[[Datei:Map-Romance Language World.png|mini|hochkant=1.8|Die romanischen Weltsprachen: Dunkle Farbtöne stellen offiziellen Sprachstatus dar, hellere einen inoffiziellen Status mit weiter Verbreitung.
[[Datei:Romance-lg-classification-en.png|mini|hochkant=1.8|Beziehungen und Verwandtschaften der romanischen Sprachen (Romania)]]
Geschichte der romanischen Sprachen
In den dunkel gefärbten Gebieten ist heute eine romanische Sprache Amtssprache und Mehrheitssprache. Hellblau: Verbreitung der lateinischen Sprache im Römischen Reich.Das römische Imperium zur Zeit des KaisersAurelian (270–275 n. Chr.)
Im Gegensatz zu den meisten anderen Sprachgruppen ist die Ursprache des Romanischen gut bezeugt: Es handelt sich um das gesprocheneLatein der Spätantike (Volkslatein oder Vulgärlatein). Das Lateinische selbst gilt nicht als romanische Sprache, sondern wird zusammen mit der oskisch-umbrischen Sprache zu den italischen Sprachen gerechnet, von denen mit den romanischen Sprachen nur das Lateinische heute noch „Nachkommen“ hat.
Die Romanisierung begann als Ausbreitung der lateinischen Sprache in den durch das Römische Reich verwalteten Gebieten. Diese räumliche Ausweitung erreichte um 200 n. Chr. einen Höhepunkt.
Gebiete, in denen nur noch Relikte des Lateinischen vorhanden sind, nennt man verlorene (untergetauchte) Romania, Romania submersa. Man denke etwa an lateinische Reliktwörter im Altbairischen oder die Formulierung Mi bringt mi koana aus’n Heisl (dt. „Mich bringt (mich) keiner aus dem Häuschen“), die hinsichtlich der Satzstellung und der Verwendung des Personalpronomens etwa direkt in das spanische Te lo diré a ti[2] oder das französische Moi je le dirai à toi übertragen werden könnte (klitische Dopplungsstrukturen).[3] Hingegen wird als gedachte Fortsetzung einer alten Romania von einer Romania continua gesprochen. Von einer neuen Romania, Romania nova, wird gesprochen, wenn durch Kolonisation romanische Sprachen verbreitet worden sind.[4]
Waren die sich aus der indogermanischen Ursprache entwickelnden altindogermanischen Sprachen, so das Sanskrit und dann in abnehmendem Grade das Griechische sowie das Latein, von einem synthetischen Sprachbau, kam es über die Entwicklung vulgärlateinischer Dialekte und Sprachen verstärkt zu einem analytischen Sprachbau. Diese Veränderung hatte weitreichende Folgen. Während bei mehr oder weniger reinen synthetischen Sprachen die Wortstellung frei ist und dadurch einen flexiblen Ausdruck gewährleistet, müssen in den analytischen Sprachen die Beziehungen durch Wortstellungen ausgedrückt werden. Hierzu schufen die Sprecher im Zuge dieser Hinwendung zum analytischen Sprachaufbau der romanischen Sprachen nunmehr Artikel vor den Substantiven, Personalpronomina vor den Verben, führten Hilfsverben in die Konjugation ein, ließen Präpositionen die Kasus ersetzen und führten Adverbien zur Komparation der Adjektive ein und vieles andere mehr.
Morphologisch sind die romanischen Verben zumeist von analytischer Form.[5] In der Morphologie der Nomen aber war die Entwicklung eine andere, es kam zu einem weitreichenden Verlust der Kasus – eine Entwicklung, die schon im Vulgärlatein nachweisbar ist, wo lateinische Kasusendungen regelmäßig durch Präpositionen ersetzt wurden.
Diese Entwicklung hin zu den romanischen Sprachen ergab eine völlig andere Syntax. Obgleich die Verbformen noch stark markiert sind, das Prädikat also seine kompakte Stellung behielt, wurden die syntaktischen Beziehungen zwischen den Satzgliedern nicht mehr durch die Kasus, sondern durch Präpositionen und die starrere Wortstellung ausgedrückt. Für den Sprecher wurden dadurch die Satzstellungsregeln einfacher, denn syntaktisch zusammengehörende Einheiten verbleiben nebeneinander stehen.
Aragonien (Spanien) Status als Standard umstritten
Romanische Sprachen nach Untergruppen
Das romanische Sprachareal in Europa und dessen Hauptgruppen
Die romanischen Sprachen lassen sich nach teilweise systemlinguistischen, teilweise geographischen Kriterien in mehrere Untergruppen einteilen. Bei der folgenden Liste der romanischen Sprachen ist zu beachten, dass bei vielen romanischen Idiomen die Aufzählung schwierig ist, da sie je nach Quelle mal als eigenständige Sprachen, mal als Dialekte geführt werden. Das hängt damit zusammen, dass sie nicht über eine einheitliche Standardsprache verfügen, sondern überwiegend neben einer anderen Standardsprache vor allem in informellen Kontexten verwendet werden (Diglossie).
Mit Ausnahme des Sephardischen und des Anglonormannischen handelt es sich bei den hier aufgezählten um Sprachformen, die sich direkt und in ungebrochener zeitlicher Kontinuität aus dem gesprochenen Latein entwickelt haben. Sie bilden in Europa mit Ausnahme des Rumänischen auch ein räumliches Kontinuum. Man spricht aufgrund der zeitlichen und räumlichen Kontinuität auch von Romania continua.
Die heutige Ausbreitung romanischer Sprachen in Europa
Iberoromanische Sprachen
Zum Iberoromanischen gehören die spanische, die portugiesische und die galicische Standardsprache (letztere werden manchmal zu einem Diasystem zusammengefasst). Die Stellung des im Nordosten der Iberischen Halbinsel gesprochenen Katalanischen (einschließlich des Valencianischen) ist umstritten, es nimmt eine Übergangsstellung zwischen dem Iberoromanischen und dem Galloromanischen ein. Außerdem gehören zu den iberoromanischen Sprachen:
Asturleonesisch in der Region Asturien sowie den Provinzen León und Zamora in Spanien. Eng mit diesem verwandt ist das Mirandesische(Mirandés) im Nordosten Portugals, das dort lokale Amtssprache ist.
Auf fast dem gesamten Gebiet der galloromanischen Sprachen wird heute die französische Standardsprache verwendet. Nach systemlinguistischen Kriterien kann man die galloromanischen Sprachen in drei Gruppen unterteilen:
Langues d’oïl. Zu diesen gehören neben dem Französischen mehrere enger mit diesem verwandte Dialekte, die von manchen auch als eigene Sprachen angesehen werden:
Franko-Provenzalisch. Unter diesem Begriff werden von Linguisten die Dialekte des mittleren Rhônetales, des größten Teiles der französischsprachigen Schweiz (Romandie), Savoyens und des Aostatales zusammengefasst. Eine Standardsprache oder ein eigenständiges Sprachbewusstsein existiert jedoch nicht, als Schriftsprache wird hier von Alters her das Französische verwendet.
Okzitanisch oder Langue d’oc in Südfrankreich (Okzitanien), den Alpen Nordwestitaliens und der Val d’Aran in Katalonien. Dieses muss aufgrund des Systemabstandes auf alle Fälle als eigenständige romanische Sprache klassifiziert werden, besitzt jedoch keine allgemein anerkannte Standardvarietät:
Nissart im Gebiet um Nizza (wird oft auch zum Provenzalischen gezählt)
Provenzalisch in der Provence (die Bezeichnung Provenzalisch wurde früher auch für das Okzitanische als Ganzes verwendet)
Die Abgrenzung des Galloromanischen zum Iberoromanischen und zum Italoromanischen innerhalb des romanischen Dialektkontinuums ist nicht eindeutig. Das Katalanische nimmt eine Übergangsstellung zwischen Galloromanisch und Iberoromanisch ein, die galloitalienischen Varietäten haben rein systemlinguistisch betrachtet mehr mit dem Galloromanischen gemeinsam als mit dem übrigen Italoromanischen, zu dem sie aus geographischen und kulturgeschichtlichen Gründen meist gezählt werden. Die enge Verzahnung mit dem Romanischen des heutigen Frankreichs wird aber beispielsweise in den gallischen/keltischen Reliktwörtern des Galloitalienischen deutlich, die zum größten Teil auch im keltischen Reliktwortschatz der Transalpina zu finden sind.[7]
Rätoromanische Sprachen
Unter der Bezeichnung alpenromanische oder rätoromanische Sprachen werden manchmal das Furlanische, das Bündnerromanische und das Ladinische zusammengefasst. Sie sind von den galloitalienischen Idiomen gleichsam abgesondert worden, nachdem diese bzw. ihre Sprecher sich mehr südlich an den zentralitalienischen Mundarten orientierten.
Italoromanische Sprachen
Die einzige italoromanische Standardsprache ist das Italienische. Die übrigen italoromanischen Sprachen gehören mit Ausnahme des Korsischen und des Monegassischen alle zum Geltungsbereich der italienischen Standardsprache und werden deshalb oft auch als italienische Dialekte klassifiziert. Sie lassen sich in drei Untergruppen einteilen, zwischen denen große Unterschiede bestehen:
Die Varietäten der nördlichen Gruppe nehmen teils eine Übergangsstellung zum Galloromanischen ein. Diejenigen, die auf dem Gebiet der Lautentwicklung, der Morphologie und des Wortschatzes mehr damit gemein haben als mit dem übrigen Italoromanischen, werden daher auch als Galloitalienisch zusammenfasst. Das Venetische Romanisch im Nordosten Italiens weist jedoch größere Gemeinsamkeiten mit dem übrigen Italoromanischen auf. Zur nördlichen Gruppe gehören (als Galloitalienische Varietäten):
Venezianisch oder Venetisches Romanisch, in der Region Venetien in Nordostitalien (nicht galloitalienisch)
Mittelitalienische Varietäten werden in den Regionen Toskana und Umbrien und im größten Teil von Latium und Marken gesprochen. Die Grenze zu den norditalienischen Varietäten folgt ungefähr der Linie La Spezia – Rimini, die Grenze zu den süditalienischen Varietäten der Linie Rom – Ancona. Sie bilden die Grundlage der italienischen Standardsprache. Das Korsisch auf Korsika, das dort neben dem Französischen auch in begrenztem Maße offizielle Anerkennung erlangt hat, gehört systemlinguistisch betrachtet auch zu den mittelitalienischen Varietäten, hat jedoch aus geographischen und kulturgeschichtlichen Gründen eine Sonderstellung.
Das Istriotische wird im Südwesten Istriens gesprochen und mitunter auch als eigenständige Sprache bezeichnet.
Sardisch
Das Sardische auf Sardinien lässt sich keiner der Untergruppen zuordnen. Es besitzt derzeit keine einheitliche Standardsprache, muss jedoch aufgrund seines Systemabstandes zu den übrigen romanischen Sprachen auf alle Fälle als eigenständige Sprache klassifiziert werden.
Manche Linguisten rechnen auch die romanisch-basierten Pidgins und Kreolsprachen zu den romanischen Sprachen.
Diese „neuromanischen Sprachen“ (Romania nova) lassen sich einteilen in:
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Grammatische und Wortähnlichkeiten innerhalb der romanischen Sprachen bzw. zwischen diesen und dem Latein zeigen die folgenden Beispielsätze:
Die aktuelle Situation der romanischen Sprachen in Europa
Romanische Sprachen und ihre Dialekte im Jahre 2014 in Europa
Plansprachen auf teilweise romanischer Grundlage
Die allermeisten Plansprachen sind eine reformierte romanische Sprache oder eine Synthese aus mehreren romanischen Sprachen. Unter der sogenannten naturalistischen Richtung versteht man eben solche Plansprachen. Das bekannteste und wichtigste Beispiel ist die Latino sine flexione von 1903 oder die spätere Interlingua von 1951. Aber auch das Esperanto der sogenannten autonomen Richtung hat seinen Wortschatz zu mehr als drei Vierteln aus dem Lateinischen und romanischen Sprachen, vor allem dem Französischen.
Georg Bossong: Die romanischen Sprachen. Eine vergleichende Einführung. Buske, Hamburg 2008.
Martin Harris, Nigel Vincent (Hrsg.): The Romance Languages. Oxford University Press, London 1988.
Harri Meier: Die Entstehung der romanischen Sprachen und Nationen. Klostermann, Frankfurt am Main 1941. (Reprint: University of Michigan, Ann Arbor 1984)
Rebecca Posner: The Romance Languages. Cambridge University Press, Cambridge 1996.
Lorenzo Renzi: Einführung in die romanische Sprachwissenschaft. Narr, Tübingen 1981. Italienische Auflage: Nuova introduzione alla Filologia romanza. Il Mulino, Bologna 1994.
Carlo Tagliavini: Einführung in die romanische Philologie. 1972. Neuauflage: Francke, Bern 1998.
Kürzere Einführungen
Alwin Kuhn: Die romanischen Sprachen. Francke, Bern 1951.
Petrea Lindenbauer, Michael Metzeltin, Margit Thir: Die romanischen Sprachen. Eine einführende Übersicht. Egert, Wilhelmsfeld 1995.
Michael Metzeltin: Las lenguas románicas estándar. Historia de su formación y de su uso. Academia de la Llingua Asturiana, Uviéu 2004. (Google books).
Michael Metzeltin: Erklärende Grammatik der romanischen Sprachen, Satzkonstruktion und Satzinterpretation. Praesens, Wien 2010.
Rainer Schlösser: Die romanischen Sprachen. Beck, München 2001.
Carl Vossen: Mutter Latein und ihre Töchter. Fischer, Frankfurt 1968.
↑Elisabeth Hamel: Die Räter und die Bayern. Spuren des Lateinischen im Bairischen. In: Bernhard Schäfer (Hrsg.): Land um den Ebersberger Forst. Beiträge zur Geschichte und Kultur. 6 (2003), Historischer Verein für den Landkreis Ebersberg e.V, ISBN 3-926163-33-X, S. 8–14
↑Wolfgang Dahmen: Die romanischen Sprachen in Europa. In Uwe Hinrichs (Hrsg.): Handbuch der Eurolinguistik. Bd. 20 Slavistische Studienbücher, Otto Harrassowitz Verlag, Wiesbaden 2010, ISBN 3-447-05928-1, S. 209 f
↑Vgl. dazu Joachim Grzega: Romania Gallica Cisalpina: Etymologisch-geolinguistische Studien zu den oberitalienisch-rätoromanischen Keltizismen. (= Beihefte zur Zeitschrift für romanische Philologie. 311). Niemeyer, Tübingen 2001.