Telegrafie
Die Telegrafie bzw. Telegraphie dient der Nachrichtenübermittlung über mehr oder weniger weite Entfernungen. Sie bedient sich eines Telegrafen. In Funkdiensten ist mit Telegrafie als Gegensatz zu Sprechfunk (Telefonie) normalerweise Morsetelegrafie gemeint. Die Informationsübertragung funktioniert nur in eine Richtung, im Gegensatz zur bidirektionalen Verbindung via Telefon.
Der Telegraph bzw. Telegraf ist eine meist elektrische, früher auch mechanische Vorrichtung, die der Nachrichtenübermittlung über mehr oder weniger große Entfernungen dient.
Besondere Telegrafen waren früher: Feuertelegrafen, optische Telegrafen (Semaphore), Feldtelegrafen, Eisenbahntelegrafen und Haustelegrafen.
Optische Telegrafie

Erste Versuche zur optischen Telegrafie unternahm der französische Techniker Claude Chappe 1792 mit der Errichtung einer ersten aus optischen Flügeltelegrafen aufgebauten 70 km langen Telegrafenlinie zwischen Pelletier St. Fargaux und St. Martin de Thetre. Diese Flügeltelegrafen besitzen schwenkbare Arme, deren Stellung vorher abgesprochenen Zeichen entspricht und welche durch Fernrohre erkannt und weitervermittelt werden können.
Die erste optische Telegrafenlinie in Deutschland wurde 1830 zwischen Berlin und Potsdam aufgenommen.
Dies reichte jedoch bald nicht mehr aus. Da Preußen aus den Beschlüssen des Wiener Kongresses als „Wacht am Rhein“ hervorgegangen war, benötigte man zur schnellen Nachrichtenübermittlung ein stationäres System im großen Stil.
Dies wurde unter Leitung des Majors im Generalstab Franz August O'Etzel (1783 - 1850) und des Entwicklers des Telegrafen, dem Geheimen Postrat Carl Philipp Heinrich Pistor (1778 - 1847), welcher auch für die Ausrüstung der Stationen mit Signalgebern und Fernrohren verantwortlich war, angelegt.
Der preußische Balkentelegraf führte von der Sternwarte in der Dorotheenstraße in Berlin über die Dahlemer Dorfkirche zum Telegrafenberg bei Potsdam, weiter über Magdeburg, Halberstadt, Höxter nach Köln und von dort nach Koblenz. Zwischen 1832 und 1852 bestand diese Linie auf einer Länge von 700 km.
Pistors Balkentelegraf war einem System des Engländers Barnard L. Watson nachempfunden. Am oberen Ende eines Mastbaums waren sechs Flügel montiert, die über Rollen und Schnüre mit einem Observationszimmer verbunden waren und sich von dort aus bedienen ließen . Mit insgesamt 4096 Flügelstellungen war somit ein komplexes Übermittlungssystem möglich.
Die Nachrichten wurden jeweils von Station zu Station weitergegeben und waren um einiges schneller als vergleichbare Pferdeboten. Optische Telegrafen kurzer Reichweite waren u. a. einfache Blinkspiegel und komplexere Spiegeltelegrafen, Winkzeichen („WigWag“ bzw. nautisch) sowie die „einfachen“ Flaggensignale. Bis heute sind Morselampen in der Seefahrt für kurze Entfernungen gebräuchlich, Laserfunkverbindungen für Daten und Sprache stellen moderne Kommunikationsmittel in Konkurrenz zu Funkleitungen dar.
Elektrische Telegrafie
Drahtgebundene Telegrafie, die sogenannte elektrische Telegrafie, konnte sich erst nach der Erkenntnis, dass sich Elektrizität entlang eines Kabels fortpflanzt (1730) und der Erfindung einer konstanten Stromquelle (1800) durch Volta entwickeln. Samuel F. B. Morses Errungenschaften spielten bei der Verbreitung der elektrischen Telegrafie eine bedeutende Rolle. Ein weltumspannendes Netz wurde aufgebaut, erste Nachrichtenagenturen (Associated Press, Reuters) entstanden.
1809 konstruierte der Anatom Samuel Thomas von Soemmerring in Frankfurt am Main einen elektrischen Telegraphen, bei dem die Zeichen durch galvanische Zersetzung des Wassers übertragen wurden. Ein Modell seiner Konstruktion befindet sich heute im Museum für Kommunikation in Frankfurt.
Nach Entdeckung der elektromagnetischen Induktion durch Michael Faraday im Jahre 1832 führten Wilhelm Weber und Carl Friedrich Gauß 1833 Versuche mit einem elektromagnetischen Telegraphen durch. Im selben Jahr gelang ihnen die erste telegraphische Nachrichtenübertragung vom Physikgebäude in der Göttinger Innenstadt zur Göttinger Sternwarte. Zur Nachrichtenübertragung dienen positive oder negative Spannungspulse, die durch gezieltes Umpolen und Auf- und Abbewegen einer Induktionsspule erzeugt werden. Die Spule wird hierzu über ein Bündel von magnetisierten Stahlschienen geschoben. Ein Nachbau, den Weber für die Weltausstellung 1873 in Wien in Auftrag gab, wird in der historischen Sammlung des Ersten Physikalischen Instituts der Universität Göttingen aufbewahrt.
1836 entdeckte Carl August von Steinheil, dass man die Telegrafieströme auch drahtlos durch die Erde führen kann. Hierzu wird an zwei möglichst weit voneinander entfernten Punkten an der Erdoberfläche ein sehr starker elektrischer Strom in die Erde gesandt. Das Ausbreitungsgebiet erstreckt sich bei genügend hoher Stromstärke dann bis zum Empfangsort, an dem die Signaländerungen (Stromunterbrechung, Stromschließung) festgestellt und aufgezeichnet werden können. Mit Hilfe eines Codes (zum Beispiel der Steinheilschrift oder des Morsealphabets) sind auf diese Weise Nachrichten übermittelt worden.
Der entscheidende Durchbruch kam 1837 mit dem von Samuel Morse konstruierten und 1844 verbesserten Schreibtelegrafen.
Mit der Verlegung von Seekabeln wurde 1839 begonnen. Nach mehreren Fehlschlägen wurde die erste Verbindung zwischen Europa und Nordamerika 1857/58 eingerichtet.
Drahtlose Telegrafie
Der deutsche Physiker Ferdinand Braun bekam 1909 den Nobelpreis für Physik für seinen Beitrag zur Entwicklung der drahtlosen Telegrafie. Er teilte sich den Nobelpreis mit Guglielmo Marconi.
Braun hatte bereits am 20. September 1898 eine Funkenverbindung am Physikalischen Institut in Straßburg aufgebaut, die kurz darauf 30 km bis in den Vogesenort Mutzig führte. 1899 überbrückte er von Cuxhaven aus 3 km bis zur Kugelbake und am 24. September 1900 die 62 km lange Strecke Cuxhaven–Helgoland.
Marconi errichtete 1899 die erste drahtlose Verbindung über den Ärmelkanal. Am 12. Dezember 1901 gelang die erste transatlantische Funkübertragung (zwischen Poldhu (Halbinsel The Lizard, Cornwall) und Cape Cod (USA)).
Für die drahtlose Telegraphie wurden anfangs "Funkensender" verwendet. Diese Geräte bestanden aus einem wagnerschem Hammer und Kondensatoren, die Funken und dabei starke Hochspannungsimpulse erzeugten. Diese wurden mit Hilfe eines Telegraphieschlüssels nach dem Morsecode getaktet, in eine Antenne geleitet und in die Atmosphäre als elektromagnetische Wellen (Funkwellen) ausgestrahlt. Mit einem einfachen Empfänger (Fritter) konnten dann diese Impulse empfangen und als hörbares Rauschen wiedergegeben werden.
Diese Erfindung wurde schnell von den Marinen als wichtig erkannt und eingeführt. Das Verfahren ist die Grundlage des deutschen Begriffs Rundfunk.
Siehe auch
- Bildtelegrafie, Telegrafenkongress, Telegrafenschule, Telegrafentruppe, Telegrafengleichung, Schreibtelegraf, Zeigertelegraf
Trivia
Die österreichische Post stellte nach 160 Jahren am 31. Dezember 2005 den Telegrammversand ein.
Literatur
- Patrice Flichy: Tele – Geschichte der modernen Kommunikation. Campus Verlag, Frankfurt/New York 1994, ISBN 3-593-35011-4
- Tom Standage: The Victorian Internet. Berkley Trade, 1999, ISBN 0-425-17169-8