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Edvard Beneš

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Datei:Edvard Benes.jpg
Edvard Beneš

Edvard Beneš /ˈɛdvart ˈbɛnɛʃ/, manchmal auch in deutscher Schreibung: Eduard (deutsch auch: Benes, Benesch oder Beness geschrieben) (* 28. Mai 1884 in Kožlany/Westböhmen als 10. Kind eines Kleinbauern, † 3. September 1948 in Sezimovo Ústí bei Tábor in Südböhmen) war Mitbegründer, Außenminister, Regierungschef und Präsident der Tschechoslowakei. Er hat neben anderen die Vertreibung der Sudetendeutschen durchgesetzt. Bedeutend im öffentlichen Leben war auch sein Bruder Vojta Beneš

Er war als Eduard getauft (als Kind als „Edek“ genannt), später hat er selbst den Namen auf Edvard geändert. Die Schreibung Eduard/Edvard ist auch bei anderen Persönlichkeiten unsicher, es kommt bei Beneš auch heute in beiden Schreibungen vor, wobei „Edvard“ (jedenfalls bei Beneš) im Tschechischen als richtiger gilt.

Nach seinem Studium in Prag und in Frankreich (Paris, Dijon) arbeitete Beneš zunächst als Dozent für Soziologie an der Karls-Universität in Prag.

Während des Ersten Weltkriegs gründete Beneš zusammen mit anderen die tschechisch-nationalistische Widerstandsbewegung „Maffia“. Ab 1915 kümmerte er sich (zusammen mit vor allem Tomáš Garrigue Masaryk und mit dem Slowaken Milan Rastislav Štefánik) von Paris aus um die tschechischen und slowakischen Belange: Er hielt Vorlesungen zum Slawentum an der Sorbonne und war Mitbegründer und Generalsekretär des 1916 gegründeten Tschechoslowakischen Nationalrats (anfangs kurz Tschechischer Nationalrat genannt).

Mit seinem Engagement für die tschechische Sache erwirkten er und Andere schließlich die Einsetzung eigener tschechisch-slowakischer Truppen in den letzten Kriegsjahren und sie konnten zusammen erreichen, dass der Tschechoslowakische Nationalrat 1918 von Frankreich als Vertreter des neuen tschechoslowakischen Staates anerkannt wurde und ein Recht auf Mitsprache bei den Verhandlungen zum Vertrag von Versailles bekam. Bei den Verhandlungen in Versailles setzte Beneš durch, dass das Sudetenland nicht in den Geltungsbereich der von US- Präsident Wilson aufgestellten Grundsätze über das Selbstbestimmungsrecht der Völker kamen und ohne Volksabstimmung der Tschechoslowakei angeschlossen wurden. Bestrebungen im Sudetenland für eine Angliederung an die neu gegründete Republik Österreich wurden unterbunden (das südliche Sudetenland grenzte direkt an Österreich, das mittlere und nördliche Sudetenland hätten einen gebirgigen Landstreifen zwischen Deutschland und Tschechien gebildet und ein derartiger Grenzverlauf galt auf internationaler Ebene als problematisch und daher nicht wünschenswert). Die nach dem Zerfall der Donaumonarchie gegründeten Provinzen Deutschböhmen, Böhmerwaldgau, Deutschsüdmähren und Sudetenland, die ihre Souveränität im Rahmen Deutsch-Österreichs erklärten, waren teilweise zusammengebrochen, teilweise wurden sie mit militärischer Gewalt aufgelöst.

In der Zwischenkriegszeit war Beneš von 1918 bis 1935 ununterbrochen Außenminister unter Präsident Tomáš Garrigue Masaryk und wurde 1935 dessen Nachfolger. 1921-1922 war er dazu auch Regierungschef.

Hinsichtlich der tschechisch-slowakischen Beziehungen zählte er zu den führenden Verfechtern des Tschechoslowakismus.

Als Hitler nach dem Anschluss Österreichs im März 1938 auch die Sudetengebiete forderte, rüstete Beneš gegen ihn auf und hoffte auf die Unterstützung von England und Frankreich. Im September 1938 schlug Beneš in einem internen Schreiben an einen seiner Minister in Paris vor, Deutschland einen Teil des Sudetenlandes abzutreten und die im bei der Tschechoslowakei verbleibenden Teil ansässige deutschsprachige Bevölkerung (nach Beneš überschlägigen Berechnungen etwa 2,2 Mio Personen) zwangsauszusiedeln. England und Frankreich zogen sich jedoch nach anfänglichen Zusagen zurück und traten Hitler im Münchner Abkommen das Sudetenland ab, um einen Krieg zu vermeiden. Am 5. Oktober 1938 trat Beneš zurück, ging einige Tage später nach London und gründete dort 1940 eine Exilregierung.

Beneš war gegen die kommunistische Oktoberrevolution in Russland 1917 und er orientierte die tschechoslowakische Politik als Außenminister eher anti-sowjetisch und neoslawistisch, war sich jedoch einer Notwendigkeit der Zusammenarbeit mit der UdSSR bewusst. Nachdem 1933 Hitler an die Macht gekommen war, hat die Tschechoslowakei unter der Führung des Beneš am 9. Juni 1934 (und nach Zustimmung von Frankreich) die Sowjetunion de jure als Staat anerkannt und ein Jahr später einen Freundschaftsvertrag unterzeichnet. Nach dem Münchner Abkommen lehnte er eine militärische Hilfe seitens der Sowjetunion allerdings als unrealistisch und fraglich ab (es werden bis heute Diskussionen auch darüber geführt, ob das Angebot der Sowjetunion aufrichtig war).

Als bereits feststand, dass der Krieg im Osten dank der erfolgreichen Offensive der Sowjetunion gewonnen werden wird, unterzeichnete er am 12. Dezember 1943 in Moskau mit Stalin einen tschechoslowakisch-sowjetischen Beistandsvertrag, der auch die Nachkriegszusammenarbeit verankerte. Von da an galt die Sowjetunion als eine der Garanten des tschechoslowakischen Staates. Während des Zweiten Weltkrieges wurde Beneš von den Alliierten als tschechoslowakischer Präsident anerkannt. Im Potsdamer Abkommen (2. August 1945) stimmten sie der Aussiedlung in „ordnungsgemäßer und humaner Weise“ zu. Seine so genannten Beneš-Dekrete bestimmten nicht nur die teilweise Verstaatlichung der tschechoslowakischen Wirtschaft, sondern auch, dass die Sudetendeutschen, wie auch die Ungarn, „Kollaboranten und Verräter“, als unerwünschte Ethnien entschädigungslos enteignet werden sollten. Deutsche, die 1938-45 als Bürger loyal zur Tschechoslowakei gestanden hatten (wie etwa der Dramatiker Franz Werfel) oder wichtig für die Wirtschaft waren, wurden von den Zwangsmaßnahmen ausgenommen.

Die Folge war eine Vertreibungswelle, die 2-3 Millionen Menschen, deren Familien seit Jahrhunderten in Böhmen, Mähren, Schlesien und zum Teil auch in der Slowakei wohnten, zum Teil unter brutalen Umständen außer Landes brachte. Im Verlauf dieser Vertreibung kam es auch zu Massakern, zum Beispiel im „Brünner Todesmarsch“ im Mai 1945,Massaker von Prerau oder bei dem Massaker von Aussig (31. Juli 1945).

Im Jahre 1930 gab es auf dem Gebiet des heutigen Tschechiens 3.149.820 Deutsche. Nach der tschechoslowakischen Volkszählung im Jahr 1950 waren nur noch 159.938 Deutsche auf dem Gebiet des heutigen Tschechien und einige Tausend in der Slowakei.

Im Februar 1948, bereits schwer krank, nahm Beneš unter Druck das Rücktrittsangebot der nichtkommunistischen Minister an und ermöglichte damit die Machtergreifung durch die Kommunisten. Im Mai 1948 verweigerte er die Unterschrift unter die neue Verfassung, am 2. Juni 1948 trat er zurück. Sein Nachfolger wurde Klement Gottwald.

siehe auch Liste tschechischer Philosophen