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Akupunktur

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Akupunkturbehandlung mit modernen Geräten

Akupunktur ist ein Teilgebiet der Traditionellen Chinesischen Medizin.

Historisches

Die erste zur Zeit bekannte schriftliche Erwähnung der Akupunktur und Moxibustion stammt aus dem zweiten Jahrhundert vor Christus. Der Historiker Sima Qian erwähnt in seinen Aufzeichnungen erstmals Steinnadeln. Neuere Grabfunde enthalten Indizien, dass ähnliche Instrumente bereits vor circa 5000 bis 6000 Jahren verwendet worden sein könnten. Alternativ zu Steinnadeln wurden damals auch Bambussplitter oder Fischgräten verwendet.

Die älteste Sammlung chinesischer medizinischer Schriften Innere Klassiker des Gelben Kaisers (Huangdi Neijing) aus der Zeit zwischen 200 Jahre vor und nach der Zeitenwende integriert die Aku-Moxi-Therapie in die damalige Medizin und beschreibt verschiedene Nadeln (aus Metall), Stichtechniken, Indikationen für die Anwendung bestimmter Punkte. In diesem Werk wurden bereits 160 klassische Punkte entlang den wichtigsten Leitbahnen beschrieben.

Das erste historisch eindeutig datierbare Werk über Aku-Moxi ist Der Systematische Aku-Moxi-Klassiker (Zhenjiu jiayjing) von Huang Fumi (215–282). Darin werden eine klare Terminologie, eine Topologie von 349 Akupunkturpunkten und systematische Hinweise auf deren Wirkung beschrieben.

Weitere historische Werke sind die Erläuterungen der 14 Hauptleitbahnen von Hua Boren (1341), die Untersuchungen über die acht unpaarigen Leitbahnen von Li Shizhen (1518–1593), sowie die Summe der Aku-Moxi-Therapie von Yang Jizhon (1601).

Die erste Erwähnung der Akupunktur (das Stechen mit Nadeln zu therapeutischen Zwecken) in Europa findet man im Jahr 1675. Der Holländer De Bondt erwähnt in W. Pisos Werk De utriusque Indiae Beobachtungen über diese Therapieform aus Japan.

Der Begriff Akupunktur wurde von Pekinger Jesuitenmönchen im 17. Jahrhundert geprägt; er setzt sich aus den lateinischen Wörtern acus (= Nadel) und punctura (= Stich) zusammen, bedeutet also „Therapie mit Nadeln“.

1683 verfasste Dr. Willem Ten Rhyne (Arzt der Ostindischen Handelskompanie) einen ausführlichen Bericht in dem er die klinischen Wirkungen der Nadelstichtherapie beschreibt und auch den Begriff der Akupunktur erstmals erwähnt.

Die erste bekannte deutschsprachige Veröffentlichung über Akupunktur stammt aus dem Jahr 1824. Es handelt sich dabei um eine Übersetzung von A Treatise on Acupunturation des Engländers James M. Churchill.

Gegen Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelte sich die Medizin in Europa zu einem System einer kausal-analytischen Wissenschaft, in welchem die Akupunkturtherapie keinen Platz hatte.

Erst gegen Ende des zweiten Jahrtausends drang die Traditionelle Chinesische Medizin und mit ihr die Akupunktur weiter in den Westen vor.

Konzept der Akupunktur

Das chinesische Wort für Akupunktur besteht aus zwei Teilworten, die die Hauptanwendung der Akupunktur beschreiben, nämlich

  1. dem Einstechen der Nadel in die Akupunkturpunkte und
  2. dem Erwärmen (Moxibustion) der Punkte.
Akupunktur in der Ming-Dynastie (1368-1644). Bibliothèque Nationale, Paris

Die meisten der über 700 Akupunkturpunkte sind entlang der Meridiane angeordnet. Es gibt zwölf Hauptmeridiane, die jeweils spiegelverkehrt auf beiden Körperseiten paarig angelegt sind, 8 Extrameridiane und eine Reihe von so genannten Extrapunkten. Nach Meinung der Anhänger der Traditionellen Chinesischen Medizin wird durch das Einstechen der Nadeln der Fluss des Qi beeinflusst.

Die Akupunktur gehört zu den Umsteuerungs- und Regulationstherapien.

Noch älter als die Akupunktur ist die Akupressur. Hier werden die Punkte mit Hilfe der Fingerkuppen massiert.

Das Konzept der Ohrakupunktur (Auriculo-Therapie) wurde vom französischen Arzt Paul Nogier gefunden. 1954 berichtete er erstmals in der Deutschen Zeitschrift für Akupunktur über seine Erfahrungen und 1961 stellte er seine Diagnose- und Therapieform auf einem Akupunkturkongress in Deutschland vor. Die Behandlung über das Ohr ist zwar auch aus der chinesischen Akupunktur bekannt, es werden dort jedoch nur wenige Punkte – und diese auch nur selten – verwendet.

Daneben besteht noch das Konzept der koreanischen Handakupunktur, bei der die Meridiane fast komplett auf den Händen abgebildet sind, sowie das der Schädelakupunktur mit Abbildung der Meridiane auf den Schädel.

Körpereigene Reizmethoden sind auch in anderen Kulturen bekannt. Bei den Arabern das Skarifizieren der Haut zum Beispiel bei Hexenschuss und bei den Bantu die Perforation der Ohrläppchen. Den Tätowierungen bei der Gletscherleiche Ötzi werden eine therapeutische Funktion zugeschrieben.

Haltung der wissenschaftlichen Medizin

Ein Teil der wissenschaftlichen Medizin sieht es weiterhin als Aufgabe der Forschung an, der hinter der Akupunktur stehenden Theorie der Meridiane und Akupunkturpunkte wissenschaftlich nachzugehen. Ein anderer Teil hält diese Theorie für dermaßen abwegig, dass er keinen Bedarf für genauere Nachforschungen mehr sieht, zumal alle bisherigen Untersuchungen keinen signifikanten Unterschied zwischen Stechen in Akupunkturpunkte und Stechen in beliebige Punkte („Schein-Akupunktur“) finden konnten.

Unumstritten ist, dass das Stechen mit Nadeln wirksam gegen Schmerzen ist. Für diese Wirksamkeit werden verschiedene Gründe angegeben. Unter anderem:

  • Es beschäftigt sich jemand sehr eingehend mit dem Patienten, das wirkt sich in der Regel schon sehr positiv auf einen Krankheitsverlauf aus.
  • Der Placebo-Effekt, der bei jeglicher medizinischer Behandlung vorhanden ist, wird besonders effektiv ausgenutzt. Suggestion und Autosuggestion werden als Wirkungsprinzip genutzt.
  • Stechen mit Nadeln beeinflusst auf messbare Weise die Gehirnaktivität und die Aktivität des Immunsystems.

Sowohl Befürworter als auch Gegner der Akupunktur warnen davor, bei schwerwiegenden Erkrankungen wie Krebs, Multiple Sklerose, Schlaganfall Akupunktur anzuwenden. Befürworter begründen dies damit, dass dies Gegenanzeigen seien, die die Krankheit durch eine fördernde Wirkung der Akupunktur noch verschlimmern könnten und somit – beispielsweise bei Krebserkrankungen – die Zellen zur Vermehrung anregen würden. Eine solche fördernde Wirkung – wie etwa eine Zellvermehrung – wird von der wissenschaftlichen Medizin jedoch bestritten. Gegner halten hingegen den Einsatz von Akupunktur bei schwerwiegenden Erkrankungen für gefährlich, da konventionelle Maßnahmen häufig nicht oder erst zu spät eingesetzt werden.

GERAC-Gonarthrose-Studie

Mit den GERAC-Studien (german acupuncture trials) wurde 2002 die bislang größte weltweite prospektive und randomisierte Untersuchung gestartet, die bis 2005 zeigen sollte, inwieweit Akupunktur Patienten tatsächlich helfen kann. Kritiker stellen die Frage, ob bei der GERAC-Gonarthrose-Studie wirklich handwerklich sauber gearbeitet wurde und ob nicht Patienten und Telefoninterviewer vorzeitig entblindet wurden. [1]

Denn: „Trotz der weiten Verbreitung und der hohen Akzeptanz der Akupunktur bei den Patienten sind kontrollierte Akupunktur-Studien selten (sicherlich nicht zuletzt wegen der hohen Kosten) und zeigen widersprüchliche Ergebnisse. Aus einer aktuellen Analyse bisheriger Forschungsergebnisse schlossen Wissenschaftler, dass bei den meisten untersuchten Krankheitsbildern die Wirksamkeit einer Akupunkturbehandlung nicht eindeutig nachgewiesen ist. Die Autoren der Analyse stellen übereinstimmend fest, dass weitere, qualitativ hochwertige, randomisierte und kontrollierte Studien notwendig sind, um die Wirksamkeit von Akupunkturbehandlungen sicher zu beurteilen.“ (Zitat aus der Internetseite von gerac [2])

Ende 2004 wurden folgende Zwischenergebnisse veröffentlicht: Sechs Monate nach Therapieende gaben 71,1 % der an „gesichert wirksamen“ Akupunkturpunkten behandelten Patienten eine Verbesserung der Schmerzsymptome und eine Zunahme der Beweglichkeit an. Demgegenüber gaben 67,7 % der mit einer Scheinakupunktur behandelten Patienten eine Besserung an. 57,6 % der konventionell, also ohne Akupunktur, behandelten Patienten der Kontrollgruppe gaben eine Linderung an.

Kritiker der Studie weisen darauf hin, dass echte doppelblinde Studienbedingungen nicht hergestellt werden konnten. Der Akupunkteur, der „die nach bestem Wissen falschen“ Punkte wählt, wird wohl als „Droge Arzt“ einen weniger wirksamen Placebo-Effekt ausüben können. Da diese Fehlerquelle jedoch einen etwaigen Unterschied zwischen echter und Schein-Akupunktur verstärken würde, aber kein signifikanter Unterschied messbar war, scheint sie keine große Rolle gespielt zu haben.

Da „irgendeine“ Akupunkturbehandlung wesentlich erfolgreicher als eine konventionelle Therapie ohne Nadelstiche war, kann daraus geschlossen werden, dass entweder alleine die Reizung der Haut mit Nadeln einen schmerzlindernden Effekt hervorruft und/oder dass eine konventionelle Behandlung im Rahmen einer solchen Studie einen Nocebo-Effekt (s.u. Placebo-Effekt) besitzt, da dieser Gruppe eine besondere Therapieform vorenthalten wurde.

Es gibt Zweifel, ob die ART-Studie wissenschaftlich sauber durchgeführt wurde. Unter anderem kam es zu vorzeitigen und entblindenden Veröffentlichungen ([3], siehe dazu auch folgende Chronologie [4]).

Eine Prüfung der Studienergebnisse durch den Gemeinsamen Bundesausschuss steht noch aus. Auch wurden sie noch nicht in wissenschaftlichen Publikationen veröffentlicht, die ein Peer Review erfordern.

Studien im Rahmen des „Modellvorhabens Akupunktur“

Einige deutsche Krankenversicherungen, unter Führung der Techniker Krankenkasse, betreiben ein bis Oktober 2008 befristetes „Modellvorhaben Akupunktur“, in dem überprüft werden soll, ob es sinnvoll wäre, sie in den Leistungskatalog aufzunehmen. Dieses Projekt wird vom Institut für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitsökonomie des berliner Universitätsklinikums Charité wissenschaftlich unterstützt und beinhaltet drei Studien:

Im April 2005 hat die Techniker Krankenkasse einige Ergebnisse dieser Studien in einer Pressemitteilung mit dem Titel Akupunktur erhöht die Lebensqualität und ist wirtschaftlich veröffentlicht. Der Leiter der TK Niedersachsen sagt über die Studie: „Die Untersuchung habe gezeigt, dass die Behandlung dauerhaft bei vielen Volksleiden helfe – von Allergien bis Wirbelsäulenschmerzen“.

Eine Prüfung der Ergebnisse durch den Gemeinsamen Bundesausschuss steht auch bei diesem Modellversuch noch aus.

Weitere Studien

Ein anderer Ansatz zur Erforschung der Akupunktur besteht in dem Versuch, mögliche physiologische Wirkungsmechanismen aufzudecken und wissenschaftlich haltbare Nachweise der Ortslokalisation von Organ-, Schmerz und Triggerpunkten zu erbringen.

Eine Studie wies in der Magnetresonanztomografie nach, dass die Aktivierung eines traditionell mit den Augen assoziierten Akupunkturpunktes am Fuß okzipitale Regionen des Cortex stimulierte (South Med Journal 2005; 98 (3): 330–337). Ferner wurden Auswirkungen der Akupunktur auf die Ausschüttung von Neurotransmittern und -hormonen dokumentiert. Eine besondere Rolle scheinen Opioid-Peptide zu spielen, die während der Akupunktur freigesetzt werden.

Diese und andere Studien veranlassten das National Institute of Health (NIH), eine Organisation der US-Gesundheitsbehörde, 1997 zur Stellungnahme, dass Akupunktur signifikante physische Wirkungen entfaltet, die noch genauer untersucht werden müssen

In Österreich wird die Forschung im Bereich Akupunktur von dem Ludwig-Boltzmann-Institut (LBI) für Akupunktur getragen [5].

Haltung der Krankenkassen

Generell übernehmen die Gesetzlichen Krankenversicherungen in Deutschland nicht die Kosten für eine Akupunkturbehandlung. Es gibt allerdings einige Modellversuche, in deren Rahmen die Möglichkeit besteht, sich die Kosten für Akupunktur erstatten zu lassen.

In der Schweiz ist die Akupunktur die einzige alternativ-medizinische Leistung, die von der Grundversicherung abgedeckt wird.

Einsatzgebiete

Als mittlerweile anerkannte Hauptindikation für eine Akupunkturbehandlung gelten (chronische) Schmerzen, wenn kein morphologischer (z.B. Tumor) Befund vorliegt. Aber auch die Linderung von Beschwerden bei Pollinosis (Heuschnupfen) und die Anwendung in der Gynäkologie zur Geburtsvorbereitung, bei Schwangerschaftserbrechen und Regelbeschwerden sind erfolgversprechende Indikationen.

Ferner wird Akupunktur im Bereich der (Akupunktur-)Anästhesie bei kleineren Eingriffen z.B. Zahnbehandlungen angewandt.

Die Weltgesundheitsorganisation gibt Indikationen für Akupunktur u.a. in folgenden Bereichen an:

(South Med Journal 2005; 98 (3): 330–337)

Das Consensus Panel des National Institutes of Health (NIH), eine Organisation der US-Gesundheitsbehörde, erachtet die Wirksamkeit von Akupunktur in folgenden Bereichen als gut belegt:

(South Med Journal 2005; 98 (3): 330–337)

Nebenwirkungen

Im Allgemeinen treten bei sachgemäßer Handhabung der Akupunktur kaum Nebenwirkungen auf, wie auch erste Ergebnisse der gerac 2002 bestätigten. Möglich sind

  • beim Arbeiten mit unsterilen Nadeln – wie dies z.B. in China selbst oft der Fall ist – Infektionskrankheiten wie Hepatitis B, -C und auch AIDS. Allerdings ist die Infektionsgefahr deutlich geringer als bei Kanülen – die Haut scheint gegenüber massiven Stahlnadeln eine höhere Keimresistenz zu besitzen bzw. kann durch das Kanülenlumen eine größere Menge potentiell kontaminierten Blutes übertragen werden.
  • Organverletzungen wie z.B. ein Pneumothorax (selten) durch eine unbeabsichtigte Verletzung der Lunge.
  • die Ausbildung eines Hämatoms an der Einstichstelle
  • bei sehr langen Verweildauern von silbernen Akupunkturnadeln kam es laut wissenschaftlichen Studien in einigen Fällen zu einer dauerhaften Verfärbung der Haut die als Argyrose bezeichnet wird.

Wer darf/sollte lieber nicht akupunktiert werden?

Es gibt verschiedene Gruppen von Menschen, bei denen manche Ärzte von einer Akupunkturbehandlung abraten, zum Beispiel

Menschen mit niedrigem Blutdruck bzw. Kollapsneigung sollten während der Akupunkturbehandlung liegen und sich danach eine Weile ausruhen.

Elektro-Akupunktur darf bei Epileptikern nicht angewandt werden, weil der elektrische Strom epileptische Anfälle auslösen könnte. Auch Menschen mit einem Herzschrittmacher dürfen nicht elektro-akupunktiert werden, weil der elektrische Strom das Gerät irritieren könnte.

Siehe auch

Literatur

  • Dr. med. Hans P. Ogal, Dr. med. Wolfram Stör und Prof. Yu-Lin Lian Seirin Bildatlas der Akupunktur (ISBN 3-932119-40-1, KVM Verlag)