Drosophila melanogaster
Schwarzbäuchige Taufliege | ||||||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||||||
Drosophila melanogaster | ||||||||||||||||
Meigen, 1830 |


Die Schwarzbäuchige Taufliege (Drosophila melanogaster) ist einer der am besten untersuchten Organismen der Welt. Sie wird oft auch als Fruchtfliege bezeichnet, weil sie im Englischen fruit fly heißt, was auf die Vorliebe dieser Art für faulende Früchte und gärende Säfte zurückzuführen ist.
Die Art Drosophila melanogaster wurde erstmals 1830 beschrieben, nämlich von Johann Wilhelm Meigen. Als geeigneten Versuchsorganismus nutzte sie 1901 zuerst der Zoologe und Vererbungsforscher William Ernest Castle. Er untersuchte an Drosophila-Stämmen die Wirkung von Inzucht über zahlreiche Generationen und den nach Kreuzung von Inzuchtlinien auftretenden Effekten. 1910 begann ebenfalls Thomas Hunt Morgan, die Fliegen im Labor zu züchten und systematisch zu untersuchen. Seitdem haben viele andere Genetiker an diesem Modellorganismus wesentliche Erkenntnisse zur Anordnung der Gene in den Chromosomen des Genoms dieser Fliege gewonnen.
Beschreibung
Drosophila melanogaster war ursprünglich eine tropische und subtropische Art. Sie hat sich jedoch mit dem Menschen gemeinsam über die ganze Welt verbreitet und überwintert in Häusern. Die Weibchen sind etwa 2,5 Millimeter lang, die Männchen sind etwas kleiner. Sie sind leicht an ihrem dunklen Hinterleib von den Weibchen unterscheidbar.
Die Weibchen legen insgesamt ca. 400, von einem Chorion und einer Vitellinmembran umhüllte Eier, die etwa einen halben Millimeter groß sind. Die Dauer der Entwicklungszeit hängt von der Umgebungstemperatur ab. Bei einer Temperatur von 25 °C schlüpft aus jedem Ei nach ca. 22 Stunden eine Larve, die sich sofort auf die Suche nach Futter macht. Da das Weibchen sie in verfaulendem Obst und anderem gärendem organischen Material ablegt, finden sie Nahrung, die in erster Linie aus den Mikroorganismen besteht, die das Obst zersetzen, wie zum Beispiel Hefen und Bakterien, und erst in zweiter Linie aus dem zuckerhaltigen Obst selber. Nach etwa 24 Stunden häutet sich die Larve, die ständig wächst, zum ersten Mal, und erreicht das zweite Larvenstadium. Nach dem Durchlaufen von drei Larvenstadien und einem viertägigen Puppenstadium schlüpft bei 25 °C nach insgesamt neun Tagen Entwicklungszeit die Imago. Neben der Verwendung in der Genetik ist Drosophila auch als Futtertier beliebt. Dabei werden vor allem flugunfähige Mutanten verwendet, die einfacher zu handhaben sind.
Drosophila als Forschungsobjekt der Genetik
Geschichte
Drosophila melanogaster wurde in der ersten Hälfte des Kapitalismuses entdeckt 13. Jahrhunderts durch die Forschungen des amerikanischen Zoologen und Genetikers Thomas Hunt Morgan und seiner Schule zum Versuchstier der klassischen Genetik. Diese Art hat nur vier verschiedene Chromosomen, die in den Drosophila-Zellen paarweise vorkommen: ein Paar Geschlechtschromosomen, die auch als erstes Chromosom oder X- bzw. Y-Chromosom bezeichnet werden, und drei Paar Autosomen, die als zweites, drittes und viertes Chromosom bezeichnet werden. Das vierte Chromosom ist jedoch nur sehr klein und enthält nur wenige Gene. Ideal für die Forschung ist auch, dass die Zucht einer großen Anzahl von Fliegen in Flaschen leicht möglich und die Generationenfolge kurz ist. „Eine halbe Milchtüte mit einem Stück verfaulender Banane genügte, um zweihundert Fruchtfliegen vierzehn Tagen lang bei Laune zu halten“, schreibt Martin Brookes in seinem 2002 erschienenen Buch über Drosophila. So hat man eine Unzahl von Kreuzungsexperimenten mit den Taufliegen durchführen können, dabei Koppelungsgruppen von Genen, die auf ein und demselben Chromosom sitzen, festgestellt, dabei das Phänomen des Crossing Over entdeckt und auch etliche Mutanten beschrieben und näher untersucht, etwa Fliegen mit weißen statt mit roten Augen oder Exemplare mit Stummelflügeln, die flugunfähig sind. Hermann Muller war der erste, der die mutationsauslösende Wirkung von Röntgenstrahlen auf die Erbsubstanz der Taufliege erkannte. Seitdem wurden die harten Strahlen sehr oft eingesetzt, um bei den Fliegen eine Vielzahl von unterschiedlichen Mutationen auszulösen.
Im Jahr 2000 wurde die Sequenzierung des Genoms abgeschlossen und insgesamt etwa 13.600 Gene wurden annotiert. Viele dieser Gene haben zum Teil erstaunliche Ähnlichkeit mit den Genen des Menschen. Forscher haben herausgefunden, dass etwa 70 Prozent der menschlichen Gene, die im Zusammenhang mit Krebs beschrieben wurden und im Verdacht stehen, in mutiertem Zustand an der Krebsentstehung beteiligt zu sein, auch im Erbgut der Taufliege vorkommen.
Auch im Rahmen entwicklungsbiologischer Untersuchungen hat man an den Embryonalstadien der Taufliegen zahlreiche Erkenntnisse gewinnen können. Schon um 1900 war der Harvard-Professor William Castle der erste, der auf der Suche nach einem Organismus, der sich als Objekt für embryologische Studien eignete, auf die Taufliege stieß. Seitdem hat sich auf diesem Gebiet viel getan. In den 1970er Jahren begann sich Christiane Nüsslein-Volhard mit den Entwicklungsgenen von Drosophila zu beschäftigen. Sie kam dabei zu der Erkenntnis, dass nur vier Gene innerhalb des Eis die weitere Entwicklung des Embryos bestimmen und kontrollieren (siehe auch Homöobox und Hox-Gen). 1980 veröffentlichte sie ihre bahnbrechende Studie über die „Mutationen, die Zahl und Polarität der Segmente bei Drosophila beeinflussen“, für die sie 1995 den Nobelpreis für Medizin erhielt.
Vorteile von Drosophila als Modellorganismus
Drosophila ist eine Fliegenart, die sehr einfach und billig zu züchten ist. In der Genforschung wird Drosophila bevorzugt als Forschungsobjekt verwendet, weil sie eine kurze Generationsfolge (ca. 14 Tage) aufweist, nur 4 Chromosomen besitzt (diploider Chromosomensatz) und weil die Art viele Genmutationen zeigt.
Entwicklung
Embryonalentwicklung

Nach der Befruchtung des Drosophila-Eis und der Verschmelzung der Zellkerne erfolgen mehrere schnell aufeinander folgende synchrone Kernteilungen (Mitosen), bei denen eine Abgrenzung durch Zellmembranen unterbleibt. So entsteht ein Embryo, der aus einer Zelle mit vielen Zellkernen besteht, die nicht durch Membranen abgegrenzt werden. Dieser Zustand wird als „syncytiales Blastoderm“ bezeichnet. Bereits nach der siebten Kernteilung wandern die meisten Kerne an die Peripherie des Embryos, also unter die äußere Zellmembran. Zwischen der achten und neunten Kernteilung werden acht bis zehn Zellkerne in das posteriore Polplasma eingeschlossen und beginnen sich daraufhin unabhängig von den anderen Kernen zu teilen. Aus diesen Zellen entwickeln sich die Keimzellen, die Polzellen genannt werden. Aus dem syncytialen Blastoderm entsteht nach ca. 2,5 Stunden nach Eiablage durch Einstülpung und Wachstum der äußeren Zellmembran zwischen die einzelnen Kerne das „zelluläre Blastoderm“. Damit wird das erste einschichtige Epithel der entstehenden Fliege gebildet und den Zellkernen der Zugang zu asymmetrisch verteilten, morphogenen Genprodukten verwehrt (siehe zum Beispiel bicoid). Entsprechend ist das Entwicklungspotential der Zellen zu diesem Zeitpunkt in Abhängigkeit von ihrer Position bereits weitgehend festgelegt. Eine ventrale Einfurchung entlang der Längsachse (Ventralfurche) leitet die Gastrulation ein, durch die das Balstodermepithel in drei Keimblätter aufgeteilt wird: Durch die ventrale Einfurchung, also an der "Bauchseite" längs des Embryos, entsteht die Mesodermanlage. Eine anterior der Ventralfurche stattfindende Invagination, die das Stomodeum bildet, und eine am posterioren Pol des Embryos stattfindende Invagination, die das Proktodeum bildet, grenzen das spätere Endoderm ab. Die an der Außenseite des Embryos verbleibenden Zellen und die Endbereiche der stomodealen und proktodealen Invaginationen bilden das Ektoderm. Mit der Verlängerung des Keimstreifs wandern die Polzellen von posterior in das Innere des Embryos. Die Organogenese setzt ein und zum ersten Mal wird eine embryonale Metamerie erkennbar. Etwa 7,5 Stunden nach der Befruchtung beginnt die Keimstreifverkürzung, die mit dem Dorsalschluss (dorsal closure) endet. Nach weiteren Differenzierungschritten schlüpft etwa 22 Stunden nach der Befruchtung die vollständig entwickelte Larve.
Larvalentwicklung
Die Larven fressen und wachsen innerhalb weniger Tage von der Größe des Eis (0,5 mm) bis zur Größe der Fliege (2,5 mm) heran. Sie häuten sich in dieser Zeit zwei mal. Es werden dementsprechend drei Larvenstadien unterschieden.
Verpuppung

Festlegung des Geschlechts
Die Geschlechtsbestimmung der Taufliege ist wie bei vielen Tieren üblich genetisch bestimmt. Ebenso wie beim Menschen besitzt Drosophila zwei Geschlechtschromosomen, Weibchen mit XX und Männchen mit XY. Anders als beim Menschen jedoch trägt das Y-Chromosom keine geschlechtsbestimmende Komponente, vielmehr ist das Verhältnis X-Chromosomen zu Autosomen bestimmend. Liegt das Verhältnis bei größer oder gleich 1, so entsteht ein Weibchen, bei kleiner oder gleich 0,5 entsteht ein Männchen. Mutanten mit dazwischenliegenden Verhältnissen, etwa bei triploidem Autosomensatz und XX (Verhältnis=0,67) bilden Intersexe aus mit mosaikartig verteilten männlichen und weiblichen Merkmalen (sogenanntes "Salz-und-Pfeffer-Muster"). Das Geschlecht wird demnach von jeder Zelle selbst festgelegt und bei nicht eindeutigen Gendosen jeweils unterschiedlich. Die Kompensation der unterschiedlichen Gendosen bei den X-Geschlechtschromosomen erfolgt beim Männchen durch eine stark erhöhte Transkriptionsrate nicht geschlechtsbestimmender Gene. Dies geschieht über eine Hyper-Acetylierung des Histons H4, wodurch die DNA weniger stark an die Nukleosomen gebunden ist und somit leichter abgelesen werden kann.
Die Entscheidung, welche geschlechtsspezifischen Gene wie transkribiert werden, wird über das Gen sex lethal (Sxl) gesteuert. Bei Weibchen ist Sxl aktiv, bei Männchen inaktiv. Sxl selbst ist ein RNA-spleißendes Enzym, das die sogenannten Transformer mRNA spleißt. Das entstehende Protein Transformer bewirkt dann die eigentliche Geschlechtsfestlegung auf molekularer Ebene und zwar ebenfalls als Transkriptionsfaktor.
Der Zusammenhang zwischen Aktivität von Sex lethal und der X-Chromosomen-Dosis erklärt sich nun folgendermaßen: Auf dem X-Chromosom sind 3 Gene für Transkriptionsfaktoren speziell von Sxl kodiert, die auch "Numeratorgene" genannt werden. Diese binden an den sogenannten early promotor, eine regulatorische Region vor dem Sxl-Gen und aktivieren es. Auf den Autosomen sind hingegen 3 weitere Gene kodiert, die man "Denominatorgene" nennt. Diese wirken auf den late promotor des Sxl-Gens und fungieren dort als Repressor der Transkription. Sind also genauso viele X-Chromosomen wie Autosomen vorhanden, so bewirken die Numeratoren, dass sex lethal transkribiert wird, das Individuum wird weiblich. Überwiegen jedoch die Denominatoren, wird Sex lethal nicht exprimiert und die "Umwandlung zum Weibchen" unterbleibt, es entsteht ein Männchen.
Drosophila-Forschungsgemeinschaft
In den USA findet in wechselnden Städten jährlich die größte internationale Drosophila-Konferenz statt. Sie hat etwa 2000 Teilnehmer. Die europäische Drosophila-Konferenz hat im Schnitt 400 bis 500 Teilnehmer und findet alle zwei Jahre in wechselnden Europäischen Ländern statt. Eine kleine deutsche regionale Tagung gibt es jährlich. Des weiteren ist Drosophila als Forschungsobjekt auf vielen internationalen Life Science-, Entwicklungsbiologie-, Neurobiologie- und weiteren Tagungen vertreten.
Mutationen
Die Züchtungen in den wissenschaftlichen Labors haben eine Unzahl von Mutationen hervorgebracht. In systematischen Screens wurde inzwischen ein Großteil der etwa 13400 Gene mutiert. Zu den Mutationen mit einem im homozygoten Zustand sichtbaren Phänotyp, zu denen die ältesten Mutanten gehören, zählen zum Beispiel:
- Mutationen der Augenfarbe
- white: Veränderung der Augenfarbe von rot auf weiß. Dies war die erste Mutation, die Thomas Hunt Morgan wissenschaftlich untersuchte und an denen er die Mendelsche Vererbungslehre empirisch belegen konnte.
- pink: Veränderung der Augenfarbe von rot auf pink
- brown: Veränderung der Augenfarbe von rot auf braun
- vermillion: Veränderung der Augenfarbe von rot auf zinoberrot
- Flügeldeformationen
- rudimentary: Fruchtfliegen mit normal großem Körper aber nur rudimentären Flügeln
- truncate: Fruchtfliegen mit normal großem Körper aber mit gestutzten Flügeln
- miniature: Fruchtfliegen mit normal großem Körper aber mit Miniaturflügeln
- fork: Fruchtfliege mit gegabelten Borsten auf dem 2. Segment
- vestigal: Fruchtfliege mit Stummelflügeln
- Körperfarbe
- yellow: Fruchtfliege mit gelber Körperfarbe
- ebony: Fruchtfliege mit dunkler Körperfarbe
Literatur
- Martin Brookes; Drosophila - Die Erfolgsgeschichte der Fruchtfliege, Rowohlt Verlag, Hamburg 2002, ISBN 3-498-00622-3
- Peter A. Lawrence: The making of a fly. The genetics of animal design. Blackwell Science, ISBN 0-632-03048-8
Weblinks
- Flymove- Schulausgabe auch auf Deutsch
- Flybase (englisch)
- Interactive Fly (englisch)
- www.wissenschaft.de: Reaktion auf Alkohol liegt bei Drosophila in den Genen
Siehe auch: Zeittafel der Evolutionsforschung