Mauritiusrotunde


Die Mauritiusrotunde oder auch Kapelle des Heiligen Grabes ist eine eingeschossige, romanisch-gotische Rundkapelle südlich des Konstanzer Münsters, mit dem sie durch einen Kreuzgang verbunden ist. Von besonderem kunsthistorischem Wert ist die frühgotische Nachbildung des Heiligen Grabes im Innern der Rotunde.
Geschichte

Bischof Konrad von Konstanz (Amtszeit 934-975) ließ das Bauwerk nach seiner zweiten Pilgerfahrt nach Jerusalem errichten. Der Rundbau entstand nach 940 ursprünglich als freistehendes Gebäude nordöstlich des Münsterchors. In verkleinertem Maßstab ließ Konrad in ihr die Jerusalemer Grabeskirche nachbilden, zu dieser Zeit das wichtigste religiöse Zentrum des Christentums.
Die Kapelle wurde dem Heiligen Mauritius geweiht, der im frühen Mittelalter als Schutzpatron der ottonischen Könige galt und seit dem 5. Jahrhundert wachsende Verehrung fand. Das Bauwerk gilt daher als politische Treuebekundung des Bischofs gegenüber den herrschenden Liudolfingern. Reliquien des Reichsheiligen kamen über den Augsburger Bischof Ulrich I. (923-973) vom Kloster Reichenau nach Konstanz.
Nicht nur die Architektur, sondern auch die Liturgie der Kapelle folgte der Jerusalemer Grabeskirche Über Jahrhunderte war die Mauritiusrotunde Ziel von Pilgerreisen. Die zahlreichen Pilger – vor allem Gläubige aus der Umgebung, die sich die weite Reise ins Heilige Land nicht leisten konnten – umrundeten das Heilige Grab im Inneren drei Mal. Noch heute ist die Kapelle eine Station auf dem Schwabenweg, einer Teilstrecke des Jakobswegs.
Ursprünglich versah Konrad die Mauritiuskirche mit zwölf Kanonikern, der Zahl der Apostel entsprechend. Vermutlich aus Kostengründen wurden diese Stellen jedoch bald wieder abgeschafft. Bischof Konrad wurde selbst an der Außenmauer der Kapelle beigesetzt; über seinem mutmaßlichen Grab wurde später ein kleiner Kapellenraum errichtet, der vom Chorraum des Münsters aus zugänglich ist. Das Grab war vermutlich bereits kurz nach seinem Tod Ziel von Pilgern, wobei Konrads Heiligsprechung 1123 die Verehrung noch steigerte.
Um 1300 wurde das Bauwerk zudem umfassend erneuert, aufgestockt und mit einer gotischen Rippenkuppel sowie Maßwerkfenstern versehen. Um diese Zeit entstand auch der Kreuzgang, durch den sich die Kapelle vom Münster aus trockenen Fußes erreichen lässt. Die Kapelle erhielt auch bunte Maßwerkfenster mit Glasmalereien. Die südlich angeschlossene Blasiuskapelle ist erstmals 1303 bezeugt.
Die Deckenbemalung wurde 1571 ergänzt, als man auch in der Reformationszeit entstandene Beschädigungen reparierte. Der Dachstuhl wurde 1585 erneuert. Im 18. Jahrhundert wurde das Innere der Kapelle neu gestrichen und mit Wappentafeln geschmückt, die heute im Kreuzgang hängen. Im 19. Jahrhundert verwahrloste die Kapelle zusehends. 1818 wurden die Glasgemälde herausgenommen und fanden ihren Weg ins Freiburger Münster. Im Zuge der Restaurierung wurden um 1860 die Maßwerkfenster erneuert. Heute ist die Kapelle restauriert und für Besucher zugänglich. Nach wie vor finden auch Gottesdienste statt.
Architektur

Die kreisrunde Kapelle (Durchmesser 11,3 m) imitiert in einer Verkleinerung von 1:2 den Zentralbau der Grabeskirche in Jerusalem, wie er vor 1009 bestand. Sie ist direkt vom Kreuzgang aus zugänglich, der die mit dem Nordchor des Münsters, die Vorhalle der Krypta, die ehemalige Domschule und den Domkapitelsaal verbindet. Den Raum überspannt ein gotisches Gewölbe, zwischen dessen Rippen sich dekorative florale Malereien befinden.
In der Mitte der Kapelle befindet sich der Heilig-Grab-Aufbau, das die Grabstelle Christi repräsentiert. Das zwölfeckiges Häuschen aus Sandstein (Durchmesser 2,43 m; Höhe 4,65 m) entstand um 1260 und gilt als frühester Einfluss der Gotik in der Architektur des Münsters. Es ersetzte jedoch wohl bereits zu seiner Zeit einen ähnlichen Aufbau.
Die Kleinarchitektur des Heiligen ist mit Steinmetzarbeiten geschmückt und weist neben Maßwerk im Stil der französischen Gotik auch bemerkenswerte Skulpturen auf, die ursprünglich farbig bemalt waren. Auf der Dachbrüstung finden sich die zwölf Aposteln; ringsum finden sich Szenen aus der Weihnachtsgeschichte, angefangen bei der Verkündigung Mariens. Im Inneren findet sich die Wächter des Grabes: schlafende Soldaten in mittelalterlicher Rüstung, der Apothekers Hippokras der Salbe für die Einbalsamierung des Leichnams anrührt, sowie ein Engel, der die Auferstehung Christi verkündet. Im Grab steht seit 1552 ein Holzschrein, der vermutlich einen in der Reformationszeit zerstörten Silberschrein ersetzte.
Zwei kleine, rechteckige Sakralräume mit eigenem Altar schließen sich im Osten (Ostkapelle) und im Süden (Blasius- oder Dreifaltigkeitskapelle) an. In der Ostkapelle findet sich ein aus Sandstein plastisch gestalteter Epitaph des Domherrn Gottfried Christoph von Zimmern (†1571).
Inschriftentafel
In die Südwand der Rotunde ist eine Marmortafel (1,63 x 0,74 m) mit einer Inschrift aus dem Jahr 294 eingelassen, die als Fragment einer größeren Tafel im frühen Mittelalter von Vitudurum (heute Oberwinterthur) nach Konstanz überführt wurde. Ihr Text lautet wie folgt:
- [I]MP(ERATOR) CAES(AR) G(AIUS) AURE(LIUS) VAL(ERIUS) DIOCLETIAN[US PONT(IFEx) MAX(IMUS) GER(MANICUS) MAX(IMUS) SAR(MATICUS) MAX(IMUS) PERS(ICUS) MAX(IMUS) TRB(UNICIA) POT(ESTATE) XI IM[P(ERATOR)x COS. V P(ATER) P(ATRIEAE) PROCOS. ET] IMP(ERATORI) CAES(AR) M(ARCUS) AUR(ELIUS) VAL(ERIUS) MAXIMIA[NUS PONT. MAX. GER. MAX. SAR.] MAX. PERS. MAX. TRIB(UNICIA) POT(ESTATE) X IMP(ERATOR) VIIII [D [s.1111 P.P. PROCOS P (II) F(ELICES) INV(ICTI) AUGG (= AUGUSTI) E]T VAL(ERIUS) CONS[T]ANTIUS ET GAL(ERIUS) VAL(ERIUS) [MAXIMIANUS NOBILISSIMI C]AESS. (= CAESARES) MURUM VITUDURENSEM A S[OLO] SUMPTU SU FECERUNT] AURELIO PROCULO V(IRO) P(ERFESTISSIMO) PR[AES(IDE) PROV(INCIAE) CURANTE].
In Konstanz galt die Tafel im Mittelalter als wertvolles Dokument, da sie – allerdings nicht im Zusammenhang mit der Stadt Konstanz – den Namen des römischen Kaisers Constantius I. verzeichnet, der als Namensgeber der Stadt gilt. Sie wurde vom einfachen Volk wohl auch als Heiltum verehrt. Hartmann Schedels Weltchronik von 1493 hält diese Verehrung für erwähnenswert, spottet jedoch über diesen naiven Brauch aus der Sicht des Gelehrten:
- „dieselben tafel künde wenig Costnitzer lesen. das gemain volck helt dieselben tafel für ein heylthumb. die frewlein und das ander unerfarn volck hat mit berürung irer hend und mit bestreichung irer antlitze dieselben buochstaben yetzo schier gantz vo der tafel abgetilgt. wiwol doch daselbst geschriben sind die namen nit der heilligen cristi. sunder der verfolger christenlichs glawbes.“ (CCXLI).
Literatur
- Heribert Reiners: Das Münster Unserer Lieben Frau zu Konstanz. (Die Kunstdenkmäler Badens, Bd. 1). Konstanz: Thorbecke 1955