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Internationale Konflikte der Nachfolgestaaten Jugoslawiens

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Der Grenzkonflikt zwischen Slowenien und Kroatien entstand nach der Abspaltung Sloweniens und Kroatiens von der ehemaligen Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien. Beide Staaten erlangten ihre Unabhängigkeit im Jahre 1991 und wurden souveräne, eigenständige Republiken.

Der Zerfall Jugoslawiens

Nach dem Zerfall des ehemaligen Jugoslawiens wurden die Grenzen der ehemals sozialistischen Teilrepubliken beibehalten und durch die Badinter-Kommission festgehalten. Nur kurze Zeit danach wurden Teile Kroatiens von serbischen Freischärlern okkupiert (praktisch ein Drittel des international-anerkannten kroatischen Staatsterritoriums), womit Kroatien lange Zeit keine eigenständige Kontrolle über seine Staatsgrenzen hatte. Erst 1997, nach der friedlichen Wiederintegration von Ost-Slawonien erlangte Kroatien Gewalt über das gesamte Staatsgebiet.

Landgrenzen

Die Grenze zu Serbien

Die Ostgrenze Kroatiens zu Serbien (größtenteils zur autonomen Region Vojvodina), folgt praktisch dem Verlauf der Donau. Es gibt jedoch einige kleine, aber sehr fruchtbare Felder jenseits der Donau, die laut altem Grenzverlauf und Badinter-Kommission zu Kroatien gehören (sogenannte Aden, kroat. Sg. ada). Auch lange Zeit nach dem Krieg wurde Kroatien der Zugang zu diesen Gebieten untersagt, da die Grenze auf serbischer Seite vom serbischen Militär kontrolliert wurde. Es kam sogar zu vereinzelten Zwischenfällen mit serbischen Militär-Patrouillenbooten auf der Donau. Das serbische Militär versuchte auch mit Waffengewalt den Zutritt zu eigentlich kroatischem Gebiet zu untersagen.

Die Grenze zu Slowenien

Damaliges Freies Territorium Triest

Eine etwas komplexere Angelegenheit stellt die kroatische Grenze zu Slowenien dar. Es besteht einerseits keine vollkommene Klarheit über gewisse Grenzverläufe zu Lande. Insbesondere der Verlauf der Mur ist hier etwas problematisch, da der Fluß mit der Zeit seinen Verlauf etwas geändert hat und dies immer noch tut. Insbesondere 2005, als es zu zahlreichen Überschwemmungen kam, wurden die widersprüchlichen Zuständigkeitsbereiche ersichtlich. Maßnahmen zum Flutschutz sollten in beiderseitigem Einklang geschehen.

Es gab bis vor einiger Zeit auch eine slowenische Militärkaserne auf einem Berg, welche in einem Gebäude untergebracht war, das eigentlich zu Kroatien gehört. Mittlerweile wurde diese Kaserne aufgelöst und kroatischer Kontrolle übergeben.

Die Grenze zwischen Italien und Slowenien

Die Grenze zwischen Italien und dem ehemaligen Jugoslawien wurde 1975 im Vertrag von Osimo (kroat. Osimski sporazum) genau festgelegt. Es erfolgte eine Aufteilung des ehemaligen Freien Territoriums Triest zwischen Italien und Jugoslawien. Italien verzichtete auf alle Ansprüche auf die ehemalige Zone B des Freien Territoriums, das zwischen 1947 und 1954 um die Hafenstadt Triest bestanden hatte, im Gegenzug erkannte Jugoslawien die Zugehörigkeit der ehemaligen Zone A und damit der Stadt Triest zu Italien an.

Innerhalb des ehemaligen Jugoslawiens wurde damals der Flußverlauf der Dragonja als Grenze zwischen den sozialistischen Teilrepubliken Kroatien und Slowenien festgelegt. Die Dragonja mündet südlich vom slowenischen Portorož in das Adriatische Meer, genauer gesagt in die Bucht von Piran. Hierbei ist der Flußverlauf ebenfalls recht unglücklich gewählt, da die Mündung der Dragonja sehr sumpfiges Gebiet umfaßt und ein klarer Grenzverlauf nur schwer festlegbar ist. In letzter Zeit tauchten immer häufiger Grenzverletzungen von Seiten eines slowenischen Politikers auf, dessen Haus sich eigentlich auf kroatischem Staatsterritorium befindet. Provokationen und Mißachtungen der kroatischen Jurisdiktion waren an der Tagesordnung. Es folgte sogar ein Inzident, bei dem eine nationalistische slowenische Politikergruppe es verweigerte, an einer internationalen Grenzstelle die Grenze zu passieren, unter der Behauptung, dass dies slowenisches Teritorium sei.

Meeresgrenzen

Die Meeresgrenze zwischen Italien und Jugoslawien (Slowenien und Kroatien)

Die Meeresgrenze zwischen Italien und dem ehemaligen Jugoslawien, nun teils zu Slowenien und teils zu Kroatien, wurde, wie oben genannt, im Vertrag von Osimo festgelegt und steht vollkommen außer Kritik. Es ist lediglich so, dass Slowenien heutzutage keinen Zugang zu internationalen Gewässern besitzt, welche international durch die Zwölfmeilenzone festgelegt sind. Da Slowenien nicht über ein Meeresterritorium weiter als 12 Seemeilen vom Festland verfügt, sind die Hoheitsgewässer beschränkt. Dies stellt für Slowenien jedoch ein massives wirtschaftliches Problem dar, da man sich vom Wachstum des Seehafens Koper starke wirtschaftliche Impulse erwartet (direkte Konkurrenz zum italienischen Hafen von Triest und zum Hafen von Rijeka auf kroatischer Seite). Da der Hafen von Koper aber nicht über einen freien Zugang zu internationalen Gewässern verfügt, ist Slowenien stets vom guten Willen einer der beiden benachbarten Staaten abhängig, was der slowenischen Seite offensichtlich ein Dorn im Auge ist.

Die Meeresgrenze zwischen Slowenien und Kroatien

Zur slowenischen Unzufriedenheit mit dem Zugang zu internationalen Gewässern trugen auch zahlreiche Verletzungen der Fischereirechte in der Bucht von Piran bei. Es kam zu praktisch täglichen illegalen Grenzübertritten slowenischer Fischer, die in kroatischen Gewässern ihrer Tätigkeit nachgingen. Die kroatischen Behörden zeigten sich demgegenüber zunächst kulant bzw. ignorant, da Kroatien anderweitige Probleme, wie etwa die direkten Kriegsfolgen, zu bewältigen hatte. Ebenso verfügte Kroatien lange über keine organisierte Küstenwache, welche zur Einhaltung der Gesetze hinzugezogen werden konnte. Mit einfachen Polizei-Schlauchbooten konnte die Grenze nicht überwacht werden. Die kroatischen Fischer äußerten jedoch stets lautstark Kritik und gründeten auch eine gemeinsame Fischervereinigung, welche unter anderem immer noch auf diverse illegale Grenzübertritte hinweist. Ebenso wurde in den kroatischen Medien das teils sehr trotzige und unkollegiale Verhalten slowenischer Fischer kolportiert, welche sich auf Aufrufe von Seiten kroatischer Fischer das kroatische Territorium zu verlassen, weigerten dies zu tun. Oft wurden slowenische Fischerboote sogar von slowenischen Polizei-Patrouillenbooten begleitet, und dies auf kroatischem Seegebiet. Mittlerweile ist die kroatische Küstenwache etwas besser ausgestattet, es kommt jedoch immer noch recht häufig zu illegalen Grenzübertritten slowenischer Fischer.

Grenzziehung in der Bucht von Piran

Das eigentliche Problem stellt hierbei die Grenzziehung in der Bucht von Piran dar. Laut internationalen Standards wird stets die gedachte Mittellinie zwischen zwei Staaten als Grenze zwischen zwei Staaten in einer Bucht festgelegt, d.h. man halbiert die Strecke zwischen den beiden äußersten Kaps beider Länder und zieht von diesem Punkt aus eine Linie zum Mittelpunkt auf dem Festland der Bucht. Beide Länder erhalten somit genau 50% des Seeterritoriums einer Bucht. Diese Grenzziehung bestand auch zu Zeiten des ehemaligen Jugoslawiens in der Bucht von Piran und wurde durch die Badinter-Kommission bestätigt, nur war die Grenzziehung innerhalb des ehemaligen Jugoslawiens irrelevant, da alles zum selben Staatsgebiet gehörte.

Verhandlungen über den Grenzverlauf

Die slowenische Regierung unter Premierminister Janez Drnovšek begann 2004 mit Verhandlungen mit der kroatischen Regierung unter Premierminister Ivica Račan, um zu einer beiderseitig-akzeptablen Lösung des Grenzverlaufs und der damit verbundenen Grenzstreitigkeiten zu kommen. Es war allerdings so, dass Slowenien nun vier Fünftel der Bucht von Piran beanspruchte, während Kroatien auf der bestehenden und international anerkannten Regelung der mittleren Grenzziehung bestand. Mit Račan (SDP) erreichte die slowenische Regierung sogar eine Kompromißlösung, welche Slowenien eben diese vier Fünftel der Bucht zuerkennen würde und ebenso einen Korridor zu internationalen Gewässern vorsah. Dieser Korridor würde jedoch einen Teil kroatischen Seeterritoriums vom eigentlichen Seeterritorium abschneiden. Es wurde damit argumentiert, dass damit die Grenze zu Italien beibehalten würde. Im Prinzip stünde aber lediglich ein kleines Dreieck an kroatischem Seeterritorium zwischen diesem internationalen Korridor und dem italienischen Territorium. Der Vertrag wurde leider vom damaligen kroatischen Premierminister paraffiert, was dieser heute bereut. Ein paraffierter Vertrag stellt jedoch nur eine offizielle Absicht dar und stellt keinen unterzeichneten Vertrag dar, zumal der Vertrag vom kroatischen Parlament heftigst abgelehnt wurde.

Aktuelle Entwicklung

Die derzeitige slowenische Regierung beharrt noch immer stur auf der Einhaltung des paraffierten Vertrages und somit vier Fünfteln der Bucht von Piran. Grenzkonflikte von Seiten slowenischer Fischer und offiziellen Booten sind noch immer recht häufig. Kroatien lehnt alle vorangegangenen Absichten ab und verweist auf international-anerkanntes Meeresrecht. Die Europäische Union hält sich aus dem Konflikt bisher heraus und verweist darauf, dass der Konflikt beiderseitig gelöst werden kann. Kroatien äußerte kürzlich, dass notfalls auch ein internationales Schiedsgericht (kroat. arbitracija) hinzugezogen werden könnte, erklärt sich jedoch bereit, jederzeit mit Slowenien Gespräche zu führen. Der internationale Gerichtshof für Seerechtsfragen befindet sich in Hamburg.

Den allgemeinen Grenzstreitigkeiten wird auch dadurch Nachdruck verliehen, als Kroatien 2004 das gesamte kroatische Meeresgebiet zu einem ökologischen Schutzgebiet und einer kontrollierten Fischfangzone (kroat. "ekološki i ribolovni pojas") erklärte, um die vorhandene und empfindliche Meeresfauna und Vegetation auf kroatischen Seegebiet zu schützen. Die Vorgehensweise wurde von Italien, Slowenien und auch den restlichen Staaten der EU kritisiert, da Fischereirechte in Europa oft ein heiß-umstrittenes Thema darstellen.

Slowenien erklärte 2005 im Gegenzug ebenfalls das Seeterritorium zu einer ökologischen Zone. Von der kroatischen Öffentlichkeit wurde das Gesetz jedoch sehr kritisch angenommen. Das Gesetz wurde unmittelbar nach Ausrufung von kroatischer Seite als nichtig erklärt, da es praktisch einen slowenischen Seerechtseinfluß bis Poreč auf Istrien, was vollkommen inakzeptabel ist und nie slowenisches Territorium darstellte. In Kroatien werden die slowenischen Versuche lediglich als Manöver verstanden, eine bessere Ausgangsposition für weitere Verhandlungen zu erhalten. Es ist allerdings ersichtlich, dass derartige Versuche nicht von der gesamten slowensichen Öffentlichkeit outiert werden, und dass insbesondere die slowenische Wirtschaft, die stark vom Geschäft in Kroatien abhängig ist, nicht von derartigen feindlichen Vorgehensweisen angetan ist. Kroatien war stets ein guter und freundschaftlciher Partner und sollte nicht derartig vergrault werden. In Kroatien werden vor allem die slowenischen Drohungen, Kroatien könne nicht in die EU aufgenommen werden, solange der slowenische Vorschlag angenommen wird, besonders schlecht aufgenommen.

Anderweitig strittige Angelegenheiten mit Slowenien

Auch in anderen Fragen mit Slowenien herrscht großes Konfliktpotential. Das als EU-Musterland gehandelte Slowenien verweigert bisher beispielsweise immer noch eine Auszahlung der Spareinlagen kroatischer Bürger bei der ehemaligen Ljubljanska banka, was eigentlich rechtmäßig wäre. Die zu Zeiten des ehemaligen Jugoslawiens angesparten Summen fremder Bürger wurden zur Budgetaufbesserung des slowenischen Staates verwendet. Umstritten ist außerdem die Ausbürgerung zahlreicher Serben, Kroaten und anderer Angehöriger von Minderheiten nach der Unabhängigkeitserklärung Sloweniens. Viele Menschen verloren dadurch Anspruch auf Pensionen etc.