Blue Box (Phreaking)
Eine Blue Box ist eine elektronische Schaltung, mit der ein 2600-Hertz-Ton produziert werden kann. Dieser Ton wurde von CCITT-v5-kompatiblen Vermittlungsstellen (z. B. in den Vereinigten Staaten, Japan und Frankreich) benutzt, um sich untereinander Gesprächsweiterleitungen anzuzeigen. Beim Phreaking wurden damit kostenlose Telefonate erschlichen. In andere Ländern wie Deutschland oder Österreich waren diese Manipulationen, durch technisch anders aufgebaute Vermittlungsstellen, nie möglich. Heute eingesetzte Vermittlungstechnik lässt das Blue Boxing generell nicht mehr zu.
Entdeckt wurde das Blue Boxing von Josef Carl Engressia (genannt Joybubbles). Engressia entdeckte durch Zufall, dass er durch Pfeifen eines viergestrichenen E (e4) kostenlose Telefonate führen konnte. Dieser Ton wurde von der damaligen Telefongesellschaft AT&T in den 1960er Jahren benutzt, um die Leitungsbelegung zu regeln. Der Bastler John T. Draper erweiterte die Methode mit eigenen Kenntnissen stark und machte daraus unbewusst eine Subkultur des Hackens. John T. Draper nannte sich später Captain Crunch, weil der 2600-Hz-Ton auch mit einer Plastikpfeife aus einer Tüte Cap’n-Crunch-Frühstücksflocken erzeugt werden konnte. Draper wurde kurz darauf vom FBI verhaftet und in der Folge zu einer fünfjährigen Bewährungsstrafe verurteilt.
Funktion

Wählte man in den 1960er bis in die 1980er Jahre im US-amerikanischen Telefonsystem eine Telefonnummer, die an der gleichen Vermittlungsstelle (Ortsvermittlungsstelle) wie das eigene Telefon angeschlossen ist, wurde die Verbindung direkt an der Ortsvermittlungsstelle hergestellt (englisch local call). Meist waren diese lokalen Gespräche auch kostenfrei, egal wie lange die Verbindung bestand. Beim Wählen einer Telefonnummer die außerhalb des eigenen Vermittlungsbereichs liegt, einem Ferngespräch, wird eine Vorwahl benötigt. Von der rufenden Ortsvermittlungsstelle zu der Zielvermittlungsstelle wird dann eine spezielle Signalisierung verwendet die anzeigt das ein Verbindungswunsch vorliegt (englisch long distance call). Dies Signalisierung geschah in den 1960er und frühen 1970er Jahren im US-Telefonsystem zunächst mithilfe von 2600-Hz-Impulsen, später mit Mehrfrequenztönen, ähnlich den Mehrfrequenzwahlverfahren eines Tastentelefons, die über eine Fernleitung zur entfernten Vermittlungsstelle innerhalb des regulären Sprachkanals übertragen wurden.
Die Bluebox machte sich zunutze, dass diese Steuersignale in dem analogen Sprachkanal übertragen wurden der auch für die Übertragung des regulären Telefongespräches verwendet wird. Man spricht in diesem Fall auch von einem analogen englisch inband signalling, im Gegensatz zu dem später üblicherweise eingesetzten digital realisierten englisch outband signalling, bei der die Steuerinformationen zur Vermittlung über eigene, vom Sprachkanal getrennten Datenverbindungen übermittelt werden und diese Manipulationen grundsätzlich nicht mehr ermöglichen.
Durch diese inband-Signalisierung war es möglich, dass ein Teilnehmer diese zur Vermittlung genutzen Tonfolgen von einem gewöhnlichen Telefon aus zur Beinflussung der Vermittlungsstellen nutzen konnte. Zunächst erzeugte man mit der Bluebox einen 2600-Hz-Ton, um eine freie Fernleitung zu bekommen ohne eine Vorwahl zu wählen. Danach wählte man mit 2600-Hz-Impulsen die gewünschte Telefonnummer - das Prinzip war ähnlich der Impulswahl, nur mit Tönen. Dadurch konnte die Einheit zur Tariferfassung an der eigenen Vermittlungsstelle umgangen werden, da diese nur „normal“ gewählte Gespräche erfassen konnte. Dazu kam der Umstand, dass Telefongespräche an der selben Ortsvermittlungstelle in den USA kostenfrei waren, womit auch die so erschlichenen Ferngespräche nicht verrechnet wurden.
Nachdem in den Folgejahren die Signalisierung zwischen den Ortsvermittlungsstellen auf ein Mehrfrequenzverfahren umgestellt worden war, baute Draper sogenannte Multi-Frequenz-Geräte, mit denen er die benötigten unterschiedlichen Töne generieren konnte. Diese Geräte wurden zunächst MF-Boxen genannt. Die Bezeichnung Blue Box entstand angeblich, als Draper eine der ersten MF-Boxen dem blinden Jungen Joe schenkte und der die Farbe des Geräts wissen wollte. Weil Draper den Frequenzgenerator in eine alte blaue Kiste eingebaut hatte, nannte Joe das Gerät Blue Box. Später setzte sich der Begriff Blue Box auch als Bezeichnung für die Methode selbst durch und wurde weltweit als Blueboxing bekannt.
Neben der Blue Box gab es später noch eine ganze Reihe anderer sogenannter Color Boxes. So gab es die Red Box, mit der man kostenlos aus Telefonzellen telefonieren konnte, indem sie die Töne nachahmte, die auf den Münzeinwurf folgen. Weitere Geräte waren die Aqua Box, die Telefonrückverfolgungen störte, und die Rock Box, die benutzt wurde, um Musik durch das Telefonnetz zu übertragen.
Siehe auch
Literatur
- Phil Lapsley: Exploding the phone. The untold story of the teenagers and outlaws who hacked Ma Bell. New York, Berkeley 2013. ISBN 978-0802120618