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Hundertfüßer

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
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Hundertfüßer

Hundertfüßer beim Beutefang

Systematik
Überstamm: Häutungstiere (Ecdysozoa)
Stamm: Gliederfüßer (Arthropoda)
Unterstamm: Tausendfüßer (Myriapoda)
Klasse: Hundertfüßer
Wissenschaftlicher Name
Chilopoda
Latreille, 1817
Ordnungen
Kopfunterseite mit dem zu Giftklauen umgewandelten ersten Beinpaar

Die Hundertfüßer (Chilopoda) sind eine Klasse der Gliederfüßer (Arthropoda) und werden bei den Tausendfüßern (Myriapoda) eingeordnet. Weltweit sind etwa 3.000 Arten dieser Tiere bekannt, womit sie nach den Doppelfüßern die zweitgrößte Gruppe der Tausendfüßer darstellen. Die Tiere erreichen Körperlängen von 1 bis 10 Zentimetern, tropische Hundertfüßer-Arten der Ordnung Scolopendromorpha (Scolopendra, dt.: Skolopender) können auch bis 25 Zentimeter lang werden.

Merkmale

Manachmal

Verbreitung und Lebensweise

Hundertfüßer kommen weltweit bis über die Polarkreise hinaus vor und besiedeln eine Vielzahl verschiedener Lebensräume vom Regenwald bis zur Wüste. Sie benötigen ein feuchtes Milieu und sind in ihrem Lebensraum an Feuchtigkeit gebunden. Tagsüber sind sie im Allgemeinen in Laub, unter Steinen oder im Erdreich versteckt. Auch Komposthaufen sowie faules Holz dienen als Unterschlupf. Die Tiere sind lichtscheu und suchen nach dem Aufscheuchen tagsüber schnell die Dunkelheit auf.

In der Nacht begeben sie sich auf lange, ausgedehnte Streifzüge als aktive Jäger, die ihre Beute verfolgen und blitzschnell überwältigen. Dabei stoßen sie nach vorne, ähnlich wie eine Schlange. Sie verbeißen sich in ihre Beutetiere und umringeln sie mit ihren Beinen, um sie festzuhalten. Das starke Gift führt dann zum Tod der Beute. Sie können eine sehr hohe Geschwindigkeit erreichen und sind sehr flink und wendig.

Skolopender verfügen in der Regel über ein extrem hohes Aggressionspotenzial, das man sonst kaum bei anderen Tieren findet. Sie ziehen sich nicht wie andere Wildtiere bei Belästigung und Störung zurück, sondern verteidigen sich aktiv mit einem Giftbiss. Es ist daher dringend davon abzuraten, einen Skolopender mit der Hand zu berühren, auch am Hinterleib, da sie sich sehr schnell drehen und zubeißen können.

Fortpflanzung und Entwicklung

Bei allen beobachteten Hundertfüßerarten erfolgt die Übertragung der Spermien über Spermapakete (Spermatophoren). Bei den Scutigeromorpha legt das Männchen eine Spermatophore ab und zieht das Weibchen darüber. Bei einigen Arten wie Thereuopodae decipiens nimmt das Männchen das Spermienpaket mit den Giftklauen auf und heftet es direkt an die Geschlechtsöffnung des Weibchens. Bei den Lithobiomorpha und den Scolopendromorpha wird die Spermatophore in Anwesenheit des Weibchens auf ein Gespinst gelegt, das Weibchen nimmt diese dann später auf. Bei den Geophilomorpha besteht ebenfalls erst Kontakt zwischen den Geschlechtern. Danach begibt sich das Männchen in einen Gang und legt die Spermatophore ebenfalls auf ein Gespinst, von wo sie später vom Weibchen aufgenommen wird.

Bei den Scutigeromorpha werden die Eier einzeln und mit Erde maskiert abgelegt. Die Weibchen von Scolopendra und Craterostigmus legen einen Eiballen ab und rollen sich ventral um diesen, die Geophilomorpha rollen sich dorsal um den Eiballen. Bei all diesen brutpflegenden Arten werden die Eier regelmäßig beleckt und von Pilzen befreit.

Bei den Scolopendromorpha und den Geophilomorpha schlüpfen die Jungtiere mit voller Segmentzahl (Epimorphose) und bleiben bis zur dritten Häutung von der Fütterung durch die Mutter abhängig, erst dann verlassen sie das Gelege. Craterostigmus schlüpft mit 12 Beinpaaren und erreicht die volle Beinzahl von 15 nach der ersten Häutung. Scolopendra besitzt beim Schlupf sieben Beinpaare, Lithobius nur vier. Sie erreichen die volle Beinzahl von 15 Beinpaaren über mehrere Häutungen und sie häuten sich auch danach noch weiter.

Gift

Bestandteile der Skolopendergifte können Acetylcholin, Serotonin sowie Histamin sein. Einige wenige Arten produzieren auch Blausäure. Die Giftwirkung ist für einen robusten, gesunden und erwachsenen Menschen normalerweise nicht lebensgefährlich, jedoch sehr unangenehm und schmerzhaft. Die Bissstelle schwillt in der Regel sehr stark an, es kommt zu sehr intensiven, über den gesamten Körper strahlenden Schmerzen. Dazu kommen je nach Art und Dosierung des Giftes Lähmungserscheinungen, die über mehrere Tage anhalten können. Ebenfalls verursacht das Gift oftmals Übelkeit und Schwindelgefühle sowie ein Taubheitsgefühl an der Bissstelle. In seltenen Fällen kann es auch zu Atemproblemen und Herzrhythmusstörungen führen. Vor allem bereits erkrankten und geschwächten Menschen sowie Kindern und Senioren wird empfohlen, eine ärztliche Behandlung in Anspruch zu nehmen. Auch eine Nekrose kann unterhalb der Bissstelle auftreten und muss dringend medizinisch behandelt werden. Wie bei allen Bisswunden besteht die Gefahr einer Blutvergiftung.

Es sind bisher zwei Todesfälle dokumentiert, dabei handelte es sich zum einen um ein Mädchen, das von einem Skolopender direkt am Kopf gebissen wurde.[1] Bei dem anderen Fall hatte ein 39-jähriger Thailänder, nachdem er gebissen wurde, den Hundertfüßer gegessen. Innerhalb von zwei Stunden starb er.[2]

Haltung im Terrarium

Es ist möglich, Hundertfüßer in Terrarien zu halten, allerdings ist dies aufgrund ihrer stark ausgeprägten Aggressivität, ihrer Schnelligkeit und des Potenzials, aus dem Terrarium auszubrechen, nur sehr erfahrenen Haltern zu empfehlen. Das Terrarium muss absolut ausbruchsicher gestaltet sein, da sie sich selbst durch kleinste Öffnungen zwängen können. Terrarien mit Schiebetüren sind unbedingt zu vermeiden, auch Falltüren bergen ein gewisses Risiko. Zu beachten ist ebenfalls, dass sie sich bis zu zwei Dritteln ihrer Größe aufstellen können. Beim Hantieren mit den Tieren ist ausschließlich auf Pinzetten und dergleichen zurückzugreifen, um nicht Gefahr zu laufen, gebissen zu werden.

Systematik der Hundertfüßer

Die Position der Hundertfüßer innerhalb der Tracheentiere ist noch umstritten. Als anerkannte Hypothese wird die hier vorgestellte Position innerhalb der Myriapoden und dort als Schwestergruppe der aus den Wenigfüßern, Zwergfüßern und Doppelfüßern gebildeten Progoneata diskutiert. Eine alternative Hypothese diskutiert die Hundertfüßer als Schwestergruppe aller anderen Tracheentiere und somit als ursprünglichste Form dieses Taxons, mit der Konsequenz, dass die Tausendfüßer als unnatürliche Gruppe aufgelöst werden (siehe hierzu Tausendfüßer).

Intern werden die Hundertfüßer in mehrere morphologisch unterschiedliche Gruppen aufgeteilt. Die folgende Aufstellung ordnet die mitteleuropäischen Arten in diese Systematik ein.

Datei:Unknown Arthropod.jpg
Spinnenläufer (Scutigera coleoptrata)

Einzelnachweise

  1. Sutherland, Staun K. and John. Venomous Creatures of Australia: A Field Guide with Notes on First Aid. 5th Edition Oxford University Press. 1999. ISBN 0-19-550846-7, pp. 78-79.
  2. "Mann schluckt lebenden Hundertfüßler und stirbt". Augsburger-Allgemeine, 18. September 2012, abgerufen am 12. März 2013.
  3. Pichler, H. (1987): Neue Nachweise von Cryptops-Arten in Nordtirol und anderen Bundesländern Österreichs. Ber. nat.-med. Verein Innsbruck, 74: 125-139 PDF
  4. Chilobase
  5. Natur in NRW
  • Lewis, J.G.E. (1981): The biology of centipedes. Cambridge University Press, Cambridge, London, New York; 476 Seiten
  • Rosenberg, J. (2009): Die Hundertfüßer. Die Neue Brehm-Bücherei Bd. 285, Westarp Wissenschaften Hohenwarsleben; 524 Seiten
Commons: Hundertfüßer – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien