bei den Mongolen und Chinesen als Mao-tun Khan bekannt, mit dem er auch in die westliche Geschichte einging. Für das Hsiung-nu-Reich Bagatirs und Mao-tuns sind uns durch die chinesischen Schriftgelehrten des Altertums zwei Banner überliefert worden, die sich allerdings sehr ähnlich waren: Goldfarbene und Rote Tücher mit einem Drachen in der Mitte.

Über die unterworfenen Stämme herrschten die Aschina-Fürsten Bagatir und Mao-tun nur formal, denn in der Praxis bestanden die eingegliederten Stämme weiter, die Hsiung-nu tauschten nur die jeweilige Führungselite aus. Zudem hatte das einheitliche Reich keinen langen Bestand.

Es werden Elemente eines frühen Staates verzeichnet, die da sind: in bestimmten Bereichen geltende einheitliche Gesetze und Strafen, eine schnell einsetzbare militärische Gefolgschaft, eine von Mao-tun geschaffene rudimentäre Zentralverwaltung mit mehreren Rangstufen und unter Laosheng (174 - 161 v. Chr.) auch eine Form staatlicher Steuern.

Die Hauptrivalen der Hisung-nu bei der Reichsgründung waren die Yüe-tschi. 160 v. Chr. löste der endgültige Sieg über die Yüe-tschi in der heutigen Provinz Kansu eine Völkerwanderung bis nach Baktrien aus, wo sich die Yüe-tschi und die mitgerissenen Saken (Teil der Skythen) nun niederließen.

Die Chinesen der Han-Zeit beschrieben die Hsiung-nu als "kampfeslustige, kraftvolle Menschen mit unterentwickelter Kultur", jedoch sei das "Kriegshandwerk bei ihnen äusserst hoch entwickelt". Besonders die Reiterei und die Kunst des Bogenschießens wurden von den Chinesen hervorgehoben.

Die Hsiung-nu begannen unter Bagatir Khagan die Handelswege Chinas zu kontrollieren und unter ihre Herrschaft zu bringen. Das Reich der Chinesen war nun von der übrigen Welt abgeschnitten. Die Brüder Bagatir und Mao-tun zwangen den chinesischen Kaiser zu hohen Tributzahlungen. Um der hunnischen Herrschaft zu entgehen, wurde unter dem chinesischen Han-Kaiser Shi-Huang-ti (dem legendären "Gelben Kaiser" der ersten Han-Dynastie) mit dem Bau der Großen Chinesischen Mauer begonnen.

Mit der Vollendung der Großen Chinesischen Mauer begannen sich die Hsiung-nu, über die Dsungarische Pforte kommend, weiter nach Westen auszubreiten. Sie kamen schließlich bis an die Küsten des Kaspischen Meeres und besiedelten nun auch jene Gebiete, aus denen später die Landschaft "Turkestan" hervorgehen sollte. Dabei wurden bedeutende Volksteile der altiranischen Urbevölkerung verdrängt bzw. in sich aufgenommen.

Im späteren Turkestan – damals noch "Turan" genannt – sind uns einige Inschriften der Hsiung-nu überliefert worden. Meist waren es Bezeichnungen der Macht: Dabei wurden die Vorläufer der späteren türkischen Runen verwendet und die meisten Wörter lauteten Turan Hun (Turan-Hunnen) bzw. Yabgu Turan Hun (Prinz der Turan-Hunnen). Aus diesen "Turan-Hunnen" sollten die späteren Hephthaliten hervorgehen.

Nach wiederholten Auseinandersetzungen besiegte Han-China die Hsiung-nu und drängte diese in ihr eigentliches Stammland zurück. 119 v. Chr. erlitten die Hsiung-nu unter Mao-tuns Enkel Yizhixie (126 - 114 v. Chr) eine schwere Niederlage beim heutigen Urga in der Mongolei, da der Schan-yü den Chinesen eine ungefährdete Durchquerung der Gobi nicht zugetraut hatte (General Huo Qubing).

In diesen Auseinandersetzungen wurde auch die Kontrolle über die Seidenstraße ein wichtiger ökonomischer Faktor für die Hsiung-nu, so dass sich die Chinesen dort festsetzten (102/101 v. Chr. und 73 - 94, letzteres unter General Pan Chao).

Um 60 v. Chr. zerfiel der Herrschaft der Hsiung-nu in fünf Horden durch eine Folge von Bruderkämpfen, die von China gefördert wurden. Es gelang unter Hu-han-ye (58 - 31 v. Chr.) nocheinmal eine vorübergehende Einigung. Hu-han-yeh ging an den Hof des Han-Kaisers Chinas, unterwarf sich und triumphierte so über seine Rivalen (51 v. Chr.). Eine Horde unter Chih-chih (die Chi-Chi-Hunnen) blieb jedoch unabhängig und ließ sich in der Nachbarschaft der Alanen am Tschu nieder, wo Chih-chih 35 v. Chr. von den Chinesen überrascht und getötet wurde.

Die Hsiung-nu hatten sich aber mit der Zeit bedeutend verändert. Auf ihren langen Zügen hatten sie sich mit anderen – meist indogermanischen - Völkern vermischt und begannen nun, deren Kultur zu übernehmen. Sie gewannen dadurch eine gewaltige Volkskraft, die auch ihrer eigenen, unterentwickelten Kultur zugute kam: Die Hsiung-nu wurden zu intelligenten Reitervölkern, die zugleich Viehzüchter und Ackerbauern, aber auch gefürchtete Krieger waren. Diese neuerworbene Vielseitigkeit würde ihnen in späteren Zeiten noch von großem Nutzen sein. Sie begannen feste Städte zu errichten und mit ausländischen Staaten regen Handel zu treiben. Unter anderem gründeten die Hsiung-nu die Orte Ordu Balyk und das weiter nördlichere Kara Balagasum, das alte Kuz Ordu. Aber auch Städte wie Kara Hotscho, Kaschgar und Jarkand wurden von ihnen gegründet. Die Städte Özkand und Aulie Ata zeugen davon, dass die Hsiung-nu ein Volk türkischer Sprache waren; aus dem kleinen Oasenörtchen Aulie Ata wurde in späterer Zeit die bedeutende kasachische Millionenstadt Alma Ata.

Das Hsiung-nu-Reich erneuerte sich unter Hu-han-yehs Sohn Hudur-shi-dagao (18 - 45/6), der die späten Han gegen Wang Mang unterstützte. Aber im Jahr 48 rebellierten die südlichen Hsiung-nu unter ihrem Führer Khukhenye/Pi gegen Hudurs Sohn P'u-nu - auch als Panu Khan bekannt - (45/6 - 83) und unterwarfen sich dem Kaiser von China. In dem Krieg der beiden Brüder spalteten sich die Hsiung-nu in einen nördlichen (auch westlichen) Teil und in einen südlichen (auch östlichen) Teil auf.

Die Han hetzten sofort die benachbarten Stämme (Sien-pi, Wu-huan, Wu-sun, Ting-ling) auf die nördlichen (auch westlichen) Hsiung-nu und siegten. Im Jahr 87 töteten die proto-mongolischen Xian-bi den Schan-yü Yu-liu. In den Jahren 89 und 91 trugen zwei chinesische Generäle große Siege an den Chi-la-Bergen und dem Altai davon. Sie vertrieben den geschlagenen Schan-yü an den Ili und setzten seinen Bruder Yu-chu-kien ein, der aber schon 93 von den Sien-pi besiegt und getötet wurde. Damit begann die Vorherrschaft der Sien-pi in der Steppe.

Trotzdem verzeichnet man im beginnenden 2. Jahrhundert noch einmal eine Einigung der Hsiung-nu. Als Tan-shi-huai (ca. 156 - 181) die Sien-pi zu ihrem Macht-Höhepunkt führte, gaben die Nord-Hsiung-nu laut chinesischen Chroniken 158 Ostturkestan auf und ließen sich nördlich von Kang-chu nieder. Ab 166 rückte Tan-shi-huai (lt. Sien-pi-chuan) in der Dsungarei und im Gebiet der Wu-sun ein, erreichte den Ili.

Diese Süd-Hsiung-nu, bis dahin in "Halbgefangenschaft" an der Großen Mauer (konkret in Shansi) gehalten, drangen unter Hu-chu-ch'üan (195 - 216) als Verbündete der untergehenden Han-Dynastie immer weiter nach Süden vor. Unter Liu Ts'ung, dem Attila Chinas (gest. 318) eroberten sie noch einmal die Hauptstädte Jin-Chinas, wurden aber schon 352 von den nachdrängenden Mujung-Sien-pi unter ihrem Khagan Tsun vernichtet.

Im Jahre 1957 fand man in Gool Mod, dem einstigen Heer- und Hauptlager des Hsiung-nu- Schan-yü durch Zufall eine riesige Gräberstätte der hunnischen Hsiung-nu. Darunter auch das Grab des zwanzigsten Schan-yü, der 37 n. Chr. verstarb. Dieses Grab wurde zwischen 2001 und 2002 von einer französisch-mongolischen Forscher-Gemeinschaft freigelegt. Dabei wurde unter anderem festgestellt, dass die Hsiung-nu eine fortgeschrittene Kultur hatten und nicht das "kulturlose Volk" waren, als das sie üblicherweise dargestellt werden. (Obschon das Grab kurz nach seiner Fertigstellung geplündert wurde, fanden sich dort 250 Gegenstände; beispielsweise feine Goldschmiedearbeiten und chinesische Schlangenornamente, die die Drachen- und Tiersymbolik der Steppenvölker ablöste und die die Beziehungen der Hsiung-nu zu China aufzeigten, da auch ein chinesischer Spiegel dem Grabe beigelegt war.)

Diskussion über die Identität von Hsiung-nu und Hunnen

Es herrscht keine völlige Einigkeit über die Identität der Hsiung-nu mit den eigentlichen Hunnen. Gewisse Indizien sprechen jedoch stark dafür, dass beide Völkerschaften identisch waren:

  • beide Stämme sprachen türkisch (siehe hierzu auch: Hunnische Sprache),
  • beide wurden mit den gleichen Schimpfwörtern bedacht,
  • ihre Wanderung ist bis auf die Lücke von etwa 180 Jahren nachvollziehbar und
  • es existieren Briefe sogdischer Handelsleute aus dem 4. Jahrhundert, welche die Wörter "Hsiung-nu" und "Hunnen" synonym verwendeten (lt. Altheim)

Die "Hun" werden lt. Haussig in einer chinesischen Chronik auch als Unterstamm der Sien-pi verzeichnet, so dass die europäischen Hunnen durchaus auch im Kontext des Sien-pi-Reiches formiert worden sein könnten. Die von den Wolgabulgaren übermittelten Klannamen "Dulo" und "Ermi" weisen lt. Altheim nur auf eine mittelasiatische Herkunft hin, speziell auf die Tul-oq, eine Untergruppe der Onoq und auf den Balchaschsee .

Die asiatischen Hunnen

Im Verlauf ihrer Wanderung integrierten die ursprünglich noch stärker mongolisch geprägten Hunnen zunehmend indogermanische Gruppen, so dass sie in der europäischen Völkerwanderungszeit als ein reines Mischvolk anzusehen sind, das in seiner Sprache mehrheitlich als "türkisch" anzusehen war. Die ethnische Zusammensetzung lag im Auge des jeweiligen Betrachters: Man neigte immer dazu den Volksteil hervorzuheben, der am fremdartigsten aussah. In Europa waren es die Mongoloiden, in China die europiden Bartträger.

Um 44 v. Chr. brachen nun die ersten Scharen der am Altai verbliebenen Hunnen auf, um nun die Gebiete des Kaspischen Meeres dauerhaft zu besiedeln. Diese Altai-Hunnen werden heute allgemein als Schwarze Hunnen bezeichnet, da auch die heutigen Türken diese als Kara Hun bezeichnen. Dieses Volk trägt mehrheitlich noch die alten mongoliden Züge der Turuken und war demnach sehr dunkelhäutig. (Als Alternativname könnte man diese Hunnengruppe auch als Europäische Hunnen bezeichnen, da auch die heutigen Türken diese mitunter als Avrupa Hunları bezeichnet. Aber der Begriff "Schwarze Hunnen" ist in Europa verbreiteter.) Sie selbst nannten sich Onoguren und sie wurden zu den Vorfahren der Westtürken. (Eine andere Eigenbezeichnung für diese Volksstämme lautet: Khara Bulkhar – Schwarze Bulgaren.)

Der eigentliche "Hunnensturm" kam im 4. Jahrhundert: Im Jahr 350 begannen Angriffe der Ost-Hunnen, in dem Fall der Roten Hunnen gegen das Reich der Sassaniden unter Schapur II. (Baktrien).

Die Chioniten eroberten bis 360 Baktrien, dazu Teile des Iran und drängten die Kidariten (eher die Reste der Yüe-tschi, unter Kidara) nach Afghanistan und Nordindien. Ihnen folgten die Weißen Hunnen, die 425 den Syr-daja überschritten und bis 450 de facto die Herrschaft über die Chioniten übernahmen. Zu einem chronologisch unklaren Zeitpunkt (451 oder 484) endete auch die Zeit der Kidariten. Diese Weißen Hunnen hatten wesentlichen Anteil am Niedergang des indischen Großreichs der Gupta.

Die Weißen Hunnen genannten Völker werden von den chinesischen Chroniken zu den Ta-Yüe-tschi gestellt. Laut dem Chronisten Prokop unterschieden sie sich zwar in Lebensweise, Aussehen und Sitten auch von den europäischen Hunnen, trotzdem sind sie nach gängiger Betrachtung als "Hunnen" anzusehen.

Die europäischen Hunnen (Schwarze Hunnen)

Datei:Hunnen-Karte.JPG
europäische Hunnen

Ein Teil der Schwarzen Hunnen – die Turkuten – löste im 4. Jahrhundert die große Völkerwanderung aus, als sie 375 unter ihrem Führer Balamir Khagan in Europa einbrachen. Balamirs Horden, diese nannten sich schon Ordu, zerschlugen im Kaukasus das Reich der Alanen (diese schlossen schließlich ein Bündnis mit ihnen) und fielen nur wenig später auf die Halbinsel Taurus, der heutigen Krim, ein. Auf der Krim zerstören sie das Reich der Ostgoten, die im Anschluss daran aber ihre Verbündeten wurden.

Mit den Schwarzen Hunnen kam auch eine fruchtbare asiatische Krankheit nach Europa, so dass der Tod diesen Hunnen voranschritt: Die Pocken.

Die Schwarzen Hunnen mussten wohl einen geradezu dämonischen Eindruck auf ihre Feinde gemacht haben: Bei ihnen war es Sitte, den männlichen Kleinkindern die Gesichter zu zerschneiden, um den späteren Bartwuchs zu verhindern. Auch schmierten sich die Krieger Schwarzerde in die Kampfwunden, damit sich dort dickhäutige Narben bildeten. Dadurch wurden sie für die qualitativ minderwertigen Eisenwaffen der Europäer im wahrsten Sinne des Wortes "unverwundbar".

Sie fielen nun immer wieder in den Bereich des Oströmischen Reiches ein, um dort nun das Reich der Westgoten zu erobern. Die oströmische Bevölkerung gab den Schwarzen Hunnen nun einen Namen, mit dem später alle asiatischen Reitervölker bezeichnet wurden: Tartaros = Tartaren. (Dieses Wort können wir mit: "die Teuflischen" übersetzen, da es vom griechischen ταρταρος = "Hölle" oder "Unterwelt" abstammt.)

Bezüglich der Kampftechnik zu Pferde waren die Schwarzen Hunnen den Europäern weit überlegen: Wie alle zentralasiatischen Reiterhirten waren auch sie ausserordentliche Reiter und Bogenschützen. Die besten Bogenschützen trugen bunte Bänder in ihren langen Zöpfen. Der Oberkopf jedoch wurde als äusseres Zeichen ihrer Unterwerfung kahlgeschoren, da nur der als "Khagan" bezeichnete Hordenführer das Recht besaß, langes Haupthaar zu tragen.

Zwar kannten auch die Europäer den eingeschränkten Kampf zu Pferde, doch sie bevorzugen den Kampf Mann gegen Mann. Damit war der Schwerpunkt der Europäer auf das Fußvolk gesetzt. Doch die Schwarzen Hunnen brachten eine revolutionäre Erfindung nach Europa: den Sattel mit eingearbeiteten Steigbügeln. (Die Römer kannten zwar auch den Sattel, aber keine Steigbügel. Und durch die Steigbügel war die hunnische Reiterei in der Lage beidhändig vom Pferde aus zu kämpfen, da sie dieses nun mit den Füßen lenken konnten.

Um die Jahrhundertwende ließen sich weitere Onoguren-Stämme, unter der Führung des Karaton Khan (395-415), in der Ebene der unteren Wolga und Donau nieder. Sie begannen, nun auch in Europa Fuß zu fassen. Das Volk der Schwarzen Hunnen – sie bezeichneten sich nun einheitlich als Schwarze Bulgaren) beherrschten nun die weiten Steppen- und Wüstengebiete zwischen dem Altai und Südosteuropa.

Bereits 425 wurden die hunno-bulgarischen Horden als Vasallen der Römer erwähnt, nachdem sie mehrfach unter Mundschuk Khan ins Weströmische Reich eingebrochen sind und Westeuropa verwüsteten.

Die Römer einigten sich nun mit Mundschuk Khan auf einen Waffenstillstand und mussten diesem ernorme Tributzahlungen leisten. Dafür versprach der Bulgaren-Khan, Rom im Bedarfsfalle Truppen zu stellen; es war ein Bündnis, das später für die deutsche Geschichte noch weitreichende Folgen haben würde.

Nach dem plötzlichen Tode Mundschuks übernahm nun dessen Bruder, Oktar Khan (425-430), die Herrschaft über die hunnischen Völkerschaften der Schwarzen Bulgaren. Doch Oktar führte das Reich so schlecht, dass ihn die Kuriltai bereits 430 ab- und ihn durch dessen jüngeren Bruder Ruga Khan ersetzten. Für das Herrschaftsgebiet dieser Hunnen setzte sich nun die Bezeichnung Altyn Oba Horde durch.

Doch konnte Ruga Khan (430-434) das Reich nicht allein führen, da man ihm seine Neffen, Bleda (400-445) und Attila (403-453), als Mitherrscher zur Seite stellte. (Über die Kinder- und Jugendzeit der Söhne Oktars ist heute nicht viel bekannt. Nur das sie aus einer der vornehmsten Familien stammten und ihr Vater kurz der Khan ihres Volkes war.

Doch nach dem plötzlichen Tode Rugas (434), bei dem wohl vor allem der junge Attila seine Hand im Spiel hatte, wurde das Reich der Hunno-Bulgaren zwischen Bleda und Attila geteilt. Zwar wurde der Führer der Akh Bulkhar (Weiße Bulgaren), Bleda Khan, als der ältere der Brüder, von den Stämmen formal als Khagan anerkannt, aber die wahre Macht übte der dynamische Attila aus. Im östlichen Khanat herrschte nun Bleda Khagan und sein Reich erstreckte sich von der unteren Wolga bis zum Altai-Gebirge. Im westlichen Khanat herrschte nun Attila Khan, der seinen Machtbereich später bis zur Ostsee ausdehnen und dass schließlich 4 Millionen qkm umfassen wird.

Im Jahre 435 setzte Attila seinen Bruder ab und nahm, mit der Vereinigung beider Reichsteile, selbst den Titel des Khagan an. Die Altyn Oba Horde kannte nur noch einen Herren – Attila.

Im Frühjahr 445 wollte Bleda nun seinerseits den Bruder absetzen lassen. Er war sich wichtiger Stimmen der kommenden Fürstenversammlung sicher, da ließ Attila seinen Bruder kurz vor der Ankunft der Stammes- und Klanfürsten durch Attentäter ermorden.

Unter dem Alleinherrscher Attila erreichte die Macht der nun als Hunno-Bulgaren bezeichneten Schwarzen Hunnen im Mittelalter ihren Höhepunkt: Im Auftrage des römischen Feldherren Aetuis, seines Zeichens römischer Statthalter in der Provinz "Ober-Germanien", zerschlug Attila 436 das Reich der Burgunder, das sich seit 400 am mittleren Rhein befand. Dadurch wurde der Hunnen-König Attila ein wichtiger Bestandteil der deutschen Heldensage: Er ist der König Etzel des Nibelungen-Liedes.

Mitte des 5. Jahrhunderts begannen die Schwarzen Hunnen langsam sesshaft zu werden: Das Hauptsiedlungsgebiet des Volkes lag zwischenzeitlich in der Theißebene, wo Attila seit 444 seinen Heersitz hatte; die Schwarzen Hunnen Europas verloren den Kontakt zu den anderen hunnischen Steppenvölkern.

In den Jahren zwischen 441 und 447 verwüstete Attila den gesamten Balkanraum und legte die Städte Belgrad und Sofia in Schutt und Asche. Er zwang den damaligen oströmischen Kaiser Konstantin zu riesigen Tributzahlungen: Angeblich sollte der Herrscher Konstantinopels dem Hunnenherrscher jährlich eine Tonne Gold gezahlt haben, damit dieser seinen Herrschaftsbereich verschonte.

Nun wandte sich der Feldherr Attila gegen Rom und wurde nur durch die persönliche Verhandlungen des Papstes Leo I. davon abgehalten, die heilige Stadt zu plündern. Er zog nun quer durch Gallien und traf 451 auf seinen einstigen Verbündeten Aetius: Dieser war zwischenzeitlich mit den Stammeskönigen der Franken, [[Burgunder] und Westgoten verbündet und schlug Attila und dessen ostgotischen Vasallen in der Schlacht auf den Katalaunischen Feldern vernichtend. (Die rund 80.000 Ostgoten – bis dato Verbündete der Hunno-Bulgaren - zogen nun ebenfalls plündernd durch Italien.)

Attila belagerte im Anschluss zwar noch die Stadt Orleans, zog sich aber dann wieder in die Ungarische Tiefebene zurück, sammelte dort neue Kräfte und bedrohte erneut mehrmals Rom. Aber im Grunde stellte er zu diesem Zeitpunkt keine ernsthafte Gefahr für Europa mehr dar.

Im Jahre 453 heiratete Attila die schöne burgundische Königstochter Hildico und verstarb bereits in der Hochzeitsnacht.

Nun begann der rasche Verfall des einstigen Hunnen-Reiches der Schwarzen Hunnen. Durch innere Auseinandersetzungen (Abfall der Gepiden, Ostgoten u.a.) um 454/55 stark zerrissen, verloren sie in Europa endgültig ihre Schlagkraft. Sie gingen nun in anderen Völkern auf.

Ein Teil von ihnen (unter Ernak) wurde unter römischer Oberherrschaft in der späteren Dobrudscha angesiedelt. Diese Volksteile sollten einen der Grundstöcke für die späteren Gagausen bilden. Andere ließen sich an der heutigen serbisch-bulgarischen Grenze nieder und aus ihnen wurden die Vorfahren der heutigen Mazedonier. Eine dritte Gruppe verblieb im heutigen Ungarn und zog in der Folgezeit nach Siebenbürgen weiter: Aus ihnen wurde im 9. Jahrhundert der magyarische Volksstamm der Szekler.

An den Läufen der unteren Wolga siedelten ebenfalls noch Reste der Hunno-Bulgaren. Auch jene sollten in anderen türkischen Völkern aufgehen: Als wichtigste Nachfolgestämme seien hier nur die Wolgabulgaren, Petschenegen und Kumanen genannt.

Vereinzelte Volkssplitter der Onoguren wurden noch in den Jahren zwischen 539 und 540 von griechischen Geschichtsschreibern erwähnt, als diese bis nach Korinth und Byzanz vorstießen. Es waren bereits die Vorfahren jener Scharen, die als Khökh Bulkhar (Blaue Bulgaren) in die Geschichte eintraten und die zwischen den Jahren 453 und 454 unter Führung İleks (= Oleg), dem ältesten Sohn Attilas, standen.

Sprachverwandtschaften des Hunnischen

Es spricht aus sprachlicher Hinsicht heute vieles für eine Herkunft der Turuken, Hunnen und Hsing-nu aus der heutigen Mongolei und der angrenzenden Altai- und Sajangebirge. Zum Beispiel, dass vor allem die Russen die Völker der heutigen Türken, Mongolen und Tungusen noch in der hiesigen Zeit als "Hunnische Völker" zusammenfassen.

Doch dürften vor allem die heutigen Mongolen und Türken mehr mit den Hunnen verwandt sein, als z. B. die Tungusen. Das ergibt sich aufgrund vieler übereinstimmender Begriffe des Grundwortschatzes.


Tabelle mit Sprachverwandtschaften zwischen...
Turuk-Hunnisch Göktürkisch Türkisch Mongolisch Deutsch
hun hun halk (aus dem Persisch-Arabischen) hün Mensch, Volk
ulus ulus ulus uls (altmongolisch: ulus) Lager, Stamm, Volk, Nation
tengri, tanry tengri, tanry tanrı tenger (daneben auch alttürkisch: tengri) Himmel, Gott
kok oder qoq kök oder qök gök, mavi (aus dem Persischen) höh (daneben auch alttürkisch: qök) Blau, Himmel
tengeriz, dengiz tengis deniz tengis (mongolisches dalai nur noch in der Religion) Meer
khan oder qan khan han haan oder xaan (daneben auch alttürkisch: qan) Herrscher, König
khaghan oder qaqan khaghan kağan haan oder xaan (altmongolisch: hagan; daneben auch alttürkisch: qagan) Herrscher, Kaiser
khanum oder qanum khanum oder qanum hanım khatan (daneben auch alttürkisch: qanum) vornehme Dame, Herrscherin; heute auch Bedeutung von: Ehefrau
ordu ordu/orda ordu ördö Horde, Heer, Armee
orta orta orta örtö Gemeinschaft
altun/altyn altyn altın altan (daneben auch alttürkisch: altyn) Gold, golden
su su su us (daneben auch alttürkisch: su) Wasser
ak ak ak aq Weiß
khara khara, qara kara har (daneben auch alttürkisch: qara) Schwarz

Diese Auflistung beweist, dass vor allem die Alt-Türken als sprachliche "Erben" der alten Hunnen anzusehen sind. Die heutigen türkischen Hoch-Sprachen, Türkisch, Aserbaidschanisch, Turkmenisch (= Oghusisch) und Usbeko-Uigurisch weisen aufgrund ihrer frühzeitigen Islamisierung seit dem 8. Jahrhundert einen großen arabisch-persischen Einfluss auf. Doch bereits in den Sprachen der Tataren, Kasachen und Kirgisen (= Kyptschakisch) nimmt dieser islamische Einfluss bereits merklich ab und in den Sprachen der Altai-Türken (= Kirgis-Kyptschakisch) fehlt er völlig. Die letzteren zeigen vielmehr einen fließenden Übergang ins Mongolische, während die nordöstliche türkische Sprache, das Nordtürkische, u. a. die Sprache der Jakuten, einen großen tungusischen Spracheinfluss aufweist. (Damit könnten weitläufig die Turksprachen der hiesigen Zeit im aller weitesten Sinne als "hunnische" Sprachen betrachtet werden.)

Bei den europäischen Nachfahren der alten On(o)guren, den Tschuwaschen, ist für den Laien nicht mehr und für einen türkischen Muttersprachler die hunnisch-türkische Herkunft dieses Wolgabulgarischen kaum noch zu bemerken - zu sehr gingen die alten Hunno-Bulgaren in den benachbarten slawischen und finnischen Sprachen auf, während das hunno-bulgarische Donaubulgarische auf dem Balkan völlig verschwand.

Siehe auch: Geschichte der Mongolei

Literatur

  • Maenchen-Helfen, Otto: Die Welt der Hunnen. Wiesbaden 1997.
  • Thomson, E.A.: The Huns. 1995
  • Karen Farrington: Atlas of Empires. Thalamus Publishing 2002