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Boris Karloff

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Boris Karloff, eigentlich William Henry Pratt, Spitznamen Billy, Karloff The Uncanny (der Unheimliche), ?, The Murder Man oder The Boogie Man (* 23. November 1887 in London, im heutigen Bezirk Southwark; † 2. Februar 1969 in Midhurst, West Sussex, England), war ein britischer Theater- und Filmschauspieler.

Er wurde vor allem als Darsteller in Horrorfilmen bekannt, obwohl er in seinem mehr als fünfzig Jahre dauernden Berufsleben in den verschiedensten Rollen zu sehen war.

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Boris Karloff

Leben und Werk

Kindheit, Jugend und Auswanderung

William Henry Pratt war das jüngste von neun Kindern seiner Eltern. Früh verwaist, wuchs er bei seinen erheblich älteren Geschwistern auf. Die weitverzweigte, alte angelsächsische Familie Pratt war seit dem Mittelalter in England ansässig, siehe Familienstammbaum und Wappen [1], und stand traditionell in Diensten der britischen Krone. Sein Vater war als britischer Zollbeamter in Indien tätig, sein Großvater mütterlicherseits war Mitglied der Berittenen Artillerie in Bombay, siehe Meldung in der Times of India über die Eheschließung der Eltern [2]. Seine Mutter war eine Nichte der Frauenrechtlerin und Autorin Anna Leonowens, bekannt aus dem Film Anna und der König. Einer seiner Großneffen war der bekannte italienische Comic-Autor Hugo Pratt.

Als Kind lebte Pratt zunächst in verschiedenen Häusern in den Stadtteilen Camberwell, Dulwich und East Dulwich südlich der City of London im heutigen Londoner Borough of Southwark auf. Die Familie zog häufig um, und in welchem Haus genau der jüngste Sohn William Henry geboren wurde, bleibt laut Auskunft der Biografen unklar; nach aktuellen Recherchen des Filmjournalisten Steve Vertlieb ist Camberwell der Geburtsort. Später zog die elternlose Familie in das ländlich geprägte Enfield im äußersten Norden von London um. Dort durchlief William Henry erfolgreich eine höhere Schullaufbahn und sollte wie seine älteren Brüder nach Familientradition auf den Verwaltungsdienst in den britischen Kolonien vorbereitet werden. Anschließend studierte er am King´s College der University of London. In seiner Freizeit spielte er Kricket und war Mitglied im Enfield Cricket Club, wo noch heute sein Foto im Klubraum hängt. Früh interessierte er sich für das Theaterspiel, übernahm Rollen in Weihnachtsmärchen und hatte bereits im Alter von neun Jahren in einer Cinderella-Aufführung einen Auftritt als Dämonenkönig.

Der junge Pratt nahm privat Schauspielunterricht und absolvierte Bühnenauftritte u.a. bei Theateraufführungen seiner Universität. Bald wurde ihm das Theaterspiel wichtiger als das Studium, das er zunehmend vernachlässigte. Im Alter von noch nicht 22 Jahren verließ er im Einvernehmen mit seiner Familie Großbritannien von Liverpool aus in Richtung Montreal in Kanada. Er zog weiter nach Ontario, später nach British Columbia. Unterwegs verdingte er sich zunächst als Hilfsarbeiter u.a. in der Landwirtschaft, beim Schienen- und Straßenbau sowie als Truckfahrer. Gleichzeitig versuchte er immer wieder bei Wanderbühnen Fuß zu fassen und reiste mit verschiedenen Schauspieltruppen durch die kanadische und US-amerikanische Provinz.

Kurz nach seiner Ankunft in Kanada im Jahr 1909 heiratete er die englische Schauspielerin Olive Wilton. Die Scheidung muss allerdings sehr rasch erfolgt sein: Bereits ein Jahr später wanderte Wilton nach Australien aus, drehte dort 1910 und 1911 jeweils einen Stummfilm, siehe Angaben in der IMDb [3], und wurde in den 1920er Jahren Mitbegründerin eines Privattheaters in Hobart auf Tasmanien, siehe die Website des Playhouse Theatre [4]. Boris Karloff hat sich über seine erste Ehe später nur sparsam geäußert, und auch die Biografen halten sich diesbezüglich weitgehend zurück.

Die 1910er und 1920er Jahre

Statist und Kleindarsteller

Irgendwann in den 1910er Jahren - der genaue Zeitpunkt ist unbekannt - kam William Henry Pratt nach Hollywood und suchte Anschluss an die aufblühende Stummfilmindustrie. Er stand zunächst als Statist, dann in winzigen Rollen als Kleindarsteller vor der Kamera: Sein erster belegbarer Filmauftritt ist eine unbedeutende kleine Szene in dem 1916 entstandenen Stummfilm-Drama The Dumb Girl of Portici (kein deutscher Verleihtitel; Regie: Phillips Smalley und Lois Weber) - mit der russischen Primaballerina Anna Pawlowa in ihrer ersten und einzigen Filmrolle. Mit dabei ist in einer größeren Nebenrolle auch Jack Holt, in den 1930er und 1940er Jahren ein vor allem in Western gefragter Darsteller.

Aus Pratt wird Karloff

Inzwischen hatte sich Henry William Pratt in Boris Karloff umbenannt, worum sich bis heute widersprüchliche Erklärungen ranken: Nach eigenen Angaben soll der Name Karloff auf slawische Vorfahren seiner Mutter verweisen, was Karloffs Tochter und Nachlassverwalterin Sara Karloff lange ausdrücklich bestritten hatte. Allerdings setzte sie die biografische Hommage von Steve Vertlieb auf ihren Vater, der in seinem Text ebenfalls von slawischen bzw. russischen Vorfahren von Pratts Mutter ausgeht, ohne Einschränkung als empfehlenswerten Text auf die Homepage ihrer Firma Karloff Enterprises (TM); Sara Karloff schließt demnach mögliche slawische Vorfahren inzwischen nicht mehr kategorisch aus; konkrete Belege für diese These existieren allerdings bislang nicht.

Karloff bzw. Karlow ist eigentlich ein Ortsname im Sinne von Karlstadt, Karlshof oder Karlsdorf und kommt im Russischen als Familienname vor (z.B. der russische 400-m-Hürdenläufer Alexander Karlow). Er findet sich als Karlov im Tschechischen (z.B. Karlov = Karlshof in Prag) und ähnlich im Kroatischen (z.B. Karlovac, früher Karlstadt); aus dem Vorpommerschen ist die Form Karlow bzw. als Adelsname von Karlow überliefert (vgl. das Karlower Schloss in Kruckow). Auch im Serbischen, Slowakischen und Bulgarischen finden sich entsprechende von Karl abgeleitete Namen. Eine familiäre Verbindung von Boris Karloff zu diesen und ähnlichen slawischen Familien- bzw. Ortsnamen ist nicht auszuschließen, aber derzeit nicht nachweisbar.

Nicht ganz von der Hand zu weisen ist eine pragmatische Erklärung für die in Hollywood ungewöhnliche Namenwahl: Da der Schauspieler aufgrund seines eher düsteren, kantigen und nicht im klassischen Sinne "hübschen" Aussehens von Beginn seiner Laufbahn an als Exot, Außenseiter oder Schurke besetzt wurde, wollte er seine Karriere durch die Wahl eines dazu passenden, einprägsamen Künstlernamens mutmaßlich forcieren. Der vier Jahre ältere Schauspielkollege Lon Chaney sen., mit dem sich der junge Henry William Pratt in Hollywood angefreundet hatte, soll ihm dazu geraten haben; so berichtet es zumindest Chaney Seniors Enkel Ron Chaney, der die Erinnerung an die großen Stars des Hollywood-Horror-Kinos - seinen Großvater, seinen Vater Lon Chaney jun., Bela Lugosi und Boris Karloff - bis heute pflegt.

Die meisten Biografen führen Karloffs leicht dunkelhäutig-exotisches Aussehen auf eine indische Vorfahrin zurück, was Familienforschungen - wenn auch nicht eindeutig belegbar - zu bestätigen scheinen, siehe den von Sara Karloff veröffentlichten Familienstammbaum [5]. Der Stammbaum - erstellt nach Recherchen des als Hobby-Historiker nicht unumstrittenen Ornithologen und Anna Leonowens-Biografen Dr. W.S. Bristowe - gibt eine Vorfahrin sehr vage als "nicht identifizierte Inderin" an, ohne konkrete Belege zu liefern. Karloffs Großneffe Hugo Pratt gab u.a. jüdisch-türkische Vorfahren an, siehe offizieller Nachruf auf Hugo Pratt durch den Ehapa-Verlag [6]; auch diese Behauptung ist allerdings durch Quellen derzeit nicht belegbar.

Typendarsteller in Nebenrollen

Die spätern 1910er und die 1920er Jahre waren für Boris Karloff geprägt durch Kleinauftritte, später ausgebaute Nebenrollen als Typendarsteller meist exotischer oder charakterlich negativer Rollen. Er wurde in B-Filmen namenlos besetzt als Pirat, Indianer, Mexikaner, Schwarzafrikaner, Asiate und sehr häufig als Inder, Levantiner oder Araber; als Leibwächter, Cafébesitzer, Taschendieb oder einfach als „Schurke“. Ein Mangel an derlei Rollen bestand nicht: Es war in Hollywood die Zeit der großen Abenteuer möglichst weit weg von der Gegenwart - nach dem 1. Weltkrieg wollte sich das Publikum vorrangig gut amüsieren. Auch im A-Film kamen in dieser Zeit dem Abenteuerfilm verpflichtete „romantische“ Helden wie der früh verstorbene Rudolph Valentino, und Douglas Fairbanks groß heraus und wurden zu Superstars.

Innerhalb der in Hollywood Type Casting genannten Besetzungspraxis deckte der Typendarsteller Boris Karloff alle Genres des US-amerikanischen Stummfilms dieser Zeit ab - vom Abenteuerfilm über Komödien bis hin zum Kriminalfilm. Die allererste mit einem Eigennamen ausgestattete Filmrolle, die Karloff übernahm, war 1920 die des zwielichtigen Jules Barney in der Komödie The Deadlier Sex (kein deutscher Verleihtitel; Regie: Robert Thornby) mit der zu dieser Zeit in Hollywood äußerst populären Blanche Sweet in der weiblichen Hauptrolle.

Sehr häufig wurde Karloff für kleinere Rollen in Filmen vor exotischer Kulisse, Western oder Piratenfilmen besetzt; Hauptrollen waren nicht darunter. Ein Beispiele dafür ist neben vielen anderen Omar the Tentmaker (kein deutscher Verleihtitel, 1922; Regie: James Young) mit Karloff als Imam Mowaffak und Noah Beery als „Shah of Shahs“. In Tarzan und der Goldene Löwe (Tarzan and the Golden Lion, 1927; Regie: J.P. McGowan) agiert Karloff als finsterer Afrikaner Ozawa; Hauptdarsteller James Pierce sollte von 1932-1934 in Hörspielen weltweit bekannt werden als erster und einziger Radio-Tarzan.

Nur wenige dieser Filme fanden einen deutschen oder österreichischen Verleih, darunter vor allem die Western und Piratenfilme. Der erste Film mit Boris Karloff, für den ein deutscher Verleihtitel belegbar ist, ist Der letzte Mohikaner (The Last of the Mohicans, 1920; Regie: Clarence Brown und Maurice Tourneur). Karloff verkörpert darin - ebenso wie sein späterer Filmpartner und berufliche Rivale Bela Lugosi - einen namenlosen Indianer. In dem Piratenfilm Korsaren oder Schrecken der Meere (Old Ironsides, 1926; Regie: James Cruze) verkörperte er neben u.a. Wallace Beery namenlos einen „sarazenischen Gardisten“.

Erster in Österreich - nicht in Deutschland - nachweisbarer deutschsprachiger Verleihtitel für einen Film mit Karloff ist der Western Mann ohne Furcht (The Man in the Saddle, 1926; Regie: Lynn Reynolds und Clifford Smith). Diesmal spielt der spätere Horrorstar einen namenlosen Räuber; weiblicher Star des Films ist die erst neunzehnjährige Fay Wray, sieben Jahre später King Kongs erste weiße Frau.

In der im 1. Weltkrieg spielenden Abenteuerkomödie Schlachtenbummler (Two Arabian Knights), ein A-Film mit Stars wie William Boyd und Mary Astor, spielte er 1927 den namenlosen Zahlmeister eines russischen Frachters; Regisseur Lewis Milestone erhielt 1929 für seine Arbeit den ersten und einzigen, später nicht mehr verliehenen Oscar als „bester Regisseur einer Komödie“ bei der ersten Oscarverleihung in der Geschichte Hollywoods.

Da die Gagen vor allem für B-Filmrollen schmal waren - selbst Hauptdarsteller Pierce hatte 1927 für den Tarzan-Film nur 75$ pro Drehwoche erhalten - und noch nicht zum Leben ausreichten, musste der Schauspieler neben seiner Filmarbeit bis in die 1920er Jahre hinein aus Geldmangel immer mal wieder als LKW-Fahrer arbeiten - obwohl er gar keinen Führerschein besaß. Finanzielle Probleme bereiteten ihm auch seine häufigen Scheidungen: Bis Ende der 1920er Jahre wurden nach der Trennung von Olive Wilton zwei weitere Ehen Karloffs juristisch beendet.

Ausbau der Karriere im Tonfilm

Den Übergang vom Stumm- zum Tonfilm Ende der 1920er Jahre gelang Boris Karloff ohne berufliche Einbrüche. Anders als Kollegen - wie zum Beispiel Blanche Sweet - , deren dramatische Gestik und Mimik dem Tonfilm nicht mehr angemessen waren oder deren stimmliche Defizite, ein Dialekt oder Akzent nun unangenem auffielen, konnte Karloff seine an englischen Ausbildungsinstituten geschulte Stimmführung für seine Karriere in Hollywood nutzen: Seinem kultivierten Oxfordenglisch trainierte er ein tiefes Knarren an und wusste dies in ein interessantes Spannungsverhältnis zu seinem exotischen Aussehen und seinem slawisch klingenden Namen zu setzen. Dass er von Natur aus lispelte, wurde nicht als störend empfunden, sondern verstärkte noch den Reiz des Außergewöhnlichen. Boris Karloff wurde zu einem gefragten Typendarsteller seines Hausstudios, der Universal Studios. Seine erste Rolle in einem Tonfilm - noch im umständlichen Nadeltonverfahren - war 1929 der Schurke Scarface Macklin in King of the Kongo unter der Regie von Richard Thorpe. Seinen ersten „richtigen“ Tonfilm im Lichttonverfahren drehte er im selben Jahr unter der Regie von Lionel Barrymore: In The Unholy Night (kein deutscher Verleihtitel) ist er Abdoul Mohamed Bey.

Die 1930er Jahre

Durchbruch als Schauspieler in gesellschaftskritischen Filmen

Seinen Durchbruch als Schauspieler hatte Boris Karloff Anfang der 1930er Jahre. In dieser Zeit versuchte er sein weitgehend fest gelegtes Rollenfach als schurkischer Exot und Außenseiter zu durchbrechen und übernahm Charakterrollen in sozialkritischen Gesellschaftsdramen und Kriminalfilmen, die Anfang der 1930er Jahre in Mode kamen. Inwieweit er selber Einfluss auf die Rollenauswahl hatte, bleibt fraglich, da eine rigoros betriebene Besetzungspraxis den fest an die Studios gebundenen Schauspielern, die (noch) keine Stars waren, kaum Freiräume ließ. Die Schauspieler wurden zwar gelegentlich an andere Studios „ausgeliehen“ - so Karloff an u.a. MGM -, hatten allerdings nur als Stars der A-Klasse wirklich Einflussmöglichkeiten - so lange der Erfolg an der Kinokasse stimmte.

Karloffs erster größerer Hollywood-Erfolg in einer anspruchsvollen Nebenrolle war 1931 das Gefängnisdrama Das Strafgesetzbuch (The Criminal Code) unter der Regie von Howard Hawks. Als zum Mörder an einem Mitgefangenen schuldig werdender Gefängnisinsasse agiert er neben Walter Huston als Gefängnisdirektor in einer sozialkritischen Filmstudie über die Kraft des Gesetzes, Gefängnisalltag und Verbrecherehre.

Derartige Filme mit „harten“, realistisch in Szene gesetzten Themen hatten in den 1930er Jahren zur Zeit der Großen Depression und der Hochzeit des organisierten Verbrechens in Hollywood Konjunktur. In US-amerikanischen Städten spielende Sozialdramen und Gangsterfilme enstanden in großer Zahl.

1931 drehte Boris Karloff noch zwei weitere dem Realismus verpflichtete Filme in für ihn ungewöhnlichen Rollen: In Spätausgabe (Five Star Final; Regie: Mervyn LeRoy), einem Melodrama um Verantwortung und Freiheit der Presse, schlüpfte er in die Rolle eines Priesters; Star des Films ist Edward G. Robinson als krupelloser Journalist, der über Leichen geht; Schauspielerin Ona Munson, die schon in diesem Film eine Prostituierte spielt, sollte wenige Jahre später in dem Jahrhundertfilm Vom Winde verweht (Film) (Gone with the Wind) als Belle Watling , Bordellchefin mit viel Herz, brillieren.

In The Guilty Generation (kein deutscher Verleihtitel; Regie: Rowland V. Lee), einer Art Romeo und Julia-Adaption im Mafia-Milieu, verkörpert Karloff den zwischen Familienehre und Liebe zu seinem Kind hin- und hergerissenen Gangsterboss Tony Ricca; auch für den Darsteller seines Sohnes Marco, Robert Young, sollte dieser Film der Beginn einer langen Hollywood-Karriere werden. Der von Karloff verkörperte Charakter ist die erste tragende Nebenrolle, fast schon eine Hauptrolle und hätte der Beginn für eine Karriere als Darsteller in anspruchsvollen Kriminalfilmen und Gesellschaftsdramen werden können.

Doch dann trat der Zufall in Gestalt eines Monsters in das Leben des Schauspielers und änderte es von Grund auf und nachhaltig.

Frankensteins Monster

Inzwischen war Carl Laemmle, Studioboss der Universal Studios, auf den Schauspieler Boris Karloff aufmerksam geworden und bot ihm die Rolle des namenlosen und stummen Monsters in einer geplanten Verfilmung von Mary Shelleys berühmtem Horrorklassiker Frankenstein an, die sein Sohn Carl Laemmle jun. produzieren wollte.

Eigentlich war die Rolle für Bela Lugosi vorgesehen, den aus Ungarn stammenden Star des im selben Jahr kurz zuvor gedrehten Dracula-Films unter der Regie von Tod Browning. Horrorfilme mit europäischen Darstellern, die in den düsteren Kulissen des Alten Europas agierten, wurden ein bevorzugtes Genre im Hollywood-Kino der 1930er Jahre und bildeten in dieser gesellschaftlichen und wirtschaflichen Krisenzeit neben den Kriminalfilmen den zweiten großen thematischen Strang im Hollywood-Kino dieser Jahre: Das Böse bedrohte die US-amerikanische Gesellschaft entweder in Gestalt eines - gerne italienischstämmigen - Verbrechers oder eines - möglichst nicht amerikanischen, gerne deutschen - nicht menschlichen Wesens von außen; nie kam es aus ihrer Mitte.

Im Horror-Genre deuteten Regisseure wie Browning, der aus Böhmen stammende Karl Freund oder der Österreicher Ulmer deutsche Stummfilklassiker wie Das Kabinett des Dr. Caligari oder Nosferatu neu für den US-amerikanischen Tonfilm. Exotisch und auf die Zuschauer fremd wirkende Typendarsteller wie Karloff und Lugosi wurden gefragt im Filmgeschäft.

Bela Lugosi, der in Ungarn, Österreich und Deutschland an namhaften Bühnen anspruchsvolles Theater gespielt und einige Stummfilme gedreht hatte, sagte die Rolle als Frankensteins Monster nicht zu: Der für seine Starallüren und Wutausbrüche wegen angeblich schlechter Drehbücher bei Hollywoods Filmschaffenden berüchtigte Mime fühlte sich schauspielerisch unterfordert und mochte sein Gesicht nicht hinter einer entstellenden Maske verbergen: Für Lugosi als ehemaligem Bühnenschauspieler lag die Essenz der Schauspieltätigkeit in Mienenspiel und ausdrucksstarker Gestik, wie er es als Graf Dracula voll hatte ausschöpfen können. Als stummes Monster in kiloschwerem Kostüm durch einen Tonfilm namens Frankenstein zu tappen, erschien ihm unvorstellbar: Er lehnte ab. Auch der spätere Dracula-Darsteller John Carradine erzählte, er habe die ihm angebotene Rolle des Monsters aus ähnlichen Gründen abgelehnt.

Boris Karloff, der nach eigener, lebenslang wiederholter Aussage seine Filmarbeit vorrangig als Brotberuf und nicht als Berufung ansah, hatte weniger Bedenken und übernahm die Rolle. Unter der Regie des wie Karloff gebürtigen Briten James Whale machte er das Beste daraus und interpretierte das von einem größenwahnsinnigen jungen Wissenschaftler aus Leichenteilen mit Hilfe der Technik und elektrischer Entladungen künstlich geschaffene Wesen auf anrührende Art: Als gebrochene, tragische Kreatur will das Monster beim Zuschauer Furcht und Mitleid gleichzeitig wecken. Der Frankenstein-Film, von der Inszenierung her eher ein europäischer Film, wurde zu einem großen finanziellen Erfolg für Universal und das von Karloff verkörpete Wesen zum Inbegriff des Schreckens auf der Kinoleinwand; Zeitzeugen erinnerten sich, dass bei seinem Anblick Zuschauer schreiend aus dem Kinosaal gerannt sein sollen.

Zu der gruseligen Wirkung des Monsters , das in dieser Form nicht von Mary Shelley geschildert worden war, trug die künstlerische Arbeit des renommierten Maskenbildners Jack B. Pierce erheblich bei: Ein eckiger, oben abgeplatteter Kopf, schwere Augenlider, der riesige durch den Nacken gestoßene Nagel, strähniges dunkles Haar, kiloschwere Plateauschuhe und zerlumpte Kleider mit künstlich verbreiterte Schultern sorgten für eine schaurige Wirkung. Der mit 1, 80 m zwar nicht gerade kleine, aber sehr schlank gebaute Boris Karloff nahm unter Pierce´s kundigen Händen monströse Formen an; für den hohlwangigen, Mitleid erregenden Gesichtsausdruck des Monsters hatte Karloff eigens während der Dreharbeiten sein künstliches Gebiss heraus genommen.

Boris Karloff, den trotz über 70 gedrehter Filme vorher niemand so recht gekannt hatte, wurde über Nacht berühmt. Die Figur des traurigen, von Menschenhand geschaffenen Monsters blieb im Gedächtnis des Kinopublikums bis heute untrennbar verbunden mit seinem Namen; Auch Robert de Niro sollte daran nach vielen Anderen mehr als 60 Jahre später als Kreatur in Kenneth Branaghs Film Mary Shelley´s Frankenstein trotz aller historischer Werktreue nichts ändern.

Dass der Schauspieler Boris Karloff im Abspann von Frankenstein nicht namentlich genannt wurde, sondern lediglich als "?" geführt wurde, sorgte zusätzlich für eine geheimnisvolle Aura und nährte Spekulationen über das „Wesen“ hinter der Maske.

Für einen Skandal sorgte der Film vor allem bei kirchlichen Gruppen: Filmhistoriker und -restauratoren rekonstruierten anhand erhaltener Filmschnipseln eine Szene der ersten Kopie, in der die Kreatur von Dr. Frankenstein wie der erste Mensch den Namen Adam erhält; diese Szene wurde später wie andere heikle Szenen für die folgenden Kopien heraus geschnitten. Der Film hatte auch so wegen angeblicher Gotteslästerung und Unmoral genug Probleme mit den Zensurbehörden. Erschwerend kam hinzu, dass vor allem konservative Politiker und Frauengruppen den Angriff des Monsters auf das kleine Mädchen - eine Zufallsbekanntschaft beim Spielen - und deren Ertrinkungstod im See als Kindesmissbrauch mit anschließendem Sexualmord deuteten und den Film verbieten lassen wollten, was im US-amerikanischen Bundesstaat Kansas auch geschah.

Die geschilderte Szene war von Regisseur Whale zunächst anders geplant: Nach der ursprünglichen Fassung ist der Tod der kleinen Maria ein Unglücksfall in Folge eines Spiels, da das Monster/Karloff in seiner Weltunerfahrenheit glaubt, das Kind könne ebenso auf dem Wasser schwimmen wie die zuvor in den See geworfenen Blumen. Auf Befehl von Carl Laemmle wurde diese Szene dann gegen den Widerstand von James Whale nachträglich aus dem Film heraus geschnitten, um beim Zuschaur keine Solidarität mit dem Monster zu erzeugen. Von dem augenscheinlich bedrohlich auf Maria zugehenden Monster wurde nunmehr direkt auf den leeren See geschnitten, und der Rest der Phantasie der Zuschauer überlassen. Das Publikum sollte in erster Linie geschockt, und nicht gerührt und zum Nachdenken angeregt werden. Das dann doch das Gegenteil eintrat und das unglückselige Geschöpf von Menschenhand bis heute die Zuschauer emotional berührt, ist nicht zuletzt ein Verdienst des differenziert spielenden und seine Rolle immer wieder unterlaufenden Schauspielers Boris Karloff. Die aktuelle Frankenstein-DVD bemüht sich, soweit technisch machbar, um die Urfassung des Films.

Weitere Filme und „Klassiker“: Narbengesicht, Die Mumie und Dr. Fu-Manchu

Schauspielerisch weiter kommt Karloff durch seinen Erfolg zunächst nicht: In seinem nächsten Film noch im gleichen Jahr, der MGM-Screwball-Komödie Tonight or Never (kein deutscher Verleihtitel) unter der Regie von Mervyn LeRoy, spielt er neben Stars wie Gloria Swanson und Melvyn Douglas wieder einen namenlosen Kellner.

In den folgenden Jahren ist Boris Karloff in einer Fülle verschiedenster Filme von kleinen Rollen in heute vergessenen Streifen bis zu berühmten Klassikern der Filmgeschichte zu sehen. Allein in 1932 drehte er neun Filme in Neben- und Hauptrollen. Zu seinen besten dieses Jahres, die nicht dem Horrorfilm-Genre zuzurechnen sind, gehört der berühmte Kriminalfilm Narbengesicht (Scarface) von Howard Hawks, in dem er neben Paul Muni und George Raft den als Verräter liquidierten Gangster Gaffney spielt. Berühmt ist die Szene, in der Scareface/Muni Gaffney/Karloff auf der Bowlingbahn erschießt.

Im gleichen Jahr etablierte Karloff mit der Rolle des untoten Im-ho-tep (Imhotep) in dem Horror-Klassiker Die Mumie (The Mummy) eine weitere Ikone des US-amerikanischen Horrorkinos der 1930er Jahre. Regie führte Karl Freund, der als ehemaliger Kameramann von Fritz Lang und Friedrich Murnau den berühmten German Touch mit nach Hollywood gebracht hatte und 1931 für Dracula erfolgreich die Kamera geführt hatte. Seine Regiearbeit für Die Mumie, Jack B. Pierce´s erneut bewährte Leistung als Maskenbildner und nicht zuletzt Karloffs - wieder einmal stumme - schauspielerische Darbietung als melancholischer Untoter an der Seite von Zita Johann machen diesen Film nach Ansicht von Filmhistorikern zu einem cineastischen Meisterwerk.

Ebenfalls 1932 arbeitete Boris Karloff erneut mit Regisseur James Whale zusammen und spielte in Das Haus des Grauens (The Old House) einmal ohne Maske die Hauptrolle. Dieser Film - auch wenn in Hollywood produziert - mixt auf sehr britische Art aus Horror, Krimi-Zutaten und einem Schuss trockenen Humors einen "Cocktail des Grauens mit Augenzwinkern": Als Diener einer vornehmen Familie und verlorener Sohn einer geisteskranken Sippe läuft Karloff im elterlichen Heim Amok und mutiert zum rasenden Pyromanen. In diesem nach einer literarischen Vorlage des britischen Theaterautors J.B. Priestley entstandenen Film hatte Regisseur Whale neben Karloff und Hollywood-Star Melvyn Douglas erneut auf ein Team britischer Charakterdarsteller gesetzt; vor allem Charles Laughton lieferte eine sehenswerte Charakterstudie ab. Nebendarsteller Raymond Massey sollte 1944 in dem Film Arsen und Spitzenhäubchen als Verbrecher Jonathan Brewster mit dem Gesicht Boris Karloffs alias Frankensteins Monster Filmgeschichte schreiben.

Noch im gleichen Jahr schlüpfte Karloff für MGM hinter die Die Maske des Fu-Manchu (The Mask of Fu Manchu; Regie: Charles Brabin) und setzte in einer Art frühem James Bond-Verschnitt als schurkischer Asiate die Welt in Angst und Schrecken und Scotland Yard auf seine Fersen. Seine mit ihren Reizen nicht geizende Tochter Fah Lo See verkörperte Myrna Loy, die zwei Jahre später neben William Powell in der Kriminalkomödie Der dünne Mann in Hollywood auf ihrem weiteren Karriereweg durchstarten sollte.

Asiaten sollte Boris Karloff in den späten 1930er und frühen 1940er Jahren noch häufiger spielen - allerdings wieder in B-Filmen: In Gelbe Herrscher (West of Shanghai, 1937; Regie: James Farrow) mimte er 1937 einen chinesischen General und ab 1938 für das kleine, unabhängige Low Budget-Studio Monogram fünf Mal den Detektiv Mr. Wong - eine Art Charlie Chan nach einer seinerzeit in den USA populären Heftroman-Reihe, jeweils unter der Regie von William Nigh. Auch die forcierte Produktion dieser Filme hatte - wie immer in Hollywood - einen politischen Hintergrund: Nach der japanischen Eroberung der Manschurei, den wachsenden Expansionsgelüsten des Tennos seit Anfang der 1930er Jahre und den Kämpfen zwischen Nationalisten und Kommunisten in China wurde die klischeehaft beschworene "gelbe Gefahr" à la Fu-Manchu von der US-amerikanischen Bevölkerung zunehmend als Bedrohung empfunden. In den als liebenswert, pfiffig und westlich zivilisiert gezeichneten Detektiven Chan und Wong wurde ein Gegengewicht geschaffen, was abgesehen vom Unterhaltungswert auch Solidarität mit den rassistischen Anfeindungen ausgesetzten US-Bürgern asiatischer Herkunft ausgedrücken sollte.

Frankensteins Braut

1935 stand Karloff ein zweites Mal als Frankensteins Monster vor der Kamera: Frankensteins Bride ("Frankensteins Braut") unter der Regie wiederum von James Whale mit Elsa Lanchester in der Titelrolle wird inNachschlagewerken zum Genre des Horrorfilms als bester Frankenstein-Film überhaupt und einer der Höhepunkte in Bors Karloffs Schaffen bezeichnet. Der Film gilt nicht nur als einer der besten Filme seines Genres, sondern des Hollywood Kinos der 1930er Jahre überhaupt: Anders als im ersten Frankenstein-Film sogar ein wenig sprechend, gelingt dem Schauspieler durch sein trotz entstellender Maske beredtes Mienenspiel, sparsam gesetzte Gesten und eine anrührende Deutung des von Menschenhand geschaffenen Monsters als tragisch Liebender eine beachtliche Charakterstudie von Rang. Maskenbildner Pierce hatte die Monster-Erscheinung bewusst weniger verfremdend gestaltet und die echten Züge des Karloffschen Gesichts stärker durchscheinen lassen.

Zur authentischen Atmosphäre des Films trug auch bei, dass der Engländer James Whale zumindest in den Hauptrollen und einigen der größeren Nebenrollen ein fast rein britisches Team um sich scharte: Karloff, Colin Clive (wie im ersten Film der Reihe als Dr. Frankenstein), Ernest Thesiger (als Dr. Praetorius), Elsa Lanchaster (in einer Doppelrolle als Shelley und Monsterbraut) waren Engländer, C.C. Clive (als Burgvogt) Waliser, Valerie Hobson (als Elizabeth Frankenstein) und Una O´Connor Nordirinnen.

Die schwarze Katze, Der Rabe und andere Filme

Im historischen Rückblick gelten die 1930er Jahre als die künstlerisch fruchtbarsten des Schauspielers Boris Karloff. Fünf Mal stand er in dieser Zeit mit Bela Lugosi vor der Kamera: In Die schwarze Katze (The Black Cat) - sehr frei nach Motiven von Edgar Allan Poe - spielte er 1934 unter der Regie des Österreichers Edgar G. Ulmer vor ungarischer Kulisse einen finsteren Architekten und Satanspriester, Lugosi einen Schach spielenden Edelmann und Katzenphobiker. Der in nur 15 Tagen abgedrehte Low Budget-Film wurde für Universal zum Kassenschlager des Jahres, fiel aber bei der Filmkritik vor allem wegen des kruden Drehbuchs durch.

In dem im selben Jahr produzierten Streifen The Gift of Gab (Kein deutscher Verleihtitel; Regie: Karl Freund) haben beide Horror-Stars nicht angekündigte Kurzauftritte, sogenannte Cameos: Lugosi als Tangotänzer, Karloff als Phantom. Die weibliche Hauptrolle in dieser temporeichen Burleske mit viel Musik hatte die damals 24jährige, noch heute hochbetagt im Filmgeschät tätige Gloria Stuart inne.

Eine größere Aufgabe hatten Lugosi und Karloff in dem Film Der Rabe (The Raven) zu bewältigen - kurz nach Frankensteins Braut von Regisseur Lew Landers sehr frei nach Motiven wieder einmal von E.A. Poe für Universal gedreht. Filmkritikern gilt dieser sehr düstere Film um einen verrückten Neurochrirurgen und Poe-Enthusiasten (Lugosi) und seinen willigen Gehilfen, einen gesuchten Verbrecher (Karloff), als einziger der in den 1930er Jahren von den Universal Studios produzierten Horrorfilme ohne jeden Anflug von Humor. Lugosi beherrscht verbissen und raumgreifend die Leinwand, Karloff assistiert ihm in seiner bekannt knappen Manier. Der manisch agierende Ungar und der eher mit Understatement spielende Brite ergänzten sich wieder einmal perfekt. Der Film bekam allerdings Probleme mit Zensurbehörden wegen angeblich Sado-Masochistischer Szenen im hauseigenen Folterkeller und wurde in Großbritannien verboten.

1936 standen die Beiden - zumindest in diesem Jahrzehnt und für die Universal Studios - zum letzten Mal gemeinsam vor der Kamera: In Unsichtbare Strahlen (The Invisible Ray; Regie: Lambert Hillyer) übernahmen sie die Hauptrollen als zwei zwielichtige Wissenschaftler in einem Mystery-Film um geheimnisvolle Strahlen aus dem Weltall.

Ein weiterer bekannter Film Karloffs aus dieser Zeit ist der 1939 entstandene Film Der Henker von London (Tower of London), ein historischer Horrorfilm nach Motiven von William Shakespeare. Unter der Regie von Rowland V. Lee verkörpert Karloff neben u.a. Basil Rathbone einen Henker als personifizierter Tod. Filmhistoriker deuten diesen Film als Anspielung auf die realen Schrecken des Faschismus in Europa und des sich anbahnenden Krieges.

Frankensteins Sohn und das Ende der klassischen Horror-Ära

Ein dritter und letzter Film aus der Frankenstein-Reihe mit Boris Karloff war kurz zuvor im selben Jahr Frankensteins Sohn (Son of Frankenstein; Regie: Rowland V. Lee) gewesen. Ein in diesem Film nach Meinung der zeitgenössischen Filmkritik überragender Bela Lugosi als verschlagener, Schmied Ygor spielt, bucklig, bärtig und zerzaust, des Monsters besten Freund und seinen Erwecker aus dem Koma. Der Film gilt von der Inszenierung her als der schwächste der drei Frankenstein-Filme mit Boris Karloff - sowohl was das Drehbuch als auch die Regiearbeit betrifft. Gelobt wurden von Filmkritikern neben Bela Lugosis Spiel vor allem die Kameraführung, das souveräne Spiel mit Licht und Schatten und die Bauten des alteuropäisch-düsteren Szenarios. Karloff als Monster hat, da zunächst im Koma, über weite Strecken des Films nichts zu tun und ist - anders als in Frankensteins Braut - wieder durchgehend stumm. Im letzten Drittel agiert er nach Wiedereweckung durch Ygor/Lugosi in gewohnt routinierter Manier.

Der Film stand unter keinem guten Stern: Die Laemmles hatten die Universal Studios an neue Besitzer verkauft, Regisseur James Whale stand nicht mehr zur Verfügung und Dr. Frankenstein-Darsteller Colin Clive war zwei Jahre zuvor an den Folgen seiner Alkoholsucht gestorben; die Rolle des Frankenstein bzw. dessen Sohnes Wolf übernahm nun der gebürtige Südafrikaner Basil Rathbone, bekannt für die Verkörperung des „eleganten Schurken“. Der Brite Lionel Atwill, Typenschauspieler u.a. für Kriminalermittler, spielt einen Polizeiinspektor mit Holzhand, der Frankenstein und Co. das Handwerk legen soll. Doch selbst die Riege solide spielender Schauspieler konnte den Film bei Publikum und Kritik nicht retten. Danach war Boris Karloff nicht mehr bereit, einen vierten Frankenstein-Film zu drehen. Nur einmal sollte er - sieben Jahre vor seinem Tod - seinem Vorsatz untreu werden: In der Halloween-Episode Lizard´s Leg and Owlet´s Wing der Serie Rout66 trat er 1962 in seinem alten Kostüm auf.

Mit der Dekade der 1930er Jahre und dem beginnenden Zweiten Weltkrieg ging in Hollywood auch die Zeit der Horrorfilme um Monster, Vampire und Mumien in alteuropäischen Kulissen allmählich zu Ende. Die realen Schrecken der Zeit verlangten nach anderen, pseudo-realistischen Plots auch im Unterhaltungskino. Boris Karloff verlegte sich in den kommenden Jahren vornehmlich auf die Darstellung verrückter Wissenschaftler und psychisch gestörter, verbrecherischer Intellektueller; mehrheitlich waren es wieder B-Filme.

Die 1940er und 1950er Jahre

The Body Snatcher und andere Filme

In den 1940er und 1950er Jahren drehte Karloff eine große Anzahl heute zumeist vergessener Filme. Vor allem während der Zeit des 2. Weltkrieges war er oft in Rollen als wahnsinniger Professor, der eine Art "Übermensch" erschaffen will, zu sehen. Ein Beispiel dafür ist der 1942 entstandene Film The Boogie Man will get you (kein deutscher Verleihtitel; Regie: Lew Landers) an der Seite des ungarischen Emigranten Peter Lorre, der die Regie der Horror-Stars ab den 1940er Jahren in Hollywood verstärken sollte.

Zu Beginn der Dekade war Boris Karloff erneut mit Bela Lugosi in dem Film You´ll find out, Alternativtitel Here come the Boogie Men (Kein deutscher Verleihtitel) aufgetreten, diesmal produziert von RKO, in den 1940er Jahren unter Chefproduzent Val Lewton das führende Studio für Horror- und Mystery-Filme. Diesmal treiben die beiden Horror-Stars unter der Regie von David Butler makabre, mit viel Musik garnierte Späße um einen zwielichtigen Richter (Karloff) und ein verrücktes Medium (Lugosi) - assistiert von Peter Lorre als intellektuellem Psychologen. Der als Mystery-Komödie angelegte Streifen kam beim Publikum nicht sonderlich an: Die Horror-Stars Karloff und Lugosi waren in keiner einzigen Szene gemeinsam zu sehen und konnten ihre schauspielerischen Trümpfe als sich ergänzendes Film-Paar nicht ausschöpfen.

Universal betrieb 1944 endgültig den Kehraus seiner Monster und Horrorfiguren klassischen Zuschnitts: In The House of Frankenstein (kein deutscher Verleihtitel; Regie: Erle C. Kenton) nach einer Erzählung von Curt Siodmak stellt Boris Karloff als wahnsinniger Professor Niemann die alten Helden des Horrorfilms wie den Werwolf und Dracula als gruselige Witzfiguren im Panoptikum aus, assistiert von Lon Chaney jr., John Carradine (als Dracula) und dem bewährten Lionel Atwill; Bela Lugosi ist diesmal nicht mit von der Partie.

Nur wenige der in den 1940er Jahren mit Boris Karloff entstandenen Filme wurden in Farbe gedreht, obwohl das Technicolor-Verfahren bereits seit Mitte der 1930er Jahre in Hollywood zunehmend Verwendung fand. Noch bis Ende der 1950er Jahre waren vor allem seine Horrorfilme schwarzweiß, was der morbiden Stimmung dieser Werke entgegen kam. Der erste, wenig erfolgreiche Farbfilm mit Boris Karloff aus dieser Zeit war 1944 The Climax (kein deutscher Verleihtitel; Regie: George Waggner) mit u.a. Susanna Foster und Gale Sondergaard. In diesem im Wiener Opernmilieu spielenden Thriller spielt Karloff zur Abwechslung einmal eine elegante Frack-Rolle als aus Eifersucht mordender Arzt.

Aus der Fülle der zumeist im B-Bereich angesiedelten Filme dieser Karloff-Dekade ragt vor allem der in Schwarzweiß gedrehte Der Leichendieb (The Body Snatcher; Regie: Robert Wise) heraus, (1945) bereits nach einer Erzählung von Robert Louis Stevenson von Val Lewton produziert. In dieser düsteren Geschichte um medizinische Experimente an Leichen im 19. Jahrhundert spielt Karloff den verschlagenen, im Laufe des Films zum Mörder werdenden Leichendieb Gray, der skrupellose Operateure und Pathologen mit frischem „Nachschub“ versorgt; Partner ist noch einmal Bela Lugosi, diesmal nur in einer Nebenrolle als tumber Hausbesorger Joseph. Am Schluss tötet Karloff/Gray den betrunkenen Joseph/Lugosi, indem er ihn mit bloßer Hand erstickt. Es sollte der letzte gemeinsame Auftritt der beiden Horrorstars sein.

Zwei weitere qualitativ beachtliche Filme aus der RKO-Horror-Schmiede dieser Zeit mit Boris Karloff in der Hauptrolle sind Die Todesinsel (Isle of the Dead, 1945) und Bedlam (kein deutscher Verleihtitel, 1945), jeweils unter der Regie von Mark Robson. Im ersten Film, angesiedelt in der Zeit der Balkankriege 1912-1913, spielt Karloff einen griechischen General, Kopf eines auf einer einsamen Insel gestrandeten Häufleins von Flüchtlingen. Filmpartner sind u.a. Ellen Drew und der aus Deutschland emigrierte Bühnenstar Ernst Deutsch. In dem sehr düsteren, atmosphärisch dichten Film, der neben den Schrecken des Krieges auch die Folgen einer isoliert lebenden Zwangsgemeinschaft für die menschliche Psyche thematisiert, agiert Karloff als allmählich dem Wahnsinn verfallenden Nikolas Pherides einmal nicht als bösartigen Täter, sondern als Opfer.

In Bedlam hingegen, einem Mystery-Drama um das bis in die 1930er Jahre hinein real existierende Londoner Irrenhaus gleichen Namens, verkörpert er wie gehabt neben u.a. Anna Lee einen sadistisch veranlagten Anstaltsleiter. Der Schwarzweißfilm zeichnet ein trostloses Bild der Zustände in britischen psychiatrischen Anstalten alten Zuschnitts.

Keine Hauptrolle hingegen war für Boris Karloff in dem 1947 herausgebrachten Film Angelockt (Lured) unter der Regie von Douglas Sirk vorgesehen: Seinen 5-Minuten-Auftritt als exzentrischer Modeschöpfer neben Stars wie Lucille Ball, George Sanders und Charles Coburn gestaltete er jedoch nach Meinung der Filmkritik als kleines, aber feines Kabinettstückchen der Schauspielkunst.

Gegen Ende dieser Dekade sieht das Publikum Boris Karloff im Vergleich zu früheren Jahren eher selten auf der Leinwand, zwar auch neben großen Stars und unter bekannten Regisseuren, aber in unbedeutenden Rollen. Zweimal verkörpert er in dieser Zeit einen Indianerhäuptling : 1947 in dem Western Die Unbesiegten (The Unconquered) mit Cary Cooper und Paulette Goddard (Regie: Cecil B. DeMille), 1948 unter der Regie von George Marshall in Tal der Leidenschaft () neben Van Heflin, Susan Hayward und Julie London.

Einen der Tiefpunkte seiner Filmkarriere erlebte der alternde Horror-Darsteller Karloff in den späten 1940er und den 1950er Jahren. Nach eigener Einschätzung und nach einhelliger Meinung von Filmhistorikern gehören die Klamauk-Horrorfilme mit den Komikern Bud Abbott und Lou Costello wie Abbott und Costello meet the Killer, Boris Karloff (1949) mit zum Schlechtesten, was Karloff in dieser Zeit gedreht hat. Heute gibt es allerdings Liebhaber des Trash-Genres, die vor allem diese in Farb gedrehten Filme wegen der Ironisierung des Horrorfilm-Genres besonders schätzen.

Fernseharbeit - Von Heart of Darkness und Sleepy Hollow bis zu Inspector March

In dieser Zeit schuf sich der Schauspieler ein zweites Standbein vor allem im noch jungen Fernsehen. Er war häufiger Gast der vor allem in den 1950er Jahren populären Fernsehshows bekannter Gesangsstars wie der Dinah Shore-Show und der Rosemary Clooney-Show.

Das US-amerikanische Fernsehen war in diesen Jahren noch stark an Theater und Literatur orientiert und produzierte anspruchsvolle Literaturverfilmungen bzw. Visualisierungen von Theaterstücken. Dazu gehörte vor allem auch die mit dem Golden Globe ausgezeichnete Reihe Playhouse 90 (1956-1961). In der Inszenierung Heart of Darkness nach Joseph Conrad verkörperte Boris Karloff den Colonel Schultz neben Roddy McDowall als Marlow, Oskar Homolka als Doctor und Eartha Kitt als Queen, siehe Szenenfotos [7]. Karloff bezeichnete diese Rolle als eine der wichtigsten seines Lebens; Jahre später sollte Marlon Brando in Apocalypse Now mit ihr Filmgeschichte schreiben. Conrad war einer der Lieblingsautoren des als sehr belesen geltenden Boris Karloff, der im privaten Kreis gelegentlich englische Lyrik vortrug.

Fernsehserien waren auch in den USA zu dieser Zeit noch nicht so dominierend wie in späteren Jahren. Beliebt waren sogenannte Reihen zu einem bestimmten Themenkreis: Bekannte Stars präsentierten regelmäßig als Gastgeber in sich abgeschlossene Episoden, in denen sie gemeinsam mit anderen Stars auftraten. Ein Beispiel dafür ist Shirley Temple´s Story Book (19158-1961): Darin verkörperte Boris Karloff in der Episode The Legend of Sleepy Hollow nach Washington Irving neben Shirley Temple als Katrina Van Tassel den Father Knickerbocker. In der 1999 mit Johnny Depp entstandenen Verfilmung durch Tim Burton übernahmen Christina Ricci und Christopher Lee die entsprechenden Rollen.

Als Gastgeber präsentierte der Horror-Star, nunmehr weißhaarig und als distinguierter Gentleman auftretend, 1958 neunmal die Mystery-Reihe Veil (deutsch: Schleier oder Vorhang), eine Art Vorläufer von Formaten wie der ein Jahr später gestarteten und weitaus popuäreren Serie Twilight Zone.

In seinem Heimatland England versuchte sich Boris Karloff 1956 als Ermittler in einer Krimiserie und spielte die Titelrolle in Colonel March of Scotland Yard nach einer Vorlage von John Dickson Carr. Die Serie, in der Karloff mit Tweedmantel und Augenklappe knifflige Fälle löst, siehe Szenenfoto und Episoden-Liste [8], wurde allerdings nach einem Jahr eingestellt.

Als Bühnenstar am Broadway - Arsen und Spitzenhäubchen und andere Stücke

Sehr erfolgreich arbeitete Boris Karloff als Bühnenschauspieler zwischen 1941 und 1956 am New Yorker Broadway: 1941 brillierte er in der Uraufführung der Kriminalkomödie Arsenic and Old Lace ("Arsen und Spitzenhäubchen") in einer Rolle, die Autor Joseph Kesselring ihm auf den Leib geschrieben hatte: als gesuchter Massenmörder Jonathan Brewster, für den ein alkoholisierter plastischer Chirurg namens Dr. Einstein versehentlich das Gesicht von Frankensteins Monster alias Boris Karloff geschaffen hatte, weil er während des Operierens einen Frankenstein-Film im Fernsehen gesehen hatte. Das Stück, mit dem Karloff mit einer anderen Theatertruppe auch auf Tournee ging, lief mit großem Erfolg drei Jahre lang am Broadway (über 1400 Vorstellungen), wurde bereits 1941 von Frank Capra verfilmt und kam erst nach Auslaufen der Theateraufführungen 1944 ins Kino - allerdings mit Raymond Massey in der Rolle des Jonathan, da Karloff nicht aus seinem Theatervertrag entlassen wurde.

Zweimal wurde die Kriminalkomödie für CBS inszeniert: !)$)

1955/56 stand er letztmalig am Broadway auf der Bühne - als Cauchon mit Partnerin Julie Harris als Johanna von Orleans in Die Lerche (The Lark) von Jean Anouilh, wofür er eine Tony Award-Nominierung erhielt. In einer Bühnenfassung von Peter Pan hatte er bereits 1950/51 - ebenfalls erfolgreich - neben Jean Arthur in der Titelrolle sowohl „den Bösen“ Captain Hook als auch „den Guten“ Mr. Darling verkörpert. Die Theaterstücke, in denen Karloff spielte, wurden auch für das US-amerikanischen Fernsehen aufgezeichnet und so einem breiteren Publikum zugänglich gemacht.

Mittlerweile war Karloff seit 1946 in fünfter Ehe mit der sechzehn Jahre jügeren Engländerin Evelyn Hope Helmore verheiratet (siehe Notiz in Time über die vierte - hier falsch als erste benannt - Scheidung und fünfte Eheschließung [9]), die bis zum Tod des Schauspielers 1969 an dessen Seite blieb.

Die 1960er Jahre und Tod in England

Fernseharbeit - Die Mystery-Reihe Thriller und Anderes

Im Fernsehen war Karloff vor zu Beginn dieser Dekade weiterhin als Gaststar in Shows und Fernsehserien wie Tennisschläger und Kanonen, Originaltitel I Spy (2. Staffel, Episode 22) zu sehen. Er präsentierte eine neue Mystery-Reihe namens Thriller (1960-1962) und übernahm anspruchsvolle Rollen in literarisch ambitionitierten Fernsehinszenierungen. So spielte er 1962 in einer Live-Aufzeichnung des Vier-Personen-Kriminalstücks Der Fall Paradine (The Paradine Case) neben Viveca Linfors, Richard Basehart und Robert Webber den Richter Lord Thomas Horfield - eine Rolle, die bereits 1948 Charles Laughton in dem gleichnamigen Film von Alfred Hitchcock verkörpert hatte.

Zunehmende Krankheit und

Das Gehen und Agieren vor der Kamera viel dem über 70jährigen immer schwerer: Das Rückenleiden hatte sich verschlimmert, hinzugekommen war eine starke Arthritis, die den Schauspieler beim Drehen immer wieder in den Rollstuhl zwang. Dennoch übernahm er noch bis kurz vor seinem Tod 1969 Rollen in nicht nur US-amerikanischen, sondern auch britischen, italienischen und mexikanischen Produktionen. Darunter finden sich Kurzauftritte in Klamaukfilmen wie Bikini Beach (1964) ebenso wie eine Hauptrolle als Vampir in dem Episodenfilm Die drei Gesichter der Furcht (I tre volti della paura, 1963) unter der Regie des italienischen Horror-Spezialisten Mario Brava.

Auch mit deutschen Filmstars spielt Karloff einmal in einer US-amerikanischen Produktion zusammen: In dem Spionagestreifen Mitternacht Canale Grande (The Venetian Affair) von 1967 spielt er neben Elke Sommer, Karlheinz Böhm und Hauptdarsteller Robert Vaughn wieder einmal mehr einen zweilichtigen "Doktor".

Seine letzte britische Produktion ist 1968 Schwarze Messe auf blutrotem Altar, auch Die Hexe des Grafen Dracula (The Curse of the Crimson Altar) mit dem britischen Dracula-Star Christopher Lee und Barbara Steele; weiblicher Star ist Barbara Steele, in den 1960er Jahren "Vampirette" in einigen italienischen Trash-Filmen dieses Genres.

Comeback mit Roger Corman und Jacuqes Tourneur - Von Der Rabe bis Komödie des Grauens

Der Regisseur und Produzent Roger Corman - heute Kult als Erneuerer des B-Films - holte Karloff 1963 noch einmal für einen Film vor die Kamera, der zu einem Meilenstein im wieder aufblühenden Horrorkino der 1960er Jahre werden sollte: Der Rabe - Duell der Zauberer (The Raven), inspiriert durch das gleichnamige Gedicht von Edgar Allan Poe. Neben dem neuen Horror-Star Vincent Price, Peter Lorre und dem jungen Jack Nicholson gibt Karloff einen bösartigen Meister der Schwarzen Magie. Der 24 Jahre jüngere Price war einer der führenden Horror-Stars vor allem der 1960er und frühen 1970er Jahre, Jack Nicholson sollte seit den 1970er Jahren zum Darsteller dämonischer Charakterfiguren reifen.

Ein weiterer Film mit Karloff und Nicholson, der 1964 von Corman produziert wurde, ist The Terror - Schloss des Schreckens (The Terror). Er gilt unter Filmhistorikern als weniger gelungen. In diesem Kostümfilm, angesiedelt in napoleonischer Zeit, spielt Karloff einen deutschen Baron mit düsterem Geheimnis, Nicholson einen französischen Offizier. Als Regisseure dieses Streifens, der weniger durch Horror als durch unfreiwillige Komik geprägt ist, durften sich außer Altmeister Corman neben anderen auch Jungschauspieler Nicholson, der Trash-Regisseur Jack Hill und der 25jährige Anfänger Francis Ford Coppola versuchen.

1964 agierte Karloff noch einmal mit Lorre und Price in einer Kriminalkomödie unter der Regie von Jacques Tourneur, Komödie des Grauens bzw. Ruhe sanft GmbH (The Comedy of Terrors, auch The Graveside Story). Die bewährten Stars, unterstützt von Basil Rathbone, mimen eine Bestatterfamilie in Finanznöten, die sich auf unkonventionellen Wegen neue "Kundschaft" beschafft; Karloff ist Price´s sehr seltsamer Schwiegervater. Die schwarze, mit Slapstick-Einlagen garnierte Komödie des gebürtigen Franzosen Tourneur, unter dessen Vater Maurice Karloff bereits in den 1920er Jahren gedreht hatte, gilt unter Kennern neben den Filmen von Roger Corman als Kabinettstückchen des Horrorfilm-Genres dieser Dekade.

Letzte Rollen in mexikanischen Trash-Filmen

Einige seiner schlechtesten Filme überhaupt, vier in Mexiko produzierte Horror-Reißer, kamen erst nach dem Tod des Schauspielers 1970 bis 1972 auf den Markt. "Vater", Haupt-Drehbuchautor und -Regisseur dieser Filme ist Jack Hill, der die Szenen mit Karloff in Kalifornien drehte. Der Schauspieler ist darin sichtlich gealtert und gebrechlich, spielt verkrüppelte und blinde Verbrecher und agiert weitgehend im Sitzen. Karloff ist einer der wenigen Nicht-Mexikaner dieser Filmen. In einigen davon, so im letzten namens Folter (The Fear Chamber, ed. 1972), spielt die weibliche Hauptrolle der mexikanische Bühnen- Film- und Fernsehstar Julissa.

Der Schwanengesang - Targets/Bewegliche Ziele unter Peter Bogdanovich

Boris Karloffs letzte und für Filmfreunde und -historiker beste Filmrolle überhaupt war die des Byron Orlok in Peter Bogdanovichs Bewegliche Ziele von 1968. Als ehemaliger Stummfilmstar, der mit seinem festgelegten Image als Schauspieler hadert, will ihn ein junger Regisseur und Drehbuchautor (Bogdanovich) für ein spätes Comeback vor die Kamera holen. Während er durch Zufall den Weg eines durchgeknallten Snipers kreuzt und den stillen Kampf gegen ihn aufnehmen muss, reflektiert der Schauspieler sich und seine Rolle in der Geschichte Hollywoods mit leiser Melancholie. Der Film zitiert Filme mit Boris Karloff und beginnt mit einem Auschnitt aus dem vier Jahre zuvor entstandenen Roger Corman-Film Terror. Während sich Regisseur und Star später in dessen Hotelzimmer betrinken, läuft im Fernsehen Hawks Strafgesetzbuch mit Boris Karloff in einer seiner wenigen Charakterrollen in einem Nicht-Horrorfilm unter einem renommierten Regisseur - nur wenige Fime vor dem im selben Jahr entstandenen Frankenstein. Vielleicht geben der Regisseur und sein Star hier einen Hinweis auf den Weg, den der Schauspieler selber gerne weiter gegangen wäre und der ihm letztendlich im Film - nicht im Fernsehen und auf der Bühne - verwehrt blieb.

Karloff selber bezeichnete kurz vor seinem Tod diese Rolle - neben Colonel Kurtz in Herz der Finsternis - als die beste seines Lebens. Für den Anfänger Peter Bogdanovich, der in dem Film bedeutete dieses für eine Low Budget-Produktion von der Kritik viel beachtete Werk den Eintritt in den A-Bereich von Hollywood. Für Boris Karloff war es eine Art künstlerischer "Schwanengesang": Die Dreharbeiten konnte der mittlerweile todkranke Mime nur noch mit Hilfe des Rollstuhls und eines Sauerstoffgeräts bewältigen: zu dem Rückenleiden war ein Emphysem hinzugekommen.

Tätigkeit als Sprecher - Vom Grinch bis zu Märchen

In den 1960er Jahren hatte Karloff seine markante Stimme auch verstärkt für Synchronarbeiten, Radioproduktionen und Schallplattenaufnahmen eingesetzt. In dem bis heute im US-Weihnachts-Fernsehprogramm beliebten Zeichentrickfilm How the Grinch Stole Christmas (1966), der ersten Grinch-Verfilmung überhaupt, lieh er der Hauptfigur seine Stimme. Ein Jahr später entstand Frankensteins Monster Party (Mad Monster Party), ein Puppenfilm von Jules Bass. Darin versammelt Baron Boris von Frankenstein mit der Stimme von Boris Karloff noch einmal alle "Helden" des Horrorfilms - vom Werwolf bis zum Vampir - zu einer schrägen Abendgesellschaft auf sein Schloss. Der amüsante Puppenfilm, der in Zügen an die Muppet Show erinnert, ist ein augenzwinkernder Abgesang auf das Horrorkino klassischen Stils, das es in dieser Form Ende der 1960er Jahre bereits nicht mehr gab.

Karloff las auch regelmäßig im Radio Gute-Nacht-Geschichten für Kinder vor und produzierte Schallplatten, auf denen er Märchen und Erzählungen, u.a. von Rudyard Kipling, vorlas. Diese Aufnahmen sind im englischsprachigen Raum bis heute beliebt und als Hörbücher erhältlich.

Letzte Jahre in England

Nach Beendigung der Dreharbeiten für einen letzten Fernsehfilm und die bereits genannten mexikanischen Trash-Filme zog Karloff mit seiner Ehefrau zurück in seine Heimat England, wo er seit 1966 ein Haus in London, Stadtteil Kensington besaß. Dort lebte er wie ein englischer Gentleman, arbeitete im Garten, ging zum Cricket und züchtete Hunde. Die Umstellung vom kalifornischen Klima auf das nassfeuchte in England bekam dem lungenkranken Schauspieler jedoch auf Dauer nicht: Am 10. Februar 1969 starb Boris Karloff in einem Krankenhaus in Midhurst, Sussex an den Folgen einer Lungenentzündung. Kremiert und beigesetzt wurde er im berühmten Guildford Crematorium in Godalming, Surrey.

Nachwirkung

Obwohl der Schauspieler in seinem mehr als fünfzig Jahre dauernden Berufsleben in den unterschiedlichsten Rollen in Film und Fernsehen sowie auf der Bühne zu sehen war, wird er bis heute in der öffentlichen Wahrnehmung vor allem in Europa vornehmlich auf „Frankensteins Monster“ reduziert. Hinter dieser Figur, die er nur drei Mal im Film verkörperte, verschwand die menschliche Gestalt des Boris Karloff alias William Henry Pratt nahezu vollständig. Der kantige Monsterkopf mit dem traurig-leeren Blick wurde zu einer Ikone des surrealen Horrors und machte Karloff unsterblich. Bereits 1938 war die Monstermaske zum Symbol der großen Surrealismus-Ausstellung in Paris geworden.

Ein Original-Filmplakat zum ersten Frankenstein-Film von 1931 mit Karloff in der Monstermaske wurde 1994 auf einer Auktion für 198.000$ versteigert - die höchste Summe, die jemals ein Original-Filmplakat auf einer Auktion erzielt hat.

Auch auf den drei Briefmarken mit Karloffs Konterfei, die die US-Bundespost bisher herausgab, ist der Schauspieler nur maskiert zu sehen: 1997 in der Reihe Famous Movie Monsters jeweils als Frankensteins Monster und als Ganzkörper- bandagierter Untoter in Die Mumie; 2003 in der Reihe American Filmmaking: Behind the Scenes (mit Maskenbildner Pierce, der ihm gerade die Maske anpasst).

Künstlerische Porträts des Menschen Boris Karloff alias William Henry Pratt ohne Maske sind in der National Portrait Gallery in London zu sehen: eine Kohlezeichnung von Nicolai Fechin aus den 1930er Jahren sowie jeweils eine Fotografie von Yousuf Karsh und Ben Pinchot aus den 1940er Jahren, siehe [10]

1962 widmeten die Musiker Bobby "Boris" Pickett and The Crypt-Kickers Boris Karloff ihren - einzigen - Nummer 1-Hit The Monster Mash, heute ein allseits bekannter Halloween-Song in den USA, sie Songtext [11]. Karloff liebte das Lied nach eigener Aussage und sang es auch einmal in einer Fernsehshow, siehe Interview mit Pickett [12].

An dem Wohnhaus der Familie Pratt (ob es wirklich, wie dort zu lesen steht, Karloffs Geburtshaus ist, oder nicht eher ein anderes im nahe gelegenen Camberwell, bleibt umstritten) in East Dulwich, Southwark, London - heute ein eher ärmere, vornehmlich von Migranten bewohnte Gegend - erinnert eine Gedenktafel an Boris Karloff, siehe Link [13]. Eine weitere Gedenktafel befindet sich in der St. Pauls Church (Actor´s Church) in Covent Garden, London. Eine dritte befindet sich im Garden of Remembrance ("Garten der Erinnerung"), 2. Abt., am Ort seiner Beisetzung in Surrey.

Boris Karloff hat zwei Sterne auf dem Hollywood Walk of Fame (1735 Vine Street und 6664 Hollywood Blvd.).

In der 1998 entstandenen Filmbiografie Gods and Monsters von Bill Condon über den Frankenstein-Regisseur James Whale wird Boris Karloff von dem Schauspieler Jack Betts verkörpert.

In Filmenzyklopädien und -handbüchern wird vor allem Boris Karloffs herausragender Beitrag für das Genre des Horrorfilms in den Frankenstein-Filmen, in The Mummy, The Raven und nicht zuletzt Targets ausführlich gewürdigt. Eigenständige Biografien über den Schauspieler und Menschen sind rar - die wenigen in den USA erschienen Bücher über ihn wurden von Autoren aus dem Umfeld Sara Karloffs geschrieben und von ihr autorisiert, bei einem ist sie Mitautorin. Die geschäftstüchtige Tochter, die seit Anfang der 1990er Jahre Person, Namen und Erinnerung an ihren Vater mit der Firma Karloff Enterprises (TM) vermarktet, achtet sehr darauf, nur ein von ihr gebilligtes, rundum positives Bild ihres Vaters als kultivierter britischer Gentleman der Öffentlichkeit zu präsentieren. Auf Deutsch ist bislang keine Biografie über Boris Karloff erschienen.

Zusatzinformationen

Anekdoten

  • Während der Dreharbeiten zum ersten Frankenstein-Film 1931 hatte man im Produktionsteam die Befürchtung, die siebenjährige Marilyn Harris, die in der Rolle der kleinen Maria vom Monster in einen See geworfen werden sollte, würde durch Karloffs gruselige Maske und Kostüm zu sehr erschreckt werden, um die Szene spielen zu können. Als die versammelte Crew gemeinsam zum Drehort fahren sollte, lief Marylin vom Auto, mit dem sie fahren sollte, direkt hinüber zu dem "Monster" Karloff, nahm seine Hand und fragte: "Darf ich mit Ihnen fahren?" Sehr erfreut und in typischer Karloff-Manier erwiderte dieser: "Es wäre mir ein Vergnügen, Kleines." Und sie fuhr die ganze Strecke bis zum Drehort mit dem "Monster" in seiner Limousine". (frei übersetzt nach imdb, siehe Link)
  • Während der Dreharbeiten zu Boris Karloffs letztem Frankenstein-Film Frankensteins Sohn kam am 23. November 1938 - dem Geburtstag des Schauspieler - sein erstes und einziges Kind, Tochter Sara Jane, zur Welt. Der 51jährige frischgebackene Vater eilte - noch in voller Monster-Maske und -Kostüm - vom Set ins nahe gelegene Krankenhaus, um zum Entsetzen der Krankenschwestern das Neugeborene in Augenschein zu nehmen. Überliefert von Sara Karloff nach Erzählungen ihrer Eltern.

Zitate

  • "Mein liebes altes Monster. Ich verdanke ihm alles. Er ist mein bester Freund." (übersetzt nach classichorror)
  • "Wenn ein Schauspieler erst einmal so weit ist, dass er sich die Rollen aussuchen kann, dann hat er ein großes Problem, denn er weiß nie, welche Rolle für ihn am besten geeignet ist. Ich bin sicher, ich hätte einen verdammt guten Little Lord Fauntleroy abgegeben, aber wer hätte auch nur 10 Cent dafür bezahlt, mich in dieser Rolle zu sehen?" (übersetzt nach imdb, siehe Link)
  • "Als ich neun war, spielte ich den Dämonenkönig in Cinderella, und das war der Beginn eines langen und glücklichen Lebens als Monster." (übersetzt nach imdb, siehe Link)
  • Nach Bela Lugosis Tod: "Der arme alte Bela. Es war schon seltsam mit ihm. Er war ohne Frage ein scheuer, empfindsamer und begabter Mann, der in Europa hochwertiges klassisches Theater gespielt hatte. Aber er machte einen fatalen Fehler: Er unterzog sich niemals der Mühe, unsere Sprache richtig zu lernen. Er hatte wirklich Probleme mit dem Sprechen und Mühe, seine Drehbuchzeilen richtig auszusprechen und zu verstehen.“

Literatur

  • Cynthia Lindsay: The Life of William Henry Pratt A.K.A. Boris Karloff, Limelight Editions, USA 1995.
  • Scott Allen Nollen (mit Sara Jane Karloff): Boris Karloff. A Gentleman's Life, Midnight Marquee PR, 2005.
  • Claudius Weil, Fernand Jung und Georg Seeßlen: Art. Boris Karloff, in: Der Horrorfilm - Enzyklopädie des populären Films, Verlag Roloff und Seeßlen, Schondorf am Ammersee, 1977.
  • Kai Weniger: Art. Boris Karloff, in: Das große Personenlexikon des Films, Band 4, Schwartzkopf & Schwartzkopf, 2001.
Commons: Boris Karloff – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien