Zum Inhalt springen

Sumerische Sprache

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 19. März 2006 um 00:58 Uhr durch Ernst Kausen (Diskussion | Beiträge). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Sumerisch (Eigenbezeichnung: Eme-gir „einheimische Sprache“)

Gesprochen in

vormals im Irak
Sprecher ausgestorben
Linguistische
Klassifikation
Offizieller Status
Amtssprache in -
Sprachcodes
ISO 639-1

?

ISO 639-2 (B) sux (T) sux

Die sumerische Sprache ist die Sprache des altorientalischen Kulturvolkes der Sumerer. Sie ist mit keiner bekannten Sprache verwandt, sie gilt also als isoliert. Das Sumerische war im südlichen Drittel des heutigen Irak - also in Südmesopotamien - verbreitet und wurde dort bis etwa 1700 vC gesprochen. Daneben wurde es jedoch in ganz Mesopotamien als Religions-, Literatur- und Wissenschaftssprache verwendet, sogar über das Aussterben als Alltagssprache hinaus bis zur Zeitenwende. Das Sumerische ist wohl die erste Sprache, für die eine Schrift entwickelt wurde (etwa 3200 vC). Wichtige Zentren der sumerischen Kultur waren die bekannten Städte Ur, Uruk, Lagasch, Nippur und Eridu.  

Sumerisch - eine isolierte altorientalische Sprache

Die älteste Schriftsprache

Eine sumerische Stein-Inschrift

Spätestens seit der Mitte des 4. Jtsds. spielten die Sumerer in Südmesopotamien eine entscheidende Rolle beim Übergang zur eigentlichen Hochkultur, insbesondere auch bei der Entwicklung einer für Wirtschaft und Verwaltung brauchbaren Schrift etwa um 3200 vC (Funde in Uruk IVa). Die sumerische Sprache ist höchstwahrscheinlich die erste Sprache der Geschichte, für die eine Schrift erfunden wurde. (Allerdings reichen die ältesten ägyptischen Hieroglyphen an das Alter der sumerischen Schrift heran. Ob es zwischen diesen beiden mit Abstand ältesten Schriftsystemen eine Beziehung gab, ist eine äußerst interessante und bisher ungeklärte Frage der Ägyptologie und Altorientalistik.)

Etwa um 3200 v. Chr. ging man dazu über, die Muster, die auf tönernen Zählmarken (Token) eingeritzt waren, in größere Tonklumpen zu ritzen und mit Zahlzeichen zu versehen. Aus dieser archaischen Frühform entwickelte sich in wenigen Jahrhunderten die mesopotamische Keilschrift - nach der Form ihrer Zeichen benannt, die durch das Eindrücken eines kantigen Griffels in den weichen Ton entstanden - zur vollen Blüte. Sie ist auf Tontafeln und anderen Objekten wie zum Beispiel Statuen und Gebäudeteilen erhalten, die bei archäologischen Ausgrabungen in Mesopotamien entdeckt wurden. Diese Schriftform adaptierten dann viele Völker des Alten Orients für ihre eigenen Sprachen, nämlich die Akkader, Babylonier, Assyrer, Eblaiter, Elamiter, Hethiter, Hurriter und Urartäer.

Ursprünglich wurde die sumerische Keilschrift als ideographische oder logographische Schrift benutzt (d.h. jedem Zeichen entsprach ein Wort und die Zeichen ließen zunächst noch gut erkennen, welches Wort gemeint war). Im Laufe weniger Jahrhunderte entwickelte man dann nach dem Rebus-Prinzip zusätzlich eine Form der Silben-Darstellung, bei der vielen Zeichen ein oder mehrere phonetische Silbenwerte (meist V, KV, VK, KVK) zugeordnet wurden. So entwickelte sich eine logographisch-phonologische Mischschrift.

Die sumerisch-akkadische Koexistenz

Im gesamten 3. Jtsd. spielte das Sumerische in Südmesopotamien die Hauptrolle - unterbrochen nur in Zeit des semitischen Reichs von Akkad (2350-2200 vC). Die Sumerer mussten sich allerdings seit etwa 2600 vC zunehmend mit semitischer Konkurrenz (den Akkadern, zuerst im Norden Mesopotamiens) auseinandersetzen, wobei man weniger von einer feindseligen Position der beiden Bevölkerungsgruppen ausgehen sollte, als von einem weitgehend friedlich verlaufenden Assimilations- und Integrationsprozess, der letzlich zu einer Koexistenz dieser Völker und ihrer Sprachen führte (das sog. sumerisch-akkadische linguistische Konvergenzgebiet mit wechselseitiger sprachlicher Beeinflussung; siehe Edzard 2003, Ch. XVII). Um 2000 vC verliert das Sumerische seine Bedeutung, das sumerische ethnische Element geht langsam ganz in der - auch durch weitere Zuwanderungen - wachsenden semitischen Bevölkerung auf, um 1700 vC (spätestens 1600 vC) kann das Ende des Sumerischen als gesprochene Sprache angenommen werden. Als Sprache des Kults, der Wissenschaft, Literatur und Königsinschriften fand es noch lange Verwendung. Die letzten sumerischen Texte stammen aus der Endphase der Keilschriftepoche (etwa 100 vC).

Entwicklungsperioden und Textarten

Eine sumerische Tontafel

Man teilt die dreitausendjährige Sprachgeschichte des Sumerischen in folgende Perioden ein:

(1) Archaisches Sumerisch oder Frühsumerisch 3100 - 2600 vC. Aus dieser Periode stammen fast nur Wirtschafts- und Verwaltungstexte, Funde hauptsächlich aus Uruk (IVa und III) und Šuruppak. Seit der Dschemdet-Nasr-Zeit einige Rechtsurkunden und literarische Kompositionen in archaischer Form. Da die grammatischen Elemente nur vereinzelt geschrieben werden, tragen die Texte wenig zur Erhellung der grammatischen Struktur des Sumerischen bei.

(2) Altsumerisch 2600 - 2200 vC. Überwiegend Wirtschafts- und Verwaltungstexte, schon erste längere Königsinschriften, vereinzelte literarische Texte. Hauptfundort ist Lagaš. Die Texte dieser Phase haben schon große Bedeutung für die sumerische Grammatik. Nach der Zeit des semitisch geprägten Akkadischen Reiches (2350-2200 vC), das mit einem starken Rückgang des sumerischen Materials einhergeht, kommt es zur sumerischen Renaissance.

(3) Neusumerisch 2200 - 2000 vC. Die größte Funddichte aus der Zeit der III. Dynastie von Ur (Ur-III-Zeit), zahllose Wirtschaftstexte aus Lagaš, Umma und Ur. Etliche Rechts- und Prozessurkunden. Von zentraler Bedeutung sind die umfangreichen Zylinderinschriften des Königs Gudea von Lagaš (um 2130), deren grammatische Analyse zu einer grundlegenden Grammatik des Sumerischen Anlass gab (Falkenstein 1949/78).

(4) Spätsumerisch 2000 - 1700 vC. Nutzung des Sumerischen noch als gesprochene Sprache in Teilen Südmesopotamiens (Raum Nippur), vor allem aber intensiv als Schriftsprache für Gesetzes- und Verwaltungstexte und königliche Inschriften (oft zweisprachig sumerisch-akkadisch). Viele literarische Werke, die aus älteren Zeiten mündlich überliefert wurden, finden jetzt erstmalig ihre sumerische Schriftform, darunter auch die sumerische Fassung einiger Teile des bekannten Gilgamesch-Epos.

(5) Nachsumerisch 1700 - 100 vC. Das Sumerische wird nicht mehr als gesprochene Sprache genutzt und auch als Schriftsprache weitgehend vom Akkadischen (Babylonischen im Süden, Assyrischen im Norden Mesopotamiens) verdrängt, es spielt nur noch die Rolle einer Gelehrten-, Kult- und Literatursprache. Deren langanhaltende Bedeutung zeigt aber die Tatsache, dass sich noch im 7. Jhdt. der assyrische König Assurbanipal damit hervortut, sumerische Texte lesen zu können. Aus der nachsumerischen Zeit stammt auch ein großer Teil der lexikalischen zweisprachigen Listen (akkadisch-sumerisch), die im 19. Jhdt. einen Zugang zur sumerischen Sprache erst ermöglichten.

Dialekte

Obwohl ein später lexikalischer Text eine Reihe von Dialekten (besser Soziolekten) des Sumerischen auflistet, bleibt doch neben der Normalsprache eme-gi(r) nur der Soziolekt eme-sal greifbar, wenn auch nur in spätsumerischer literarischer Überlieferung. Diese Sprachform wird verwandt, wenn in literarischen Texten weibliche Wesen zu Wort kommen, während die erzählende Teile und die Reden der Männer in der Normalsprache geschrieben sind. Die Hauptunterschiede zur Normalsprache sind eine teilweise lautliche Umgestaltung der Wortwurzeln und morphologischen Bildungselemente, aber auch der Gebrauch nicht im Hauptdialekt vorkommender Wörter (z.B. mu-ud-na statt nital 'Gemahl', mu-tin statt ki-sikil 'Jungfrau').


Die Wiederentdeckung des Sumerischen

Um die Zeitenwende ging jede Kenntnis des Sumerischen und der Keilschrift verloren. Im Gegensatz zu den Assyrern, Babyloniern und Ägyptern, deren Wirken in der Geschichtsschreibung des klassischen Altertums breit dokumentiert ist, gibt es in diesen Berichten keinen Hinweis auf die Existenz der Sumerer. Mit der Entzifferung der Keilschrift seit dem Beginn des 19. Jhdt. werden zunächst drei Sprachen entdeckt: das semitische Akkadische, das indogermanische Altpersische und das Elamische (eine isolierte südwestiranische Sprache). Erst später erkannte man unter den babylonischen Texten eine vierte Sprache, die man schließlich als "Sumerisch" (nach akkadisch šumeru) bezeichnete. Die Selbstbezeichnung der Sumerer für ihre Sprache ist eme-gi(r) (was vielleicht "einheimische Sprache" bedeutet), ihr Land nannten sie kengir.

Genetische Beziehungen zu anderen Sprachen?

Es gibt zahlreiche Versuche, das Sumerische mit anderen Sprachen oder Sprachfamilien in Beziehung zu setzen. Dabei wurden die drawidischen, kaukasischen, altaischen und uralischen Sprachen, das Baskische, Tibetische, Altpersische, ja sogar die austroasitaischen und Bantu-Sprachen herangezogen. In der aktuellen Diskussion über Makrofamilien ist das Sumerische für einige Forscher ein guter Kandidat für die dene-kaukasische Makrofamilie, die das Sinotibetische, die nordkaukasischen, die jenisseischen und Na-Dene-Sprachen, zusätzlich die sonst als isoliert betrachteten Sprachen Burushaski und eben Sumerisch umfassen soll. Neuerdings gibt es auch vereinzelt Forscher, die es eher der nostratischen Makrofamilie zurechnen wollen.

Keiner dieser Vorschläge - insbesondere auch nicht die dene-kaukasische Makrofamilie, noch viel weniger die nostratische Hypothese - konnte die Fachwelt bisher überzeugen. Somit wird das Sumerische weiterhin mehrheitlich als isolierte Sprache betrachtet. Wahrscheinlich sind die mit dem Sumerischen verwandten Sprachen - wenn es sie denn gab - nicht schriftlich fixiert worden und somit für einen Vergleich verloren.

Vorgänger und Nachbarn der Sumerer

Ob die Sumerer in Südmesopotamien autochthon oder - vielleicht im Laufe des 4. Jtsds. - zugewandert sind, lässt sich bis heute nicht sicher entscheiden. Es ist sehr schwierig, ein eventuelles Auftreten der Sumerer in Südmesopotamien mit bestimmten archäologischen Horizonten oder Entwicklungen in Zusammenhang zu bringen. Die ältere sumerische Sprachforschung (z.B. Falkenstein) ging davon aus, dass die Sumerer in Südmesopotamien nicht autochthon waren, sondern erst im 4. Jtsd. dorthin eingewandert sind und eine dort ansässige Vorbevölkerung überlagert haben. Das wurde an einem sog. vorsumerischen Sprachsubstrat (manchmal "protoeuphratisch" genannt) festgemacht Aus dieser Schicht sollten die nicht sumerisch erklärbaren Städtenamen wie Ur, Uruk (Unug), Larsa und Lagaš, Götternamen wie Nanše und Gatumdu, aber auch landwirtschaftliche Begriffe wie apin 'Pflug', engar 'Pflüger', ulušin 'Emmerbier', nimbar 'Dattelbaum', nukarib 'Gärtner', taskarin 'Buchsbaum' (daraus lat. 'Taxus') und Bezeichnungen aus dem Bereich der Metallverarbeitung wie simug 'Schmied' und tibira 'Klempner' stammen, was natürlich für den Kulturstand der Sumerer bei Zuwanderung nach Mesopotamien einige Fragen aufwirft.

Heute wird eine "vorsumerische" Interpretation der oben genannten Beispiele keineswegs als sicher betrachtet, da es an der genauen Kenntnis fehlt, wie ein "sumerisches" oder ein "nichtsumerisches" Wort etwa in der ersten Hälfte des 3. Jtsds. ausgesehen haben mag. Insbesondere galten in der frühen Forschung mehrsilbige Wörter als "unsumerisch", eine Einschätzung, die sich eher als ein Mythos herausgestellt hat. Dazu G. Rubio (1999): "Es gibt kein monolithisches Substrat, das seine Spuren im sumerischen Lexikon hinterlassen hätte. Alles was man entdecken kann, ist ein komplexes, unscharfes Netz von Entlehnungen, deren Richtung man oft schwer bestimmen kann."

Mit den schon erwähnten semitischen Akkadern gingen die Sumerer nach und nach eine Symbiose ein, die natürlich auch wechselseitige Auswirkungen auf die beiden Sprachen hatte. Dies betrifft die Wortstellung, Phonetik, das Kasussystem, vor allem wechselseitige Wortentlehnungen: etwa 7% des akkadischen Wortschatzes sind Entlehnungen aus dem Sumerischen, aber auch das Sumerische besitzt in den späteren Perioden einen 3-4%igen akkadischen Anteil (Edzard 2003).

Daneben sind vor allem noch die Elamiter im Gebiet Chusistan am persischen Golf erwähnen (heute Südwestiran), deren Kultur und Wirtschaft schon seit Beginn des 3. Jtsds. von der sumerischen Hochkultur beeinflusst wurde. Dies hatte auch Auswirkungen auf die elamischen Schriftsysteme, da neben Eigenentwicklungen auch Schriftformen Mesopotamiens übernommen und adaptiert wurden. Ein umgekehrter Einfluss von Elam auf Sumer ist kaum nachweisbar.

Eine Einfluss durch die "Fremdvölker" im 3. Jtsd. - Lulubäer, Gutäer und andere, die Sumer phasenweise beherrschten - auf die sumerische Sprache ist ebenfalls nicht greifbar. (Die Sprachen dieser Ethnien sind allerdings auch so gut wie unbekannt.)

Kurze Darstellung der sumerischen Grammatik

Diese Kurzdarstellung der sumerischen Sprache konzentriert sich auf die Nominal- und Verbalmorphologie, es werden nur die grammatischen Standardphänomene behandelt, auf Ausnahmen und Sonderfälle wird nur vereinzelt hingewiesen. Die Darstellung basiert vor allem auf den Grammatiken von D.O. Edzard (2003) und G. Zólyomi (2005).

Sprachtypus

Das Sumerische kann man kurz als agglutinierende Split-Ergativsprache mit grammatischem Geschlecht (Personen- und Sachklasse) charakterisieren. (Split-Ergativität bedeutet, dass die Ergativkonstruktion nicht durchgehend verwendet wird, sondern in bestimmten Zusammenhängen auch die von europäischen Sprachen bekannte Nominativ-Akkusativ-Konstruktion vorkommt.) Die Satzstellung ist verbfinal, die Position der anderen Satzglieder hängt von verschiedenen Faktoren ab, Nominal- und Verbalphrase sind eng verzahnt.

Es gibt keine Ausprägung der Wortarten Substantiv versus Verb, dieselben Stämme (Wurzeln) - viele sind einsilbig - können für beide Funktionen genutzt werden. Z.B. heißt dug sowohl "Sprache" als auch "sprechen". Die jeweilige Funktion wird an den Funktionsmarkern und der Stellung im Satz deutlich, die Stämme bleiben unverändert. Es gibt insbesondere keine Infixe (wie z.B. im Akkadischen).

Die Mehrdeutigkeit vieler Silben ("Homophonie") könnte vermuten lassen, dass das Sumerische eine Tonsprache war, bei der unterschiedliche Tonhöhen bedeutungsdifferenzierend wirkten. Allerdings spricht dagegen, dass es in Vorderasien sonst keine Tonsprachen gibt. Die schreibtechnische Homophonie könnte auch einen größeren Phonemreichtum der Sprache überdecken. Da das Sumerische lange ausgestorben ist und in einem oft nicht eindeutig interpretierbaren logographisch-phonologischen Schriftsystem - der Keilschrift - überliefert ist, lassen sich Phonologie und Morphologie nur näherungsweise beschreiben.

Phoneme

Das Phoneminventar ist - soweit aus der Schrift erkennbar - recht einfach. Den vier Vokalen /a,e,i,u/ stehen 15 Konsonaten gegenüber:

Transliteration b d g   p t k   z s š h   r l m n ĝ
Aussprache p t k   ph th kh   ts s š x   r l m n ŋ

Hinter Schreibungen mit /d/ oder /r/ kann auch die aspirierte Affrikata [tsh] stehen. Weitere Details bei Zolyomi und Edzard.


Nominalmorphologie

Personen- und Sachklasse

Das Sumerische besitzt ein grammatisches Geschlecht, das eine "Personenklasse" (Abkürzung PK oder HUM) und eine "Sachklasse", genauer "Nicht-Personenklasse" (Abkürzung SK oder NONHUM) differenziert. Tiere gehören im Regelfall zur Sachklasse. Dieses Zweiklassensystem hat Auswirkungen unter anderem bei der Konjugation und Pluralbildung. Das grammatische Geschlecht ist einem Wort nicht formal anzusehen.

Pluralbildung

Das Sumerische hat zwei Numeri, den unmarkierten Singular und einen Plural. Der Plural wird nur bei den Nomina der Personenklasse markiert, der Pluralmarker ist fakultativ und lautet /-ene/, nach Vokalen /-ne/. Bei Zahlattributen entfällt die Markierung, bei Nomina der Sachklasse bleibt der Plural unmarkiert.

Der Plural kann - auch zusätzlich zum Marker - durch Doppelsetzung des Substantivs oder des nachgestellten Adjektivattributs gebildet werden. Bei Nomina der Sachklasse kann das Attribut -hi.a (eigentlich Perfekt-Partizip von hi "mischen") die Funktion einer Pluralisierung übernehmen.

Beispiele zur Pluralbildung

Sumerisch Deutsch
diĝir-ene die Götter (PK)
lugal-ene die Könige (PK)
lugal-umun sieben Könige (Marker entfällt, da Zahlwort vorhanden)
bad die Mauer (sg), die Mauern (pl) (SK, daher ohne Kennzeichnung)
du-du die Worte, alle Worte
kur-kur die Berge, Fremdländer; allealle Berge, Fremdländer
šu-šu die Hände
a-gal-gal die großen (gal) Wasser (a)
udu-hi-a verschiedene Schafe (SK)

Ergativität

Das Sumerische ist eine Ergativsprache. Es besitzt also unterschiedliche Kasus für den Agens (das Subjekt) des transitiven Verbums und das Subjekt des intransitiven Verbums. Der erste Kasus heißt "Ergativ", der zweite "Absolutiv", er wird zusätzlich für das Objekt (den Patiens) transitiver Verben benutzt.

  • Ergativ > Agens (Subjekt) transitiver Verben
  • Absolutiv > Subjekt intransitiver Verben und direktes Objekt (Patiens) transitiver Verben

Beispiele zur Ergativkonstruktion (Verbformen werden im Abschnitt "Verbalmorphologie" erklärt)

Sumerisch Deutsch Erläuterung
lugal-Ø mu-ĝen-Ø der König (lugal) kam (mu-ĝen) intransitives Verb: Subjekt (lugal) im Absolutiv
lugal-e bad-Ø i-n-sig-Ø der König (lugal) riss (i-n-sig-Ø) die Mauer (bad) nieder transit. Verb: Agens (lugal) im Ergativ, das Objekt (bad) im Absolutiv

Da im Sumerischen nicht durchgehend diese Ergativkonstruktion, sondern teilweise auch die Nominativ-Akkusativ -Konstruktion verwendet wird, spricht man von "gespaltener Ergativität" oder "Split-Ergativität".

Ergativische Konstruktion und Nominativ-Akkusativ-Konstruktion

Subj. transit. Verb Subj. intrans. Verb Obj. transit. Verb
Ergativisches Schema Ergativ Absolutiv Absolutiv
Nom.-Akk.-Schema Nominativ Nominativ Akkusativ

Kasusbildung

Das Sumerische besitzt neun Kasus, davon bilden die Nomina der Personenklasse sieben und die der Sachklasse acht aus. Die Kasusmarker sind im Singular und Plural identisch und werden einem Nomen oder einer ganzen Nominalphrase angehängt. Der Kasusmarker steht nach dem Pluralmarker /-ene /. Die Deklination der Wörter lugal 'König' und ĝeš "Baum" lautet wie folgt:

Beispiel: Deklination durch Kasusmarker

Kasus lugal ĝeš Funktion/ Bedeutung
Absolutiv lugal-Ø ĝeš-Ø Subjekt intrans. Verben / dir. Obj. transit. Verben
Ergativ lugal-e ĝeš-e Subjekt transitiver Verben
Genitiv lugal-ak ĝeš-ak des Königs / Baums
Äquativ lugal-gin ĝeš-gin wie ein König / Baum
Dativ lugal-ra - für den König (nur PK)
Terminativ lugal-še ĝeš-še hin zum König / Baum
Komitativ lugal-da ĝeš-da zusammen mit dem König / Baum
Lokativ - ĝeš-a bei dem Baum (nur SK)
Ablativ - ĝeš-ta vom Baum her (nur SK)
Plural lugal-ene-ra - für die Könige (Kasusmarker nach Pluralmarker)

Diese Kasus korrespondieren beim Verbum mit bestimmten pronominalen Prä- oder Suffixen (siehe Verbalmorphologie.) Komplizierte Kontraktionsregeln im Zusammenspiel mit den Auswirkungen der Silbenschrift verändern die Kasusmarker teilweise sehr stark. Darauf kann hier nicht eingegangen werden (vgl Falkenstein 1978). Das Genitivattribut folgt in der Regel seinem Regens, also

  • z.B.   dumu-an-ak   "die Tochter (dumu) des (Himmelsgottes) An"

Enklitische Pronomina

Konstruktionen wie "meine Mutter" werden im Sumerischen durch pronominale possessive Enklitika ausgedrückt. Diese Enklitika lauten:

1. Person 2. Person 3. Person
Singular -ĝu -zu (-a-)ni (PK), -bi (SK)
Plural -me -zu-ne-ne (-a)-ne-ne

Beispiele zur Possessivbildung

Sumerisch Deutsch
ama-zu deine Mutter
dub-ba-ni seine / ihre Schreibtafel
ama-za(-k) deiner Mutter (Genitiv)
dub-ba-ni-še zu seiner / ihrer Tafel

Die Beispiele zeigen, dass das possessive Enklitikon vor dem Kasusmarker steht.

Nominalphrasen

Für alle Nominalphrasen (im Sumerischen auch Nominalketten genannt) gibt es eine genau festgelegte Positionsfolge. Die Reihenfolge lautet:

  • 1 Phrasenkopf + 2 Erweiterung + 3 Possessor + 4 Pluralmarker + 5 Kasusmarker

Natürlich müssen nicht alle Positionen belegt sein. Die Positionen (1) und (3) können ihrerseits durch komplexe Nominalphrasen besetzt werden, so dass sich mehrfache Schachtelungen und sehr komplexe Konstruktionen ergeben können. Die einzelnen Positionen einer Nominalphrase können wie folgt besetzt sein:

Besetzungsmöglichkeiten der sumerischen Nominalkette

Pos Bezeichnung Besetzungsmöglichkeiten
1 Kopf Nomina, Komposita, Pronomina; Nominalphrasen; infinite Verbalformen; Sätze mit subordinierten Verbalformen
2 Erweiterung Adjektive, Kardinalzahlen, Demonstrativpronomina; infinite Verbalformen; Relativsätze
3 Possessor Possessive pronominale Enklitika (siehe oben); Nominalphrasen im Genitiv
4 Pluralmarker Pluralmarker /-ene/ (nur wenn der Kopf der PK angehört und nicht durch Zahlen erweitert wird)
5 Kasusmarker Kasusmarker (s. oben Kasusbildung)

Beispiele sumerischer Nominalketten: die Ziffern vor den Konstituenten beziehen sich auf die Position in der Kette. Man beachte die Schachtelungen.

Sumerisch Analyse / Übersetzung
Bsp 1 dumu-sag-an-ak 1 Tochter + 2 erstgeborene + 3 [1 An + 5 GEN]
    "die erstgeborene Tochter des An"
Bsp 2 ama-ani-ra 1 Mutter + 3 POSS + 5 DAT
    "für seine Mutter"
Bsp3 e-libir-eš 1 Haus + 2 alt + 5 TERM
    "zum alten Haus"
Bsp 4 sipa-anše-ak-ani 1 [1 Hirte + 3 [1 Esel + 5 GEN]] + 3 POSS
    "sein Hirte des Esels" = "sein Eselshirte"
Bsp 5 bad Lagaš-ak-a 1 [Mauer(n) + 3 [1 Lagaš + 5 GEN] + 5 LOK
    "in den Mauern von Lagaš“ (Plural nicht gekennzeichnet)
Bsp 6 dumu-dEnlil-ak-ak 1 [1 Sohn + 3 [1 GottEnlil + 5 GEN]] + 5 GEN
    "des Sohnes des (Gottes) Enlil"
Bsp 7 ama-dumu-zid-ani-ene-ak-ra 1 Mutter + 3 [1 Sohn + 2 wahr + 3 sein + 4 PL + 5 GEN] + 5 DAT
    "für die Mutter seiner wahren (= legitimen) Söhne"
Bsp 8 ama-dumu-zid-lugal-ak-ene-ak-ra 1 Mutter + 3 [1 Sohn + 2 wahr + 3 [1 König + 5 GEN] + 4 PL + 5 GEN] + 5 DAT
    "für die Mutter der wahren (= legitimen) Söhne des Königs"

Die letzten Beispiele lassen erkennen, wie komplex geschachtelte Nominalketten werden können. Die hohe Regelhaftigkeit erleichtert allerdings die Interpretation.

Nominalphrasenstruktur anderer agglutinierender Sprachen zum Vergleich

Bsp Sprache Nominalphrase Analyse Übersetzung
1 Sumerisch ses-ĝu10-ene-ra Bruder - POSS - PL - KASUS für meine Brüder
2 Türkisch kardeş-ler-im-e Bruder - PL - POSS - KASUS für meine Brüder
3 Mongolisch minu aqa-nar-dur POSS Bruder - PL - KASUS für meine Brüder
4 Ungarisch barát-a-im-nak Bruder - PL - POSS - KASUS für meine Brüder
5 Finnisch talo-i-ssa-ni Haus - PL - KASUS - POSS in meinen Häusern
6 Burushaski u-mi-tsaro-alar POSS-Mutter-PL-KASUS zu ihren (3.pl.) Müttern

Diese Beispiele (Nr 1-5 sind aus Edzard 2003) zeigen, dass bei agglutierenden Sprachen sehr unterschiedliche Typen von Nominalphrasen möglich sind. Bei allen genannten Sprachen gilt aber, dass die Reihenfolge der Konstituenten regelhaft eingehalten wird.

Selbständiges Personalpronomem

Das selbständige Personalpronomen lautet im Sumerischen:

Singular Plural
1. Person ĝe  
2. Person ze  
3. Person ane, ene anene, enene

Die 1. und 2. Person Plural wird durch umschreibende Konstruktionen ersetzt. Das selbständige Personalpronomen besitzt keine Ergativform, hat also dieselbe Form als Subjekt transitiver und intransitiver Verben (dies ist ein Grund, im Sumerischen von Split-Ergativität zu sprechen).

Verbalmorphologie

Die Konstruktion des finiten sumerischen Verbums ist äußerst komplex, da außer den üblichen Tempus-Subjekt-Markern modale Differenzierungen, Hinweise auf die Richtung der Handlung, Rückverweise auf die Nominalphrase und pronominale Objekte der Handlung in der Verbalform unterzubringen sind. Man kann also im Sumerischen von einer polysynthetischen Verbalbildung reden. (Die Grundstruktur der sumerischen Verbalform hat typologisch große Ähnlichkeit mit der Verbalkonstruktion im Burushaski. Die Verteilung der Funktionen der pronominalen Suffixe und Präfixe bei transitiven und intransitiven Verben ist fast identisch. Allerdings ist das Tempussystem des Sumerischen wesentlich einfacher.)

Ähnlich wie bei der Nominalkette ist die Reihenfolge der jeweiligen Morpheme - man spricht von Slots - exakt festgelegt. Schwierigkeiten macht die praktische Analyse dennoch, da umfangreiche Kontraktions- und Assimilationsregeln und graphische Besonderheiten zu beachten sind. Viele 'schwache' Formantien wie /-e-/können auch einfach entfallen. (Dies spielt in dieser Übersicht keine Rolle, da analysierte Normalformen benutzt werden.)

Die Darstellung der Verbalmorphologie folgt im Wesentlichen Zólyomi 2005.

Die 14 Slots einer sumerischen Verbalform

Vor der Verbalbasis können zehn verschiedene Präfixe, hinter der Verbalbasis bis zu drei Suffixe auftreten, das sumerische Verb besitzt also - einschließlich der Verbalbasis - 14 Slots. Natürlich gibt es keine konkrete Form, bei der alle Slots besetzt wären. Manche Besetzungen schließen einander aus.

Die Slots des sumerischen Verbs

Slot Besetzung
1 Negations-, Vorzeitigkeits- oder Modalpräfix
2 Koordinationspräfix /nga/
3 Ventivpräfix /mu/ oder /m/
4 Mediumpräfix /ba/
5 Pronominal-adverbiales Präfix (mit Bezug zum ersten auftretenden adverbialen Präfix)
6 Adverbiales Präfix 1 - Dativ /a/
7 Adverbiales Präfix 2 - Komitativ /ta/
8 Adverbiales Präfix 3 - Ablativ /ta/ oder Terminativ /ši/
9 Adverbiales Präfix 4 - Lokativ /ni/ oder Direktiv /i/ bzw /j/
10 Pronominales Präfix
11 Verbalbasis (siehe "Verbalklassen")
12 Präsens-Futur-Marker /ed/
13 Pronominales Suffix
14 Subordinator /-a/: Nominalisierung der Verbalform

Als "Slot 0" könnte man das prothetische Präfix /i-/ auffassen, das immer dann verwendet wird, wenn ansonsten nur ein einzelner Konsonant als Präfix vorhanden wäre, das Wort mit zwei Konsonanten anfinge oder wenn sonst kein Präfix vorhanden ist, die Verbform aber finit sein soll.

Tempus - Aspekt

Das Sumerische besitzt keine absoluten Tempora, sondern ein relatives Tempus-Aspekt- System. Das "Präsens-Futur" (Imperfektiv) bezeichnet - relativ zu einem Bezugspunkt - gleich- oder nachzeitige nicht-abgeschlossene Handlungen, das "Präteritum" (Perfektiv) drückt vorzeitige abgeschlossene Sachverhalte aus. Zustandsverben bilden nur das Präteritum aus.

Die Tempora Präsens-Futur und Präteritum werden im Indikativ durch unterschiedliche Affixe in den Slots 10 und 13, die Form der Verbalbasis (Slot 11) und den Präsens-Futur-Marker /-ed/ in Slot 11 unterschieden. Nicht alle drei Kennzeichnungsvarianten treten in einer Form auf.


Verbalbasen und Verbalklassen

Die sumerischen Verben lassen sich nach der Form ihrer Verbalbasen in vier Klassen einteilen:

  • Unveränderliche Verben: diese Verben besitzen dieselbe Basis für das Präsens-Futur und Präteritum (etwa 50% - 70% aller Verben)
  • Reduplizierende Verben: Die Basis wird im Präsens-Futur redupliziert, dabei können verschiedene Veränderungen auftreten.
  • Erweiternde Verben: Die Präsens-Futur-Basis wird gegenüber der Präteritum-Basis durch einen Konsonanten erweitert.
  • Suppletive Verben: Das Präsens-Futur benutzt eine völlig andere Basis als das Präteritum.

Außerdem wird bei manchen Verben bei pluralischem Agens / Subjekt eine andere Basis als bei singularischem Agens / Subjekt verwendet. Dies führt zu prinzipiell vier "Stammformen" der Verbalbasis, wie an den folgenden Beispielen deutlich wird.

Beispiele zur Verbalbasis

Verb Bedeutung Prät Sg Prät Pl Präs-Fut Sg Präs-Fut Pl Klasse
šum geben šum šum šum šum unveränderlich
gu essen gu gu gu gu unveränderlich
ge zurückkehren ge ge ge-ge ge-ge reduplizierend
kur hineingehen kur kur ku-ku ku-ku reduplizierend
naĝ trinken naĝ naĝ na-na na-na reduplizierend
e hinausgehen e e ed ed erweiterend
te sich nähern te te teĝ teĝ erweiternd
dug/e sprechen dug e e e suppletiv
gub/šu(g) stehen gub šu(g) gub šu(g) suppletiv
til/se leben til se (sig)     suppletiv
uš/ug sterben ug     suppletiv

Durch die Wahl unterschiedlicher Verbalbasen können also zwei Funktionen ausgedrückt werden:

  • 1. die Kennzeichnung des Präsens-Futur gegenüber dem Präteritum.
  • 2. die Kennzeichnung des pluralischen Subjekts gegenüber dem singularischen Subjekt.

Pronominale Suffixe in Slot 13

Es gibt zwei Formen pronominaler Suffixe, die im Slot 13 verwendet werden (Reihe A und B), sie unterscheiden sich allerdings nur in der 3. Person:

1.sg. 2.sg. 3.sg. 1.pl. 2.pl. 3.pl.
Reihe A -en -en -e -enden -enzen -ene
Reihe B -en -en -enden -enzen -eš

Im Präsens-Futur bezeichnen die pronominalen Suffixe der Reihe A den Agens eines transitiven Verbums und die der Reihe B das Subjekt eines intransitiven Verbums, welches (bis zum Ende des 3. Jtsds. in der Regel) ein /ed/ im Slot 12 vorangestellt bekommt.

Im Präteritum werden nur die pronominalen Suffixe der Reihe B verwendet. Sie kennzeichnen das intransitive Subjekt und das Objekt transitiver Verben, außerdem den pluralischen Agens.

Pronominale Präfixe in Slot 10

Diese Präfixe bezeichnen den Agens im Singular des Präteritums und das direkte Objekt im Präsens-Futur. Ihre Formen sind noch nicht vollständig erschlossen, die 1. und 2. Person im Plural ist nicht belegt:

1.sg. 2.sg. 3.sg.PK 3.sg.SK 3.pl.
j, e (?) j, e (?) n b oder Ø nne oder b

Präsens-Futur-Marker /-ed/ in Slot 12

Wenn die Verbalbasis keine besondere Form für das Präsens-Futur besitzt, unterscheidet nur /ed/ im Slot 12 das intransitive Präsens-Futur vom intransitiven Präteritum.

Konjugationsschema des Präsens-Futurs (Imperfektiv)

Damit ergibt sich für das Präsens-Futur folgendes Konjugationsschem: (PF = Präsens-Futur)

Slot Slot 10 Slot 11 Slot 12 Slot 13
Funktion Objekt Basis PF-Marker Agens / intr. Subj.
transitiv pron. Präf. PF-Basis   pron. Suff. Reihe A
intransitiv   PF-Basis /ed/ pron. Suff. Reihe B

Konjugationsschema des Präteritums (Perfektiv)

Die Pronominalpräfixe des Slot 13 - Reihe B - (Formen siehe oben) kennzeichnen im Präteritum das Subjekt des intransitiven und das direkte Objekt des transitiven Verbums.

Das Agens eines transitiven Verbums im Präteritum wird im Singular durch die Formen des pronominalen Präfixes in Slot 10 dargestellt (Formen siehe oben), im Plural ebenfalls durch die singularischen Präfixe im Slot 10 und zusätzlich durch die pluralischen Suffixe des Slot 13, Reihe B (Formen siehe oben). In diesem Fall (pluralischer Agens) kann ein pronominales Objekt nicht gekennzeichnet werden, da der Slot 13 besetzt ist. Somit ergibt sich für das Präteritum folgendes Konjugationsschema:

Slot Slot 10 Slot 11 Slot 13
Funktion Agens Basis intr. Subj./ Obj. / plur. Agens
intransitiv   Prät-Basis Subjekt: pron. Suff. Reihe B
transitiv sg. Agens pron.Präf. Prät-Basis Objekt: pron. Suff. Reihe B
transitiv pl. Agens pron.Präf.sg. Prät-Basis Agens: pron. Suff. Reihe B pl.

Split-Ergativität und sumerisches Verbalsystem

Das Präsens-Futur verwendet in der 1. und 2. Person faktisch ein Nominativ-Akkusativ-System, da Agens und intransitives Subjekt mit denselben pronominalen Suffixen in Slot 13 bezeichnet werden, während die Präfixe des Slot 10 das Objekt kennzeichen. In den 3. Personen gibt es ein ergativisches System mit verschiedenen Affixen für Agens und intransitives Subjekt.

Das Präteritum benutzt durchgehend ein ergativisches System: Intransitives Subjekt und direktes Objekt verwenden dieselben pronominalen Suffixe der Reihe B in Slot 13.


Die adverbialen Präfixe in Slot 6 - 9

In den Slots 6 - 9 klönnen adverbiale Präfixe auftreten, die adverbiale Ergänzungen zum Handlungsablauf leisten.

Slot Slot 6 Slot 7 Slot 8 A Slot 8 B Slot 9 A Slot 9 B
Funktion Dativ Komitativ Ablativ Terminativ Lokativ Direktiv
Präfix a da (di) ta (ra) ši ni i / j

In den Slots 8 und 9 kann nur je eine der beiden Varianten realisiert sein. Vor dem Lokativpräfix /ni/ kann das Komitativpräfix zu /di/ werden, intervokalisch das Ablativpräfix zu /ra/.

Pronominale Präfixe in Slot 5

Die pronominalen Präfixe in Slot 5 beziehen sich auf das erste adverbiale Präfix in den Slots 6 - 9 und werden von diesen wiederaufgenommen. Sie lauten:

Person 1.sg. 2.sg. 3.sg.PK 1.pl. 2.pl. 3.pl.
Präfixe j (?) ir, j, e nn, n me ene nne

Bei der Verwendung dieser Präfixe gibt es viele Ausnahmen und Sonderfälle, teilweise werden Präfixe der Slots 3 und 4 als Ersatz verwendet. Vor dem Dativ- und Direktivpräfix wird in der 1.sg. eine Form des Ventivpräfixes /mu/ (siehe unten Slot 2) verwendet. Als Ersatz für das fehlende Präfix der 3.sg. SK dient das Mediumpräfix /ba/ (siehe unten Slot 4). Vor die Präfixe /jr/, /nn/, /nne/ in Anfangsposition tritt ein prothetisches /i-/.

Mediumpräfix /ba/ in Slot 4

Das Mediumpräfix /ba/ in Slot 4 drückt aus, dass die Handlung das grammatische Subjekt oder seine Interessen unmittelbar berührt. Sekundär ist die Funktion von /ba/ als Ersatz für das pronominale Präfix in Slot 5 in der 3.sg. SK (letztes Beispiel).

Beipiele zum Mediumpräfix /ba/

Verbform Analyse 1 Analyse 2 Bedeutung
ba-úš 4 ba - 11 uš - 13 Ø MED-sterben-3.sg.Subj er sirbt
ba-hul 4 ba - 11 hul - 13 Ø MED-zerstören-3sg.Subj er wurde zerstört
ba-an-tuku 4 ba - 10 n - 11 tuku - 13 Ø MED-3.sg.Ag-haben-3sg.Obj er nahm für sich
igi ba-ši-bar igi-Ø 4 ba - 8 ši - 10 n - 11 bar - 13 Ø Auge-Abs. 3.SA.Pr-TERM-3.Sg.Ag.-richten-3Sg.Obj. richtete sein Auge auf etwas

Ventivpräfix /mu/ in Slot 3

Das Ventivpräfix bezeichnet eine Bewegung der Handlung auf den Ort des mitgeteilten Sachverhalts oder einer verbalen Ergänzung hin. Vor dem Dativ-Präfix (Slot 6) oder Direktiv-Präfix (Slot 9) fungiert es in der 1. sg. als pronomoninales Präfix (Ersatz für Slot 5). Seine Formen sind /m/ vor Vokal und /b/ und unmittelbar vor der Verbalbasis; in allen anderen Fällen lautet es /mu/, wobei sich das /u/ an den Vokal der folgenden Silbe assimiliert.

Koordinationspräfix /nga/ in Slot 2

Dieses Präfix wird der letzten Verbalform einer gleichgeordneten Kette von Verbalformen präfigiert und hat die Bedeutung "und auch", ist also ein sog. Satzkoordinator.

Die Modalpräfixe in Slot 1

In Slot 1 stehen das Negationspräfix, das Vorzeitigkeitspräfix oder die eigentlichen Modalpräfixe.

Das Negationspräfix indikativer (und infiniter) Verbalformen ist /nu-/, das /u/ kann sich an die Vokale der folgenden Silbe assimilieren. Vor den Silben /ba/ und /bi/ lautet das Negationspräfix /la-/ bzw. /li-/.

Das Vorzeitigkeitspräfix /u-/ drückt die Vorzeitigkeit der Verbalform im Vergleich zum folgenden Satz aus ("nachdem ..."). /u/ kann sich an den Vokal der nächsten Silbe assimilieren.

Sieben Präfixe im Slot 1 beschreiben die Modalität der Handlung, modifizieren also die neutrale Grundbedeutung der Verbform. Dabei kann sowohl die Aussage des Sachverhaltes modifiziert werden (epistemische Modalität: sicher, wahrscheinlich, viellleicht, sicher nicht ..) , oder beschrieben werden, was getan oder nicht getan werden sollte (deontische Modalität).

Modalpräfixe im Slot 1

Präfix Verwendung Semantik Bedeutung
ga- deontisch positiv, nur 1.Ps. ich will/ wir wollen tun
ha- deontisch optativ muss oder soll getan werden (erfüllbarer Wunsch)
  epistemisch affirmativ ist möglich/ sicher, dass
bara- deontisch vetitiv darf nicht getan werden
  epistemisch stark verneinend ist sicher, dass nicht
na(n)- deontisch schwach negativ sollte nicht getan werden
  epistemisch negativ ist nicht möglich, dass
na- epistemisch positiv ist wirklich so
ša- epistemisch positiv ist wirklich so
nuš- deontisch positiv sollte getan werden (unerfüllbarer Wunsch)

Prothetisches i-

Das prothetische Präfix ì- tritt immer dann auf, wenn ansonsten nur ein einzelner Konsonant als Präfix vorhanden wäre, das Wort mit zwei Konsonanten anfangen würde oder wenn ansonsten kein Präfix vorhanden ist, die Verbform aber finit sein soll.


Beispiele zur Verbalbildung

Bei den Verbalformen ist für die Konstituenten die Nummer des Slots vorangestellt.

Verbform Analyse / Übersetzung
lugal-Ø mu-ĝen-Ø König-ABS (3) VENTIV + (11) gehen.PRÄT + (13) 3s
  der König kam
lugal-e bad-Ø i-n-sig-Ø König-ERG Mauer-ABS prothet. i + (10) 3s.AGENS + (11) niederreißen.PRÄT- (13) 3s.OBJ
  der König riss die Mauer(n) nieder

Erläuterung der Abkürzungen

ABS Absolutiv, ERG Ergativ; PRÄT Präteritum(basis), OBJ Objekt; 3s = 3. Person Singular.

Weitere Formen

Für die Darstellung weiterer Verbalformen (Imperativ, infinite Formen), der Verwendung anderer Wortarten (Pronomina, Zahlwörter, Konjunktionen) und insbesondere der sumerischen Syntax wird auf die angegebene Literatur verwiesen.

Literatur

  • Attinger, Pascal Eléments de linguistique Sumérien. Editions Universitaires de Fribourg 1993. (Wenn auch auf Französisch, ist es dennoch eine sehr wichtige Arbeit zum Sumerischen.)
  • Edzard, Dietz-Otto A Sumerian Grammar. Brill-Verlag Leiden 2003. (Bisher vollständigste Grammatik der sumerischen Sprache.)
  • Falkenstein, Adam Das Sumerische. Brill-Verlag Leiden 1959. (Die erste „moderne“ Grammatik des Sumerischen.)
  • Falkenstein, Adam Grammatik der Sprache Gudeas von Lagaš. Band I Schrift- und Formenlehre; Band II Syntax. Analecta Orientalia 28 und 29, Rom 1978 (2. Auflage). (Monumentale Grammatik für die Gudea-Sprache.)
  • Hayes, John L. Sumerian. LINCOM EUROPA München 1997. (Ein linguistischer Zugang zur Sprache, der jedoch sehr knapp gefasst ist, das Büchlein hat nur 41 Seiten.)
  • Kausen, Ernst Das Sumerische. Gießen 2006. (Eine knappe Einführung auf Basis der Grammatiken von Edzard 2003 und Zólyomi 2005.)
  • Michalowski, Piotr Sumerian. in: The Cambridge Encyclopedia of the World's Ancient Languages (edited by Roger D. Woodard). Cambridge University Press 2004.
  • Poebel, Arno Grundzüge der sumerischen Grammatik. Rostock 1923. (Älteste grammatische Darstellung aus der Anfangszeit der Altorientalistik.)
  • Thomsen, Marie-Louise The Sumerian Language: An Introduction to its History and Grammatical Structure. Akademisk-Forlag Kopenhagen 1984. (Enthält eine umfangreiche Liste von Verben und ihren Stammformen.)
  • Zólyomi, Gábor Sumerisch. in: Sprachen des Alten Orients (hrsg. von Michael P. Streck). Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2005.)