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Arbeitslosengeld II

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Mit dem ALG II wurde die frühere Unterscheidung zwischen arbeitsfähigen Sozialhilfeempfängern und Arbeitslosen aufgegeben. Die Neuregelung beseitigte den zuvor häufig auftretenden "Trägerdualismus von Arbeitslosen- und Sozialhilfe", der dadurch zustande kam, dass die Leistungen aus der Arbeitslosenhilfe häufig das Existenzminimum nicht garantieren konnten und so zusätzlich Sozialhilfe gezahlt wurde.

Jeder Hilfebedürftige soll Leistungen und Hilfestellungen erhalten, die es ihm ermöglichen, seinen Lebensunterhalt wieder aus eigenen Mitteln und Kräften zu bestreiten. Ziel ist, Arbeitsuchende wieder an den Arbeitsmarkt heranzuführen und die Aufnahme irgendeiner sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung bzw. Existenzgründung zu ermöglichen. Dazu sind neben dem ALG II eine Reihe weiterer Maßnahmen vorgesehen, z.B.

   * Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung = 1-Euro-Jobs
   * Beschäftigungspakt für Ältere
   * Betreuung durch Persönliche Ansprechpartner (PAP) und in besonders schweren Fällen (mehrere Hemmnisse) durch Fallmanager
   * Eingliederungszuschuss und Einstellungszuschuss als Starthilfe in Arbeit
   * Einstiegsgeld
   * Maßnahmen zur beruflichen Weiterbildung (Bildungsgutschein)
   * Beauftragung Dritter mit der Vermittlung von Langzeitarbeitslosen

Das Arbeitslosengeld II (ALG II) soll

   * die Eigenverantwortung von erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und Personen, die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft leben, stärken
   * dazu beitragen, dass diese Personen ihren Lebensunterhalt unabhängig von der Grundsicherung aus eigenen Mitteln und Kräften bestreiten können
   * erwerbsfähige Hilfebedürftige bei der Aufnahme oder Beibehaltung einer Erwerbstätigkeit unterstützen und den Lebensunterhalt sichern, soweit sie ihn nicht auf andere Weise bestreiten können.

Rechtsstand 1.1.2006:

Der Bundestag hat am 17.2.2006 Änderungen des Arbeitslosengeldes II beschlossen. (Der Bundesrat muss diesen Änderungen noch zustimmen.)

Ab dem 1.4.2006 sollen Jugendliche unter 25 Jahren nur noch in Ausnahmenfällen, z.B. bei schwerwiegende sozialen oder aus beruflichen Gründe, nicht mehr bei ihren Eltern leben müssen und somit Unterstützung für eine eigene Wohnung bekommen. Bei ihren Eltern wohnende Arbeitslose Jugendliche erhalten ab 1. Juli 2006 nur noch 80 Prozent (276 €) ALG II. Wenn sie bei ihren Eltern ausziehen wollen, muss ab dem 1.4.2006 vor dem Umzug ein Antrag auf Umzug gestellt und genehmigt werden. Jugendliche müssen nicht zu den Eltern zurück, wenn sie bis zum 17. Februar 2006 eine eigene Wohnung bezogen haben.

Außerdem beschloss der Bundestag, dass das ALG II ab dem 1.7.2006 bundesweit 345 € beträgt und dass der Rentenbeitrag von derzeit 78 € auf 40 € abgesenkt wird.

Rechtsgrundlage

Die rechtlichen Grundlagen des ALG II enthält das Zweite Buch Sozialgesetzbuch - SGB II sowie die Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld.

Zuständig für die Bewilligung und Kostentragung

Träger des ALG II sind die Agenturen für Arbeit und die Kommunen, entweder in Arbeitsgemeinschaften (ARGEn) oder in getrennter Trägerschaft, sowie die zugelassenen kommunalen Träger (Optionskommunen). Sie sind verantwortlich für die Einrichtung, Durchführung und Erfolgskontrolle von arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen für Empfänger von ALG II.

Agentur für Arbeit

trägt

Kommune

trägt

Regelleistung Arbeitslosengeld II Kosten der Unterkunft und Heizung
Eingliederungsgeld einmalige Leistungen
Einstiegsgeld flankierende Dienstleistungen

Anspruch auf ALG II

Leistungen nach dem SGB II erhalten Personen, die

  1. das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben,
  2. erwerbsfähig sind,
  3. hilfebedürftig sind und
  4. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Hilfebedürftige).

Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einer Bedarfsgemeinschaft leben.

Hilfebedürftigkeit wird auch angenommen bei Erwerbstätigen, die aufgrund ihres geringen Ewerbseinkommens ohne zusätzliche Sozialleistungen nicht existieren könnten, bzw. bei Arbeitslosengeldempfängern mit besonders geringem ALG I, so genannte "Aufstocker". Dies betraf Ende 2005 in der Deutschland ca. 600.000 Personen. Insofern übernimmt ALG II bereits heute faktisch die Funktion eines gesetzlichen bundesweiten Mindestlohnes.

Bei ernsten Problemen mit der Leistungsgewährung wurde ein Ombudsrat eingerichtet, der um eine einvernehmliche Lösung bemüht ist: Postanschrift: Ombudsrat - Grundsicherung für Arbeitsuchende, Postfach 040140, 10061 Berlin, Telefon: 0800/440055-0 (Mo-Do 9-17 Uhr, Fr 9-15 Uhr).

Höhe des ALG II

Die Höhe des ALG II richtet sich nach der Bedürftigkeit des Antragsstellers. Die Sicherung des Lebensunterhalts geschieht durch die Regelleistung (RL); Aufwendungen für Unterkunft und Heizung werden gesondert erstattet. Mehraufwand für Schwangere, Behinderte und für kostenaufwändige Ernährung wird durch prozentuale Zuschläge zur Regelleistung abgegolten.

Regelleistung für den Lebensunterhalt

Achtung: Vom 1. Juli 2006 an steigt das Arbeitslosengeld II in in den neuen Bundesländern auf 345 Euro und wird somit an die Höhe des Arbeitslosengelds II in den alten Bundesländern angeglichen.

Berechtigte Personen in einer Bedarfsgemeinschaft ivH der RL West Ost
alleinstehende Person 100 345 € 331 €
alleinerziehende Person 100 345 € 331 €
Person mit minderjährigem Partner 100 345 € 331 €
Person mit volljährigem Partner 90 311 € 298 €
Kind unter 7 Jahren (Mehrbedarf bei Alleinerziehung) 36 124 € 119 €
Kind unter 14 Jahren 60 207 € 199 €
Kind im 15. Lebensjahr 80 276 € 265 €
Kind zw. 16. und 18. Lebensjahr (erwerbsfähig) 80 276 € 265 €
Kind volljährig, mit Eltern(teil) 90 311 € 298 €
zwei oder drei Kinder unter 16 Jahren (Mehrbedarf bei Alleinerziehung) 36 124 € 119 €
werdende Mütter ab der 13. Schwangerschaftswoche (Mehrbedarf) 17 59 € 56 €
ab 4.Kind, minderjährig (Mehrbedarf je Kind) 12 41 € 40 €
behinderte Person (Mehrbedarf) 35 121 € 116 €
Danach ergeben sich für eine Bedarfsgemeinschaft bestehend aus
einer volljährigen Person 345 € 331 €
einer alleinerziehenden Person u. 1 minderj. Kind unter 7 Jahren 676 € 649 €
einer alleinerziehenden Person u. 1 minderj. Kind unter 14 Jahren 593 € 569 €
einer alleinerziehenden Person u. 2 minderj. Kind unter 14 Jahren 883 € 847 €
Ehepaar, ohne Kind 621 € 596 €
Ehepaar, mit 1 Kind unter 14 Jahren 828 € 794 €
Ehepaar, mit 2 Kind unter 14 Jahren 1.159 € 1.112 €

Kosten der Unterkunft und Heizung

Neben der Regelleistung werden angemessene Wohnungs- und Heizkosten erstattet. Das Ministerium für Arbeit, Soziales, Familie und Gesundheit in Mainz hat dazu u.a. folgende Richtlinie herausgegeben: Bei der Bewertung der Angemessenheit können für alle Mietverhältnisse die folgenden Wohnungsgrößen als angemessen angesehen werden:

Personen Gesamtwohnfläche
1 bis 50 qm
2 bis 60 qm (oder 2 Wohnräume)
3 bis 75 qm (oder 3 Wohnräume)
4 bis 90 qm (oder 4 Wohnräume)
jede weitere Person zusätzlich 10 qm (oder 1 Wohnraum mehr)


Zur Feststellung der Angemessenheit der Miete ist nicht auf den jeweiligen örtlichen Durchschnitt aller gezahlten Mieten abzustellen, sondern auf den unteren Bereich der am Wohnort marktüblichen Mieten. Zu den Aufwendungen für die Unterkunft zählen neben der Kaltmiete auch die Nebenkosten. Heizkosten sind in tatsächlicher Höhe zu übernehmen, soweit sie nicht aufgrund unwirtschaftlichem Verhalten unangemessen hoch sind. Nicht zu den Heizkosten zählen die Kosten der Warmwasserbereitung; diese sind mit der Regelleistung abgegolten. Beabsichtigt der ALG II Empfänger während des Bezugs von ALG II einen Wohnungswechsel, ist er verpflichtet, vor Vertragsabschluss die Zustimmung des zuständigen Trägers des ALG II einzuholen. Als Unterkunftskosten können auch Aufwendungen anerkannt werden, die dem Hilfebedürftigen bei der Selbstnutzung einer eigenen Wohnung entstehen. Die Kosten der Unterkunft ergeben sich in diesem Fall aus den mit dem Wohnungseigentum unmittelbar verbundenen Belastungen. Die Wohnfläche ist in diesen Fällen dann nicht unangemessen groß, wenn für Familien mit bis zu 4 Personen 130 qm bei einem Familienheim bzw. 120 qm bei einer Eigentumswohnung nicht überschritten werden.

Als Richtwerte für angemessene Brutto-Warmmieten gelten in Berlin:

Personen-Haushalt Bruttowarmmiete
1 360 Euro
2 444 Euro
3 542 Euro
4 619 Euro
5 705 Euro


Bei jeder weiteren Person im Haushalt erhöht sich die Bruttowarmmiete um 50 Euro.

Anrechnung von eigenem Vermögen

Hat der Empfänger von ALG II eigenes Vermögen, mindert dies die Leistungen der Agentur für Arbeit, soweit es die folgenden Freibeträge übersteigt: Vom Vermögen sind abzusetzen

  1. ein Grundfreibetrag in Höhe von 200 Euro je vollendetem Lebensjahr des volljährigen Hilfebedürftigen und seines Partners, mindestens aber jeweils 4.100 Euro; der Grundfreibetrag darf für den volljährigen Hilfebedürftigen und seinen Partner jeweils 13.000 Euro nicht übersteigen,
  2. ein Grundfreibetrag in Höhe von 4.100 Euro für jedes hilfebedürftige minderjährige Kind,
  3. Altersvorsorge in Höhe des nach Bundesrecht ausdrücklich als Altersvorsorge geförderten Vermögens einschließlich seiner Erträge und der geförderten laufenden Altersvorsorgebeiträge, soweit der Inhaber das Altersvorsorgevermögen nicht vorzeitig verwendet,
  4. geldwerte Ansprüche, die der Altersvorsorge dienen, soweit der Inhaber sie vor dem Eintritt in den Ruhestand auf Grund einer vertraglichen Vereinbarung nicht verwerten kann und der Wert der geldwerten Ansprüche 200 Euro je vollendetem Lebensjahr des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und seines Partners, höchstens jedoch jeweils 13.000 Euro nicht übersteigt,
  5. ein Freibetrag für notwendige Anschaffungen in Höhe von 750 Euro für jeden in der Bedarfsgemeinschaft lebenden Hilfebedürftigen.

Als Vermögen sind nicht zu berücksichtigen

  1. angemessener Hausrat,
  2. ein angemessenes Kraftfahrzeug für jeden in der Bedarfsgemeinschaft lebenden erwerbsfähigen Hilfebedürftigen,
  3. vom Inhaber als für die Altersvorsorge bestimmt bezeichnete Vermögensgegenstände in angemessenem Umfang, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige oder sein Partner von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit ist,
  4. ein selbst genutztes Hausgrundstück von angemessener Größe oder eine entsprechende Eigentumswohnung,
  5. Vermögen, solange es nachweislich zur baldigen Beschaffung oder Erhaltung eines Hausgrundstücks von angemessener Größe bestimmt ist, soweit dieses zu Wohnzwecken behinderter oder pflegebedürftiger Menschen dient oder dienen soll und dieser Zweck durch den Einsatz oder die Verwertung des Vermögens gefährdet würde,
  6. Sachen und Rechte, soweit ihre Verwertung offensichtlich unwirtschaftlich ist oder für den Betroffenen eine besondere Härte bedeuten würde. Für die Angemessenheit sind die Lebensumstände während des Bezugs der Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende maßgebend.

Anrechnung anderer Einnahmen

Das ALG II wird gekürzt, wenn der Empfänger von ALG II anderes Einkommen erzielt. Als Einkommen sind grundsätzlich alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert zu berücksichtigen, soweit sie nicht nach § 11 Abs.1 SGB II ausdrücklich ausgenommen sind. Vom Einkommen sind abzusetzen

  1. auf das Einkommen entrichtete Steuern,
  2. Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung einschließlich der Beiträge zur Arbeitsförderung,
  3. Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen oder ähnlichen Einrichtungen, soweit diese Beiträge gesetzlich vorgeschrieben oder nach Grund und Höhe angemessen sind; hierzu gehören Beiträge a) zur Vorsorge für den Fall der Krankheit und der Pflegebedürftigkeit für Personen, die in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht versicherungspflichtig sind, b) zur Altersvorsorge von Personen, die von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit sind, soweit die Beiträge nicht nach § 26 bezuschusst werden,
  4. geförderte Altersvorsorgebeiträge nach § 82 des Einkommensteuergesetzes, soweit sie den Mindesteigenbeitrag nach § 86 des Einkommensteuergesetzes nicht überschreiten,
  5. die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben (Betriebsausgaben/Werbungskosten),

Zumutbarkeitsregelung

Dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen ist jede Arbeit zumutbar, es sei denn, dass

  1. er zu der bestimmten Arbeit körperlich, geistig oder seelisch nicht in der Lage ist,
  2. die Ausübung der Arbeit ihm die künftige Ausübung seiner bisherigen überwiegenden Arbeit wesentlich erschweren würde, weil die bisherige Tätigkeit besondere körperliche Anforderungen stellt,
  3. die Ausübung der Arbeit die Erziehung seines Kindes oder des Kindes seines Partners gefährden würde; die Erziehung eines Kindes, das das dritte Lebensjahr vollendet hat, ist in der Regel nicht gefährdet, soweit seine Betreuung in einer Tageseinrichtung oder in Tagespflege im Sinne des SGB VIII oder auf sonstige Weise sichergestellt ist; die zuständigen kommunalen Träger sollen darauf hinwirken, dass erwerbsfähigen Erziehenden vorrangig ein Platz zur Tagesbetreuung des Kindes angeboten wird,
  4. die Ausübung der Arbeit mit der Pflege eines Angehörigen nicht vereinbar wäre und die Pflege nicht auf andere Weise sichergestellt werden kann,
  5. der Ausübung der Arbeit ein sonstiger wichtiger Grund entgegensteht.

Sozialgeld

Sozialgeld erhalten Personen, die selbst nicht erwerbsfähig sind, z.B. Kinder von ALG II-Beziehern. Das Sozialgeld entspricht in der Höhe dem ALG II.

Siehe auch

Agenda 2010, Grundeinkommen, Liste der Optionskommunen, Kinderzuschlag

Arbeitsloseninitiativen bzw. Ansprechstellen in Deutschland

Literatur

LAMPERT, Heinz; ALTHAMMER, Jörg (2004): Lehrbuch der Sozialpolitik, 7. Auflage. Berlin, Heidelberg, New York.