Zum Inhalt springen

Millerntor Roar

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 17. November 2015 um 19:29 Uhr durch Eingangskontrolle (Diskussion | Beiträge) (Gründung). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Der Millerntor Roar! ist ein ehemaliges Fanzine von Sympathisanten des FC St. Pauli. Von der Publikation mit dem Untertitel „Fans, Fußball, Viertel“ erschienen vom 29. Juli 1989 bis zum 18. April 1993 insgesamt 28 Ausgaben[1] in unregelmäßigen Abständen. Nach der letzten Ausgabe trennte sich die Redaktion einvernehmlich und produzierte ab August 1993 die unabhängigen Nachfolgeblätter Der Übersteiger und Unhaltbar.[2] Herausgeber war die „Fan-Initiative St. Pauli Hamburg (FISH) e.V.“[3]

Gründung

Das Heft entstand aus einer Stadtteilinitiative, die im April 1989 den Neubau eines „Sport- und Eventcenters nach amerikanischem Vorbild“[4] bzw. einer Multifunktionsarena mit dem Namen „Sportdome“ an der Stelle des Millerntor-Stadions verhinderte.[5] Die Redaktion setzte sich aus Punks, FC St. Pauli-Fans und Anwohnern zusammen.[6] Redaktionelles Vorbild waren englisch-sprachige Fanzines, maßgeblich das seit 1986 publizierte When Saturday Come.[7] Nach Aussage des Mitbegründers Sven Brux fanden Redaktionssitzungen in Ermangelung von Redaktionsräumen anfangs „in Privatwohnungen statt und endeten in der Regel spätabends in der Kneipe“.[7]

Von der 16-seitigen Erstausgabe im A4-Format wurden 1000 Stück gedruckt und für 50 Pfennig vertrieben.[7] Benannt war das Fanzine mit dem englischen Begriff Roar (rɔ:ʳ,) nach „der unverwechselbaren Lärmkulisse, die die Fans der Braunweißen bei Heimspielen fabrizierten“.[8]

Bedeutung

Nach Aussage der Zeitschrift Der Spiegel nahm der Millerntor Roar! als erstes deutsch-sprachiges Fußball-Fanzine eine Vorreiterrolle ein.[7] Das Fanzine gab Anfang der 1990er Jahre der neuen linksorientierten Fanszene ein Medium, um ihre Botschaften zu artikulieren,[8] und es ermöglichte, „dass sich die Fanszene des FC St. Pauli sowohl über anstehende Entscheidungen in Vereinspolitik, Stadtteilpolitik oder im ‚System Profifußball‘ informieren konnte als auch die Möglichkeit hatte, über jene zu diskutieren beziehungsweise Gegenmaßnahmen zu organisieren.“[4] Nach Aussage der Ethnographin Brigitta Schmidt-Lauber nahm der „Millerntor Roar!“ „eine Schlüsselrolle im Prozess der Formierung einer alternativen, politisch engagierten Fanszene ein“.[1]

Der vom Millerntor Roar! gedruckte Aufkleber und Aufnäher »St. Pauli Fans gegen Rechts« wurden in den Folgejahren von vielen Fußballklubs adaptiert.[5] Nach Meinung des Autors Christoph Nagel ist der Millerntor Roar! die „Mutter aller Fanzines“.[8]

Rezeption

„Humorvoll, intelligent, politisch und mit einer großen Portion Selbstironie berichteten die Fans von ihrem Alltag als Anhänger, protestierten gegen seelenlose Stadionneubauten und die Vernichtung von Stehplätzen, schildern abenteuerliche Auswärtsfahrten und gießen ihren Spott über all die Versuche des Klubs, aus Anhängern Kunden machen zu wollen.“

Christoph Biermann, Philipp Köster: „Fast alles über 50 Jahre Bundesliga“[9]

Einzelnachweise

  1. a b Brigitta Schmidt-Lauber: FC St. Pauli: Zur Ethnographie eines Vereins. Lit Verlag, Hamburg 2004, ISBN 978-3-8258-7006-5.
  2. Martin Kraus: Aus der Kurve getragen. In: Die Zeit. 15. Dezember 2006, abgerufen am 17. November 2015.
  3. Millerntor Roar!. In: Deutsche Nationalbibliothek.
  4. a b Thomas Praßer: Zuviel Kult auf dem Kiez? - Die Fans des FC St. Pauli und die Kommerzialisierung des Fußballs. In: Bundeszentrale für politische Bildung. 18. Juni 2014.
  5. a b Tim Jürgens, Jens Kirschneck: Die Kinder der Revolution. In: 11 Freunde, Ausgabe 74, 01/2008. 30. Januar 2008, abgerufen am 17. November 2015.
  6. Joachim Hiller: Sven Brux - Vom Punkrocker zum Sicherheitsbeauftragten des FC St. Pauli. In: Ox-Fanzine. Ausgabe #92, Oktober/November 2010. ISSN 1618-2103.
  7. a b c d Der Urknall der Fanzine-Szene. In: Spiegel Online. 26. März 2010, abgerufen am 17. November 2015.
  8. a b c Christoph Nagel, Michael Pahl: FC St. Pauli - Alles drin: Der Verein und sein Viertel. Hoffmann und Campe, Hamburg 2010, ISBN 978-3-455-50202-2, S. 160.
  9. Christoph Biermann, Philipp Köster: Fast alles über 50 Jahre Bundesliga. Kiepenheuer & Witsch, 2013, ISBN 978-3-462-04500-0, S. 223.