Franziska Romana von Hallwil



Franziska Romana von Hallwil, auch Hallwyl oder Hallweil (* 25. August 1758 in Wien; † 6. März 1836 auf Schloss Hallwil, Seengen), geborene Gräfin von Hallwil, verheiratete Freifrau von Hallwil, war eine Schweizer Adelige österreichischer Herkunft. Bekannt wurde sie durch ihre abenteuerliche Heirat sowie ihre Freundschaft mit Pestalozzi und führenden Politikern der Helvetik.
Leben
Eltern, Jugend in Wien
Ihre Eltern waren Franz Anton Graf von Hallwil (1702–1779) und dessen Gattin Maria Anna geborene von Garelli verwitwete von Suttner (1717–1784). Der Vater hatte es zum k. k. (kaiserlich-königlichen) Feldmarschall-Leutnant und zum wirklichen Geheimrat gebracht. Franziska war das vierzehnte und letzte Kind der Mutter, deren aus Bologna stammender Vater erster Leibarzt Kaiser Karls VI. und Präfekt der Hofbibliothek gewesen war. Sie wuchs im heutigen Palais Neupauer-Breuner in Wien auf. Als wahre Märchenprinzessin erscheint sie in einem Manuskript, das Johann Jakob Steinfels 1779–1781 als Pfarrvikar in Seengen verfasste, doch besitzt dieses Amalgam aus Geschichtsschreibung, Panegyrik und Trivialliteratur nur geringen Quellenwert.[1]
Flucht und Heirat
1773/74 war Abraham Johann Freiherr von Hallwil (1746–1779) zu Besuch in der Kaiserstadt. Er gehörte dem Zweig der Familie an, welcher auf dem Stammsitz im Berner Aargau geblieben war. Der Aufenthalt in Wien hatte laut dem k. k. Residenten in Basel, Joseph von Nagel, einen unschönen Hintergrund: Nach einigen Jahren Solddienst in Frankreich hatte Abraham eine Pfarrerstochter geschwängert, ohne sie zu heiraten, und war darum für ein Jahr aus Bern verbannt worden. Das Paar war nach England gegangen, wo Abrahams Geliebte ein zweites Mal niedergekommen war. Dann hatte er sie offenbar verlassen.
Graf Hallwil führte den entfernten Verwandten in die Wiener Gesellschaft ein. Zum Dank schwängerte dieser seine jüngste, erst fünfzehnjährige Tochter. Ob dies unter so romantischen Umständen geschah, wie Pfarrvikar Steinfels es darstellt, darf bezweifelt werden. Obwohl Abraham lieber durch Heirat mit einer Berner Patrizierstochter Ratsherr und Landvogt geworden wäre, hielt er von der Schweiz aus um die Hand Franziskas an. Deren Eltern jedoch wollten ihn nicht zum Schwiegersohn, zumal das katholische Österreich keine Ehen mit Protestanten duldeten.
Das verzweifelte Mädchen unternahm einen Selbstmordversuch. Zur Seite stand ihm nur seine doppelt so alte unverheiratete Halbschwester Leopoldine von Suttner. Anfang 1775 gaben die beiden vor, in eine nächtliche Lichtmess-Andacht zu gehen. Stattdessen bestiegen sie eine Kutsche und fuhren mit einem Begleiter und einem Bedienten via Strassburg nach Bern. Der Begleiter war laut Resident Nagel Abraham von Hallwil, der sich dann aber von ihnen trennte, um nicht der Entführung einer Minderjährigen angeklagt zu werden. Nach anderen Berichten handelte es sich um einen Grafen Waldner. Nachdem bereits im Vorjahr die verheiratete Maria Ernestine Gräfin Esterházy geborene Starhemberg mit ihrem Schwängerer Ferdinand Ludwig Graf von der Schulenburg nach Zürich geflohen war, wurde der Fall im sittenstrengen Wien Kaiserin Maria Theresias zur Staatsaffäre. Die Justizbehörden schickten den Flüchtenden zwei Beamte nach, doch erreichten diese die Schweizer Grenze in Basel zu spät. Nagel forderte Bern auf, die "entführten" Frauen festzuhalten. Die Berner antworteten aber, es könne sich nicht um eine Entführung gehandelt haben, da Baron Hallwil schon seit einiger Zeit zurück in der Heimat sei. Obwohl die Eltern ihre Töchter enterbten, heiratete Abraham die hochschwangere Franziska. Dies geschah in der toleranten Grafschaft Montbéliard[2], weil Mischehen auch im reformierten Bern verboten waren.
Verlust des Gatten
Wenige Tage nach der Trauung soll die sechzehnjährige Ehefrau tote Zwillinge zur Welt gebracht haben. Abraham verlor durch die Heirat mit einer Katholikin Land- und Burgerrecht und auch seinen Besitz. Vergeblich forderte ihn der Schwiegervater auf, nach Wien zu ziehen und zu konvertieren. So trat Franziska zum reformierten Glauben über. Sie kleidete sich fortan nach Berner Art und lernte den Dialekt. 1777 erhielt Abraham von seiner Mutter die Herrschaft Hallwil. Die Ehe der beiden war aber nur von kurzer Dauer: 1779 kehrte Franziskas Gatte "unpässlich" von einer Reise zurück und starb kurz darauf am "Faulfieber". Neben der Sorge um die Söhne Johann (1776–1802), Franz (1777–1852) und Karl (1778–1827) sowie um seinen geisteskranken Bruder Albrecht Gabriel (1745–1820) hinterliess er der 21-jährigen Witwe auch Schulden. Nach damaligem Recht erhielt sie Vormünder, die jeweils dem Berner Patriziat entstammten.
Freundschaft mit Pestalozzi
Franziska blieb auf Schloss Hallwil. Bald wurde sie die Vertraute Johann Heinrich Pestalozzis (1746–1827). Dieser scheint sich gelegentlich auch der Erziehung ihrer Söhne angenommen zu haben, deren Charakter unter dem Fehlen des Vaters litt. Als der tolerante Kaiser Joseph II. Franziska 1781 Straffreiheit zusicherte, fuhr sie mit Leopoldine nach Wien, ohne sich jedoch mit der inzwischen verwitweten Mutter versöhnen und ihr Erbe wiedererlangen zu können. Darauf entschied der Monarch, dass ihre Söhne den Grossvater beerben sollten und dass Franziska deren Erziehung aus den Zinsen der Erbschaft finanzieren dürfe. Zum Hauslehrer berief sie 1785 den Bündner Pfarrer Jeremias L’Orsa (1757–1837).
Anhängerin der Helvetischen Revolution
Zu Franziskas Freundeskreis zählten in den 1790-er Jahren neben Pestalozzi noch andere Männer, die in der Helvetik eine wichtige Rolle spielen sollten, so Frédéric-César Laharpe (1754–1838) und Paul Usteri (1768–1831). Die bisherige Oberherrin von Hallwil war wohl die "vornehme Frau", welche 1798 in Aarau "mit einem Säbel umgürtet, in weissen Kleidern" um den Freiheitsbaum tanzte.[3] Jedenfalls verzichtete sie, welche schon die radikalen Reformen Josephs II. unterstützt hatte, damals auf ihren Adelstitel und vertauschte das Bürgerrecht von Bern mit jenem von Brugg. Der neu gegründete Kanton Aargau ernannte sie zur Ehrenbürgerin. Zu Vormündern wählte sie nun Exponenten des Fortschritts, zuerst den Aarauer Seidenbandfabrikanten und Senator Johann Rudolf Meyer (1739–1813), dann den Baumwollindustriellen und Regierungsrat Johannes Herzog von Effingen (1773–1840).
Ihr kränklicher Ältester Johann starb unverheiratet in Paris. Franz unterschlug als russischer Offizier den Schmuck einer Verwandten. Karl trat zuerst in preussische und später in niederländische Dienste. Zwischendurch war er Polizeikommandant des Kantons Aargau. Nach der Heirat der beiden jüngeren Söhne lebte Franziska meist in Aarau. Die letzten Jahre aber verbrachte sie bei Franz in Hallwil.
Quellen und Darstellungen
- Nagels Korrespondenz mit Staatskanzler Kaunitz, Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien, Staatenabteilungen, Schweiz 157 (Berichte 1774–Mai 1776), Schweiz 180 (Weisungen 1702–1779).
- Johann Jakob Steinfels: Die Herren von Hallwyl im 18. Jahrhundert. (Manuskript, 1779–1781). Staatsarchiv des Kantons Bern, FA von Hallwyl A 397.
- Franziskas umfangreiche Korrespondenz. Staatsarchiv des Kantons Bern, FA von Hallwyl.
- Carl Brun: Geschichte der Herren von Hallwil (Manuskript, 1925–1931). Herausgegeben von Inès Keller-Frick, Bern 2006.
- Alois Koch: Franziska Romana von Hallwil. Biographische Skizzen als Beiträge zur Geschichte der Herren von Hallwil und zur Pestalozzi-Forschung. Diss. phil. Freiburg i. Ue. Seengen 1968 (Heimatkunde aus dem Seetal 41).
- Hans-Ulrich Gloor: Heinrich Pestalozzi, Jeremias L’Orsa und die Gräfin Franziska Romana von Hallwil. In: Brugger Neujahrsblätter, 93/1983, S. 23–32.
- Alois Koch: Vom gesellschaftlichen und kulturellen Leben auf Hallwil zur Zeit von Franziska Romana. In: Heimatkunde aus dem Seetal, 59/1986, S. 27–34.
- Sarah Caspers et al.: Klug, selbstbewusst, aufmüpfig. Franziska Romana von Hallwyl (1758–1836) und ihre Zeit (Ausstellungskatalog). Seengen 2012, ISBN 3-907837-05-3.
- Thomas Frei: Hallwyl, Franziska Romana von. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
Einzelnachweise und Anmerkungen
- ↑ Vergleiche Koch, S. 150.
- ↑ Die württembergische Grafschaft Montbéliard (deutsch Mömpelgard) war eine Exklave des Römischen Reichs in Frankreich.
- ↑ Johann Georg Heinzmann: Kleine Schweizer-Chronik. 2. Theil, Bern 1801, S. 382 f.
Personendaten | |
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NAME | Hallwil, Franziska Romana von |
ALTERNATIVNAMEN | Hallwyl, Franziska Romana von; Hallweil, Franziska Romana von |
KURZBESCHREIBUNG | Schweizer Adelige |
GEBURTSDATUM | 25. August 1758 |
GEBURTSORT | Wien |
STERBEDATUM | 6. März 1836 |
STERBEORT | Schloss Hallwil (Seengen) |