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Wilhelm Benjamin Gautzsch

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Vermittlung von Fraunhofers Schweizer Lehrer

Pierre-Louis Guinand.

Nach seinen eigenen Angaben beeinflusste Gruner in Bayern den Kartografen Alois von Coulon (1779–1855) und den Reliefbauer Franz Joseph Weiss (1784–1825) im Sinn der "Meyerschen Schule".[1] In einer Eingabe an die bayerischen Behörden schrieb er, das Mathematisch-mechanische Institut Utzschneider, Reichenbach und Liebherr in München sei sein Kind. Er habe den Plan dazu entworfen. Um Utzschneider Fachleute zu vermitteln, sei er mit diesem in die Schweiz gereist.[2] Angeworben wurde so der Optiker Pierre-Louis Guinand (1748–1824) aus Les Brenets (Neuenburg). Er stellte Teleskope her, die den englischen ebenbürtig waren. Vor allem aber produzierte er schlierenfreies Flintglas in Stücken, die deutlich grösser waren als die bisher verfügbaren. Er erfand das Verfahren, welches in der Fachsprache Guinandage heißt. 1804 sandte er Utzschneider Glasproben und eine Denkschrift. Obwohl damals weder England noch Frankreich Flintglas ausführten, assoziierte sich Utzschneider darauf mit Reichenbach und Liebherr, um Vermessungsinstrumente herzustellen. Die erste Begegnung zwischen ihm und Guinand fand 1805 in Aarau statt.[3] Erst danach kaufte er das ehemalige Kloster Benediktbeuern. Nach einem weiteren Zusammentreffen in Les Brenets nahm er Guinand unter Vertrag. 1806 errichtete der Schweizer in Benediktbeuern eine damals in der Welt einzig dastehende Hütte für optisches Glas.[4] Doch sobald Utzschneider seine Fabrikationsgeheimnisse kannte, begann er ihn zurückzusetzen. Guinand musste Joseph Fraunhofer (1787–1826) zum Glasmacher ausbilden. Bald wurde er seinem genialen Schüler unterstellt. Gedemütigt kehrte er 1814 in die Heimat zurück. Als Glasmacher aber übertraf ihn Fraunhofer nicht. Während dieser nur für den Eigenbedarf optisches Glas herstellte, begann Guinand 1818 Paris zu beliefern. Später beherrschten seine Angehörigen und Nachfolger lange Zeit den Weltmarkt[5], während der Betrieb in Benediktbeuern einging. Darum versuchte Utzschneider Guinand noch nach dessen Tod herabzusetzen.[6]

Mitbegründer des Landwirtschaftlichen Vereins

1807 erhielt Gruner die Konzession, den eingestellten Abbau von Pechkohle am Peissenberg wieder aufzunehmen, doch gelang es ihm nicht, Investoren dafür zu gewinnen.

Ab 1809 (?) war Gruner an der Gründung des Landwirtschaftlichen Vereins in Bayern beteiligt.

19. 2. 1810 Mitglied der Kommission zur Ausarbeitung der Statuten des Landwirtschaftlichen Vereins, 19. 11. Mitglied des Generalkomitees (21. 11. der Redaktion des Wochenblatts) des Landwirtschaftlichen Vereins, September 1811 durch Losentscheid aus Generalkomitee ausgeschieden, 1812 Mitglied der Deputation für das landwirtschaftliche Bauwesen, übersetzte 1813 Aufsatz von Loys über Kartoffeln als Viehfutter und schrieb über Bienenzucht. Veröffentlichte 18. 1. 1814 »Einige Bemerkungen über die kleinen Wiesen-Wässerungen durch Wässer-Weiher« und 18. 5. »Auszüge aus Bemerkungen über die rheinländischen Oehlpressen« (verfasst 29. 11. 1813), übergab Landwirtschaftlichem Verein Modell zur Selbstregulierung von Wässerungsweihern, untersuchte Einfluss von Torf und Tuff auf Fruchtbarkeit des Bodens. Schenkte Landwirtschaftlichem Verein 1817 Aktie der Mutterbienengesellschaft in München, veröffentlichte 17. 6. (verfasst 1. 5.) »Erfindung eines Gyps-Streu-Karrens«, der von Alois Ramis aus Steingaden ausgeführt wurde (1818 in Sammlung des Landwirtschaftlichen Vereins). Veröffentlichte 19. 12. 1820 »Einige Bemerkungen über großes, besonders Schweitzer-Vieh« (verfasst 27. 11.). Schlug im Dezember 1820 vor, Deputation für das landwirtschaftliche Bauwesen zu reaktivieren, Mitglied der vom Landwirtschaftlichen und von Polytechnischen Verein gemeinsam geschaffenen »Deputation für die Verbesserung des Landbauwesens und die zweckmäßige Verschönerung des baierischen Landes«, die ab 27. 1. 1821 Monatsblatt (Auflage 3500 Stück) herausgab, veröffentlichte 20. 2. »Ueber die Bereitung des warmen Futters in der Schweiz« (verfasst 11. 12. 1820), 10. 4. »Kartoffelbau, mit Berücksichtigung des schnellen Umsatzes des Dung-Kapitals« (verfasst 20. 3.), 28. 4. »Einige Worte über den Kalk-Mörtel« (verfasst 26. 1.), 8. 5. »Ueber das Stecken des Saat-Getreides« (verfasst 28. 3.), übergab Landwirtschaftlichem Verein zwei Modelle und acht Pläne eines Stall- und Stadelgebäudes für – am häufigsten am Zürichsee anzutreffende – Güllenbereitung nach Schweizer Art (1828 veröffentlicht), von begutachtender Kommission erfolglos dem König zu Ehrung empfohlen. Sammelte 1823 mit Oberleutnant Sanson 900 fl. für Anbau von Maulbeerbäumen, Mitglied einer Kommission zur Begutachtung der landwirtschaftlichen Schule in Schleißheim, schenkte Landwirtschaftlichem Verein Modell einer Seilmaschine von Vera.

Schweizer Wurzeln des Bayerischen Wörterbuchs

4. 12. 1813 Bewerbung um Aufnahme in bayerische Armee, 8. 1. 1814 Hauptmann 2. Klasse in freiwilligem Jägerbataillon des Illerkreises (Reserveeinheit) in Kempten, das er 1. 3.–• … • interimistisch kommandierte, Bekanntschaft mit Oberleutnant Andreas Schmeller, duellierte sich 23. 6. wegen Streits um Sessel mit Hauptmann Bernhard Morell von Bern. 29. 3. 1815 in freiwilligem Jägerbataillon des Oberdonaukreises (in Augsburg), dem späteren 1. Jägerbataillon, 23. 6. Hauptmann 1. Klasse, von diesem Tag an bis 21. 11. in Frankreich, 21.–27. 8. und 2.–27. 10. in Paris, dort laut Wolf von seinem Studienkollegen Alexander von Humboldt mit wissenschaftlichen Berühmheiten bekannt gemacht, zeigte 4. 9. Morell wegen Insubordination an, laut Wolf nach Rückkehr aus Frankreich dekoriert. 1817 Schneller einer der beiden Trauzeugen Gruners, Gruner Vormund von Schmellers unehelicher Tochter Emma Auer. Bis 1822 in 1. Jägerbataillon.

Begründer der Militärgeologie

Verfasste 20. 3. 1817 »Ueber den Einfluss der Geognosie auf Landcarten und Reliefs« (1826 posthum veröffentlicht). 1818 Mitglied des Polytechnischen Vereins. Veröffentlichte 6./9. 12. 1820 »Einige Bemerkungen über den polytechnischen Verein« (verfasst 15. 11.). Verfasste 1820 (?) im Auftrag von Generalstabschef Raglovich Aufsatz »Verhältnis der Geognosie zur Kriegs-Wissenschaft« (1826 posthum veröffentlicht). 1821 (?) Mitglied einer Kommission zur Begutachtung einer Dampfmaschine.

Studienreise in die Niederlande

1816 verkehrte Gruner bei Mittermaiers Schwägerin Klara Regina geborener von Walther (1780–1821) aus dem elsässischen Weissenburg – laut Schmeller "ein herrliches mir sehr theures Weib (…) in jedem nur nicht im pfäffischen Sinne eine Heilige"[7] – und deren wesentlich älterem Mann, dem bayerischen Reichsarchivar Vinzenz von Pallhausen (1759–1817). Ein Jahr nach Pallhausens Tod heiratete Gruner Clara. Sie bewohnten ein Landhaus mit Garten in der Vorstadt Schönfeld (Königinstraße 62), das er gekauft hatte. 1819 besuchten sie Paris und Bern. Doch schon 1821 starb Clara nach kurzer Krankheit. Einen Monat darauf erhielt Gruner vom Ministerium des Innern Geld für eine landwirtschaftliche Studienreise in die Niederlande zugesprochen. Über ein Jahr lang bereiste er im Auftrag des Landwirtschaftlichen Vereins Brabant und Holland, die wie die Schweiz Inspirationsquellen für die Agrarrevolution waren. Seine noch heute zitierten Aufzeichnungen von dieser Reise wurden posthum von Karl Wilhelm Wimmer veröffentlicht.[8]

Verunfallt oder ermordet?

Gruner war ein Gegner der von Kronprinzen Ludwig angeführten politischen Reaktion. 1820 freute er sich mit Schmeller über die Erfolge der Liberalen in Südeuropa. 1821 wollte er Bayern verlassen und mit seinem Schwager Prof. Dr. med. Philipp Franz von Walther nach Bonn gehen. 1823/24 fuhr er im Auftrag seines aus Zürich stammenden Freundes Oberbuchhalter Hans Kaspar Brunner nach Paris, um Land in Kentucky zu kaufen. Er dachte daran, selber dorthin auszuwandern. Doch kurz nach seiner Rückkehr fand man ihn auf dem Weg zu seinen Gütern tot in der umgestürzten Chaise eines betrunkenen Müllers. Eine gerichtliche Untersuchung erbrachte keine Klarheit über die Todesursache. Der Arzt Franz Xaver Reiner war "von der Möglichkeit einer geschehenen Erdrosselung überzeugt". Auf Veranlassung Schmellers wurde Gruner in Starnberg exhumiert und an Claras Seite in München beigesetzt.[9] Seine Bibliothek und seine Landkartensammlung wurden versteigert.[10] Zwei Jahre später warf ein Leserbriefschreiber den Erben vor, dem Verstorbenen immer noch kein Grabdenkmal errichtet zu haben.[11] Sein von Brunner betreuter wissenschaftliche Nachlass ist verschollen.

  1. Gruner (1825), S. 133–135.
  2. Wolf, S. 302/Anm. 5 (1821).
  3. (Ernst Voit:) 1815–1915. Hundert Jahre technische Erfindungen und Schöpfungen in Bayern. Jahrhundertschrift des Polytechnischen Vereins in Bayern. München/Berlin 1922, S. 14.
  4. Moritz von Rohr: Joseph Fraunhofers Leben. Leipzig 1929, S. 148.
  5. Ebendort, S. 100 f.; Moritz von Rohr: Ein Beitrag zur Geschichte des optischen Glases. In: Nova Acta Leopoldina, Neue Folge, Band 2, Halle an der Saale 1934 f., S. 147–202, hier: S. 168 ff.
  6. Joseph von Utzschneider: Kurzer Umriß der Lebens-Geschichte des Herrn Dr. Joseph von Fraunhofer. München 1826, S. 5 f.; Erklärung des königl. geh. Rathes J. v. Utzschneider, gegen einige Aeußerungen in der Bibliothèque universelle und dem Globe, über die Erzeugung des Flintglases. In: Beilage zur Allgemeinen Zeitung, 25. Januar 1829, S. 99 f.
  7. … und ….