Edita Gruberová

Edita Gruberová (* 23. Dezember 1946 in Rača, Stadtteil im Norden von Bratislava, Tschechoslowakei) ist eine slowakische Sopranistin. Sie zählt zu den führenden Koloratursopranistinnen unserer Zeit, was ihr Beinamen wie „Königin der Koloratur“ oder „slowakische Nachtigall“ eintrug.
Leben und künstlerisches Wirken
Edita Gruberová wuchs als Tochter einer ungarischen Mutter (Etela) und eines deutschstämmigen Vaters (Gustav Gruber) mit der slowakischen Sprache auf. Ihre Familie gehörte zur dortigen ungarischen Minderheit. Schon bei Schulaufführungen fiel ihre Stimme auf, woraufhin der Pfarrer den Eltern eine professionelle musikalische Ausbildung der einzigen Tochter ans Herz legte. Edita Gruberová, die eigentlich Krankenschwester werden wollte, begann ihr sechsjähriges Studium mit 15 Jahren am Konservatorium in Bratislava; ihre Gesangslehrerin war Maria Medvecká. Am 19. Februar 1968 hatte die 21-jährige ihr Debüt in der Rolle der Rosina im Barbier von Sevilla in Bratislava, wo sie als Studentin bereits in Chorensembles mitgewirkt hatte. Die junge Sopranistin absolvierte ihre ersten professionellen Bühnenauftritte in den Jahren 1968 bis 1971 in der Provinzstadt Banská Bystrica. Dort sang sie Eliza in My Fair Lady, Violetta in Verdis La traviata sowie die vier Frauenrollen (Olympia, Giulietta, Antonia und Stella) in Hoffmanns Erzählungen.

1970 hatte Gruberová ihr Debüt an der Wiener Staatsoper als Königin der Nacht in Mozarts Zauberflöte. Am 23. März 1971 verließ sie die Tschechoslowakei und ging nach Wien, wo sie mit der Kammersängerin Ruthilde Boesch an der Vervollkommnung der Stimme und des Repertoires arbeitete. „Sie hat mich in der Technik unterrichtet, die ich heute beherrsche“, bestätigte Edita Gruberová in einem Interview über ihre Gesangslehrerin (Welt am Sonntag vom 11. Januar 2004). An der Wiener Staatsoper trat sie zunächst in (sehr) kleinen Partien auf, wie als Modistin im Rosenkavalier, als Kate Pinkerton in Madame Butterfly, später auch als Zerbinetta in Ariadne auf Naxos, Konstanze in Die Entführung aus dem Serail, Olympia in Les Contes d'Hoffmann und Rosina in Il barbiere di Siviglia.
Ihre internationale Karriere als Koloratursängerin, vor allem im Belcantofach, begann 1974, als sie als Königin der Nacht in der Zauberflöte bei den Festspielen in Glyndebourne und unter Herbert von Karajan in Salzburg auftrat.
Weitere Meilensteine ihrer Karriere waren 1976 die Premiere von Ariadne auf Naxos unter Karl Böhm, als sie die Zerbinetta sang, eine Partie, in der sie in Wien zum hundertsten und letzten Mal am 6. Dezember 2009 auftrat, und 1978 als Lucia in Lucia di Lammermoor, die sie etwa 90 Mal an der Staatsoper sang. Es folgten an der Wiener Staatsoper u. a. Premieren von Die Fledermaus (1979), Rigoletto (1983), Maria Stuarda (1985), Lucio Silla (1991), I puritani (1994), Linda di Chamounix (1997) und Roberto Devereux (2000).[1] Im Theater an der Wien folgt 2015 eine Premiere von La straniera.[2]
„Seit jenem Zeitpunkt wurde Edita Gruberová in Wien und auf der ganzen Welt zu einer vielgefragten Sängerin, der nachgesagt wird, dass keine Koloratur zu schwierig und keine Höhe zu hoch war. Ihre mühelosen hohen ‚f's’ als Königin der Nacht suchten ihresgleichen und machten Edita Gruberová zum Inbegriff des idealen Koloratursoprans“.[3]
Es folgten Auftritte an der Mailänder Scala, am Royal Opera House in London, der Pariser Oper (für zwei Konzerte mit Klavierbegleitung im Jahre 1980 bzw. 1990), der Bayerischen Staatsoper, der Wiener Staatsoper, dem Opernhaus Zürich (1986) sowie zahlreichen anderen Häusern. Eine ihrer wichtigsten Rollen wurde Lucia di Lammermoor, deren Wahnsinnsarie sie teils auch mit dem für Verrophon und Flöte adaptierten originalen Glasharmonika-Part darbot. Ein weiterer Höhepunkt ihrer Karriere war der Auftritt im Oktober 1989 in La traviata unter der Leitung von Carlos Kleiber und der Regie von Franco Zeffirelli an der New Yorker Metropolitan Opera. Letztmals trat sie in dieser Partie im Rahmen einer konzertanten Wiedergabe am 21. Dezember 2010 im Wiener Musikverein auf. Am 24. April und 1. Mai 2004 sang Gruberová erstmals im Festspielhaus Baden-Baden in der Rolle der Norma, am 22. Februar 2008 im Gran Teatre del Liceu in Barcelona als Lucrezia Borgia, am 5. Juli 2012 in der Philharmonie im Münchner Gasteig La straniera.
Edita Gruberová setzte sich dafür ein, dass mehrere unbekannte Opern Donizettis und Bellinis wieder aufgeführt wurden, wie zum Beispiel Maria Stuarda, Beatrice di Tenda, La straniera, Anna Bolena, Roberto Devereux oder Linda di Chamounix. Dazu kamen zahlreiche CD-Aufnahmen unter ihrem Label Nightingale.
Im Laufe ihrer langen Gesangskarriere arbeitete Edita Gruberová mit allen großen Dirigenten der Zeit zusammen, wie Karl Böhm, Richard Bonynge, Sir Colin Davis, Kurt Eichhorn, Friedrich Haider, Nikolaus Harnoncourt, Herbert von Karajan, Carlos Kleiber, Kurt Masur, Zubin Mehta, Riccardo Muti, Seiji Ozawa, Nicola Rescigno, Giuseppe Sinopoli, Sir Georg Solti, und trat mit bekannten Sängerinnen wie Agnes Baltsa, Lucia Popp, Brigitte Fassbaender, Reri Grist, Jessye Norman, Leontyne Price und Anny Schlemm und Sängern wie Francisco Araiza, José Bros, Pavol Breslik, Renato Bruson, Walter Berry, Plácido Domingo, Juan Diego Flórez, James King, René Kollo, Alfredo Kraus, Luciano Pavarotti oder Neil Shicoff auf.
Die Künstlerin pflegte seit Anbeginn ihrer Karriere stets auch den Liedgesang. Zu ihrem Repertoire gehören Kompositionen von Johannes Brahms, Robert Schumann, Franz Schubert, Felix Mendelssohn Bartholdy, Gioacchino Rossini und Léo Delibes. Oft wurde sie dabei von Friedrich Haider am Klavier begleitet.
Edita Gruberová ist Sonderbotschafterin der Schweizer Freunde der SOS-Kinderdörfer. Die Künstlerin war mit dem slowakischen Musiker Štefan Klimo (gest. 1983) verheiratet; sie ist Mutter von zwei Töchtern.
Eine umfangreiche Diskografie und eine hohe Anzahl diverser TV- und Videoaufzeichnungen dokumentieren das große musikalische Spektrum der Sängerin.
Auszeichnungen
- Österreichische (1980) und bayerische (1989) Kammersängerin
- Ehrenmitglied der Wiener Staatsoper (1988)
- Premio Franco Abbiati della Critica Musicale Italiana
- Sir Laurence Olivier Award
- Bellini d'oro für hervorragende Gesangsleistungen
- Ehrendoktorwürde der Akademie für Musik und dramatische Kunst Bratislava (Vysoká škola múzických umení v Bratislave)
- International Music Award (1991)
- Orden des Weißen Doppelkreuzes (1997)
- Bayerischer Verdienstorden (1997)
- Bayerischer Maximiliansorden für Wissenschaft und Kunst (1999)
- Echo Klassik: Sängerin des Jahres (1999), Operneinspielung des Jahres (2005)
- Merkur-Theaterpreis (2004)
- Großes Ehrenzeichen für die Verdienste um die Republik Österreich (3. Februar 2005)
- Goldenes Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien (27. Mai 2009)[4]
- Herbert-von-Karajan-Musikpreis (2013)[5]
- Österreichischer Musiktheaterpreis – Goldener Schikaneder für das Lebenswerk (2014)[6]
Diskografie (Auswahl)
Operngesamtaufnahmen
- Wolfgang Amadeus Mozart: Die Zauberflöte, Idomeneo, Lucio Silla, Don Giovanni, Bastien und Bastienne, Die Entführung aus dem Serail (2x), Der Schauspieldirektor, Il sogno di Scipione, La finta giardiniera, Mitridate, re di Ponto
- Vincenzo Bellini: Norma, Beatrice di Tenda, La sonnambula, I puritani, I Capuleti e i Montecchi
- Gaetano Donizetti: Maria Stuarda (2x), Anna Bolena, Roberto Devereux, Lucia di Lammermoor (4x), Maria di Rohan, Linda di Chamounix, La Fille du Régiment, Lucrezia Borgia
- Jacques Offenbach: Hoffmanns Erzählungen
- Giuseppe Verdi: La traviata (3x), Un ballo in maschera, Rigoletto, Don Carlo
- Gioachino Rossini: Il barbiere di Siviglia, Semiramide
- Richard Strauss: Ariadne auf Naxos (4x)
- Engelbert Humperdinck: Hänsel und Gretel
- Christoph Willibald Gluck: Orfeo ed Euridice
- Johann Strauss (Sohn): Die Fledermaus (3x)
Alben
- Schubert: Lieder – Mendelssohn: Lieder – Strauss: Brentano-Lieder
- Brahms – Dvorák – Strauss: Lieder
- Mozart, Debussy, Wolf: Lieder
- R. Strauss: Lieder
- R. Strauss: Orchesterlieder
- Frühlingslieder
- Dvorák – Rachmaninow – Rimskij-Korsakow (Lieder)
- Duette: Wir Schwestern zwei, wir schönen (mit Vesselina Kasarova)
- From Heart to Heart
- Dialog. Neue romantische Balladen
- Siente me – Popular avenues
- J. S. Bach: Kantaten, Flötenkonzerte
- J. S. Bach / G. F. Händel / Mozart: Hymnus
- Joy to the World - Weihnachtskonzert (Christmas Recital)
- Children's Songs of the World
- Mozart: Konzertarien (mehrfach)
- French & Italian Operatic Arias
- Berühmte Opernarien
- Edita Gruberova: Virtuoso Arias
- Edita Gruberova sings Verdi, Bellini, Donizetti
- Edita Gruberova – The Tokyo Recital 1990
- The Art of Gruberova
- Wahnsinnsszenen
- Donizetti Portraits
- Donizettis Tudor Königinnen
- The Queen of Belcanto (Edita Gruberova Edition Volume I)
- ADAGIO. Zwischen Himmel und Erde (Edita Gruberova Edition Volume II)
- Queen of Coloratura
- Kunst der Koloratur
- The Anniversary Concert
- Ach, wir armen Primadonnen! Edita Gruberova Operetta Gala
- Belcanto Duets – Edita Gruberova, Yoshikazu Mera
- Le Donne di Puccini
- Edita Gruberova – Arien, Lieder und Ensembles
Weitere Alben
- Joseph Haydn: Die Schöpfung
- Hans Werner Henze: Kantaten
- Felix Mendelssohn Bartholdy: Lobgesang
- Gustav Mahler: 4. Symphonie
- Carl Orff: Carmina Burana
Rollen nur als Video/DVD-Aufnahmen
- Wolfgang Amadeus Mozart: Cosí fan tutte
- Jules Massenet: Manon
- Richard Strauss: Arabella
- Johannes Brahms: Ein deutsches Requiem
- Giuseppe Verdi: Rigoletto. 1983 als Gilda mit Pavarotti als Herzog in der Regie von Jean-Pierre Ponnelle.
Literatur
- Walter Herrmann, Adrian Hollaender: Legenden und Stars der Oper. Von Gigli über Callas bis Domingo und Netrebko. Leykam, Graz 2007, ISBN 978-3-7011-7571-0.
- Helena Matheopoulos: Diva. Leben und Rollen grosser Opernsängerinnen. M-und-T, Zürich / St. Gallen 1995, ISBN 3-7265-6033-5.
- Niel Rishoi: Edita Gruberova. Ein Porträt. Mit Demo-CD. Atlantis, Zürich 1996, ISBN 3-254-00192-3.
- Dieter David Scholz: Mythos Primadonna. 25 Diven widerlegen ein Klischee. Gespräche mit großen Sängerinnen. Parthas, Berlin 1999, ISBN 3-932529-60-X.
- Markus Thiel: Edita Gruberova. Der Gesang ist mein Geschenk. Biografie. Bärenreiter/Henschel, Kassel/Leipzig 2012, ISBN 978-3-89487-915-0 (Henschel).
Lexikaeinträge
- Karl Josef Kutsch, Leo Riemens: Großes Sängerlexikon. Jubiläums-Ausgabe. Unter Mitwirkung von Hansjörg Rost. Band 2. Saur, Bern/München 1999, ISBN 3-598-11419-2.
- Rudolf Flotzinger (Hrsg.): Oesterreichisches Musiklexikon. Band 2. Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 2003, ISBN 3-7001-3044-9.
- Paul Suter: Edita Gruberova. In: Andreas Kotte (Hrsg.): Theaterlexikon der Schweiz. Band 1, Chronos, Zürich 2005, ISBN 3-0340-0715-9, S. 758 f.
- Edita Gruberová im Bayerischen Musiker-Lexikon Online (BMLO)
Film
- Claus Wischmann, Stefan Pannen (Regie): Edita Gruberova. Die Kunst des Belcanto. Deutschland, ZDF, 2008, 54 Min.[7]
Weblinks
- Literatur von und über Edita Gruberová im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Edita Gruberová bei IMDb
- Unofficial Gruberova website
- Gruberova Photocollection
- Pressestimmen zu Gruberová, Münchner Opern-Festspiele 2004
- Jürgen Kesting: Edita Gruberova: Der Nachtigall Geheimnis In: FAZ vom 22. Dezember 2006
- Edita Gruberova im Gespräch mit Stephan Pauly. BR-online, 16. März 1998 (PDF-Datei; 42 kB)
Einzelnachweise
- ↑ Vorlage:WiSo Name
- ↑ http://www.theater-wien.at/index.php/de/spielplan/production/153448
- ↑ Herrmann/Hollaender 2007, a.a.O., S. 64.
- ↑ „Slowakische Nachtigall“ Edita Gruberova ausgezeichnet In: Rathauskorrespondenz vom 27. Mai 2009 samt Bild von der Überreichung
- ↑ Gruberova erhält Herbert-von-Karajan-Preis auf ORF vom 7. März 2013
- ↑ Verleihung des 2. Österreichischen Musiktheaterpreises am 17. Juni 2014. Abgerufen am 4. April 2015.
- ↑ Der Film enthält viele Probenaufnahmen und Interviews, u. a. von Joachim Kaiser und Nikolaus Harnoncourt. Sein Schwerpunkt liegt in der persönlichen Vorbereitung auf das Debüt der über 60-jährigen in der Titelrolle als Lucrezia Borgia 2008.
Personendaten | |
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NAME | Gruberová, Edita |
KURZBESCHREIBUNG | slowakische Sopranistin |
GEBURTSDATUM | 23. Dezember 1946 |
GEBURTSORT | Bratislava, Tschechoslowakei |
- Sopran
- Koloratursopran
- Opernsänger
- Bayerischer Kammersänger
- Österreichischer Kammersänger
- Träger des Großen Ehrenzeichens für Verdienste um die Republik Österreich
- Träger des Goldenen Ehrenzeichens für Verdienste um das Land Wien
- Träger des Bayerischen Maximiliansordens für Wissenschaft und Kunst
- Träger des Bayerischen Verdienstordens
- Träger des Ordens des Weißen Doppelkreuzes 2. Klasse
- Echo-Klassik-Preisträger
- Ehrenmitglied der Wiener Staatsoper
- Ehrendoktor einer Universität in der Slowakei
- Slowake
- Geboren 1946
- Frau