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Thermitreaktion

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Thermitreaktion mit Fe2O3
Thermit zerstört eine gusseiserne Pfanne
Gefahr durch unkontrolliert umherspritzendes heißes Metall
Vorbereitung zum Verschweißen eines Schienenstoßes (Einformen)
Thermit-Reaktion im Tiegel über einer Bahnschiene
Aluminothermisch geschweißter Schienenstoß, verschliffen

Die Thermitreaktion ist eine Redoxreaktion, bei der Aluminium als Reduktionsmittel benutzt wird, um Eisen(III)-oxid zu Eisen zu reduzieren. Das verwendete Gemisch aus Aluminiumgrieß und Eisenoxidpulver hat den Markennamen Thermit. Die Reaktion läuft sehr stark exotherm ab, also unter starker Wärmeentwicklung. Die Reaktionsprodukte sind Aluminiumoxid und elementares Eisen in glühend-flüssigem Zustand. Das Aluminiumoxid schwimmt auf dem Eisen. Die Reaktion erfolgt beispielsweise in einem Tontiegel, als Zündmittel wird Bariumperoxid mit Magnesium an einem Thermitanzünder ähnlich einer Wunderkerze benutzt.

Nach dem gleichen Verfahren (Aluminothermie) können auch andere Metalle, wie Chrom und Mangan hergestellt werden.

Geschichte

Das Thermitverfahren wurde 1894 von dem deutschen Chemiker Hans Goldschmidt entwickelt und wird bis heute zum aluminothermisches Verschweißen von Schienenstößen verwandt.

Sicherheit

Aluminothermische Schweißgemische sind keine Explosivstoffe und lassen sich nur durch eine sehr große Wärmezufuhr (Aktivierungsenergie) zur Umsetzung (Entzündung) bringen. Die Entzündungstemperatur des für Schweißzwecke verwendeten Zusatzwerkstoffes liegt bei über 1500 °C; diese wird mit einem pyrotechnischen Anzünder erreicht, aber auch ein einfacher Magnesiumstab kann die benötigte Energie und Temperatur liefern. Auch ein Gasbrenner mit Propan und Sauerstoff eignet sich als Anzünder. Als Sicherheitsmaßnahme werden Thermitschweißmassen und -anzünder getrennt gelagert, damit bei einem Brand eventuell brennende Anzünder nicht in die Schweißmasse fallen.

Die volumen- oder gewichtsmäßig bezogene Energiedichte (spezifische Enthalpie) von aluminothermischen Schweißmassen ist wesentlich geringer als diejenige von Stoffen, die mit Luftsauerstoff verbrennen (Leichtmetalle, Phosphor, Benzine, Benzol, Napalm II). Vergleich: Aluminothermische Schweißportionen besitzen ca. ein Viertel der spezifischen Enthalpie von Holz. Dies liegt daran, dass das im in diesen Portionen enthaltene Eisenoxid überhaupt keine Energie liefert, sondern erst in Eisen und Sauerstoff zerlegt werden muss, was einen beträchtlichen Energieaufwand erfordert.

Da reagierende aluminothermische Schweißportionen keinen externen Sauerstoff benötigen, kann die Reaktion nicht erstickt werden und in jeder Umgebung – auch unter Sand oder Wasser – gezündet werden und weiterbrennen.

Löschversuche mit Wasser sowie Feuchtigkeit führen zu einer weiteren Redoxreaktion, in der das Wasser von den unedleren Metallen reduziert wird und so Metalloxid und Wasserstoff entstehen:

Der dabei entstehende Wasserstoff reagiert bei diesen Temperaturen wieder mit Luftsauerstoff zu Wasser, das wiederum mit Aluminium und Eisen reagiert. Die Anwesenheit von Wasser stellt daher eine große Gefahr bei der aluminothermischen Reaktion dar und führt zum explosionsartigen Ausschleudern glutflüssiger Stoffe sowie zu explosionsfähigen Wasserstoff-Sauerstoff-Mischungen (Knallgas). Aluminothermische Gemische müssen daher trocken gelagert werden. Schweißstellen im Gleisbau werden in der Regel zuvor mit einem Gasbrenner auf über 100 °C erhitzt, um sie zu trocknen.

Anwendungen

Die Anwendungen von aluminothermischen Reaktionen sind vielfältig. Die häufigste Anwendung ist die Reduktion von Eisen(III)-oxid, wobei Temperaturen von über 2000 °C erreicht werden können:

Gleisbau

Thermit wird seit etwa 1920 zum aluminothermischen Schweißen und damit Fügen von Bahngleisen an den Schienenstößen angewendet.[1]

An die mit 2 cm Lücke fest ausgerichteten Schienen werden seitlich Gusshalbformen mit Halteblechen angepresst und mit Formsandmasse angedichtet. Mit einer Gasflamme werden dann die Schienenenden samt Form getrocknet und vorgewärmt. Der Schmelztiegel (heute ein fertig gefüllter Einweg-Blechkübel) mit Schamotteauskleidung wird genau über dem Einguss positioniert. Sicherheitshalber wird erst dann ein Zünder, eine Zündkirsche mit Zündschnur oder ein schon angezündetes Zündstäbchen, hinzugefügt. Das Aufsetzen einer Tiegelkappe mit Mittelloch isoliert und schützt vor Spritzern während sich die Pulvermischung rauchend umsetzt. Früher wurde der Guss händisch ausgelöst, heute autonom. Der flüssige Stahl rinnt dabei in die Form, füllt sie und läuft an Steigkanälen über, wobei die Schienenenden etwas aufgeschmolzen werden. Nach 3 Minuten ist die Schweißstelle so weit erstarrt, dass die Form entfernt und die Bearbeitung oben durch Abscheren beginnen kann.[2][3] Zusatzstoffe wie Vanadium machen den Schweißstahl härter als den eigentlichen Schienenstahl.

Das aluminothermische Gießschmelzschweißen (Kürzel: AS) mit Kurzzeitvorheizung (...-SKV) eines Schienenstoßes hat mehrere Vorzüge: Es erfolgt mit relativ handlichem Gerät und es verbraucht nichts von der Länge etwa schon liegender Schienen, denn es bringt flüssiges Eisen in den Fügespalt ein. Auch ist es an Weichen sehr zweckmäßig. - In Schweißwerken ist allerdings die Alternative Abbrennstumpfschweißen (RA) effizienter.

Das Verbindungsschweißen von Schienstößen bewirkt eine Reduzierung des Rad-Schiene-Geräusch durch Vermeidung von Schienenstoßen. Durch das stoßlose aneinander schweißen der Schienen erfolgt eine Reduzierung des Schienenverkehrslärm um 6 dB(A) möglich.[4]

Waffen

Elektron-Thermitstäbe wurden in Kriegen als Brandbomben und Brandmittel verwendet.

In Zusammenarbeit mit der Schweizerischen Aluminium Industrie Aktiengesellschaft (A.I.A.G.) wurden Ende der 1940er Jahre durch die Schweizerische Armee spezielle Aluminotherm-Verfahren zur Unbrauchbarmachung verschiedenster Waffensysteme entwickelt.

Darstellung anderer Elemente

Die Redoxreaktion mit Aluminium (Aluminothermie) kann auch verwendet werden, um andere Metalloxide oder -erze, etwa Uranerz, Chrom(III)-oxid,[5] Siliciumdioxid oder Manganoxid zu den jeweiligen Metallen bzw. Halbmetallen zu reduzieren.[6]

Vorführungen

Wegen der beeindruckenden Reaktion mit Lichteffekten und umher sprühenden Eisentropfen wird Thermit gerne in chemischen Showexperimenten eingesetzt.[7]

Einzelnachweise

  1. Patent US5877468.
  2. Webseite Gleisbau-Welt, Schweißverfahren, Matthias Müller, Thorsten Schaeffer, 2003-2012, abgerufen 26. Februar 2012
  3. Lothar Fendrich (Hrsg.): Handbuch Eisenbahninfrastruktur. Band 10, Springer Berlin 2006, ISBN 3-540-29581-X, S. 317–319.
  4. http://www.stiftung-naturschutz.de/fileadmin/img/pdf/Kleine_Anfragen/ka16-14932.pdf
  5. Patent US5092921.
  6. Patent US5152830.
  7. Versuch 69: Thermit-Verfahren. auf: lp.uni-goettingen.de