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Feline infektiöse Anämie

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Die Feline Infektiöse Anämie (FIA, Synonyme: Hämobartonellose, Hämolytische Anämie) ist eine weltweit vorkommende, bakterielle Infektionskrankheit der Katzen. Sie kann bei geschwächten Tieren eine akute oder chronische Blutarmut (Anämie) hervorrufen, bei gesunden Tieren verläuft sie aber zumeist ohne klinische Symptome. Sie wird durch hämotrope Mykoplasmen hervorgerufen, das sind Bakterien, welche die roten Blutkörperchen (Erythrozyten) befallen. Die Krankheit ist heilbar, allerdings bleiben die Tiere lebenslang Träger des Erregers. Praktisch ist sie insbesondere als potentielle Gefahr bei Bluttransfusionen bei Katzen von Bedeutung. Andere Tiere oder der Mensch sind durch die Krankheit nicht gefährdet.

Erreger und Pathogenese

Feline hämotrope Mykoplasmen
Vorlage:Taxonomy
Domäne: Bakterien (Bacteria)
Vorlage:Divisio: Firmicutes
Vorlage:Classis: Mollicutes
Vorlage:Ordo: Mycoplasmatales
Vorlage:Familia: Mycoplasmataceae
Vorlage:Genus: Mykoplasmen (Mycoplasma)
Vorlage:Speciesen: Mycoplasma haemofelis
Mycoplasma haemominutum
Mycoplasma turicensis

Man unterscheidet heute mehrere Erreger der felinen infektiösen Anämie, die durch neuere molekularbiologische Untersuchungen taxonomisch den Mykoplasmen zugeordnet werden. Die große Form wird heute als Mycoplasma haemofelis bezeichnet, für die kleine Form wurde der Name Mycoplasma haemominutum vorgeschlagen. Beide Erreger wurden bis 2001 als Haemobartonella felis (daher der Name „Hämobartonellose“) oder Eperythrozoon felis bezeichnet und zu den Rickettsien gezählt, das frühere „Ohio-Isolat“ entspricht Mycoplasma haemofelis, das „California-Isolat“ Mycoplasma haemominutum. 2005 wurde ein dritter Erreger isoliert, für den der Name Mycoplasma turicensis vorgeschlagen wurde. Die drei Erreger werden als hämotrope Mykoplasmen zusammengefasst. Es handelt sich um obligat epizellulare (nur auf lebenden Zellen überlebensfähige), gram-negative Bakterien.

Die Erreger befallen die roten Blutkörperchen und führen zu einer Membranschädigung. Die geschädigten Erythrozyten werden daraufhin von weißen Blutkörperchen (v. a. Monozyten, seltener durch neutrophile Granulozyten) phagozytiert. Ein Großteil der Eryrthrozytenelimination erfolgt durch die Makrophagen in der Milz, weshalb Katzen mit entfernter Milz (Splenektomie) besonders gefährdet sind. Bei der Passage durch die rote Milzpulpa, dem Ort der Aussonderung geschädigter oder gealterter Erythrozyten, wurde auch die Ablösung und Phagozytose der Mykoplasmen ohne Phagozytose des Erythrozyten beobachtet. Die Menge des beim Abbau der Erythrozyten (Hämolyse) freigesetzten roten Blutfarbstoffs kann im Regelfall von der Leber verarbeitet werden, so dass es zu keiner Ausscheidung über den Harn kommt.

Für die Pathogenese ist weiterhin von Bedeutung, dass das Immunsystem nicht nur Antikörper gegen die Erreger, sondern auch gegen die Erythrozyten produziert, so dass die Erkrankung zum Teil eine Autoimmunkrankheit darstellt.

Epizootiologie

Die Krankheit wurde erstmals 1942 Südafrika beobachtet. Hämotrope Mykoplasmen kommen jedoch weltweit latent bei vielen Katzen vor, diese Tiere stellen das Erregerreservoir dar. Neben Hauskatzen ist der Erreger auch bei Tigern nachgewiesen worden. In einer Studie zur epizootiologischen Situation in der Schweiz Vorlage:Lit waren etwa 9 Prozent der Hauskatzen durch hämotrope Mykoplasmen infiziert. Über akute Erkrankungen gibt es in Europa bislang nur einzelne Fallberichte, darunter auch aus Deutschland und der Schweiz.

Der natürliche Übertragungsweg ist unbekannt. Es wird vermutet, dass blutsaugende Parasiten (Flöhe, Zecken und Läuse) beteiligt sind oder auch Biss- und Kratzverletzungen. Eine Übertragung von der Kätzin auf die Welpen ist ebenfalls möglich, allerdings ist bislang unklar, ob diese über die Muttermilch (laktogen) oder bereits vor der Geburt über den Mutterkuchen (transplazentar) erfolgt. Ein weiterer Übertragungsweg ist der über Bluttransfusionen (iatrogene Infektion).

Klinisches Bild

Die Inkubationszeit beträgt bei experimenteller parenteraler Infektion zwischen 2 und 17 Tagen, bei experimenteller oraler Infektion zwischen drei und sieben Wochen.

Im Regelfall verläuft die Infektion symptomlos. Klinisch tritt eine Erkrankung meist nur bei Schwächung des Immunsystems auf, z. B. durch Stress oder andere Erkrankungen, vor allem bei feliner Leukose und Katzenaids.

Die akute FIA zeigt sich in Fieber, reduzierter Nahrungsaufnahme, allgemeiner Schwäche, blassen Schleimhäuten und Milzvergrößerung. Eine Gelbsucht oder Hämoglobinurie tritt nur sehr selten auf. Nach Überstehen der ersten akuten Krankheitsphase treten die Symptome mit jeder erneuten Bakteriämie immer wieder schubweise (intermittierend) auf. Dazwischen liegen symptomlose Intervalle.

Bei der chronischen FIA sind die klinischen Symptome schwächer ausgeprägt. Die Körpertemperatur ist normal oder leicht erniedrigt.

Labordiagnostische Befunde

Bei der labordiagnostischen Untersuchung zeigt sich im Blutbild eine Verminderung der Zahl der roten Blutkörperchen, eine sogenannte Anämie. Dabei handelt es sich um eine regenerative Anämie, d. h. es werden ständig neue Erythrozyten im Knochenmark nachgebildet. Da die Neubildungskapazität des Knochenmarks überschritten ist, werden auch unreife Erythrozyten und deren Vorläuferzellen (Reticulozyten, eventuell auch Normoblasten) in das Blut freigesetzt.

Die Erythrozyten haben verschiedene Zellgrößen (Anisozytose), es treten vergrößerte Erythrozyten (Makrozytose) und eine unterschiedliche Anfärbung der Erythrozyten (Polychromasie, ein typisches Zeichen für unreife Erythrozyten) auf. Durch die Veränderungen an den Erythrozytenmembranen ist der direkte Coombs-Test positiv. Eine Erhöhung der Zahl der weißen Blutkörperchen (Leukozytose, zumeist als Neutrophilie) ist ebenfalls häufig.

Weitere mögliche Veränderungen bei der Blutuntersuchung sind ein erhöhter Protein-Gehalt im Blut (Hyperproteinämie), ein erhöhter Bilirubin-Gehalt im Blut (Hyperbilirubinämie), eine Azotämie und eine erhöhte Aktivität des Enzyms Alanin-Aminotransferase.

Diagnose und Differentialdiagnose

Das klinische Bild ist wenig aussagekräftig. Bei Fieber und Anämie muss diese Erkrankung aber stets in das Diagnosespektrum einbezogen werden. Andere Infektionskrankheiten, die mit einer Anämie einhergehen, sind Katzenleukose (FeLV), ansteckende Bauchfellentzündung (FIP) und Katzenaids (FIV), allerdings herrscht hier eine nicht-regenerative Anämie vor. Auch in starker Befall mit Endo- oder Ektoparasiten kann eine Anämie verursachen. Die Feline Babesiose ist klinisch nicht von der FIA abzugrenzen und kommt zum Teil mit ihr vergesellschaftet vor.

Des weiteren müssen nichtinfektiöse Ursachen für eine Anämie ausgeschlossen werden, wie beispielsweise Eisenmangel, chronische Blutverluste (Magengeschwüre, chronische Blasenentzündungen), Erythropoeitin-Mangel, Schädigungen des Knochenmarks oder verschiedene Medikamente (die Analgetika Phenazopyridin (Urospasmon ®) und Paracetamol sowie Methylenblau wirken bei Katzen hämolytisch).

Eine exakte Diagnose der felinen infektiösen Anämie ist nur durch den Erregernachweis möglich. Eine regenerative Anämie unterstützt die Diagnose. Nicht-regenerative Anämien durch Mykoplasmen treten vermutlich nur bei gleichzeitiger Infektion mit dem felinen Leukosevirus (FeLV) auf, allerdings ist die Katzenleukose die häufigste, eine FIA begünstigende Grundkrankheit.

Der Erregernachweis kann über eine Anfärbung von Blutausstrichen erfolgen. Zur Untersuchung sollte möglichst frisches Kapillarblut verwendet werden, da vor allem bei Zugabe von chelatbildenden Gerinnungshemmern (z. B. EDTA) sich die Erreger auch von den Erythrozyten ablösen können. Außerdem müssen Blutproben über mehrere Tage entnommen und untersucht werden, da der Erreger nur schubweise im Blut auftritt. Bei der mikroskopischen Untersuchung lassen sich die Erreger als kleine, etwa 1 μm große Stäbchen oder Ringe in der Peripherie der etwa 5 bis 7 μm großen Erythrozyten nachweisen. Bei einer antibiotischen Vorbehandlung kann der Erregernachweis im Blut negativ sein. Außerdem können Artefakte und je nach Färbung erythrozytäre Einschlusskörperchen wie Howell-Jolly- (Reste des Zellkerns der normalerweise kernlosen Erythrozyten) oder Heinz-Körper (treten bei Katzen physiologisch auf) mit Mykoplasmen verwechselt werden. Die Sicherheit des Nachweises über einen Blutausstrich wird mit nur etwa 50 % angegeben.

Weitaus sicherer und spezifischer ist der Erregernachweis über Polymerase-Kettenreaktion (PCR), der heute von allen größeren Untersuchungseinrichtungen angeboten wird.

Behandlung

Eine klinisch manifeste Erkrankung ist etwa in 30 % der Fälle tödlich, wenn keine Behandlung erfolgt. Die hämotropen Mykoplasmen sind empfindlich gegenüber Doxycyclin und anderen Tetracyclinen. Die antibiotische Therapie sollte über zwei bis drei Wochen erfolgen. Eine unterstützende Therapie zur Stabilisierung des Allgemeinbefindens ist empfehlenswert. Bei schwerer Anämie sind Bluttransfusionen angezeigt (etwa 40 bis 50 ml Blut, die Spendertiere müssen auf Erregerfreiheit getestet sein).

Da die schädigende Wirkung des Erregers zum Teil über immun-vermittelte Mechanismen erfolgt, wird bei schwerer Erkrankung die Verabreichung von Prednisolon empfohlen.

Nach erfolgreicher Behandlung bleiben die Katzen jedoch zumeist lebenslang Träger des Erregers.

Vorbeugung

Da der genaue Übertragungsweg unbekannt ist, ist eine gezielte Prophylaxe schwierig. Empfehlenswert ist eine regelmäßige Vorbeugung und Bekämpfung von Ektoparasiten. Hierfür eignen sich Depotpräparate. Katzen, die als Blutspender dienen sollen, sind vorher gründlich auf das eventuelle Vorhandensein der Erreger zu untersuchen.

Literatur

  • Messick, J. B.: New perspectives about Hemotrophic mycoplasma (formerly, Haemobartonella and Eperythrozoon species) infections in dogs and cats. Vet. Clin. North Am. Small. Anim. 33/2003, S. 1453-1465.
  • H. Neimark, K. E. Johansson, Y. Rikihisa and Tully, J. G. : Revision of haemotrophic Mycoplasma species names. International Journal of Systematic and Evolutionary Microbiology, Vol 52/2002, S. 683-683.
  • Sykes, J. E.: Feline hemotropic mycoplasmosis (feline hemobartonellosis). Vet. Clin. North Am. Small. Anim. 33/2003, S. 773-789.
  • Tasker, S. and Lappin, M. R.: Haemobartonella felis: recent developments in diagnosis and treatment. J. Fel. Med. Surg. 4 (2002), S. 3-11.
  • Willi, B. et. al.: Prevalence, risk factor analysis, and follow-up of infections caused by three feline hemoplasma species in cats in Switzerland. J. Clin. Microbiol. 44/2006, S. 961-969.
  • FIA (engl., mit Abbildung eines Blutaustrichs)