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Gift-Lattich

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Gift-Lattich
Gift-Lattich (Lactuca virosa)
Vorlage:Taxonomy
Vorlage:Classis: Dreifurchenpollen-Zweikeimblättrige
(Rosopsida)
Vorlage:Subclassis: Asternähnliche (Asteridae)
Vorlage:Ordo: Asternartige (Asterales)
Vorlage:Familia: Korbblütengewächse (Asteraceae)
Vorlage:Subfamilia: Cichorioideae
Vorlage:Genus: Lattich (Lactuca)
Vorlage:Species: Gift-Lattich
Wissenschaftlicher Name
Lactuca virosa
L.

Der Gift-Lattich (Lactuca virosa), auch Wilder Lattich, Stinklattich oder Stinksalat genannt, ist ein naher Verwandter des Kopfsalats, eine Art aus der Gattung Lattich (Lactuca) aus der Familie der Korbblütengewächse (Asteraceae). Seine Blätter und der getrocknete Milchsaft, das Lactucarium, wurden bis vor 100 Jahren als Beruhigungsmittel verwendet.

Vorkommen

Der Giftlattich ist in Deutschland selten zu finden, hauptsächlich an der Mosel, wo er an Weinbergen angebaut wurde. Als wärmeliebende Pflanze vom Mittelmeer wächst er an trockenen steinigen oder sandigen Hängen, Buschrändern, Felsgesimsen oder Felsschutt in Süd-, Mittel-, Westeuropa, aber auch in Osteuropa noch bis Ungarn und Polen, ebenso in Nordafrika bis Westasien. In Nordamerika ist er inzwischen eingebürgert, aber nicht so häufig.

Beschreibung

Beim Giftlattich handelt es sich um einjährige Pflanzen, die mitunter zweijährig auftreten, von etwa 60 cm bis zwei Metern hoch werden und die, wie alle Lattiche, in den Blättern und Stengeln einen Milchsaft führen. Die Blätter sind blaugrün, eiförmig, an der Unterseite der Mittelrippe dornig, ihr Rand ist spitz gezähnt. Etwa 12-16 hellgelbe Blüten in pyramidenförmig rispigen Körbchen kommen zwischen Juli und September zum Vorschein. Der aufrechte runde Stängel hat eine weißliche und oft rötlich überlaufene Farbe, und ist oben rispig verzweigt. Die Wurzeln sind spindelförmig, ästig und riechen widerlich nach Mohn. Alle Lactuca-Arten durchleben vor der Blütezeit eine Phase intensiven Höhenwachstums ("Schießen"). Wie bei vielen anderen Arten in der Unterfamilie Cichorioideae werden die Samen als Schirmflieger mit dem Wind verteilt (siehe dazu auch den Begriff Anemochorie). Die Anzahl der Chromosomen beträgt 2n=18. Die 3 mm langen schwarzen Früchte weisen beiderseits fünf Rippen auf.

Giftlattich: Die Stacheln auf der Unterseite der Blätter sind gut sichtbar

Eine Verwechslungsgefahr besteht mit der Gemüse-Gänsedistel, deren Blätter aber keine Stacheln haben; mit Dipsacus sylvestris, welche aber blaßviolette Blüten aufweist und deren Blätter an der Unterseite nicht nur entlang der Mittelader stachelig sind; und mit anderen Latticharten, insbesondere dem Stachel-Lattich (L. serriola), der normalerweise an den viel stärker eingeschnittenen, streng senkrecht gestellten Blättern leicht zu erkennen ist. Pflanzen mit mäßig verdrehten, mehr oder weniger ungeteilten Blättern sind am sichersten an den Früchten zu identifizieren, die beim Stachel-Lattich borstig-gezähnt sind.

Die Pflanze bietet Lebensraum für Insekten: u.a. Larven des Schmetterlings Eucosma conterminana und der inzwischen seltenen Motte Hecatera dysodea, aber auch Blattläuse ernähren sich von ihr. Andererseits verteidigt sich der Giftlattich gegen Fressfeinde mit den im Milchsaft austretenden Bitterstoffen (s. dazu Inhaltsstoffe), die in der Zeit des Schießens der Pflanze und der nachfolgenden Blütezeit in hohem Maß produziert werden. Generell werden Verletzungen mit dem kautschukartigen Hauptbestandteil des Saftes, dem Lactucerin, zugeklebt und Eindringlinge wie Pilze mit Phytoalexinen getötet. Der Giftlattich ist resistent gegen das Salat-Varicosavirus und den falschen Mehltau (Bremia lactucae, s. auch Mehltau), und diese Resistenzen wurden bereits erfolgreich in Kopfsalat-Zuchtlinien (wieder-)eingekreuzt.

Inhaltsstoffe

Chem. Verbindungen in Lactuca sp.:
1 - α-Lactucerol;
2 - β-Lactucerol;
3 - Lactucin;
4 - Lactucopikrin.

Wie bei anderen Lattichen auch, enthalten die Blätter und der Milchsaft des Giftlattichs hauptsächlich Wasser, sowie

Die Wurzel enthält zusätzlich zu Lactucon und Lactucopikrin noch weitere Bitterstoffe mit ähnlicher Struktur, z.B. Jacquinelin. Alle diese Bestandteile sind in allen Lattichen mehr oder weniger enthalten, jedoch weist der Giftlattich besonders viel an Bitterstoffen auf.

Verwendung und Wirkungen

Die allgemeinen Ernährungswerte der Lattich-Blätter für den Menschen lauten: 1 bis 2% Kohlenhydrate, 1 bis 2% Proteine und 0,25% Fett. Der größte Teil des Rests ist Wasser und unverdauliche Ballaststoffe. Wäre der Giftlattich nicht so bitter, ja geradezu scharf, hätten wir hier ein gesundes Gemüse vor uns.

Was die Wirkungen der Inhaltsstoffe des Giftlattichs angeht, weiß man seit Neuestem, dass die Hauptbitterstoffe Lactucin und Lactucopicrin gegen Malaria wirken und diese Wirkung in Afghanistan in der Volksmedizin bekannt ist - nur wird dort nicht der Giftlattich benutzt, sondern die Gemeine Wegwarte (Cichorium intybus), die dieselben Stoffe enthält[2].

Es ist nicht genau bekannt, welche der Inhaltsstoffe für die in der Vergangenheit behaupteten anderen medizinischen Wirkungen der Pflanze verantwortlich sind. Eine frühe empirische Studie[3] der staatlichen U.S.-amerikanischen Apotheken fand nur eine höchstens schwach beruhigende Wirkung. Im Hager[4] werden neuere Arbeiten zitiert, aus denen nicht nur eine Wirkung im Mausversuch hervorgeht, sondern auch, dass es sich bei dem wirksamen Stoff um einen der wasserlöslichen Bestandteile, nicht jedoch um Lactucin, Lactucopikrin oder Jacquinelin handelt. Als wirksam erwies sich auch eine Glykosidfraktion mit dem Hauptbestandteil Lactusid A. Für eine vergleichende oder überhaupt abschließende Beurteilung sollen die Angaben in den zitierten Studien jedoch zu ungenau gewesen sein.

Alle folgenden Angaben sind daher als pharmakologisch ungesichert zu betrachten.

Von der Giftlattich-Pflanze wurden früher die getrockneten Blätter und der getrocknete Milchsaft, das Lactucarium, verwendet. Aus den Blättern wurde Tee zubereitet, das Lactucarium direkt eingenommen. In beiden Fällen wird von einer beruhigenden, schmerzstillenden, einschlaffördernden Wirkung berichtet. Auch gegen Hustenreiz und als Diuretikum wurde es erfolgreich eingesetzt.

Die Wirkung des Giftlattichs als Downer führte dann auch zu der Bezeichnung Pflanze der Eunuchen, und Ärzte verschrieben Giftlattichtee gegen Nymphomanie. Im frühen Altertum dagegen glaubten die Menschen noch, die Ähnlichkeit des Milchsaftes mit Sperma bedeute, die Pflanze wäre ein Aphrodisiakum!

Die getrockneten Blätter und besonders das Lactucarium müssen als stark giftig eingestuft werden. Eine Einnahme von wesentlich mehr als ein Gramm Lactucarium ruft zuerst Kopfschmerz, Schweißausbrüche und Schwindel hervor, und die Vergiftung kann bis zum Herzstillstand führen. Laut Hager[4] sind beim bestimmungsgemäßen Gebrauch jedoch "praktisch nie ernstzunehmende Vergiftungen" aufgetreten. Konkrete Vergiftungsfälle seien in jüngerer Zeit weder beim Menschen noch beim Tier bekannt geworden.

Geschichte

Giftlattich wurde seit dem Altertum als Heilpflanze verwendet. Zunächst im Mittelmeerraum, und später auch bei uns war seine angeblich beruhigende, harntreibende Wirkung geschätzt. Hippokrates beispielsweise schrieb 430 v. Chr über die unterschiedlichen Vorzüge des wilden Lattichs und des Kopfsalats. Der römische landwirtschaftliche Schriftsteller Columella beschrieb im Jahr 42 vier Lattich-/Salatsorten, und Plinius nur 57 Jahre später deren neun. Kaiser Augustus soll für seine Genesung von schwerer Krankheit den Giftlattich verantwortlich gemacht haben und so beeindruckt gewesen sein, dass er zu dessen Ehre eine Statue errichten ließ. Es muss sich um starke Schmerzen gehandelt haben, denn die Wirkung der Pflanze wird als ähnlich der des Opiums beschrieben, obwohl sie keinerlei Opiate enthält. Warum Augustus dann aber nicht Opium selbst verwendete, das den Römern wohlbekannt war, bleibt unklar. Vermutlich mit der Ausweitung des römischen Reiches verbreiteten sich dann die Lattichpflanzen auch in anderen Teilen Europas.

Gegen Ende des 18. Jahrhunderts sollen immer mehr Ärzte den getrockneten Milchsaft des Giftlattich (das Lactucarium) als Opiumersatz, sogar bei chirurgischen Eingriffen verwendet haben. Um 1847 wurde die Pflanze im Moselgebiet großflächig angebaut, und das gewonnene Lactucarium sodann von Zell (Mosel) über England nach U.S.-Amerika verschifft, vielleicht um dort an Chinesen verkauftes Opium zu strecken. Ein Indiz dafür ist, dass der damalige Preis für den Stoff eng mit dem des Opiums zusammenhing. Möglich ist auch, dass man sich unabhängiger vom Opium machen wollte, das im Zuge der Lieferungen nach China nach dem ersten Opiumkrieg knapp geworden war. Auch in anderen europäischen Ländern gab es zu dieser Zeit einen Anstieg des Anbaus von Giftlattich.

Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts waren Giftlattich-Zubereitungen in Deutschland offizinell, das heißt im Deutschen Arzneibuch (DAB) aufgenommen. Noch 1911 wurden Zubereitungen im British Pharmaceutical Codex beschrieben. Entweder wegen der mühsamen Ernte oder aufgrund des fehlenden wissenschaftlichen Nachweises der Wirkung wurde es schließlich durch Opium aus Asien ersetzt.

Eine überraschende Wiederentdeckung feierte die Pflanze in den Siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts, als ihre Wirkung in Hippiekreisen der USA bekannt wurde. Als dann noch eine deutsche Firma ein Präparat auf Basis von Lactucarium verkaufte, titelten die Boulevardblätter Schlagzeilen wie „Dieser Salat macht "high". Neue Droge macht Rauschgift-Fahnder ratlos.“ und „Schöne Träume aus Kopfsalat“. Da die Zubereitung aber nicht optimal war und nicht wirkte, beruhigte sich das Thema in der Öffentlichkeit sehr schnell wieder.

Inzwischen sind die nach wie vor legalen Samen und Zubereitungen bequem in den einschlägigen Kräuterläden zu erhalten. Am sichersten ist aber immer noch der Eigenanbau, denn nur so läßt sich die Pflanze zweifelsfrei identifizieren.

Kultivierung

Die Aussaat des Giftlattichs erfolgt ab März im Abstand von 30 bis 40 cm, bevorzugt an einem steinigen und sonnigen Standort ohne stehende Nässe. Die Ernte beginnt mit der Blütezeit und dauert bis zu deren Ende. Das ganze Kraut über der Erde wird genutzt, entweder die Blätter getrocknet als Tee oder gepresst, oder die Pflanze angeschnitten als Milchsaft.

Quellen

  1. a b R. A. Sessa, M. H. Bennett, M. J. Lewis, J. W. Mansfield und M. H. Beale, Metabolite Profiling of Sesquiterpene Lactones from Lactuca Species
  2. T. A. Bischoff, C. J. Kelley, Y. Karchesy, M. Laurantos, P. Nguyen-Dinh and A. G. Arefi, Antimalarial activity of Lactucin and Lactucopicrin
  3. http://www.henriettesherbal.com/eclectic/usdisp/lactuca.html
  4. a b W. Blaschek, R. Hänsel, K. Keller, J. Reichling, H. Rimpler, G. Schneider (Hrsg.), Hagers Handbuch der Pharmazeutischen Praxis. Folgeband 3: Drogen L - Z., 5. Auflage. Springer-Verlag, Berlin 1998, ISBN 3-540-61619-5, S. 21 ff.
Commons: Lactuca virosa – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien