Benutzer:Toni Moser/Artikelentwurf/Plan B
SCHWEIZER TRUPPEN IN FREMDEN DIENSTEN

Die Begriffsbestimmung
"Schweizer Truppen in fremden Diensten" hiess der von Behörden der Eidgenossenschaft mit Staatsverträgen geregelte Solddienst von geführten, ganzen Truppenkörpern im Ausland. Hinter dem Ziel, die ungeregelte individuelle Reisläuferei einzudämmen, steckte auch die Absicht, finanzielle Einnahmen zu erzielen.
Die Massnahmen der Behörden
Die Alte Eidgenossenschaft der 13 souveränen Orte bestand bis 1798 als lockerer Staatenbund aus:
6 ländlichen Kantonen (Uri, Schwyz, Unterwalden, Zug, Glarus, Appenzell), 7 städtischen Ständen (Zürich, Basel, Schaffhausen, Freiburg, Solothurn, Luzern, Bern), 2 zugewandeten Orten (St. Gallen, Graubünden), 4 Untertanengebieten (Waadt, Aargau, Thurgau, Tessin), 3 informell Verbündeten (Neuenburg, Wallis, Genf) und verschiedenen zeitweilig eingebundenen Körperschaften. Der heutige Kanton Jura war Teil von Bern.
Als einzige gemeinsame Behörde und alleiniges Bindeglied verfügte die Eidgenossenschaft über die periodisch zusammentretende Tagsatzung der instruierten Delegierten ihrer Bundesgenossen.
Allen Bundesgliedern gemeinsam war aus verschiedenen Gründen (Überbevölkerung, Armut, Abenteuerlust, Familientradition) seit alters die Reisläuferei und ihre Auswirkungen (Tod in der Fremde, Invalidität, Verwahrlosung). In vier Jahrhunderten sollen zwei Millionen Schweizer in fremde Dienste gezogen (die Hälfte davon nach Frankreich) und jeder Dritte[1] dort umgekommen sein.
Im 15. Jahrhundert begannen die Tagsatzung und die Behörden der einzelnen Orte die ungeregelte individuelle Reisläuferei, diesen "Export von Blut"[2], durch Staatsverträge - der erste wurde 1453 mit dem französischen König Karl VIII. abgeschlossen - in geordnetere Bahnen zu lenken: zuerst geduldet bei unternehmerischen einheimischen Hauptleuten, die mit privatem Vertrag (Partikularkapitulation) Söldner anworben, aber schon bald mit eigenen Offensiv- und Defensivverträgen mit fremden Fürsten und Staaten, die eine Militärkapitulation enthielten.
Die Militärkapitulation
Im Bündnisvertrag wurden die militärischen Belange in einem eigenen Kapitel, der Militärkapitulation[3][4], zusammengefasst. Sie legte den Einsatzraum und den Verwendungszweck der Truppe fest und regelte die Rekrutierung, den Sold, die Verpflegung, die Verpflichtungsdauer, den Urlaub, die Uniformen, die Bewaffnung, die Munition, die medizinische Betreuung und die Bestände der Truppenangehörigen. Sie bestimmte das Verfahren zur Ernennung der Offiziere, die Pensionen, die Provisionen sowie die Art der Rechtspflege und der Religionsausübung. Oft enthielt sie auch eine Bestimmung über die gegenseitige Hilfe bei einem Überfall auf einen der Vertragspartner und räumte dem Kanton meist ein Rückrufsrecht bei eigenem Bedarf ein.
Die ausländischen Vertragspartner
Die Wucht und Disziplin des gegen die habsburgischen Ritterheere des 14. und in den Burgunderkriegen des 15. Jahrhunderts erfolgreichen Gewalthaufens der Schweizer Söldner festigte den Ruf ihrer Unbesiegbarkeit und den militärischen Marktwert. Am Geviert aus Hellebardieren als Nahkämpfer, geschützt durch Pikeniere mit ihren Langspiessen (16 Fuss = 5 m) waren die Fürsten Europas, fast dauernd in Kriege gegeneinander verstrickt, enorm interessiert. Sie bemühten sich immer öfter um offizielle Bündnisverträge und Militärkapitulationen mit den eidgenössischen Behörden.
Frankreich 1453-1810
Frankreich war 1453 der erste und über vier Jahrhunderte der wichtigste Vertragspartner der Eidgenossen mit 48 Schweizer Truppen. Sie bildeten mit der Leibgarde der "Hundertschweizer" die erste stehende Schweizer Truppe im Ausland, liessen die Königsdynastie der Valois sich im 16. Jahrhundert gegen Burgund und die Hugenotten behaupten, kamen bis gegen Ende des 18. Jahrhunderts während der Expansionspolitik der nachfolgenden Bourbonen und schliesslich in den Revolutionszeiten 1789-1830 zum Einsatz.
→ Hauptartikel: Schweizer Truppen in französischen Diensten
Vatikan 1478 bis heute
Insgesamt 17 Schweizer Truppen erweiterten im 16. Jahrhundert den Kirchenstaat auf seine maximale Ausdehnung (von Rom im Südwesten bis Bologna im Nordosten) und wurden Leibgarden für den Papst (die heutige Schweizergarde) sowie 4 seiner Legaten, konnten aber im 19. Jahrhundert zusammen mit 4 Fremden-Regimentern dessen Integration in den entstehenden Italienischen Nationalstaat nicht verhindern.
→ Hauptartikel: Schweizer Truppen in vatikanischen Diensten
Venedig 1573-1719
Die Republik Venedig wurde in knapp 150 Jahren von 12 Schweizer Truppen unterstützt. Durch Vasco da Gamas Seeweg nach Indien wirtschaftlich in der Defensive und militärisch durch die Osmanen schrittweise ihrer Kolonien entledigt, musste sie sich 1792 kampflos den napoleonischen Truppen ergeben. Sie wurde 1866 vom italienischen Nationalstaat übernommen.
→ Hauptartikel: Schweizer Truppen in venezianischen Diensten
Spanien 1574-1823
Von den Königen von Spanien wurden total 27 Schweizer Truppen angeworben, von 1574 bis anfangs des 18. Jahrhunderts durch die spanische Linie der Habsburger und anschliessend bis 1823 vom nachfolgenden bourbonischen Königshaus.
→ Hauptartikel: Schweizer Truppen in spanischen Diensten
Savoyen 1582-1832
Savoyen hatte alles in allem 26 Schweizer Truppen im Einsatz: anfänglich für die savoyischen Herzöge (auch mit einer Kompanie Schweizer Garde) und ab 1713 in deren Dienst nun als Könige von Sizilien bzw. 1720 von Sardinien bis 1799. Aus dem Königreich Sardinien entstand 1861 der Italienische Nationalstaat.
→ Hauptartikel: Schweizer Truppen in savoyischen Diensten
Genua 1603-1779
Die Seerepublik Genua stellte ab 1600 2 Schweizer Truppen in Dienst.
→ Hauptartikel: Schweizer Truppen in genuesischen Diensten
Schweden 1632-1634
das Königreich Schweden hatte nur 3 unbewilligte Schweizer Truppen, 1632 während des 30jährigen Krieges, in seinen Reihen.
→ Hauptartikel: Schweizer Truppen in schwedischen Diensten
Lucca 1653-1806
Lucca, der toskanische Stadtstaat, unabhängig bis in die napoleonische Zeit, ging 1861 im Königreich Italien auf. 1653 rekrutierte die Stadt eine Schweizer Palastwache.
→ Hauptartikel: die Schweizer Palastwache in Lucca
Holland 1676-1830
24 Schweizer Truppen sind nach Holland gezogen: 1676 für den Freiheitskampf der Republik der Vereinigten Niederlande (darunter die Leibgarde "Guardes Switsers"), im 18. Jahrhundert für die Niederländische Ostindien-Kompanie (nach Afrika und Asien) und im 19. Jahrhundert für die Monarchie des Vereinigten Königreiches der Niederlande.
→ Hauptartikel: Schweizer Truppen in holländischen Diensten
Österreich 1690-1773
Österreich hatte im Spanischen und im Österreichischen Erbfolgekrieg sowie in seinen endlosen Auseinandersetzungen mit Frankreich neben zahlreichen Schweizer Söldnern auch 15 Schweizer Truppen - teilweise fremdfinanziert - in ihren Reihen, darunter eine Schweizergarde.
→ Hauptartikel: Schweizer Truppen in österreichischen Diensten
England 1691-1856
Das Königreich England nahm in 1 1/2 Jahrhunderten 13 Schweizer Truppen unter Vertrag, meist zu Gunsten von verbündeten Staaten.
→ Hauptartikel: Schweizer Truppen in englischen Diensten
Preussen 1696-1848
Die Armee von Preussen verfügte nur über 2 Schweizer Truppen, eine davon war eine Schweizer Palastwache.
→ Hauptartikel: Schweizer Truppen in preussischen Diensten
Lothringen 1699-1745
Das Herzogtum Lothringen leistete sich 1699 eine Schweizergarde.
→ Hauptartikel: Schweizer Truppe in lothringischem Dienst
Sachsen 1704-1814
Von den 2 Schweizer Truppen der Kurfürsten von Sachsen war nur eine kapituliert: die Schweizer Garde.
→ Hauptartikel: Schweizer Truppen in sächsischen Diensten
Neapel 1734-1859
Das Königreich Neapel wurde einmal im 18. Jahrhundert, nach dem 1. Einzug der Bourbonen, und ein zweites Mal im 19. Jahrhundert, nach ihrer Wiedereinsetzung nach einer napoleonischen Phase, Vertragspartner für insgesamt 11 Schweizer Truppen.
→ Hauptartikel: Schweizer Truppen in napolitanischen Diensten
Das Ende der Schweizer Truppen in fremden Diensten
Die in den Bündnisverträgen vereinbarten Zahlungen (Pensionen) an die eidgenössischen Orte, wichtige Persönlichkeiten und Söldneroffiziere führten schon früh zu Kritik. Diebold Schilling schrieb bereits 1483 in einem Entwurf zur Berner Chronik[5] (der dann der Zensur zum Opfer fiel):
"So wart ouch den houptlüten und andern gewaltigen von stetten und lendern ein merglich und gros summ geltes geschenkt, das si ouch williclichen namen und nit versmachten, und wart aber dem gemeinen man nit, die dann stat und land als wol und me dann die gewaltigen mussent behalten. Das bevilhen ich dem almechtigen gotte, der weis ieder man nach sinem verdienen zu belonen".
Auch der wortgewaltige Zürcher Reformator Huldrych Zwingli predigte gegen den "fleysch und bluott verkouff" an.
Finanzielle Einzelinteressen korrumpierten auch öfter die Entscheide der Tagsatzung, verunmöglichten eine gemeinsame eidgenössische Aussenpolitik und führten sogar zur verlustreichen Direktbegegnung von Schweizer Truppen auf dem Schlachtfeld in gegnerischen Reihen.
Doch "das Übel sollte selber allmählich die Möglichkeit zu seiner Überwindung schaffen", erklärte 1968 Lorenz Stucki[2]:
Das in die Eidgenossenschaft fliessende Kapital wurde eine wichtige Voraussetzung[2] für die relativ frühe Entwicklung der erfolgreichen schweizerischen Aussenwirtschaft und der Anfänge der Binnenindustrie. Viele Söldneroffiziere nutzten ihre Dienstzeit zum Aufbau von internationalen Beziehungen und für ihre geschäftliche Entwicklung als Handelsherr sowie die Heimarbeit der Bauern zu Hause als günstige Produktionsbasis.
Die enge Bindung an das mächtige Frankreich sicherte zudem über Jahrhunderte die Westgrenze der Eidgenossenschaft und ihre Handlungsfreiheit gegenüber den übrigen europäischen Mächten. Sie vermittelte dem rückständigen Land auch mannigfaltige kulturelle, architektonische und gesellschaftliche Impulse. 1789 nicht zuletzt durch die Französische Revolution, in deren Folge 1798 die Alte Eidgenossenschaft unterging und, nach einigen Geburtswehen, 1848 die Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft entstand.
Der nun von liberalen Kräften dominierte junge Bundesstaat schaffte 1849 und 1859 schrittweise den fremden Dienst von Schweizer Truppen und 1927 den von einzelnen Bürgern, sofern nicht vom Bundesrat bewilligt, ab. Er konnte nun endlich seinen männlichen Nachwuchs immer besser aus eigenen Ressourcen ernähren.
Referenzen
- ↑ Vallière, Der Fremdendienst in der Schweizer Geschichte, Handbuch der Weltgeschichte von Alexander Randa, Sonderdruck Otto Walter Verlag Olten, Seite 1724
- ↑ a b c Stucki, Das heimliche Imperium, Verlag Scherz Bern und München, 1968
- ↑ Türler, Attinger, Godet, Historisch-Biographisches Lexikon der Schweiz, Vierter Band, Neuenburg, 1927
- ↑ de Roziers, Capitulations militaires entre la Suisse et la France, Thèse pour le doctorat, Université de Paris, Faculté de droit, Arthur Rousseau éditeur, Paris, 1902
- ↑ Walder, Von raeten und burgeren verhoert und corrigiert, Diebold Schillings drei Reaktionen der Berner Chronik der Burgunderkriege, Berner Zeitschrift für Geschichte und Heimatkunde, Band 48, 1986