Francesco Carotta
Francesco Carotta (* 1946 in Ca'Zen, Lusia, Veneto, Italien) ist ein italienisch-deutscher Gelehrter und Publizist. Francesco Carotta ist bekannt für die umstrittene These, dass der Mensch Jesus von Ravenna Gaius Iulius Caesar gewesen sei.
Leben und Überblick
Carotta war als Techniker, Sprachlehrer, Journalist, EDV-Unternehmer und Verleger tätig und studierte u. a. Philosophie in Dijon, Polemologie in Straßburg, Romanistik, Germanistik und Linguistik in Frankfurt am Main.
In den 70er Jahren war er in kultur-politischen Bewegungen in Frankfurt, Bologna und Rom unter dem Pseudonym C(h)am aktiv. In den 80ern Mitgründer einer Informatik-Firma in Freiburg im Breisgau, in den 90ern Leitung eines Buchverlages.
Die Jesus-Caesar-Hypothese veröffentlichte Carotta zuerst in seinem Verlag Kore (1988, 1989) und Zeitungsartikeln in der Stadtzeitung, Freiburg (April 1989) sowie in die tageszeitung (23. Dezember 1991). Nach mehr als zehn Jahren Forschung publizierte er die Ergebnisse seiner Untersuchung in dem Buch War Jesus Caesar? mit einem Nachwort von Erika Simon (1999); niederländische (2002) und englische (Jesus was Caesar. On the Julian Origin of Christianity. 2005) Übersetzungen folgten, weitere sind in Vorbereitung.
Gaius Iulius Caesar wurde nach seiner Ermordung und Beisetzung als Gott Divus Iulius kultisch verehrt (Kult des Divus Iulius). Aus diesem Kult um den vergöttlichten Caesar entwickelte sich laut Carotta das Christentum. Carotta stützt diese Aussage auf einen Vergleich (Synopse) der Berichte über das Leben Caesars und den Römischen Bürgerkrieg – vom Rubikon bis zu Caesars Ermordung und Apotheose – wie sie von den antiken Autoren Sueton, Appian, Plutarch, Cassius Dio und anderen überliefert sind, mit dem griechischen Markusevangelium. Das Markusevangelium, das nach allgemeiner Ansicht der Kirchenhistoriker als ältestes der Evangelien gilt, deutet Carotta als eine im Tradierungsprozeß durch Kopier-, Übersetzungs-, Interpretationsfehler und logische Umredigierung mutierte und delokalisierte Version der Vita Divi Iulii. Diese wurde von den Flaviern und ihrem Historiker Flavius Josephus, den Carotta (in höchst umstrittener Weise) mit dem Apostel Paulus gleichsetzt, sanktioniert. Jesus sei demnach keine eigenständige historische Figur, sondern der wegen seiner Milde, der sprichwörtlichen Clementia Caesaris, gerühmte römische Feldherr, Diktator und Pontifex Maximus Julius Caesar, der nach seinem Tode als Divus Iulius der höchste Gott des Römischen Reichs wurde (der in den orientalischen Veteranenkolonien verfremdet tradiert wurde). Carotta führt hunderte Beispiele an, durch welche Abschreib- und Übersetzungsfehler das Evangelium entstanden sei. Ferner weist er auf die zuerst von Ethelbert Stauffer entdeckten strukturellen Ähnlichkeiten der römischen Osterliturgie mit dem Beisetzungsritual Caesars hin. Eine scheinbar unabhängig voneinander ähnliche Nachforschung, mit einer gegensätzlichen These, wurde von Gary Courtney in dem Buch „Et tu Judas? Then fall Jesus“ (1992) vorgetragen.
Carottas Untersuchung
Ausgangspunkt ist die Annahme, dass auf den von den Archäologen als authentisch angesehenen Portraits (auf Münzen und Statuen), Caesar gar nicht als der derjenige Feldherr erscheint, den man sich üblicherweise darunter vorstellt, sondern als der Gütige, der Leidende, der Gott-König, mitunter mit möglichen Jesuanischen Zügen.
Dies veranlaßte ihn, eine Arbeitshypothese aufzustellen: Könnte vom Kult des Divus Iulius, des nach seinem Tode vergöttlichten Caesar, etwas ins Evangelium eingegangen sein?
Zur Überprüfung dieser Hypothese verglich er die Teile von beiden Lebensläufen, die sich strukturell entsprechen sollen. Da das Evangelium nicht das ganze Leben Jesu erzählt, sondern nur vom Jordan bis zur Kreuzigung (eine Kindheitsgeschichte haben nicht alle Evangelien, und die Jugendzeit fehlt bei allen), stellte er synoptisch Caesars Leben vom Rubicon bis zu seiner Ermordung neben das Markus Evangelium (das vermutlich älteste).
Dies förderte eine Reihe von Parallelen zutage, die ihn zum Weiterforschen veranlaßten. Am Ende der Untersuchung stand dann als verblüffendes Ergebnis: Es gibt im Evangelium seiner Meinung nach nichts, was in der Caesargeschichte nicht schon gestanden hätte – mutatis mutandis, d.h. im Tradierungs- und Übersetzungsprozeß verformt und delokalisiert: von Gallia nach Galilaea.
Im folgenden, stichprobenartig, einige wenige Beispiele:
Auszug aus der Synopse
- Cäsar ist zu Beginn des Bürgerkriegs in Gallia. Jesus beginnt seine Predigertätigkeit in Galiläa.
- Danach überqueren beide, von Norden kommend, einen verhängnisvollen Grenzfluss: Cäsar den Rubicon - er eröffnet damit den Bürgerkrieg. Jesus schreitet über den Jordan. Beide gelangen in eine Stadt.
- Bei Cäsar ist Corfinium vom Gegner besetzt. Jesus trifft in Cafarnaum auf einen Besessenen. "Besetzt" und "besessen" sind mögliche Übersetzungsvarianten des lateinischen Wortes Obsessus. Bei der nächsten Besetzung hier gibt es wieder einen Besessenen dort.
- Bei Cäsar scheitert die nächste Belagerung, weil der eingekesselte Pompeius den Belagerungsring sprengen kann. Bei Jesus lässt sich der Besessene nicht fesseln.
- Der belagerte Pompeius hält sich mit seinen Legionen in den Verschanzungen auf (lat. Munimenta).
Der Besessene bei Jesus nennt sich Legion und hält sich in den Gräbern (lat. Monumenta) auf.
- Jesus zieht auf einem Esel nach Jerusalem ein, Cäsar wird an entsprechender Stelle von Asinius Pollio (lat. Asinus: Esel) nach Rom begleitet.
- Ein wichtiges Leitmotiv Cäsars lautete: „Diejenigen, die neutral sind, werde ich als Freunde betrachten“ (siehe Clementia Caesaris). Im Evangelium steht an entsprechender Stelle: „Wer nicht wider uns ist, ist für uns“ (Mk 9, 38-40).
Dies setzt sich in gleicher Weise fort. Laut Carotta kommen alle Sprüche in beiden Werken vor, alle Personen finden ihre Entsprechung, teilweise durch den Tradierungsprozess verzerrt. Carotta sagte hierzu:
- „Jede einzelne Übereinstimmung kann man natürlich auch anders erklären. Das Problem besteht jedoch darin, dass alle Sprüche in beiden Werken vorkommen, und zwar nicht wahllos, wie man es erwarten würde, sondern in struktureller Übereinstimmung. Man könnte also bei jeder einzelnen Entsprechung sagen: „Das ist Zufall!“. Aber was für ein Zufall wäre es, wenn alle Zufälle in der gleichen Reihenfolge auftreten würden?“
An manchen Stellen gibt es auch scheinbare Unterschiede:
- Wo bei Cäsar Capitol vorkommt, schreibt ein Evangelist Golgotha oder Schädelstätte, ein anderer aber Ölgarten und ein dritter Gethsemane, die Ölkelter. Diese unterschiedlichen Namen sind drei mögliche Übersetzungen des lateinischen Wortes Capitolium. Wenn man Capitolium von Caput Oli (Schädel des Olus) ableitet, dann ist Schädelstätte korrekt. Wenn man aber aus Capitolium Campi für Felder heraushört und Olium (lat.; Öl) , wie im Italienischen Campidoglio, kann es als Ölgarten verstanden werden. Hört man aber in Capitolium Capit (Verbform von capere, das Fassen) und wiederum Olium, dann ist es als Ölkelter zu verstehen.
- Jesus kommt im Johannes-Evangelium fünfmal nach Jerusalem (gr.; hierosolyma), Cäsar nach der Überschreitung des Rubikons fünfmal nach Rom.
- Bei Markus, Matthäus und Lukas, den anderen Evangelisten hingegen, kommt er nur einmal nach Jerusalem, ansonsten ist er entweder in der Wüste oder er geht in die Dörfer. Aber in der Wüste heißt auf griechisch Eremo, das ist Romae sehr ähnlich. Es sind dieselben Buchstaben enthalten: Eremo/Romae. Und wenn er in die Dörfer geht, griechisch Komen, ist dies sehr nahe an Romam (Rom) – Komem/Romam.
- Die Gründe für die Ermordung waren dieselben: Cäsar wurde unterstellt, er wolle sich zum König oder gar zum Gottkönig machen, Jesus wurde dasselbe unterstellt.
- Cäsar trug den Eichenkranz als Zeichen dafür, dass er die Römer vor den Barbaren errettete. Auch Jesus wird als Retter bezeichnet und trägt die Dornenkrone.
- Cäsar starb durch den Dolchstoß des Cassius Longinus in die Brust. Jesus wurde von dem Hauptmann Longinus in die Seite gestochen. (siehe Longinus)
- Jesus starb am Kreuz. An der Trauerfeier ließ Marcus Antonius ein Abbild des Cäsar aus Wachs auf eine Holzkonstruktion montieren, und zwar so wie er gefunden wurde: Die Toga herabgerutscht, aus dreiundzwanzig Stichwunden blutend. An dramatischer Stelle, nach dem Verlesen des Testamentes, in welchem Cäsar als Wohltäter des Volkes offenbar wurde, ließ Antonius diese Konstruktion in Form eines Kreuzes aufrichten; somit hing der Retter der Römer ebenfalls wie Jesus an einem Kreuz.
Appian (Bürgerkriege II 147, S.612) berichtet:
- „Jemand hob über der Totenbahre ein aus Wachs gefertigtes Abbild von Cäsar selbst empor; flach auf der Bahre liegend, konnte ja die Leiche nicht gesehen werden. Nun konnte man aber mit Hilfe einer Vorrichtung das Abbild nach allen Seiten hin drehen, und es zeigte am ganzen Körper sowie im Gesicht dreiundzwanzig grausam beigebrachte Wunden. Diesen jammervollen Anblick, wie er sich allen darbot, konnten die Menschen nicht mehr ertragen.“
Ethelbert Stauffer beschreibt in "Jerusalem und Rom im Zeitalter Jesu Christi" die Parallelen der Osterliturgie mit der Trauerfeierlichkeit Cäsars (hier nachzulesen). Stauffer sagt hierzu:
- „Man muß die Details dieser Passionsliturgie (...) aus Appian, Sueton und anderen antiken Autoren mühsam zusammensuchen und nach kritischer Sichtung zusammenfügen. So mag es sich erklären, dass das Beisetzungsritual für den Divus Julius bisher weder in der Caesarliteratur noch in der religionsgeschichtlichen Forschung rechte Beachtung gefunden hat. Hier ist noch viel nachzuholen. Wir geben daher versuchsweise eine skizzenhafte Rekonstruktion der ganzen Passionsfeier. Denn diese Feier ist eines der wesentlichsten Ereignisse der neutestamentlichen Zeitgeschichte. Klageritualien für leidende und sterbende Götter hat es im antiken Orient seit jeher gegeben. Hier aber sind jene Passionsgedanken verknüpft mit dem gewaltsamen Tod eines Menschen von Fleisch und Blut, und dieser Mensch ist der kühnste Politiker, den die Antike hervorgebracht hat. Hier wird das politische Evangelium von der Clementia Caesaris zur Passionsklage, diese Passionsklage aber wird zur Anklage und zur Gerichtsbotschaft. Nicht genug, hier sind – fünfundsiebzig Jahre vor dem Tode Jesu – gewisse Motive vorweggenommen, die später eine große Geschichte haben in der Karfreitagsliturgie der Römischen Messe.“
Caesar, der Sohn Gottes
Sohn Gottes wurde Caesar genannt, weil die Iulii, über Iulus und Aeneas, die Göttin Venus als ihre Stammmutter ansahen. Sohn Gottes und nicht Sohn der Göttin, nicht nur weil Venus ihrerseits Tochter des Jupiters ist, sondern auch wegen der bekannten sprachlichen Besonderheit des griechischen Wortes theos, das in klassischer Zeit zugleich Gott und Göttin bedeutet (wie etwa im Deutschen auch eine Tigerin ein Tiger ist, u. umgekehrt auch ein Kater eine Katze, ist im Griechischen auch eine Göttin ein Gott; die feminine Form thea ist nachklassisch).
Als dann auch Caesar selbst unter dem Namen Divus Iulius zu den Göttern erhoben wurde, ging der verwaiste Name Divi filius, Gottessohn, auf seinen Adoptivsohn über, der sich lange Zeit so nannte, bevor er schließlich selbst als Divus Augustus gleichfalls vergöttlicht wurde.
Es stellt sich heraus, daß die Kindheitsgeschichte Jesu wie eine mutierte Form jener des Divi filius, i.e. Caesar Augustus, aussieht, sowie die Geschichte des Auferstandenen als jene seines Kampfes um die Anerkennung als politischer Erbe Caesars – gegen Antonius (im Evangelium: gegen den ungläubigen Thomas). Um nur ein Beispiel der aufgespürten Parallelen zu geben:
Octavian wird in einem plebejischen Geschlecht geboren an einem Ort am Fuße des Palatins, genannt ad capita bubula (an den Ochsenköpfen) – Jesus in einer Krippe, die vor dem Kopf eines Ochsen steht, in einem Stall am Fuße des Palastes.
Octavian, der Großneffe des Cäsar, nahm nach der testamentarischen Adoption den Namen Gaius Iulius Caesar an; er verzichtete auf den Zusatz Octavianus.
Von 42 v. Chr. bis 38 v. Chr. nennt sich Octavian Gaius Iulius divi filius Caesar (also "Sohn des vergöttlichten Gaius Iulius Caesar"), dann bis 27 v. Chr. Imperator Caesar divi filius mit dem Beinamen Octavian. Auf Münzen wird hauptsächlich mit Divi filius, Sohn Gottes abgekürzt
Auch sein Biograph, Nikolaos von Damaskus, sorgt in seinem Bios Kaisaros (Leben Cäsars) für Verwirrung, da er Cäsar, den Vater und Cäsar, den Sohn gleich benennt. So bekommen die Worte Jesu: Vater, warum hast Du mich verlassen? eine andere, tragische Bedeutung, versetzt man sich in den 19jährigen Octavian.
An den Trauerspielen für Cäsar erschien zudem ein Komet, das sidus Iulium, welches vom Volk als die in den Himmel aufgefahrene Seele Cäsars interpretiert wurde.
Hier sieht man einen Denar des Augustus (BMC Gaul 140, 138, 4584 und Giard 555) mit dem sidus Iulium und rechts eine Münze des Magnentius (RIC 34), römischer Kaiser 350-353 n.Chr., mit dem Christusmonogram.
Die Münzen mit dem sidus Iulium ähneln dem Christusmonogram, beides sind die Zeichen des Herrn, und in gewisser Weise war mit Octavian als Gaius Julius Caesar der Herr auferstanden, denn er setzte das Friedenswerk Cäsars fort und auf ihn folgte das goldene, das augusteische Zeitalter. (siehe Pax Augusta)
Jesus stand am dritten Tage von den Toten auf; die Darstellung des Auferstandenen gleicht von der Haltung und Bedeutung der Augustusstatue von Prima Porta, wo er als Sohn Gottes dargestellt wird. Lediglich der Bart fehlt; doch dieser taucht auf den Münzen des Octavian als Trauerbart mit Schleier auf.
Kritik
Eine Auseinandersetzung mit Carottas Werk durch die Fachwissenschaften ist, mit wenigen Ausnahmen, bisher nicht erfolgt. Die Thesen Carottas werden von den wissenschaftlichen Historikern und Theologen ignoriert oder nicht ernst genommen. Für zu ausschlaggebend werden von ihnen die Quellen beispielsweise der außerchristlichen Notizen zu Jesus von Nazaret gehalten.
Quellen die Carotta nutzt
- Caesars "commentarii de bello civili" und Parallelüberlieferung
- Markus-Evangelium 5,9, cf. die Lutherbibel
- Appian, Bürgerkriege II 147
- Ethelbert Stauffer, Jerusalem und Rom im Zeitalter Jesu Christi
- Nikolaos von Damaskus, Das Leben des Augustus: oft kritisierte Biografie, die nicht immer zuverlässig ist und nur in byzantinischen Exzerpten erhalten ist. Zweisprachige Übersetzung von Jürgen Malitz, Nikolaos von Damaskus. Das Leben des Kaisers Augustus, Darmstadt 2003. Text englisch und deutsch
Werk
- War Jesus Caesar? 2000 Jahre Anbetung einer Kopie, Goldmann Verlag München 1999, ISBN 3-442-15051-5
Literatur
- Stauffer, Ethelbert (1952). Christus und die Caesaren, Hamburg.
- Stauffer, Ethelbert (1957). Jersualem und Rom im Zeitalter Jesu Christi, Bern.
Weblinks
Personendaten | |
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NAME | Carotta, Francesco |
KURZBESCHREIBUNG | italienischer Publizist |
GEBURTSDATUM | 1946 |
GEBURTSORT | Ca'Zen, Lusia, Veneto, Italien |