Evangelisch-lutherische Kirchen
Die Lutheraner sind eine evangelische christliche Konfession, die auf das Wirken Martin Luthers im Zuge der Reformation zurück geht.
Die Evangelisch-Lutherische Kirche ist im Rahmen der reformatorischen Konfessionsfamilie theologisch von den evangelisch-reformierten Kirchen und den unierten Kirchen zu trennen. Diese drei Konfessionstypen in landeskirchlicher Organisation sind konstituierende Mitglieder der Evangelischen Kirche in Deutschland. Die lutherischen Freikirchen, unter ihnen die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche (SELK), gehören auf Grund ihrer starken lutherischen Bekenntnisbindung nicht zur Evangelischen Kirche in Deutschland.
Bezeichnung
Die Bezeichnung Lutheraner ist ursprünglich eine polemische Bezeichnung von katholischer Seite (adversus Lutheranos, et alios hostes Ecclesiae Johann Eck, 1520) zur Identifizierung der Protestanten als Ketzer.
Erst später wurde der Begriff zur Selbstbezeichnung um eine Abgrenzung sowohl zu den Katholiken als auch zu den evangelisch-reformierten zu demonstrieren.
Kirchen bzw. Gemeinden werden oft "Lutherische" Kirchen bzw. Gemeinden oder "Evangelisch-Lutherische" Kirchen bzw. Gemeinden genannt. In vielen sogenannten "unierten" Kirchen haben vor allem die lutherischen Gemeinden meist ihre traditionelle Gottesdienstform bewahren können. Im Zuge der Vertreibungen von deutschen Lutheranern aus den ehemaligen Ostgebieten des Deutschen Reichs entwickelten sich viele ursprünglich reformiert geprägte Gemeinden zu unierten Gemeinden lutherischer Prägung. Diese Konstellation ist beispielsweise häufig im Rheinland anzutreffen.
Theologie
Bibel und Bekenntnisschriften
Die Bibel nimmt in der lutherischen Theologie den Rang norma normans (normierende Norm) ein, während die Lutherischen Bekenntnisschriften norma normata (genormte Norm = von der Bibel genormte Norm) sind. Die Heilige Schrift, Alten- und Neuen Testaments, als das unfehlbare Wort Gottes hat in der lutherischen Kirche die Autorität. Nach der Konkordien Formel (FC Vom summarischen Begriff) ist "Gottes Wort die einzige Richtschnur und Regel aller Lehre ... , welchem keins Menschen Schriften gleich geachtet, sondern demselbigen alles unterworfen werden soll." Die Bekenntnisschriften haben dennoch eine sehr hohe Dignität, "weil (!) sie aus Gottes Wort genommen und darinnen fest und wohl gegründet" (FC Vom summarischen Begriff) sind.
Die Bekenntnisschriften (BSLK) sind:
- Die altkirchlichen Glaubensbekenntnisse
- Das apostolische Glaubensbekenntnis
- Das Bekenntnis von Nicäa-Konstantinopel (325/381 n.Chr.)
- Das Athanasianum
- das Augsburger Bekenntnis (CA-Confessio Augustana)
- Die Verteidigungsschrift des Augsburger Bekenntnisses (Apologie der CA)
- Der kleine Katechismus Martin Luthers
- Der Große Katechismus Martin Luthers
- Die Schmalkaldischen Artikel Martin Luthers
- die Konkordienformel (FC-Formula Concordiae)
Nicht alle lutherischen Kirchen haben die Konkordienformel in ihrem Bekenntnisstand. Daher wird zwischen konkordienlutherischen und nicht konkordienlutherischen Kirchen unterschieden.
Sola gratia, sola fide, sola scriptura, solus Christus
In vier lateinischen Formeln lassen sich die Grundgedanken des Luthertums ein wenig zusammenfassen:
- "sola gratia": Lutheraner glauben, dass Errettung nur aus der Gnade bzw. Güte Gottes heraus geschieht und nicht auf Grund der Handlungen, die wir ausüben.
- "sola fide": Lutheraner glauben, dass allein der Glaube dazu führt, vor Gott als gerecht zu gelten.
- "sola scriptura": Lutheraner glauben, dass die Bibel die Grundlage und somit das alleinige Maß für das Aufstellen, Beurteilen oder Verurteilen von theologischen Lehren und Lehrmeinungen ist.
- "solus Christus": Lutheraner glauben, dass allein die Person, das Wirken und die Lehre Jesu Christi die Grundlage für den Glauben und die Errettung des Menschen sein können.
Lutheraner lehnen die Marienverehrung der römisch-katholischen Kirche, das Papsttum und die hierarchische Verfassung jure divino (nach göttlichem Recht) innerhalb der Kirche ab. In einigen lutherischen Kirchen gibt es ein Bischofsamt in apostolischer Sukzession.
Gottesdienst
Im evangelischen Gottesdienst ist die Predigt von zentraler Bedeutung.
Lutherische Kirchen üben in der Regel die Kindertaufe aus, aber lehnen auch Taufen kurz vor der Konfirmation oder später ausdrücklich nicht ab. Abendmahlsgottesdienste werden regelmäßig gefeiert. Die Gegenwart Christi im Heiligen Abendmahl wird als Realpräsenz verstanden. Auch Kinder dürfen – zumindest innerhalb der VELKD – am Abendmahl teilnehmen.
Organisation
Synode
Lutherische Kirchen sind synodal und episkopal organisiert. An der Spitze der Synode steht jeweils ein Synodalpräsident oder Präses vor. An der Spitze der lutherischen Landeskirchen steht ein Bischof oder eine Bischöfin, der oder die über das Ordinationsrecht und die Lehraufsicht verfügt.
Lutherischer Weltbund
Zahlreiche lutherische Kirchen haben sich im Lutherischen Weltbund zusammengeschlossen. Lutherische Kirchen gibt es insbesondere in Mittel- und Norddeutschland, Skandinavien und den USA.
Rechtlicher Status
In Deutschland und in einigen skandinavischen Ländern haben lutherische Kirchen, in landeskirchlicher oder freikirchlicher Organisationsform, öffentlich-rechtlichen Status. Das besondere der lutherischen Landeskirchen in Deutschland ist die Bindung zum Staat. Das Verhältnis von Kirche und Staat wird in Verträgen zwischen Landeskirche und Staat (Staatskirchenvertrag) geregelt. Die Bindung zwischen den lutherischen Landeskirchen und dem Staat wird u.a. deutlich im Kirchensteuersystem (Einzug der Kirchensteuer durch das Finanzamt) und beispielsweise beim Austritt aus der Landeskirche. Der Austritt erfolgt beim Amtsgericht. Dort wird eine Gebühr erhoben. Die enge Bindung von Kirche und Staat, ergibt sich aus der historischen Verbindung von "Thron und Altar". Der lutherische Monarch war gleichzeitig Bischof (sum episcopus). Er bestimmte auch lange Zeit die Konfession seiner Untertanen (cuius regio, eius religio). Daher ist für Deutschland nur eine sehr eingeschränkte Trennung zwischen Landeskirche und Staat zu konstatieren. Vielmehr bestehen auf Grund der historischen Gegebenheiten enge, vertraglich geregelte, Beziehungen zwischen Landeskirche und Staat.
Die Lutherischen Freikirchen, z.B. die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche (SELK) haben öffentlich-rechtlichen Status, verzichten aber bewußt auf den Einzug von Kirchensteuern. Sie ist eine "Freiwilligkeitskirche", d.h. ihre Kirchglieder zahlen freiwillig ein Kirchgeld direkt an die Gemeinde. Diese leitet einen bestimmten Betrag an die Allgemeinde Kirchenkasse weiter. Ebenso erfolgt ein Kirchenaustritt nicht beim Amtsgericht, sondern direkt beim Pfarramt in schriftlicher Form. In anderen Ländern, zum Beispiel in den USA ist sie auf Grund der strikteren Trennung von Kirche und Staat eine von diversen Kirchen.
VELKD
Dachverband der lutherischen Landeskirchen in Deutschland ist die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands (VELKD). Die Gliedkirchen der VELKD sind auch Glieder der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), zu der auch noch reformierte Kirchen und unierte Kirchen gehören. Die lutherischen Landeskirchen haben auf Grund der Leuenberger Konkordie volle Kirchen- und Abendmahlsgemeinschaft mit den reformierten und unierten Kirchen.
Lutherische Freikirchen
Eine Sonderform unter den Lutherischen Kirchen bilden die Lutherischen Freikirchen (Bekenntniskirchen). Die lutherischen Freikirchen sind heute weitgehend in der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) zusammengeschlossen.
Die SELK wird vielfach als konservativer angesehen. "Konservativ" meint hier jedoch vor allem, dass sie sich insbesondere an die lutherischen Bekenntnisse gebunden fühlt, die im Konkordienbuch von 1580 zusammengefasst sind. Außerdem lehnt die SELK die Leuenberger Konkordie ab.
Internationaler Lutherischer Rat
Einige lutherische Bekenntniskirchen haben sich im Internationalen Lutherischen Rat [1] zusammengeschlossen. Manche unter ihnen gehören sowohl dem Lutherischen Weltbund als auch dem Internationalen Lutherischen Rat an. Die Evangelisch-Lutherische Kirche Australiens ist in beiden Bünden assoziertes Mitglied.
Ökumene
Die lutherischen Landeskirchen nehmen am Ökumenischen Rat der Kirchen Teil. In Deutschland arbeiten sowohl die lutherischen Landeskirchen als auch die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche in der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen auch mit katholischen und orthodoxen Kirchen zusammen.
Aufgrund der Leuenberger Konkordie haben die Lutherischen Landeskirchen Kirchengemeinschaft mit anderen evangelischen Kirchen in Europa.
Zahlreiche Mitglieder Lutherischer Kirchen und Freikirchen arbeiten in der Evangelischen Allianz mit.
Bedeutende Lutheraner
- Martin Chemnitz (1522-1586) war mit seinem Werk über das Konzil von Trient einer der federführenden Lutheraner der 2. Generation. Er war vor allem aber einer der Verfasser der Konkordienformel.
- Paul Gerhardt (1607-1676) wurde in erster Linie durch seine Kirchenlieder bekannt, die - wie bei kaum jemand anderen - dem lutherischen Glauben eine Ausdrucksform gaben.
- Johann Sebastian Bachs musikalische Meisterwerke sind tief verwurzelt im lutherischen Glauben.
- Im 19. Jahrhundert belebte Pfarrer Fliedner in Kaiserswerth die alte christliche Einrichtung der Diakonissen neu.
- Im 20. Jahrhundert lieferte Dr. Hermann Sasse mit seinen Arbeiten zu Kirche, Abendmahl und Schriftverständnis einen wichtigen Beitrag zu wahrer Ökumenizität jenseits des Ökumenismus.
- Philipp Melanchthon
Siehe auch
- Reformation
- Protestantismus
- Confessio Augustana
- Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche
- Lutherische Orthodoxie
- Pietismus
- Neuluthertum
- Agende
- Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands
- Landeskirchen
- Lutherischer Weltbund
- Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche
- Portal: Freikirchen