Ethin
Strukturformel | |||
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Datei:Ethin.jpg | ![]() | ||
Allgemeines | |||
Name | Ethin | ||
Andere Namen | Acetylen, Azetylen | ||
Summenformel | C2H2 | ||
CAS-Nummer | 74-86-2 | ||
Kurzbeschreibung | farbloses Gas | ||
Eigenschaften | |||
Molmasse | 26,04 g/mol | ||
Aggregatzustand | gasförmig | ||
Dichte | 1,175 g/L | ||
Schmelzpunkt | -80,8 °C | ||
Siedepunkt | -84 °C (Sublimierung) | ||
Dampfdruck | 44.000 hPa (20 °C) | ||
Löslichkeit | schlecht in Wasser löslich, besser in Aceton | ||
Sicherheitshinweise | |||
Gefahrensymbole | |||
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R- und S-Sätze |
R: 5-6-12 | ||
MAK | nicht festgelegt | ||
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Normbedingungen. |
Ethin (veraltet auch Acetylen oder in der Schweiz Azetylen) ist ein farbloses Gas mit der Summenformel C2H2. Es ist der einfachste Vertreter aus der homologen Reihe der Alkine.
Molekül
Das Molekül ist aufgrund der sp-Hybridisierung der Kohlenstoffatome vollkommen planar und linear gebaut. Die Kohlenstoffdreifachbindung hat eine Länge von 120 Picometer, die Kohlenstoff-Wasserstoffbindung ist 106 Picometer lang.
Alle Bindungswinkel betragen 180°.
Die Elektronen sind im Ethinmolekül energetisch gut verteilt, die beiden Kohlenstoffatome ziehen die Elektronen im Ethinmolekül stärker an als im Ethenmolekül und die Elektronen sind rotationssymmetrisch angeordnet.
Geschichte
Ethin wurde 1836 von Edmund Davy entdeckt, als er calciniertes Kaliumtartrat mit Holzkohle erhitzte um Kalium herzustellen; er schrieb seine Beobachtungen jedoch lediglich in sein Laborjournal. 1862 wurde Ethin zum ersten Mal von Friedrich Wöhler aus Calciumcarbid hergestellt. Marcellin Berthelot konnte im selben Jahr Ethin aus den Elementen Kohlen- und Wasserstoff herstellen. 1866 beobachtete Marcellin Berthelot, dass Ethin bei hohen Temperaturen an Metalloberflächen zum Benzol cyclisiert. 1881 wurde Ethanal von Kutscheroff zum ersten Mal aus dem Ethin hergestellt. Die Carbidlampe, welche Ethin als Brenngas verwendet, wurde im Jahr 1902 erstmals in Duluth (Minnesota) patentiert.
Um 1930 entwickelte sich in Deutschland die Reppe-Chemie (Ethin-Chemie), da Walter Reppe die Explosionsgefahr des unter Druck gelagerten Ethins minimieren konnte und mit seinen Mitarbeitern viele neue Reaktionen zugänglich machte. Die fensterlosen Labors von Reppe befinden sich in den obersten Gebäudeetagen auf dem Gelände der BASF AG in Ludwigshafen.
Die Reppe-Chemie wird in vier Hauptreaktionen zusammengefasst: die Vinylierung, die Cyclisierung, die Ethinylierung und die Carbonylierung des Ethins, die alle bei höheren Drücken ablaufen. Ethin wurde in der organischen Synthese jedoch nach dem Zweiten Weltkrieg vom Ethen weitestgehend verdrängt, weil Ethin teurer herzustellen ist, während Ethen bei industriellen Prozessen in Massen anfällt, seitdem sich die Petrochemie nach dem Zweiten Weltkrieg auf das Erdöl stützt. Dennoch ist es immer noch für eine nicht unbedeutende Anzahl von Synthesen wichtig.
Giulio Natta polymerisierte Ethin 1958 zum ersten Mal zu Polyethin, dem ersten Halbleiterpolymer, das jedoch an Luft unbeständig ist. Alan Heeger und Alan MacDiarmid aus den USA, sowie der Japaner Hideki Shirakawa zeigten 1976, dass es bei einer Dotierung des Polyethins mit Oxidationsmitteln zu einem sehr starken Anstieg der elektrischen Leitfähigkeit kommt. Die drei Wissenschaftler erhielten im Jahr 2000 den Chemienobelpreis für ihre Arbeit bei der Entwicklung elektrisch leitfähiger Polymere.
Eigenschaften und Gefahren
In reinem Zustand ist Ethin geruchlos und ungiftig. In Wasser löst es sich zu einer schwachen Säure mit einer Säurekonstante von 20. Aus Carbid hergestelltes Ethin hat oft einen unangenehmen, leicht knoblauchähnlichen Geruch, der von Verunreinigungen herrührt. Meistens handelt es sich dabei um Phosphan, Ammoniak und Schwefelwasserstoff, die bei der technischen Herstellung aus Kalziumcarbiden mitentstehen. Die Löslichkeit von Ethin in Wasser beträgt bei Atmosphärendruck nur 1,23 g/kg, wohingegen die Löslichkeit in Alkohol und Aceton sehr gut ist. Die Löslichkeit von Ethin in Aceton beträgt bei Atmosphärendruck 27,9 g/kg. Letzteres wird beim Transport von Ethin in Druckgasflaschen ausgenutzt. Die meisten Druckgasflaschen für Ethin sind heutzutage mit einer porösen Masse aus Kalziumsilikathydrat gefüllt. In die Flasche mit poröser Masse wird Aceton gefüllt, in dem dann wiederum Ethin in großen Mengen gelöst und damit gespeichert werden kann. Die poröse Masse verhindert bei einem Flammenrückschlag (Schweißen) durch das Ventil, eine mögliche Ausbreitung des explosionsartigen Zerfalls von Ethin in der Flasche.
Der Heizwert ist 57.120 kJ/Nm3. Ethin verbrennt an der Luft mit leuchtender, stark rußender Flamme. Die Flamme wird bis zu 1.900 °C heiß, bei der Verbrennung mit reinem Sauerstoff sogar bis zu 3.100 °C (Anwendung beim autogenen Schweißen).
Ethin ist hochentzündlich. Zwischen einem Volumenanteil von 2,3% bis 82% bildet es in Luft explosive Gemische. Die Zündtemperatur von Ethin in Luft liegt bei Atmosphärendruck bei 305°C. Darüber hinaus zerfällt Ethin auch ohne Luft in einer exothermen Reaktion zu Wasserstoff und Ruß unter Freisetzung von beachtlichen 8733 kJ/kg, was 1,9 TNT-Äquivalenten entspricht. Die Zerfallstemperatur von Ethin beträgt bei Atmosphärendruck ca. 640°C, ist aber sehr stark druckabhängig. Wird Ethin inhaliert führt es zu Schwindel und Teilnahmslosigkeit. Eine Maximale Arbeitsplatz-Konzentration ist jedoch nicht festgelegt.
Vorkommen und Herstellung
Ethin hat auf der Erde kein natürlichen Vorkommen. Ausserhalb der Erde wurde es auch in der Atmosphäre des Jupiters sowie in interstellarer Materie nachgewiesen.
Die jährliche Weltproduktion lag 1998 bei 122.000 Tonnen. Großtechnisch wird Ethin mittels Hochtemperaturpyrolyse von leichten oder mittleren Erdölfraktionen oder Erdgas bei 2.000 °C hergestellt. Nach der Pyrolyse wird das entstandene Gasgemisch schnell unter 200 °C abgekühlt (gequencht), um die weitere Zersetzung zum elementaren Kohlenstoff und Wasserstoff zu vermeiden. Man erhält dann ein Ethin-Ethen-Gemisch aus dem das Ethin fraktioniert wird. Die Wärmeübertragung kann verschieden erfolgen, das modernste Verfahren ist die Wasserstoff-Lichtbogen-Pyrolyse, ein älteres aber noch häufig verwendetes Verfahren ist die Lichtbogen-Pyrolyse.
Ein weiteres Verfahren zur Herstellung von Ethin ist die untenstehende Reaktion von Kalziumcarbiden mit Wasser. Dieses Verfahren findet hauptsächlich bei der großindustriellen Abfüllung von Ethin in Flaschen Anwendung.
Die direkte Herstellung aus Wasserstoff und Kohlenstoff ist technisch unbedeutend. Sie erfolgt im Lichtbogen bei ungefähr 2.500 °C.
Weiter wird Ethen, das bei der Erdölverarbeitung anfällt, zu Ethin dehydriert. Außerdem entsteht es bei der unvollständigen Verbrennung von Methan, dieses Verfahren ist aber nicht wirtschaftlich.
Das thermochemische HTP-Verfahren (Hochtemperaturpyrolyse) ermöglicht eine besonders effiziente Gewinnung von Acetylen.
Verwendung
Ungefähr 80 Prozent des Ethins wird für die organische Synthese verwendet. Durch Addition von Halogenwasserstoffen werden Vinylhalogenide und Polyvinylhalogenide, zum Beispiel Vinylchlorid oder Polyvinylchlorid hergestellt. Durch Addition von Essigsäure wird Vinylacetat und Polyvinylacetat hergestellt, durch Addition von Alkohol Vinylether und Polyvinylether. Außerdem werden Cyclooctatetraen, Acrylsäure, Essigsäure, 1,3- sowie 1,4-Butandiol, Propargylalkohol, 2-Butin-1,4-diol, Vinylethin, Bernsteinsäure, Neopren, Chloropren, Vinylester, Polyvinylester, höhere Alkohole, und Monochlorethansäure aus Ethin synthetisiert. Besonders die hergestellten Polymere sind von industrieller Bedeutung. Seltener wird aus Ethin Benzol, Butadien, Ethanol, Acrylnitril und Polyacrylnitril, Vinylhalogenide, Acrylsäure und Ethanal hergestellt.
Der aus Ethin gewonnene Acetylenruß wird als Kautschukzusatz bei der Herstellung von schwarzem Gummi oder zur Produktion von Druckerschwärze sowie in Batterien eingesetzt. Aufgrund der hohen Bindungsenergie der Dreifachbindung wurde Ethin auch zu Beleuchtungszwecken (Carbidlampe) verwendet und wird heutzutage häufig als Dissousgas zum autogenen Schweißen und Schneiden verwendet. Im Handel wird es in kastanienbraunen (früher gelben) Flaschen verkauft. Bis in die 1950er Jahre wurde reines Ethin gemischt mit 60% Sauerstoff, auch Narcylen genannt, als Narkosemittel verwendet. Als es jedoch zu Explosionen kam, wurde es nicht mehr verwendet. In der industriellen Terpen-Synthese, die vor allem als Duft- und Aromastoffe verwendet werden, spielt die Ethinylierung eine Rolle, schon im Grundschritt für alle Terpen-Synthesen wird Ethin mit Aceton in Gegenwart einer Base zum 3-Butin-2-ol ethinyliert, auch in weiteren höheren Schritten findet sich die Ethinylierung immer wieder. Auch bei der Synthese von Vitamin A findet eine Ethinylierung statt: so wird in einem Schritt β-Ionon zu Ethinylionol ethinyliert.
Ethin wird daneben von vielen Pflanzen als Pheromon zur Synchronisation der Fruchtreifung produziert und in der Nahrungsmittelindustrie dementsprechend verwendet (Nachreifen von unreif importierten Früchten vor dem Verkauf durch Begasung mit Ethin)
Reaktionen
- Ethin löst sich in Wasser zu einer sehr schwachen Säure.
- In ammoniokalischen Lösungen reagiert es unter Bildung von Acetyliden, Edelmetallacetylide sind extrem schlagempfindlich und explodieren leicht. So reagiert Ethin in einer Silbernitrat-Lösung zu Silberacetylid.
- Bei hohem Druck zerfällt Ethin zu Ruß und Wasserstoff.
- Ethin reagiert mit Chlor zu Kohlenstoff und Chlorwasserstoff.
- Halogene lassen sich aber auch addieren: so entsteht bei Addition mit Chlor erst Dichlorethen und bei erneuter Addition Tetrachlorethan. Die Addition von Halogen an Ethin erfolgt aber langsamer als beim Ethen, da die Ladungsverteilung im Ethinmolekül energetisch günstiger ist. Nach dem gleichen Reaktionsmechansismus kann es nuch auch Brom entfärben. Auch in einer Kaliumpermanganat-Lösung reagiert es, hier läuft die Reaktion aber wesentlich schneller ab, da es sich um keine Additionsreaktion handelt, sondern um eine Redox-Reaktion, und Ethin ein gutes Reduktionsmittel ist. Die Carbide lassen sich deshalb als Salze des Ethins auffassen, weil Ethin die Kohlenstoffatome bei der Redoxreaktion wie folgt reagieren:
- Mit Halogenwasserstoffen können Vinylhalogenide hergestellt werden. So reagiert Ethin mit Chlorwasserstoff zu Vinylchlorid.
- Es kann mit Hilfe eines Katalysators zu Vinylalkohol hydratisiert werden, welches zu Ethanal umgewandelt werden kann.


- Bei Temperaturen über 400 °C findet die Pyrolyse des Ethins statt, es entsteht durch Cyclisierung Benzol und auch durch Dimerisation Vinylethin. Bei der Pyrolyse über 900 °C entsteht hauptsächlich Ruß.
- Es kann auch zum Beispiel zum Cyclooctatetraen cyclisiert werden, die Cyclisierung von 4 Ethinmolekülen kann aber auch zum Styrol erfolgen.
- Bei der Carbonylierung wird Ethin mit Kohlenmonoxid und Wasser an Katalysatoren wie zum Beispiel Nickeltetracarbonyl zu ungesättigten Carbonsäuren umgesetzt. So entsteht bei obiger Reaktion Propensäure.
- Bei der Vinylierung des Ethins geht die Kohlenstoffdreifachbindung in eine Zweifachbindung über, so können zum Beispiel Alkohole und Carbonsäuren an Ethin addiert werden. Werden Alkohole addiert, so ergeben sich Vinylether, Carbonsäuren ergeben Vinylester.

- Bei der Ethinylierung bleibt die Kohlenstoffdreifachbindung des Ethins erhalten. So reagiert Ethin mit Aceton zu 3-Butin-2-ol.
- Beim Erhitzen an Ziegler-Natta-Katalysatoren polymerisiert Ethin zu Polyethin (im Bild trans-Polyethin). An Kupfer-Katalysatoren kann es zum Cupren polymerisieren.
Literatur
- Nieuwland, Julius A. und R. R. Vogt, The Chemistry of Acetylene, Reinhold, New York 1945.
- S. A. Miller, Acetylene, its Properties, Manufacture and Uses, Vol. 1, Ernest Benn Ltd, London 1965
- Reppe, Walter, Chemie und Technik der Acetylen-Druck-Reaktionen, Verlag Chemie 1952
- Viehe Heinz Gunter, Chemistry of Acetylenes, M. Dekker, New York 1969
- Paul Hölemann und Rolf Hasselmann: Die Druckabhängigkeit der Zündgrenzen von Acetylen-Sauerstoffgemischen. Westdt. Verl. 1961
- Jones und Kennedy, Effect of Pressuer on Ignition Temperature of Acetylene and Acetylene-Air Mixtures, Report of Investigations, Bureau of Mines, USA 1945