Deutschland (Fernsehserie)
| Fernsehserie |
Deutschland 83 ist eine deutsche Fernsehserie um einen DDR-Grenzsoldaten (dargestellt von Jonas Nay), der als Spion („Kundschafter des Friedens“) in die Bundeswehr eingeschleust wird. In der Serie wird die Spannung zwischen Ost und West im Kalten Krieg und die damals bestehende Gefahr eines Dritten Weltkriegs dargestellt. Produziert wurde sie von UFA Fiction mit den Showrunnern Jörg Winger und Anna Winger, Regie führten Edward Berger und Samira Radsi.
Die Serie hatte 2015 ihre Premiere bei den Internationalen Filmfestspielen Berlin. Der Kabelsender SundanceTV erwarb die Ausstrahlungsrechte der Serie für die USA,[1] eine Seltenheit im amerikanischen Fernsehen, und zeigte sie dort mit Untertiteln. In Deutschland wird die Serie seit dem 26. November 2015 von RTL ausgestrahlt.[2][3][4]
Handlung
Für den Herbst 1983, während des Kalten Krieges, sind NATO-Manöver in Europa angekündigt. In den Führungsriegen Moskaus und Ost-Berlins bricht Panik aus, da angenommen wird, dass diese Manöver als Erstschlag gegen den Osten geplant sind. Die Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) des Ministeriums für Staatssicherheit schickt aus diesem Grund einen Spion in den Westen, der die Bundeswehr und die NATO-Pläne ausspionieren soll. Ausgewählt wird der Oberfeldwebel der Grenztruppen der DDR Martin Rauch, der seinen Spionageauftrag nur widerwillig annimmt. In der Bundesrepublik Deutschland infiltriert er unter falscher Identität als Oberleutnant Stamm und Ordonnanzoffizier (Adjutant) des Generals Edel die Bundeswehr. Ziel seiner Mission ist es, die Stellung der amerikanischen Pershing-II-Raketen sowie weitere Pläne der NATO aufzudecken.
Geschichtliche Hintergründe
- Der Spion Kolibri ist angelehnt an den DDR-Top-Spion bei der NATO Rainer Rupp (Deckname Topas). Rupp wurde jedoch nicht aus der DDR eingeschleust, sondern als Student aus der 68er-Bewegung im Westen rekrutiert.[5]
- Rainer Rupp behauptet, im Zusammenhang mit der Nato-Übung Able Archer 83 seine Führungsoffiziere in der DDR davon überzeugt zu haben, dass die USA keinen Überfall auf die Sowjetunion planten.[5]
- Das President's Foreign Intelligence Advisory Board (PFIAB) kam 1990 zum Ergebnis, dass die USA während Able Archer 83 im Herbst 1983 unbeabsichtigt beinahe einen Krieg provoziert hätten.[5]
- Martin Rauch beginnt als so genannter Romeo eine Beziehung mit einer NATO-Sekretärin; die DDR bediente sich häufig dieser Methode, was für die betreffenden Opfer nicht nur psychische Folgen hatte.
Figuren und Besetzung
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Jonas Nay spielt Martin Rauch
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Maria Schrader spielt Lenora Rauch
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Alexander Beyer spielt Tobias Tischbier
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Sonja Gerhardt spielt Annett Schneider
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Sylvester Groth spielt Generalmajor Schweppenstette
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Ulrich Noethen spielt Wolfgang Edel
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Lisa Tomaschewsky spielt Yvonne Edel
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Godehard Giese spielt Karl Kramer
- Jonas Nay als Oberfeldwebel Martin Rauch, Grenzsoldat der Grenztruppen der DDR, wird von der Hauptverwaltung Aufklärung zur Spionage in die Bundeswehr als Oberleutnant Moritz Stamm eingeschleust und ermittelt verdeckt unter dem Codenamen Kolibri.
- Maria Schrader als Lenora Rauch, Martins Tante und Führungsoffizierin der HVA in der Ständigen Vertretung der DDR in Bonn und arbeitet dort als Kulturattaché.
- Alexander Beyer als Tobias Tischbier, offiziell ist er Professor an der Universität Bonn, tatsächlich ist er Spion der HVA und dient als Verbindungsmann für Martin. Tischbier ist homosexuell und hat eine kurze Beziehung mit Alexander Edel.
- Sonja Gerhardt als Annett Schneider, sie ist die schwangere, in der DDR zurückgebliebene Freundin von Martin und von Beruf Lehrerin.
- Sylvester Groth als Generalmajor der HVA Walter Schweppenstette, führt alle in der Bundesrepublik und in der NATO eingesetzten Agenten, Inoffizielle Mitarbeiter und Führungsoffiziere der HVA.
- Carina Wiese als Ingrid Rauch, Martins Mutter, sie ist schwerkrank und lebt in Kleinmachnow, DDR. Ingrid benötigt dringend eine Nierentransplantation, durch Moritz’ Einsatz soll sie zügig auf die Transplantationsliste kommen.
- Ulrich Noethen als Generalmajor Wolfgang Edel, Vorgesetzter von Moritz Stamm in der Bundeswehr. Edel arbeitet eng mit den US-Amerikanern bei der Stationierung der Pershing-II-Raketen in der BRD zusammen.
- Ludwig Trepte als Oberleutnant Alexander Edel, Sohn von Generalmajor Edel mit pazifistischen Ansichten und späterer Überläufer in die DDR.
- Lisa Tomaschewsky als Yvonne Edel, Tochter von Generalmajor Edel. Sie lehnt jede Form von Gewalt ab und ist eine Sannyasin.
- Nikola Kastner als Linda Seiler, Sekretärin des NATO-Chefanalysten Henrik Mayer und kurzfristige Geliebte von Martin. Sie stirbt in Folge 4 an einem Autounfall.
- Jens Albinus als Henrik Mayer, Chefanalyst der NATO, begeht in Folge 4 Selbstmord.
- Errol Trotman Harewood als Major General Arnold Jackson, amerikanischer General, der mit dem deutschen General Edel an der Stationierung der Pershing-II-Raketen arbeitet.
- Godehard Giese als Oberstleutnant Karl Kramer und DDR-Spion, der Moritz unterstützt.
- Anna von Berg als Ursula Edel, Ehefrau von Generalmajor Edel, Mutter von Alex und Yvonne.
- Florian Bartholomäi als Felix von Schwerin, Tobias Tischbiers HIV-infizierter Freund.
- Vladimir Burlakov als Thomas Posimski, Kollege und kurzzeitiger Freund von Annett Schneider.
Episodenliste
Staffel 1
| Nr. (ges.) |
Nr. (St.) |
Originaltitel | Erstausstrahlung USA | Regie | Drehbuch | Erstausstrahlung D | Quoten (Deutschland) |
|---|---|---|---|---|---|---|---|
| 1 | 1 | Quantum Jump | 17. Juni 2015 | Edward Berger | Anna Winger | 26. November 2015 | 3,19 Mio.[6] |
| 2 | 2 | Brave Guy | 24. Juni 2015 | Edward Berger | Steve Bailie, Anna Winger | 26. November 2015 | 2,86 Mio.[6] |
| 3 | 3 | Atlantic Lion | 1. Juli 2015 | Edward Berger | Anna Winger | 3. Dezember 2015 | 2,05 Mio.[7] |
| 4 | 4 | Northern Wedding | 8. Juli 2015 | Edward Berger | Andrea Willson, Anna Winger | 3. Dezember 2015 | 1,96 Mio.[7] |
| 5 | 5 | Cold Fire | 15. Juli 2015 | Edward Berger | Anna Winger | 10. Dezember 2015 | 1,69 Mio.[8] |
| 6 | 6 | Brandy Station | 22. Juli 2015 | Samira Radsi | Ralph Martin, Anna Winger | 10. Dezember 2015 | 1,67 Mio.[8] |
| 7 | 7 | Bold Guard | 29. Juli 2015 | Samira Radsi | Georg Hartmann, Anna Winger | 17. Dezember 2015 | 1,72 Mio.[9] |
| 8 | 8 | Able Archer | 5. Aug. 2015 | Samira Radsi | Anna Winger | 17. Dezember 2015 | 1,63 Mio.[9] |
Rezeption
Einschaltquoten und mögliche Fortsetzung der Serie
Die Serie startete in Deutschland mit mäßigen Einschaltquoten. Nach einer umfassenden Marketingkampagne von RTL und viel Kritikerlob fiel der Serienstart damit ernüchternd aus. Die erste Folge kam mit 3,19 Millionen Zuschauern auf einen Marktanteil von 9,9 %, die direkt im Anschluss gezeigte Folge auf 9,0 % mit 2,86 Millionen Zuschauern. In der für RTL relevanten Altersgruppe der 14- bis 49-Jährigen konnten die ersten beiden Folgen mit 15,7 % Marktanteil (1,74 Millionen Zuschauer) und 14,1 % (1,60 Millionen) besser abschneiden.[10] Allerdings sanken im Verlauf der ersten Staffel die Einschaltquoten und Marktanteile. So sahen die vorletzte Folge lediglich 1,72 Millionen Zuschauer (5,6 % Marktanteil), die letzte verfolgten 1,63 Millionen (5,3 %). Auch in der werberelevanten Zielgruppe konnte Deutschland 83 in den letzten beiden Folgen mit 9,0 bzw. 8,1 % nicht überzeugen.[9]
Der US-Sender SundanceTV hat Interesse an einer Fortsetzung geäußert.[11] Die Arbeit an Drehbüchern für eine zweite Staffel unter dem Titel Deutschland 86 wurde von RTL in Auftrag gegeben. Ufa-Chef Wolf Bauer wies aber auch auf die internationalen Erfolge und Lizenverkäufe hin, die zusätzlich zur Einschaltquote in Deutschland für eine zweite Staffel sprächen.
Kritik
Die Fernsehserie Deutschland 83 hatte ihre Premiere mit den ersten beiden Episoden auf der Berlinale 2015, wonach die Kritiker, auch von der New York Times, viel Lob für die Serie fanden.
Das Branchenportal Serienjunkies.de vergab für die Auftaktepisode die Wertung von 4,5 von 5 Sternen. Deutschland 83 sei clever, modern und spannend erzählt. Die Serie habe einen starken fortlaufenden Bogen und viele Bälle drumherum, mit denen sie jongliere. Als Beispiel nannte Christian Junklewitz die Frage, „wie es Martin und seine Freundin mit der Treue halten werden“. Die Serie sei „komplex, ohne dabei aber auf Teufel komm raus düster zu sein“.[12]
Claudia Voigt schrieb im Spiegel, die Serie nehme sich viel Zeit, „um Produkte, Musik und Phänomene der frühen Achtzigerjahre mit Leichtigkeit und Ironie in die Handlung zu integrieren“ – von der Bhagwan-Bewegung bis zur Floppy-Disk. Man könne dies abgedroschen finden, doch „für alle, die damals jung waren, die Generation der Babyboomer, ist die Serie eine Zeitreise in die eigenen Erinnerungen“.[13]
Als „tolle neue Serie“ bezeichnete Meike Laaff bei taz online die Produktion, kritisierte jedoch, dass der ausstrahlende Sender sie mit einer Dokumentation garniere. Es schlage ins Peinliche um, „wenn Inka Bause den 1983 noch nicht einmal geborenen Jonas Nay zu seiner Liebe zu 80er-Jahre Musik interviewt, Nena nochmal die 99-Luftballons-Story aufwärmen lässt und eine Aerobic-Lehrerin zum damaligen Trend befragt“.[14]
„Verkaufstechnisch“ sei die Serie geschickt entworfen, meinte Matthias Dell im Freitag. Sie verpasse jedoch das epische Erzählen, nehme die Regeln des Genres nicht ernst, „oder schlimmer, sie kennt diese Regeln gar nicht“.[15]
Die ganz große Stärke von Deutschland 83 sei die „Leichtigkeit, mit der Anna Winger ihre frei erfundene Geschichte auf die Folie der deutsch-deutschen Geschichte gepinselt“ habe, schrieb Katharina Riehl in der Online-Ausgabe der Süddeutschen Zeitung. Die historische Folie sei nicht ganz unkompliziert, trotzdem sei die Story „immer orientiert an ihrem Zielpublikum bei RTL“.[16]
Von der Last des Vorauslorbeers schrieb Jochen Hieber in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Die Serie biete zwar viel Schauspielerschweiß, jede Menge Gewissensmalaisen und sei bisweilen unterhaltsam. Doch übernehme sie sich „permanent in Sachen innerer Evidenz, beim psychologischen Plausibilisieren des handelnden Personals und beim Beglaubigen des Plots“.[17]
In den USA, wo die Erstausstrahlung der Serie stattfand, wurde die Serie von den Kritikern sehr wohlwollend aufgenommen. Die Seite Metacritic ermittelte aus 11 Kritiken eine Durchschnittsbewertung von 79/100. Auch Rotten Tomatoes bestätigt dieses positive Bild. Danach beschrieben alle 23 Kritiken die Serie positiv, im Durchschnitt mit einer Bewertung von 8,2/10. Als Konsens der Kritiken wird dort festgehalten, die Serie sei ein fesselndes Drama mit lustigem 80er Soundtrack, Deutschland 83 erzählt eine starke Spionagegeschichte, die den Zuschauer ungemütlich nah an den Eisernen Vorhang bringt.
Weblinks
- Deutschland bei IMDb
- Deutschland 83 auf Sundance TV (englisch)
- Web-Auftritt der Produktionsfirma UFA Fiction
- Deutschland bei Rotten Tomatoes (englisch)
Einzelnachweise
- ↑ Jens Richter – der Mann, der Deutschland verkauft, DWDL vom 10. April 2015, abgerufen am 11. April 2015.
- ↑ Lob für eine deutsche Serie, und keiner lacht sich tot. In: Süddeutsche Zeitung online, 13. Februar 2015.
- ↑ Nukleares Bogenschießen, faz.net
- ↑ The Show must go on: RTL-Pläne für 2015/2016. In: DWDL.de. 24. September 2015, abgerufen am 25. September 2015.
- ↑ a b c Alan Posener: Von jetzt an geht Fernsehunterhaltung anders. In Die Welt online, abgerufen am 25. November 2015.
- ↑ a b Sidney Schering: Primetime-Check: Donnerstag, 26. November 2015. In: Quotenmeter.de. 27. November 2015, abgerufen am 10. Dezember 2015.
- ↑ a b Fabian Riedner: Primetime-Check: Donnerstag, 3. Dezember 2015. In: Quotenmeter.de. 4. Dezember 2015, abgerufen am 10. Dezember 2015.
- ↑ a b Fabian Riedner: Primetime-Check: Donnerstag, 10. Dezember 2015. In: Quotenmeter.de. 11. Dezember 2015, abgerufen am 11. Dezember 2015.
- ↑ a b c Kevin Kyburz: Primetime-Check: Donnerstag, 18. Dezember 2015. In: Quotenmeter.de. 18. Dezember 2015, abgerufen am 18. Dezember 2015.
- ↑ Ernüchternder Start für "Deutschland 83" bei RTL. In: DWDL. 27. November 2015, abgerufen am 27. November 2015.
- ↑ "Deutschland 83" wird verlängert. In: Blickpunkt:Film. 27. November 2015, abgerufen am 27. November 2015.
- ↑ Christian Junklewitz: Deutschland 83: Erster Eindruck von der Berlinale. In: Serienjunkies.de. 10. Februar 2015, abgerufen am 18. Juni 2015.
- ↑ Claudia Voigt: Völlig losgelöst. In: Der Spiegel vom 19. November 2015, S. 152.
- ↑ Meike Laaff: In der Arschritze der Geschichte, taz.de vom 26. September 2015, abgerufen am 23. November 2015.
- ↑ Matthias Dell: SOKO Bonn. In: Der Freitag vom 19. November 2015, S. 13.
- ↑ Katharia Riehl: Zum Teufel mit der historischen Korrektheit. In: Süddeutsche.de vom 25. November 2015, abgerufen am 26. November 2015.
- ↑ Jochen Hieber: Dieser Jungspion verhindert den Weltkrieg?. In: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 26. November 2015, S. 13