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Rechtsanwalt

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Der Procurator aus Jost Ammans Ständebuch, 1568

Rechtsanwalt (in der Schweiz auch Advokat oder Fürsprecher; von germ. rehta, althochdeutsch reht: "richten", anawalt: "Gewalt") ist eine Berufsbezeichnung für Volljuristen, die als rechtliche Vertreter für einen Mandanten tätig werden.

Allgemeines

Rechtsanwälte haben die Aufgabe, den Rechtsstaat zu sichern und rechtliche Angelegenheiten von Bürgern so zu regeln, dass Rechtsverletzungen und -missachtungen gar nicht erst entstehen oder auf dem kürzesten und sichersten Wege aus der Welt geschafft werden. Grundsätzlich ist jeder befugt, sich anwaltlichen Beistandes zu bedienen. Anwälte bedürfen der Zulassung durch die Rechtsanwaltskammer, in deren Bezirk sie sich niederlassen wollen, und sind bei Gericht in die Rechtsanwaltsliste einzutragen. Im Diensteid vor dem Gericht, bei dem sie zugelassen sind, müssen sich Rechtsanwälte verpflichten, die verfassungsmäßige Ordnung zu wahren und die Pflichten eines Rechtsanwaltes gewissenhaft zu erfüllen (§ 26 BRAO).

Vornehmlichste Aufgabe eines Rechtsanwaltes ist, Rechtsuchende über die für ihr Rechtsproblem zuständigen Rechtsvorschriften aufzuklären und zu gewährleisten, dass die Beweissicherung als wichtigste Voraussetzung für jeglichen Rechtserfolg beachtet wird.

Ein Rechtsanwalt kann zum Beispiel im Auftrag einer Partei vor dem Gericht in einem Strafprozess als Verteidiger auftreten oder im Zivilprozess oder anderen Verfahrensarten seinen Auftraggeber vertreten. Rechtsanwälte haben weitgehend das gesetzliche Monopol für individuelle Rechtsberatung. Das hierfür maßgebliche Rechtsberatungsgesetz, das noch aus der Nazizeit stammt und seinerzeit dazu dienen sollte, indirekt z.B. jüdischen Anwälten die Berufstätigkeit zu erschweren, soll bald durch ein völlig neu überarbeitetes Rechtsdienstleistungsgesetz abgelöst werden.

Frantzen unterscheidet in seinem Klassiker "Anwaltskunst" den Forensiker, der vornehmlich Gerichtsprozesse führt von dem Verteidiger im Strafprozess und dem Wirtschaftsanwalt, der seine Mandanten nicht nur juristisch, sondern auch und vor allem aufgrund seiner Erfahrungen strategisch berät.

Notariat

Durch staatliche Bestellung kann ein Rechtsanwalt in manchen Gerichtsbezirken eine Zulassung als Notar im Nebenberuf (Anwaltsnotar) (§ 3 Abs. 2 Bundesnotarordnung BNotO) erhalten und in dieser Eigenschaft Beurkundungen von Rechtsgeschäften (z. B. Grundstückskauf) vornehmen. In anderen Gerichtsbezirken werden Notare im Hauptberuf vom Staat bestellt, die dann nicht parallel als Rechtsanwalt tätig sein dürfen. Diese unterschiedliche gebietsmäßige Handhabung ist geschichtlichen Ursprungs.

Organ der Rechtspflege

Die deutsche Rechtsordnung sieht den Rechtsanwalt als "unabhängiges Organ der Rechtspflege" (§ 1 BRAO). Dies bedeutet, dass der Anwalt nicht nur seinem Mandanten verpflichtet ist, sondern auch die Rechtsordnung achten muss. So darf der Anwalt zum Beispiel vor Gericht nicht die Unwahrheit vortragen. Er darf auch nicht tätig werden, wenn er wegen desselben Streitgegenstands bereits die Gegenpartei vertritt oder vertreten hat. Das Rechtsanwalt-Mandantenverhältnis ist verfassungsrechtlich privilegiert, d. h. der Anwalt kann durch den Staat nicht gezwungen werden, über Mandantengespräche gegenüber Dritten zu berichten.

Zulassung

Der Rechtsanwalt übt einen freien Beruf aus, kein Gewerbe. Für den Anwalt gilt daher das anwaltliche Berufsrecht. Er wird von der jeweiligen Rechtsanwaltskammer überwacht. Voraussetzung für die Zulassung als Rechtsanwalt ist die Befähigung zum Richteramt, die nach dem Jurastudium an einer deutschen Universität (Erstes Staatsexamen) und nach dem anschließenden Referendariat durch das Zweites Staatsexamen nachgewiesen wird und eine Berufshaftpflichtversicherung für Rechtsanwälte (Vermögensschadenhaftpflichtversicherung) für Beratungsfehler. Für Juristen aus dem EU-Ausland kann dies durch eine spezielle Eignungsprüfung erfolgen. Da es in Deutschland für Anwälte im Gegensatz zu Notaren keine Zulassungsgrenzen gibt, sind die Berufsaussichten für Junganwälte ohne besondere Qualifikationen bzw. während der Ausbildung in Kanzleien gewonnener Berufserfahrungen im Regelfall nicht sonderlich positiv.

Bei Straftaten und Verurteilung zu Freiheitsstrafen kann die Zulassung auch verloren gehen (§ 14 Abs. 2 BRAO und § 45 StGB).

Ein Rechtsanwalt, der in einem bestimmten Rechtsgebiet (Tätigkeitsschwerpunkte) über besondere theoretische und praktische Erfahrungen verfügt, kann von der für ihn zuständigen Rechtsanwaltskammer die Erlaubnis zum Führen des Titels "Fachanwalt für ...." erhalten. Die Einzelheiten der Zulassung als Fachanwalt regelt die Fachanwaltsordnung (FAO). Derzeit gibt es Fachanwaltschaften für folgende Rechtsgebiete: Arbeitsrecht, Bau- und Architektenrecht, Erbrecht, Familienrecht, Insolvenzrecht, Medizinrecht, Miet- und Wohnungseigentumsrecht, Sozialrecht, Steuerrecht, Strafrecht, Transport- und Speditionsrecht, Verkehrsrecht, Versicherungsrecht sowie Verwaltungsrecht. Bald wird es auch Fachanwälte für Gewerblichen Rechtsschutz bzw. Handels- und Gesellschaftsrecht geben, da die Satzungsversammlung der Bundesrechtsanwaltskammer als Anwaltsparlament am 7. November 2005 zwischenzeitlich einen entsprechenden Beschluss gefasst hat.

Syndikusanwalt

Eine spezielle Form des Rechtsanwaltes ist der sog. Syndikusanwalt, der wie ein Angestellter für ein festes Gehalt als Rechtsberater in einem Unternehmen tätig ist, seinen Arbeitgeber aber nicht gerichtlich vertreten darf. Die Anerkennung als Syndikusanwalt setzt voraus, dass von diesem auch Dritte gerichtlich vertreten werden dürfen.

Vergütung

Die Vergütung des Rechtsanwaltes ist gesetzlich festgelegt durch das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG), das am 01. Juli 2004 die Bundesgebührenordnung für Rechtanwälte (BRAGO) abgelöst hat. Eine individuelle Gebührenvereinbarung zwischen Anwalt und Mandant (beispielsweise als ausgehandelter Festbetrag oder auf Basis von Stundensätzen) ist möglich, ein erfolgsabhängiges Honorar ist in Deutschland jedoch nicht statthaft. Anders beispielsweise in den USA.

Sozietäten

Rechtsanwälte, die immer auch eine konkrete Kanzleianschrift haben müssen, können sowohl allein als auch mit weiteren Rechtsanwälten zusammen tätig sein. Bei den so genannten Bürogemeinschaften bleibt jeder der Rechtsanwälte eigenständig und teilt nur das Büro mit seinen Kollegen. Gebräuchlicher ist aber der Zusammenschluss von Anwälten zu Sozietäten. Anwälte einer Sozietät, die Sozien, treten unter einer gemeinsamen Bezeichnung nach Außen auf. In den allermeisten Fällen sind diese Sozietäten rechtlich als Gesellschaft bürgerlichen Rechts organisiert. Sozietäten, die neben den (auf dem Briefbogen aufgeführten) Sozien auch noch weitere als Angestellte tätige Anwälte haben können, sind meist in Form einer Partnerschaftsgesellschaft oder (seltener) einer Kapitalgesellschaft organisiert. Häufig gibt es Sozietäten, die an verschiedenen Orten vertreten sind (überörtliche Sozietäten). Es gibt auch in Deutschland Sozietäten, die einige hundert Sozien haben. Hierbei handelt es sich zumeist um internationale Sozietäten, deren deutsche Partner sich mit englischen oder amerikanischen Kanzleien zusammengeschlossen haben. Durch die Globalisierung hat es sich ergeben, dass die größten deutschen Anwaltskanzleien heute entweder von britischen oder amerikanischen Kanzleien beherrscht werden.

Mit der Berufsordnung unvereinbar ist allerdings die Errichtung einer sog. Sternsozietät, also eine gesellschaftsrechtliche Gestaltungsform, in welcher beispielsweise Rechtsanwalt A Partner der A&B-Partnerschaftsgesellschaft und zugleich Sozius der A&C-Gesellschaft ist, beziehungsweise eine Rechtsanwaltsgesellschaft ihrerseits Beteiligte einer Sozietät ist (vgl. § 59c Abs. 2 BRAO).

Anwaltshaftung

Man unterscheidet die Anwaltshaftung gegenüber dem Mandanten bei Pflichtverletzungen aus dem Anwaltsvertrag und die Haftung gegenüber Nichtmandanten, d.h. Drittschädigung durch anwaltliche Fehlleistung. In beiden Fällen ist der Rechtsanwalt zu Schadensersatz verpflichtet innerhalb der vom Gesetz bestimmten, für Rechtsanwälte verkürzten und in bestimmten Fällen durch höchstrichterliche Rechtsprechung erweiterten Verjährungsfrist.

Patentanwalt

Ein Patentanwalt berät und vertritt Mandanten auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes; er ist kein Rechtsanwalt.

Zitat

Etwas Grauenvolleres als den Anwaltsberuf habe ich mir selbst in den Tagen meiner größten Verzweiflung nicht vorstellen können. - Marcel Proust, zitiert bei Alain de Botton (Wie Proust Ihr Leben verändern kann, ISBN 3596506700, S. 19)

Let's kill all the lawyers. - William Shakespeare, Dick The Butcher in 2 Henry VI, IV, ii

Advokaten sind nichts weiter als die Verstärker gemeinschaftlicher Bemühungen. (Setarkos)

Siehe auch

Literatur

  • Gerhard Hartstang: Der deutsche Rechtsanwalt. Rechtsstellung und Funktion in Vergangenheit und Gegenwart. C. F. Müller, Heidelberg 1986 ISBN 3-8114-1186-1
  • Michael Streck: Beruf: Anwalt/Anwältin. Beck, München 2001 ISBN 3-406-47140-4
  • Dieter Trimborn von Landenberg (Hrsg.): Erfolgreich starten als Rechtsanwalt. Deutscher Anwaltverlag, Bonn 2002 ISBN 3-8240-0333-3
  • Uwe Wesel: Risiko Rechtsanwalt. Blessing, München 2001 ISBN 3-896-67065-4
  • Borgmann/Haug: Anwaltshaftung. Beck, München 2005 ISBN 3-406-37805-6
  • Deutscher Anwaltverein und Institut für Juristische Weiterbildung an der FernUniversität in Hagen (Hrsg.): DAV-Anwaltausbildung, Band 2 - Die theoretische Ausbildung, S. 11 ff. (Kapitel "Der Rechtsanwalt in der Gesellschaft", "Eine kleine Geschichte der deutschen Anwaltschaft", "Die Anwaltschaft aus soziologischer Sicht". Deutscher Anwaltverlag, Bonn 2005 ISBN 3-8240-0749-5
  • Commichau / Fresemann: "ANWALTS-GESETZE" DeutscherAnwaltVerlag ISBN 3-87389-321-5
  • Max Vollkommer "Anwaltshaftungsrecht" Verlag C.H.Beck ISBN 3-406-33899-2
Wiktionary: Rechtsanwalt – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

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