Wilhelm Meinhold (Pfarrer, 1797)
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Unenzyklopädisches Geschwurbel. -- Timo Müller Diskussion 14:22, 20. Mär 2006 (CET)
Leben
Wilhelm Meinhold (* 27. Februar 1797 in Netzelkow auf Usedom, † 30. November 1851 in Charlottenburg) war ein deutscher Schriftsteller.
Meinholds Mutter verstarb früh. Er wurde von seinem strengen Vater aufgezogen und ausgebildet und besuchte nie eine Schule. Von 1813 - 1815 studiert er Theologie, Philologie und Philosophie in Greifswald, verlässt die Universität aber nach zwei Jahren aufgrund fehlender finanzieller Mittel. Um trotz allem die Prüfungen ablegen zu können, arbeitet Meinhold als Hauslehrer und besteht dann 1817 sein Examen. 1818 tritt er eine Prädikantenstelle bei dem Vize-Pleban Hans Franz Gering in Gützkow an. 1920 wird er, nachdem er noch die Schulprüfung abgelegt hat, Schulrektor der Stadtschule in Usedom. 1821 wird er Pfarrer in Kaserow auf Usedom. Ab 1826 Pfarrer in Krummin. 1840 verlieh ihm die theologische Fakultät Erlangen den Doktortitel für seine Schrift Apologie des Christentums. Er wechselte 1844 die Pfarrstelle nach Rehwinkel. Nach längeren Streitigkeiten mit seine Gemeinde und mit Behörden, zog er 1950 nach Berlin-Charlottenburg.
Hauptwerk
Als sein wichtigstes Werk gilt der 1843 anonym veröffentlichte Roman Maria Schweidler, die Bernsteinhexe. Weiter war der Titel unterschrieben mit: Der interessanteste aller bisher bekannten Hexenprozesse, nach einer defekten Handschrift ihres Vaters, des Pfarrers Abraham Schweidler in Coserow auf Usedom. Aufgrund der authentischen Sprache und der eingängigen Handlung wurde der Roman lange Zeit als ein historisch korrekter Bericht aus dem 17. Jahrhundert aufgefasst. Nur einige wenige, darunter z.B. Friedrich Hebbel erkannten, dass die altertümliche Sprache bei genauer Betrachtung trotz allem einen modernen Charakter zeigt. Und sogar als Meinhold den Roman als sein Werk preisgab, wurde der Roman noch von vielen Menschen als authentische Chronik wahrgenommen. Zuvor hatte Meinhold den Stoff schon in der Pfarrerstochter zu Coserow verarbeitet und damit die Aufmerksamkeit Friedrich Wilhelms IV erlangt. Dieser ließ, ohne Wissen des Autors, die Manuskripte bei einem Berliner Verlag drucken.
Werke
- Die Pfarrerstochter zu Coserow (1826)
- St. Otto, Bischof von Bamberg, oder: die Kreuzfahrt nach Pommern (1826)
- Apologie des Christentums (1835)
- Gedichte (1835)
- Schweidler, die Bernsteinhexe (1843)
- Athanasia oder Die Verklärung Friedrich Wilhelm des Dritten (1844)
- Sidonie von Borck, die Klosterhexe (1847)
- Der getreue Ritter, oder Sigismund Hager von und zu Altensteig und die Reformation, Band 1 und 2 (1852/58), vollendet von seinem Sohn Aurel Immanuel
Wilhelm Meinhold, Verfasser der "Bernsteinhexe", Leben und Auswirkungen nach Hollywood
In seinem Brief von 1824 an Goethe bezeichnet Wilhelm Meinhold das Dorf Koserow als "einsames Dörfchen, am äußersten Rande des Oceans", er erhofft sich "Kraft und Ausdauer auf meiner einsamen Klippe, die nur unermeßliche Wälder und Wasser umbrausen, und wo kein gebildetes und fühlendes Wesen um mich weilt und wohnt, das meine Sprache verstände."
Usedom liegt in der Tat sehr abgelegen - die Gäste der Insel empfinden dies sicherlich als einen besonderen Reiz.
1997 nunmehr jährte sich nicht nur Heinrich Heines, Jeremias Gotthelfs, Annette v. Droste-Hülshoffs, sondern auch Wilhelm Meinholds Geburtstag zum 200ten Mal.
Wer gleich nach der Geburt in eiskaltes Wasser gesteckt wird, aus dem kann wohl kein ganz gewöhnlicher Mensch werden. Wilhelm Meinhold wurde Pfarrer und Dichter, als letzterer allerdings ein Grenzgänger. Dem heutigen Lesepublikum, insbesondere aber den Usedomern und ihren Gästen ist er präsent und dank zahlloser Neuauflagen bis in unsere Tage ein Begriff. Seine berühmteste Veröffentlichung, "Die Bernsteinhexe" hält diesen Sohn der Insel weiter lebendig. Der "wohl interressanteste aller Hexenprozesse" - wie der Autor seine eigene Geschichte bezeichnete - hat als eines der eigenartigsten und merkwürdigsten Bücher einen festen Platz unter den Meistererzählungen der deutschen Literatur.
Es gibt zahllose wissenschaftliche Arbeiten über den Dichter Meinhold. Er gilt schließlich als der Erfinder oder Schöpfer einer neuen Gattung in der Literatur: der "chronikalischen Novelle". Es gibt Kritiken und Beurteilungen wie der sehr ausführlich-einfühlsamen von Friedrich Hebbel, der die "Bernsteinhexe" gründlich analysiert hat. Auf das Wesentliche konzentriert hat Robert Habs den Erfolg der "Bernsteinhexe" in seiner Meinhold-Studie von 1883 folgendermaßen:
"Der Zauber, mit dem diese bis in die kleinsten Einzelheiten vollendete Novelle uns fesselt, beruht nicht bloß auf der interessanten Fabel, sondern vor allem auf der Form. (...) die Sprache mit ihrer zutraulichen Treuherzigkeit, namentlich aber das vollständige Verschwinden des Verfassers hinter seinem Werke lassen uns völlig vergessen, daß wir es mit einem Product der Phantasie zu thun haben."
Genau das war das wahrscheinlich ungewollte Ergebnis einer Verkettung verschiedener Umstände und Zufälligkeiten: 1. Die Biographie des Dichters, 2. seine reiche Phantasie-Begabung, 3. seine Sehnsucht nach stärker fühlenden, stärker bewegten, ereignis- und bedeutungsschweren Zeiten (Seine Zeit empfand er als oberflächlich, langweilig und leidenschaftslos), 4. seine zuweilen eifernde Einmischungen und Auseinandersetzungen mit den geistigen, moralischen und politischen Strömungen seiner Gegenwart. (Immerhin der Aufruhr des "Vormärz" mit all seinen Umwälzungen, die sich geistig-moralisch ankündigten.
Ich will mit der Biographie beginnen:
Wilhelm Meinhold wurde in Netzelkow im Pfarrhaus geboren, seine Mutter verstarb früh, somit wuchs er unter der strengen Knute seines Vaters auf. Von außen besehen war der Pfarrer Georg Wilhelm Meinhold ein echter Sonderling. Auf den Rat eines Militärchirurgen während seiner Kandidatenjahre hatte er eine extreme und eisern durchgehaltene Wasserkur zur lebensbeherrschenden Maxime erhoben. An die Einzelheiten des üblichen häuslichen Tagesablaufs erinnert sich Sohn Wilhelm in seinen "Humoristischen Reisebildern von Usedom" so:
"Der gelehrte und gemüthvolle Mann lebte und litt auf dieser elenden Pfarre (...) in tiefster Armuth. Diese Armuth, die Abgeschiedenheit von aller Welt (...) endlich ein schwacher und hinfälliger Körper gaben ihm eine hypochondrische Stimmung, durch welche nur dann die Strahlen seines ursprünglichen Humors und tiefen Gemüthes wie feurige Witze schossen, wenn er, wie er sagte, seinem Körper genug getan hatte. Dies pflegte (...) aber erst des Nachts gegen 11 Uhr zu geschehen, denn bis dahin war er, um mich seines eigenen Ausdrucks zu bedienen, beständig ein Sklave desselben. Er stand, wenn ihn nicht wichtige Geschäfte beriefen, des Morgens gegen 11 Uhr auf, wo zwei ungeheure Wassertöpfe schon seiner harrten. Während des Trinkens unterrichtete er mich, und zwar nicht bloß in der Stube, sondern täglich eine halbe Stunde, auch in der allerstrengsten Winterkälte im Freien. Darauf badete er sich ganz nackt in eiskaltem Wasser; ja er ließ im Winter die Eisschollen sich sogar auf den Schultern auftauen. Damit ward es 3 Uhr Nachmittags, und jetzt erst trank er seinen Morgenkaffee, während er wieder unterrichtete. Gegen 4 Uhr oft auch gegen 5 Uhr wurde Mittag gegessen, wo denn schon wieder der Wassertopf seiner harrte. Die übrige Tageszeit brachte er bis gegen 7 Uhr mit Bewegung im Freien zu, schlief dann ein Stündchen, trank gegen 8 Uhr seinen Abendkaffee und leerte darauf abermals ein paar große Wassergefäße stets mit Unterrichten beschäftigt, und dann ging er auf´s Neue, trotzt Sturm, Schneegestöber und Regen bis gegen 11 Uhr in´s Freie. Die Quantität des Wassers, welche er so alle Tage und zwar merkwürdigerweise, mit dem größten Widerwillen genoß, machte nach ungefährer Verrechnung gegen 14 Quart betragen. Diese (...) Kur, (...) da sie ihren Zweck erfüllte, und seinen hinfälligen Körper auf eine so bewundernswürdige Weise gestählt hatte, daß er innerhalb 30 Jahren (...) nie bettlägerig gewesen war, und nur einige Male einen leichten Fieberanfall hatte, (...) so glaubte er, er könne sie nicht aufgeben, ohne sterben zu müssen, und er trug daher die stete Übelkeit und das häufige Erbrechen, welches eine solche Wassermenge ihm verursachte, mit stoischer Geduld. Sobald er aber seinem Körper genug getan hatte, d. h. sobald es 11 Uhr des Nachts geworden war, konnte man keinen heitereren und gemüthlicheren Mann als meinen guten Vater finden. Hatte er Gesellschaft,(...) sang er all seine alten Burschenlieder nach der Reihe, erzählte Anekdoten, (...) usw. War er aber ohne Gesellschft, und lag alles um ihn her in tiefem Schlafe, so studierte er von 11 Uhr Nachts bis 2 Uhr Morgens die Fichtesche Philosophie, oder umwechselnd auch einen römischen Klassiker; um 2 Uhr aß er Abendbrot,(...) und las dann bis gegen 3 Uhr und oft länger einen leichten Roman in seinem Großvaterstuhl, in welchem er nun auch seine erste Nachtruhe zu halten vorzog, weil er besorgte, vom Schlage gerührt zu werden, wenn er gleich mit vollem Magen zu Bette ginge, und darin eine horizontale Lage annehme. Nichtsdesdoweniger ereilte ihn das geahnte Schicksal, und zwar in demselben Großvaterstuhle, in dem er seit 30 Jahren geschlafen."
Diese Wasserkuren oktroyierte er auch seinem Sohn auf. Der Knabe fühlte sich auf seiner völlig abgelegenen Landzunge der Insel Usedom von der Welt abgeschottet, vermißte jeglichen Kontakt zu Gleichaltrigen. Eine Schule besuchte er nie, der Vater bildete ihn ja selbst aus - in Latein und Griechisch, überstreng mit reichlich Prügeln. 16-jährig wird er auf die Universität Greifswald zum Theologiestudium geschickt - wie er später festhält - kaum mit den Kenntnissen eines Tertianers ausgestattet.
Der jährliche Wechsel, den sein Vater ihm zukommen lassen kann, ist so dürftig, daß er damit kaum in der Lage ist, seine Existenz zu sichern. Mit seinem abgerissenen Outfit muß er auf die überwiegend wohlhabenden und zumeist städtischen Kommilitonen wie ein Bauerntölpel gewirkt haben. Der durch seine Erziehung Eingeschüchterte, der nie ein Gymnasium von innen gesehen hatte, wird ein beliebtes Ziel ihres Spottes. Vom ganzen fröhlichen studentischem Leben ist er völlig ausgeschlossen. Die Narreteien, die seine Kommilitonen mit ihm anstellen, hätten beinahe dazu geführt, daß er von der Universität verwiesen worden wäre. Lediglich in einigen seiner Professoren fand er Fürsprecher. Kosegarten las die Geschichte alter und neuer Zeiten und die alten Klassiker. Gegen Verleumdungen nimmt er den jungen Studenten in Schutz mit den Worten:" In dem Meinhold liegt ineiner rauhen Schale ein süßer Kern verborgen." Er bringt ihn auch auf den Weg sich mit Philosophie und Philologie selbst weiter zu beschäftigenn und eigene dichterische Versuche zu unternehmen.
Nachdem er 1815 nach nur zwei Jahren die Universität - wegen fehlender finanzieller Mittel - verlassen muß, sucht er sich eine Möglichkeit der Existenz.
Seine theologischen Prüfungen hat er schließlich noch nicht abgelegt. Es muß also eine Stelle sein, in der er die notwendige Muße zur Weiterbildung und zur Vorbereitung auf die Prüfungen finden kann.
Zu dieser Zeit bot sich hierfür kaum etwas anderes an als eine Tätigkeit als Hauslehrer. Er fand eine entsprechende Stelle dann auch irgendwo im Kreis Ückermünde und legte in den beiden folgenden Jahren seine theologischen Examina ab. Den ersten Schritt hin zum Beruf, den er studiert hat, tut er 1818. Er tritt eine Prädikantenstelle bei dem Vize-Pleban, also einem stellvertretenden Seelsorger, Hans Franz Gering in Gützkow an. Gering ist bereits schwerkrank, scheint aber derjenige gewesen zu sein, der den jungen Hilfsprediger ermuntert hat, sich erneut seinen dichterischen Versuchen zuzuwenden. Meinhold begnügt sich nach kurzer Zeit nicht mehr mit Gedichten oder Aufsätzen, nein, er nimmt sich großes und schwieriges vor: eine historische Tragödie. Um zum Dichten geeignetere Rahmenbedingungen zu finden, bewirbt er sich bereits nach zwei Jahren in seiner Prediger-Stelle um etwas Neues: die Rektorstelle der Stadtschule in Usedom. Der Magistrat der Stadt lädt ihn zur Probepredigt und Probelektion, und hält ihn für tüchtig genug. Nur fehlt ihm noch die Schulprüfung. Diese legt er nach kurzer intensiver Vorbereitung am 19. Okt. 1820 mit "gut" ab. In der Beurteilung heißt es: "Meinhold besitzt in der Sprache sehr gute Kenntnisse, in den wissenschftlichen Gegenständen des Schulunterrichts und in der Methode muß er sich noch immer weiter auszubilden bemühen um ein recht tüchtiger Schulmann zu werden." Eine Woche darauf verfaßt der frischgebackene Schulrektor seinen ersten wichtigen Brief. Er ist gerichtet an den großen Jean Paul, dem er im handgeschriebenen Unikat sein erstes Trauerspiel "Herzog Bogislaff" zur Beurteilung vorlegt.
Brief an Jean Paul
"Nachdem ich eben wieder in Ihren unsterblichen Schriften gelesen habe, wird der Drang mich Ihnen zu nähern, und durch Sie belehrt zu werden mit einem Male zu groß und mächtig in meinem Innern, als daß ich ihm länger widerstehen könnte. (...) Theurer großer Mann würdigen Sie Ihr Urtheil über mich auszusprechen, und meinen unendlichen Dank dafür entgegenzunehmen. -- Sie sehen aus beiliegendem Trauerspiele daß ich Dichter bin, aber ob der Genius meinen Busen bewohne, weiß ich nicht, und Ihnen stelle ich´s anheim darüber zu entscheiden. Ich zähle gegenwärtig drei und zwanzig Jahre; meine Erziehung war sehr beschränkt; ohne auf einer öffentlichen Schule gewesen zu sein, konnte ich auch nur Armuths halber zwei Jahre studiren, und habe überhaupt nur wenig Gelegenheit gehabt mich nach den classischen Mustern unserer Nation zu bilden, denn ich lebe ja leider in Pommern! -
Zwar werde ich auch unter diesen Umständen nicht vor dem Riesenblick Ihres Genius aushalten können, ohne zu zittern, aber nicht aus selbstverschuldeter Schwäche, nein aus Ehrfurcht, wie ein Krieger vor der Majestät seines Königs. Denn wie sehr ich gekämpft und gerungen habe die feindliche Furie zu besiegen, kann ich schon einigermaßen daraus erhellen, daß ich 1 1/2 Jahre auf diese erste Hervorbringung meines Geistes verwndt habe; wiewohl ich freilich auch eingestehen muß daß meine eingeschränkte Muße mir selten eine Stunde zu meiner Lieblingsbeschäftigung erlaubt hat. (...)
Aber nun noch eine Bitte! - Finden Sie mich Ihrer Aufmunterung werth, und verdient meine Tragödie der Welt übergeben zu werden; so - ich weiß nicht ob ich´s auszusprechen wage - so thun Sie es, o theurer Vater! es ist groß einem Menschen das Leben retten, aber dreimal groß und göttlich einem Geiste! - Ich sehe Ihrer Antwort mit Sehnsucht entgegen, ich zähle jeden Posttag, ich berechne jede Stunde. O lassen Sie mich nicht zu lange warten, ich könnte verzweifeln, würdigten Sie mich keiner Antwort, aber, aber, - doch ich weiß nicht was ich thun würde wenn das wäre! -"
Das Antwortschreiben läßt auf sich warten. Meinhold wird inzwischen in sein Rektoren-Amt feierlich eingeführt und heiratet Gerings Tochter Juliane. Sicherlich hat er die Hoffnung auf eine Antwort bereits begraben.
Am zweiten Weihnachtstag desselben Jahres jedoch formuliert im fernen Bayreuth der Dichterfürst seine Antwort:
Brief Jean Pauls an Wilhelm Meinhold (Dieser Original-Brief befindet sich in meinem Besitz)
"Baireut d 26ten Dec. 1820.
Verzeihen Sie einen, Ihnen vielleicht ungewöhnlichen Aufschub der Antwort. Aber ich muß zu oft eine geben; und habe dazu doch mehr Lust als Zeit. Noch wartet z.B. eine Tragödie auf meinem Bücherbret, welche ich nach einmaliger Lesung, mir zu Gefallen verbeßerd, zurück bekommen zu einer zweiten, damit ich darauf für einen Verleger und - das Schlimmste - für einen Vorredner sorge. Letzter war ich wol 3 oder 4 mal; aber eben darum darf ich es (...) nicht mehr sein; ein rechtes Werk hilft sich, wenn auch langsamer, auch ohne Vorrede durch. Zu Verleger-Werbungen hab´ ich weder Geschick, noch Zeit, noch Lust, noch Glück, noch Verhältnis; denn höchstens erwerb´ ich einen, wenn ich ihm meine Vorrede dazu mitschicke, weil ein bloßes stilles Briefurtheil oder Briefblättchen ihm als ein zu dünnes Segel zum Fortbringen seines Kauffarteischiffchens vorkommt. Sie werden also verzeihen, wenn Sie für Ihr Werk von mir nichts bekommen als meine Wünsche und Gefühle. Sie sind des wahren tragischen Ausdrucks mächtig; und ich habe daher Stellen, die mir durch Wahrheit und Feuer und Bilder am meisten gefielen, mit vertikalen Strichen bezeichned; einige andere entgegengesetzte aber mit Dreiecken.
Ihr Jugendfeuer, das jetzo schon hell und ohne Rauch in die Höhe steigt, verspricht der Dichtkunst viel. Nur scheinen mir die Wahl der Fabel und die verwaschene Darstellung der Charaktere unter dem Werthe Ihrer tragischen Sprache zu bleiben. Der Kindmord schon auf der Schwelle des Stückes verjagt einen Theil des Interesse, das nachher durch die Plane eines zweiten nicht sehr wachsen kann. Gehen Sie nur weiter fort u. lassen Sie sich dabei von Sophokles und Shakespeare führen: so werden Sie bei solcher Jugend bald fliegen und steigen.
Ihr Manuskript werd´ich durch eine Gelegenheit nach Berlin abschicken; wo es von da aus auf die Post kommen soll.
Leben Sie froh! - Aber dieser Wunsch ist in der Nachbarschaft der Muse fast überflüssig.
Jean Paul Fr. Richter"
Damit ließ sich doch etwas anfangen!
Meinhold kürzt das Antwortschreiben Jean Pauls um alles "Beiwerk" und die kritischen Anmerkung zu seinem Drama und übersendet es dann dem Herausgeber der "Pommerschen Provinzialblätter", dem Superintendenten Johann Christian Ludwig Haken. Beide kennen sich, da Meinhold seit Erscheinen dieser Schriften Beiträge beigesteuert hat, und in regem Schriftwechsel mit dem Initiator und Herausgeber Giesebrecht steht. Haken druckt zwei Probeszenen aus dem Drama, das jetzt "Sophie von Pommern" heißt, sowie die gekürzte Antwort Jean Pauls ab.
Aus heutiger Sicht steht fest: der Brief Jean Pauls hat ihm den Weg zu einer Dichterlaufbahn geöffnet - wenn auch nicht geebnet. Dafür gab es zuviele Hindernisse und Klippen.
Ab jetzt läßt der Dichter natürlich keine Gelegenheit aus, auf die positiven Stimmen "Großer Geister" zu seiner Dichtkunst aufmerksam zu machen auch und gerade, wenn es darum geht Rückschläge und kritische Stimmen zu seinen Veröffentlichungen zurückzuweisen.
Der stete Kampf um die Anerkennung seines dichterischen Genius und besonders seine Selbstzweifel beschäftigen den jungen Dichter schwer:
"Wenn man die ungeheure Zahl der Dichterlinge betrachtet, welche im umgekehrten Verhältnisse steigt als die Liebe zur Poesie abnimmt, und von welchen jeder, der Liebe und Triebe, Morgen, borgen und sorgen zu reimen weiß, sich für einen Schiller und Göthe hält, so könnte man in der That annehmen, daß die Poesie wie das Saufen, Spielen usw. bei manchen Menschen eine Leidenschaft sei
und ich selbst würde bei der so allgemeinen Selbsttäuschung über den höheren Kunstberuf auch in den meinigen einen gerechten Zweifel setzen, wenn die einstimmigen Urtheile der berühmtesten Männer meiner Zeit, als eines Jean Paul (...) u.s.w., wie so viele öffentliche Stimmen, mich nicht hoffen ließen, daß ich ihn wirklich besitzen dürfte."
Dem Ober-Präsidenten der Provinz Pommern, August Sack legt er Jean Pauls Brief ebenfalls vor. Dieser wird in der Folgezeit zu seinem gewichtigsten Förderer. Zunächst verschafft er ihm die Pfarrstelle an der hiesigen Kirche.
1827 erhielt er über August Sack den Auftrag, für den Kronprinzen Friedrich Wilhelm eine aus Schweden stammende Schilderung über die sagenumwo-bene, versunkenen Stadt Vineta aus dem lateinischen zu übersetzen. Der Kronprinz wollte das Vineta-Riff vor Koserow persönlich in Augenschein nehmen. Der Pfarrer organisierte einen feierlichen Empfang mit blumenbe-kränzten Maiden, um ihn auf der Fahrt zu begleiten. Im Anschluß sollte der königliche Gast als Pate Meinholds zweiten Sohn aus der Taufe heben. Das Schiffchen geriet jedoch bereits nach kurzer Fahrt in einen heftigen Sturm und wurde nach Swinemünde abgetrieben. Von Vineta hatte man nichts gesehen. Der auf den Untiefen des Riffs errichtete Begrüßungsschmuck versank ebenfalls. Meinhold konnte von Swinemünde erst am folgenden Tag mit der Kutsche zurückkehren, taufte seinen Sohn ohne den königlichen Paten.
Er nutzt jede freie Minute, um seiner Lieblingsbeschäftigung, dem Dichten nachzugehen. Sein erstes in Buchform veroffentlichtes Werk, "vermischte Gedichte" sendet er sogleich mit einem demütigsten Begleitschreiben an Goethe. Der antwortet zwar nicht direkt, widmet sich aber in seinem Aufsatz "Individualpoesie" dem jungen Dichter auf der abgelegenen Ostseensel: "Ganz nahe an das, was wir Volkspoesie nennen, schließt sich die Individualpoesie unmittelbar an. Wenn die einzelnen werthen Personen, denen eine solche Gabe verliehen ist, sich selbst und ihre Stellung recht kennen lernen, so werden sie sich ihres Platzes im Reiche der Dichtkunst erfreuen; anstatt daß sie jetzt meist nicht wissen, woran sie sind, indem sie sich in der Masse der vielen Dichter verlieren und, indem sie Anspruch machen, Poeten zu sein, niemals zu einer allgemeinen Anerkennung gelangen können, wie sie solche wünschen. Um mich hierüber deutlich zu machen, will ich mich an Beispiele halten.
Ein Geistlicher, auf einer nördlichen Landzunge der Insel Usedom, auf einer Düne geboren, diese Düne mit ihrem geringen vegetabilischen Behagen und sonstigen Zuständen liebend, sein geistliches Amt auch mit Wohlwollen verübend, hat eine gar liebenswürdige Art, seine Zustände poetisch darzustellen".
Daß Meinhold seine Insel so liebt, konnte der Staatsminister Goethe jedenfalls nicht dessen Brief entnommen haben, in dem er vielmehr seine Abgeschiedenheit heftig bedauert:
"...daß ein Mann, dessen Name ebenso dunkel, als sein einsames Dörfchen ist, vom äußersten Rande des Oceans Hochdenselben mit diesen Zeilen beschwerlich zu fallen wagt. (...) O wie glücklich würde ich mich fühlen, wenn Hochdieselben meine Bitte erhörten,(...) wenn auch Sie mir ein Wort der Aufmunterung zurufen sollten, wie es bereits Jean Paul und Matthisson thaten."
Woher nahm Goethe an, daß der Pfarrer sein geistliches Amt mit Wohlwollen verübte, Schwerlich dürfte dies aus den beigelegten Vermischten Gedichten hervorgehen, wohl aber die Liebe zu seiner Heimat, seine Naturverbundenheit und seine ausgiebige Beschäftigung nicht bloß mit jedem Strauch und Stein, sondern auch mit allen Mythen, Sagen und historischen Begebenheiten, die Meinhold ungemein interessierten. Hierzu gehört nicht nur die gründliche Beschäftigung mit der Frage nach der Lage der untergegangenen, sagenumwobenen Stadt Vinneta sondern auch aller historischen Quellen, denen er habhaft werden konnte.
Meinhold kommt in Kontakt zu Schlegel und Graf Pückler-Muskau. Dies hat seinem Ehrgeiz beflügelt und ihm wesentlich geholfen, weitere Veröffentlichungen unterzubringen. Auch die nach Heines Erfolgen in die Mode gekommenen "Reisebilder" gehörten dazu. Während sein Altersgenosse Heine in den Berliner Salons verkehrt, die Nachbarn Polen und Frankreich bereist, zieht Meinhold seine engen Kreise in seiner Heimat. Er reist - wo sonst - auf Usedom herum, beschreibt die Eigenarten und Schönheiten der Landschaft. Seine 1837 veröffentlichten "Humoristischen Reisebilder von Usedom" kolportieren dabei nicht - wie bei seinen Zeitgenossen üblich - die Heinesche Schule.
Er verstärkt seine Neigung, historische - weil heroische - Stoffe zum Sujet zu wählen. Er suchte sich für sein neues Vorhaben die wildeste Seite der blutigsten Zeit, nämlich den dreißigjährigen Krieg aus. Wie kam es dazu?
Im Pfarrhaus von Koserow wurden damals wie heute die alten Kirchenbücher aufbewahrt. Die Eintragungen im ältesten ledergebundenen Band gehen zurück bis auf das Ende des Dreißigjährigen Krieges. Früheres ist in Koserow wie überall auf der Insel vernichtet worden.
In diesem Kirchenbuch stößt er auf einen seiner Amtsvorgänger, den Pfarrer Lindow, dessen Tochter 1668 als Hexe angeklagt, verurteilt und tatsächlich auf dem Scheiterhaufen hingerichtet worden ist. Ein gutes halbes Jahrhundert später wurde Pastor Abraham Schweidler Pfarrer in dieser Kirche. Diesem Namen haftet unzweifelhaft etwas archaisches an. Meinhold machte ihn deshalb zum Protagonisten seiner Novelle "Die Pfarrerstochter zu Coserow". Seine Geschichte spielt in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges und beschreibt die Landung des Schwedenkönigs Gustav-Adolf in Usedom, wo er in den Krieg eingriff. Das Manuskript schickte er einem Wiener Journal, das sich auch zur Veröffentlichung entschloß. Davor stand jedoch die Wiener Zensurbehörde. Da der Dichter den Protestanten Gustav Adolf zur Retterfigur Deutschlands hochstilisiert, legt sich die Behörde quer: Die Veröffentlichung wird verboten. Ob sein Erbostsein hierüber oder seine Verachtung der Literatur- und Bibelkritiker seiner Zeit den Dichter veranlaßt hat, die Geschichte zu überarbeiten und ihre "Entstehung" um 200 Jahre vorzudatieren, ist noch nicht erforscht. Sicher ist, er hat die Novelle zu einer Chronik umgeschrieben, indem er die pommersch-ländliche Sprache jener Zeit kongenial nachgeahmt hat.
Bruchstücke der Bernsteinhexe veröffentlichte er in der christlich-literarischen Jahresschrift Christoterpe von 1841 und 1842 mit der Andeutung, er selbst fungiere lediglich als Herausgeber einer von ihm zufällig gefundenen alten Chronik.
Preußenkönig Friedrich-Wilhelm IV. wurde aufmerksam und forderte die Originalhandschrift an. Er wurde vom Autor aufgeklärt, und wohl um Verschwiegenheit gebeten. Das komplette Manuskript wurde dem König mit seiner angeblichen Entdeckungsgeschichte übersandt, einer reinen wenngleich anschaulichst geschilderten Fiktion: Die Chronik sei im Dreißigjährigen Krieg von einem seiner Amtsvorgänger, dem Pastor Abraham Schweidler aufgezeichnet worden. Er selbst habe den zerfledderten, schweinsledergebundenen Folianten rein zufällig in einem Loch unter dem Chorgestühl seiner Kirche gefunden. Sein halbblinder Küster hätte sie für alte Kirchenrechnungen gehalten und ab und zu einige Seiten herausgerissen, um wackelige Altarkerzen zu umwickeln.
Die fehlenden Seiten sind für den Dichter Dreh- und Angelpunkt seiner Täuschung, indem er behauptet, da, wo Seiten gefehlt hätten, habe er ein wenig ergänzt, bloß damit es lesbar bleibe, es werde dem Leser jedoch sofort auffallen. "Insbesonder jedoch der Kritik, welche nie eine bewunderungswürdigere Höhe als in unserer Zeit erreicht hat, wäre ein solches Geständnis hier vollends überflüssig, da sie auch ohne dasselbe gar leichtlich unterscheiden wird, wo der Pastor Schweidler, oder wo der Pastor Meinhold spricht."
Was nun folgt kann man mit Fug und Recht wahres Mäzenatzentum eines königlichen Kunstfreundes nennen: Der König - vielleicht amüsiert - macht sich zum Mittäter der Täuschung. Persönlich kümmert er sich um einen Verlag und sorgt für die Drucklegung 1843 samt dem täuschendem Vorwort. Dem Dichter werden zu seiner großen Überraschung und Freude Belegexemplare und Honorar ins Haus geschickt. Weshalb der Preußenkönig an diesem Schalk- Spielchen Gefallen fand, ist nicht überliefert. Möglicherweise hatte er wegen der unglücklichen Vineta-Operation Mitleid mit dem Pastor.
Um seinen Plan gänzlich "wasserdicht" zu bekommen, geht Meinhold noch einen Schritt weiter: er baut seine hinterlistige Falle dem vermutlich ersten Adressaten seiner Täuschung, dem seinerzeit viel diskutierten Kritiker David Friedrich Strauß noch zusätzlich mit einem persönlichen Brief vor der Nase auf:
"Hochwürdiger, Hochgeehrter Herr Doktor!
Ew. Hochwürden haben durch den beispiellosen Scharfsinn, welchen Sie in Ihren theologischen Schriften niedergelegt haben, Sich auch hier, an der äußersten Grenze deutscher Sprache und Zunge, viele Bewunderer erworben.
Zu dieser Zahl gehöre auch ich, und werden Ew. Hochwürden mir daher die Übersendung des beiliegenden Werkes verzeihen.(...) Hochwürden würden daher gewiß nicht bloß mich, sondern auch einen großen Theil Gleichdenken-der erfreuen, wenn Sie die Güte hätten, in einem öffentlichen Blatte (dürfte ich bitten, in der Allg. Zeitung des H. v. Cotta, die selbst hier gelesen wird) diesen nach meinem Dafürhalten dunkelsten Theil der ganzen Geschichte zu beleuchten und wissenschaftlich begreifen zu lehren. Als Anhaltspunkt könnte vielleicht der beilegende Process dienen, wo die Zusätze, welche ich vorgenommen, z.B. die Peripetie, Ew. Hochwürden auf den ersten Blick gewahren werden. Indem ich so hoffe, des ehesten die Freude zu haben, des ehesten öffentlich von Ew. Hochwürden über einen Gegenstand belehrt zu werden, in welchen ich selbst, aufrichtig gesagt, kein Licht zu bringen vermag, verharre ich mit der ausgezeichnetsten Hochachtung Ew. Hochwürden ganz ergebenster Diener"
Hier hat er seine Schlinge bestens plaziert.
Vielleicht war das aus unserer heutigen Perspektive ein recht schräges Manöver jedenfalls, wenn er damit die Kritikerzunft der Unfähigkeit überführen und als Scharlatane bloßstellen wollte: Wer aus Sprache und Stil des Neuen Testaments nachweisen wolle, die Apostelberichte und -briefe sein erst Jahrhunderte später verfaßt worden, müsse auch bei seiner "Bernsteinhexe" die Fälschung leicht erkennen.
Die rührende und spannende Geschichte in Romanform stieß unerwartet sofort auf großes öffentliches Interesse, niemandem kamen irgendwelche Zweifel. Bis heute gehören Exemplare der Erstausgabe zu den Beständen der juristischen Universitätsbibliotheken.
Heinrich Laube, Direktor des Wiener Burgtheaters, selbst ein fleißiger Dramatiker, legte sein angefangenes Stück "Struensee" beiseite, um "diesen interessanten Stoff" schnellstens zu einem Schauspiel umzuarbeiten und es dann als erster herauszubringen (In Mannheim gab im selben Jahr der dortige Dramaturg Nodnagel ebenfalls eine Version der Bernsteinhexe als Drama heraus). Die Uraufführung Laubes "Bernsteinhexe" fand mit großem Erfolg am Hamburger Stadttheater statt. Die Bernsteinhexe wurde noch im selben Jahr ins Englische übertragen und sorgte in England wie in den USA für Aufsehen.
Nach nur wenigen Monaten glaubt der Autor sein Ziel erreicht zu haben, und offenbart die Täuschung. Nun bricht der Skandal erst richtig los, die Schlagzeilen sind voll davon.
"Echt" oder "Unecht" diese Begriffe werden fast schicksalhaft für sein Leben.
Die Kritiker sind sich nahezu einig: Hier will sich jemand wichtigtun, sich bekannt machen. Die Chronik sei echt, so lautet fast einhellig der Tenor. Meinhold bemühte Zeugen um öffentlich zu beweisen, daß er und nur er der Autor der "Bernsteinhexe" sei, in der 2ten Ausgabe des Buches läßt er sich in einem ausführlichen Vorwort über Hintergründe und Absichten aus.
Erst als die Meinungen sich wieder beruhigten, meldeten sich die Stimmen, die den Wert der Meinholdschen Dichterleistung analysierten: Hebbel und Heinrich Heine gaben wohlwollende Stellungnahmen ab.
Meinhold legte nach, und veröffentlichte zwei Jahre später nach einer historischen Vorlage "Sidonia von Bork, die Klosterhexe". Lady Wilde, die Mutter von Oscar Wilde, besorgte mit wenig mehr als zwanzig Jahren die englische Übersetzung. Wegen ihrer merkwürdigen Mischung von Unzucht und Moral erregt diese Geschichte nicht nur in Deutschland großes Aufsehen. Die "unzuchtvolle" Klosterhexe Sidonia von Bork wurde dem kleinen Oskar vorgelesen und avancierte neben anderen historischen Romanen zu seiner Lieblingslektüre. Wilde-Biograph Richard Ellmann befand: hier, in der Figur der Sidonia sei eine der Quellen für "Das Bildnis des Dorian Grey" zu suchen: ein weiteres Gegenstück zu Dorians Portrait, zu dem unheilvollen, das Dorians innerstem Wesen entsprang. Zu den zahlreichen Quellen für The Picture of Dorian Gray zählt Ellmann: Stevensons Dr. Jekyll and Mr. Hyde, Goethes Faust und eben Meinholds Sidonia von Bork. Ellmann zitiert Yeats: "Kunstwerke bringen Kunstwerke hervor".
Der Maler und Wilde-Freund Edward Burne-Jones war ebenfalls von der Figur der "Hexe" Sidonia fasziniert. Zwei der Hauptwerke der Präraffaeliten sind heute in der Londoner Tate-Gallerie zu besichtigen: Phantasie-Portraits der Sidonia und Clara von Bork als attraktive femmes fatales. Sein Lehrer, Dante Gabriel Rossetti, maßgeblicher Wegbereiter dieser Epoche begann seine Maler-Laufbahn als Buch-Illustrator der "Bernsteinhexe". Die weltoffenen und salongewandten Kreise um Wilde und Burne-Jones waren gefesselt von den Phantasieen eines in seiner Pommerschen Hinterwelt abgeschlossenen Provinzialisten.
Über seinen weiteren dichterischen Arbeiten stand kein guter Stern mehr, er ließ sich auf fast jeden Disput ein, ereiferte sich und wurde harsch in seinen Urteilen. Die Schuld dafür gab er anderen: "Wahnsinnig vergafft in das unerreichbare Ideal des Schönen, wie ein Bräutigam in das Bild der Entfernten, habe ich manche glänzende Anerbietung der Journalisten für meinen leeren Geldbeutel verschmäht und mich auf Dinge gelegt, wofür sie keinen rothen Pfennig bezahlen. Ist es daher zu verwundern, wenn man mich für einen Narren hält, muß ich nicht selbst eingestehen, daß ich einer bin? Seit meiner Jugend bis auf den heutigen Tag ewig einsam und verlassen, ohne einen kenntnisreichen Freund, dessen Urteil ich hätte zu Rathe ziehen können, entweder von unfruchtbaren Meeresdünen umgeben, oder von Menschen, welchen der Gedanke an Poesie schon Schauder erregt, und die vor einem Gedichte, wie vor einer Gardinenpredigt reißaus nehmen, bin ich dennoch bis auf den heutigen Tag meiner fixen Idee treu geblieben, und habe wie ein einsamer Eichbaum mein Leben von Nichts als vom Himmel und von der Erde geschöpft. Wie oft hat man mir vorgeworfen, daß mein größter Fehler das Dichten sey,..."
Nachdem Pastor Meinhold seine "schlechte" Pfarre in Crummin gegen die viel besser gelegene und dotierte in Rehwinkel bei Stargard getauscht hatte, bekam er ständigen Ärger mit seiner Gemeinde und mußte die neue Pfarre nach endlosen Streitereien und Verhandlungen mit den Kirchenbehörden schließlich aufgeben: "Wir wollen ihn nicht haben, den Pfarrer von Crummin..." dichtete seine Gemeinde in erbostem Spott (er soll seinen Küster verprügelt haben).
Auf Wunsch seines Königs und Förderers siedelte er 1850 nach Berlin-Charlottenburg über, um sich ganz der Dichtkunst widmen zu können. Doch schon im folgenden Jahr verstarb er, der Mann der Reibungen - angeblich von seinen Gegnern vergiftet – am Schlag.
Nach- und Auswirkungen seiner Phantasien gibt es bis heute:
Das Portrait der „Sidonia von Bork“ von Edward Burne-Jones (Tate-Gallery London) steht im Internet.
In dem Amerikanischen Spielfilm „Sleepy Hollow“ mit Johnnie Depp in der Hauptrolle musste die Kostümbildnerin Atwood eine Hexe bekleiden. Offensichtlich bediente sie sich bei der Ideensuche im Internet und fand das berühmte Aquarell von Burne-Jones.
Die Hexe im Film trägt genau das ungewöhnliche Gewand, das Wilhelm Meinhold in seiner „Klosterhexe“ für Sidonia so detailliert beschrieben hatte.