Jonas Breitenstein
Jonas Breitenstein (* 22. August 1828 in Ziefen; † 23. Mai 1877 in Basel) war ein Schweizer Pfarrer, Armenhelfer und Schriftsteller.
Leben
Jonas Breitenstein besuchte in Ziefen die Primarschule bei seinem Vater Hans Heinrich Breitenstein und anschliessend die Bezirksschule in Liestal. 1846 trat er ans «Pädagogium» in Basel über, wo er zwei Jahre später die Maturität als «Primus omnium» (Bester seines Jahrgangs) ablegte. Von 1848 bis 1852 studierte er gemeinsam mit seinem Freund Martin Birmann Theologie in Basel (u. a. bei Karl Rudolf Hagenbach) und in Göttingen bei Friedrich Lücke. 1852 wurde er zum Pfarramt zugelassen.
Von 1852 bis 1870 wirkte er als Pfarrer in Binningen. In dieser Zeit gründete er den örtlichen Frauenverein und eine Kleinkinderschule. Daneben engagierte er sich im Armenerziehungsverein und für dessen Anstalt in Augst und wirkte als Inspektor der Bezirksschulen. Von 1870 bis zu seinem Tod im Jahr 1877 war er vollamtlicher Sekretär der neugeschaffenen Freiwilligen Armenpflege in Basel, einer noch privat organisierten Vorläuferin der staatlichen Fürsorge. Neben dieser neuen Aufgabe wirkte er auch als Religionslehrer am Gymnasium und als Aushilfsprediger. 1872/73 wurde er Mitglied der Akademischen Zunft und Ehrenmitglied des Kirchenrats von Basel-Stadt.
Jonas Breitenstein war mit Theresia Tschopp aus Ziefen verheiratet. Das Paar hatte acht Kinder, darunter den Maler Ernst Breitenstein (1857–1929). Bestattet wurde er auf dem Kannenfeldfriedhof in Basel; nach dessen Aufhebung überführte man seine Gebeine nach Binningen.
Literarisches Werk
Jonas Breitenstein schrieb bereits als Bezirksschüler und später als Gymnasiast, ermuntert durch seinen Lehrer am Pädagogium Wilhelm Wackernagel, Gedichte in Hochdeutsch und in Mundart. Vorbildhaft waren insbesondere die Werke von Johann Peter Hebel. Dies zeigt sich auch daran, dass er ein Heft mit Gedichten aus den Jahren 1846–1854 mit «Jurablüten oder Versuch neuer allemannischer Gedichte» überschrieb.[1] 1860 veröffentliche er unter dem Pseudonym B. T. Jonas (gebildet aus dem Vornamen und dem jeweils ersten Buchstaben des Allianznamens) Erzählungen und Bilder aus dem Baselbiet. Anstoss zu diesem Erstling gab die 1851 erschienene Erzählung Hans Jakob und Heiri, die beiden Seidenweber von Jeremias Gotthelf, die im Baselbiet spielte, jedoch zum Missfallen Breitensteins mit Berner Mundart und Brauchtum durchmischt war. Es folgten die Mundartidyllen Der Her Ehrli. Ein Idyll aus Basel und dem Baselbiet in allemannischer Mundart (1863) und S’Vreneli us der Bluemmatt. Ein Idyll aus dem Baselbiet in allemannischer Mundart (1864), die beiden ersten Buchveröffentlichungen im Baselbieter Dialekt überhaupt. Die in Hexametern gehaltenen Dichtungen sind in den erzählerischen Passagen in Oberbaselbieter Mundart verfasst, während sich in den Dialogen Stadtbasler und Landschäftler Mundart virtuos abwechseln. Vorbild waren die Idyllen Hebels, dem er mit dem Untertitel «in allemannischer Mundart» abermals die Reverenz erweist, aber auch jene der einst vielgelesenen Zürcher Johann Martin Usteri[2] (De Herr Heiri. Städtische Idylle in Zürcher-Mundart) und August Corrodi (De Herr Professer. Idyll aus dem Züribiet, De Herr Vikari. Winteridyll usem Züripiet [beide 1858] und De Herr Doktor. Herbstidyll usem Züripiet [1860]). 1868 publizierte Breitenstein als seine letzte Buchveröffentlichung die hochdeutsche Erzählung Jakob, der Glücksschmied. Weitere Erzählungen von ihm erschienen in der von ihm von 1860 bis 1866 herausgegebenen Zeitschrift Monatsblatt für Frauenvereine, für die er auch Sachartikel verfasste, sowie ab 1860 in der von Johannes Kettiger herausgegebenen Jugendbibliothek. In gedruckter Form liegen auch die von ihm verfassten Jahresberichte der Freiwilligen Armenpflege und einzelne seiner Leichenpredigten vor.
Jonas Breitenstein ist der Pionier der Baselbieter und einer der bedeutendsten Vertreter der Schweizer Mundartliteratur des 19. Jahrhunderts. «Von allen Dialektdichtern, die wir überhaupt kennen, steht, nicht nur wegen der Sprache, sondern auch durch den gemütlichen Charakter seiner Schöpfungen, keiner Hebel so nahe wie Breitenstein, ohne dass er deswegen ein Nachahmer zu nennen wäre.»[3] Seine Werke bilden eine reichhaltige Fundgrube für Gustav Adolf Seilers Grundlagenwerk Die Basler Mundart (1879) und das Schweizerische Idiotikon.[4] Auch seine hochdeutschen Erzählungen, die wie bei Gotthelf erzieherisch angelegt und mit mundartlichen Wendungen durchsetzt sind, gehören zum Bedeutendsten, was die Schweizer Literatur in der Epoche des Realismus hervorgebracht hat. Wegen seiner realistischen Schilderung des Kleinbauern- und Posamenterlebens wurde Breitenstein auch als «Baselbieter Gotthelf» bezeichnet.[5] Seine auktorialer Erzählstil ist nicht so kraftvoll wie jener des berühmteren Dichterpfarrers aus dem Emmental, dafür zeichnet sich Breitenstein gegenüber Gotthelf durch eine grössere Geschmeidigkeit und durch eine konsequent christlich-humane Haltung aus. Diese äussert sich nicht zuletzt darin, dass er – anders als Gotthelf – keine seiner Figuren diffamiert. Die «Derbheiten Gotthelfs billigte Breitenstein niemals, er glaubte auch ohne sie das Volk schildern zu können» (Adolf Socin).[6] Anders als Gotthelf behandelt Breitenstein neben der ländlichen auch die städtische Welt, genauer das Leben in der damals stark wachsenden Stadt Basel, jedoch stets aus der Perspektive der Zuwanderer vom Lande.
Ehrungen
1870 erhielt Jonas Breitenstein von der Kirchgemeinde Binningen-Bottmingen nach 18jähriger Tätigkeit als Pfarrer einen Pokal als Abschiedsgeschenk. 1872 erteilte die Stadt Basel ihm und seiner Familie das Ehrenbürgerrecht. In Binningen ist eine Strasse nach ihm benannt. Zudem befindet sich dort bei der Margarethenkirche eine Gedenktafel.
Werke
Erstausgaben
- Erzählungen und Bilder aus dem Baselbiet, erschienen unter dem Pseudonym B. T. Jonas, 1860 (Digitalisat der Bayerischen Staatsbibliothek).
- Der Her Ehrli. Ein Idyll aus Basel und dem Baselbiet in allemannischer Mundart, 1863 (Digitalisat in der Google-Buchsuche).
- S’Vreneli us der Bluemmatt. Ein Idyll aus dem Baselbiet in allemannischer Mundart, 1864 (Digitalisat in der Google-Buchsuche).
- Jakob, der Glücksschmied. Ein Lebensbild, 1868.
Postume Ausgaben
- Der Herbstmäret in Liestal. Ein Bild aus dem Baselbiet, Birkhäuser, Basel 1891.
- Der Her Ehrli. Ein Idyll aus Basel und dem Baselbiet in allemannischer Mundart, A. Brodbeck, Liestal 1894.
- Der Her Ehrli. Ein Idyll aus Basel und dem Baselbiet in allemannischer Mundart, Birmann-Stiftung, Liestal, 1982 (Faksimile der Ausgabe von 1894).
- Zwei Gedichte Jonas Breitensteins, aus dem handschriftlichen Nachlasse mitgeteilt von Ernst Jenny, in: Basler Jahrbuch 1935, S. 138–152.
- Jonas Breitenstein, Auswahl und Einleitung durch Rudolf Suter, GS-Verlag, Basel 1992 (in der Reihe Unvergessene Basler Dichter, 4).
Daneben erschienen Gedichte von Jonas Breitenstein in verschiedenen Anthologien, etwa in Basilea poetica (1874 und 1897), Gottwilche (1879, hrsg. von Gustav Adolf Seiler), Die Alemannische Dichtung seit Johann Peter Hebel (1881), Haltla: Basel und seine Autoren (1978), Mer wei luege (1982) und Verstöhntder mi no? (2003) sowie in Tageszeitungen.
Werkausgabe
- Jonas Breitenstein: Geschichten und Dichtungen, hrsg. vom Ortsmuseum Binningen und dem Dichter- und Stadtmuseum Liestal, 3 Bände geplant, Binningen 2013–2015.
- Bd. 1 (2013): ’S Vreneli us der Bluemmatt, Die Baselfahrt (aus Erzählungen und Bilder aus dem Baselbiet), Gedichte, ISBN 978-3-033-04272-8.
- Bd. 2 (2014): Der Her Ehrli, Der Herbstmäret in Liestal, Der Vetter Hansheri im Mätteli (beide aus Erzählungen und Bilder aus dem Baselbiet), Ein gemachter Mann, Die Geschichte vom Vikterli und seiner Frau (beide aus Monatsblatt für Frauenvereine, 1861), Gedichte, ISBN 978-3-033-04647-4.
Literatur
- Kaspar Birkhäuser: Das Personenlexikon des Kantons Basel-Landschaft. Verlag des Kantons Basel-Landschaft, Liestal 1997 (online).
- Martin Birmann: Gesammelte Schriften, Bd. 1. Basel 1894, S. 475–487.
- Robert Develey: Briefe von Schweizer Studenten an deutschen Universitäten im 19. Jahrhundert. Oberwil 2010.
- O[tto] G[ass]: Breitenstein, Jonas. In: Historisch-Biographisches Lexikon der Schweiz (HBLS), Band 2, 1924, S. 346.
- Karl Gauss: Basilea Reformata, [Bd. 1]. Basel 1930, S. 52.
- Otto von Greyerz: Die Mundartdichtung der deutschen Schweiz, geschichtlich dargestellt. Huber, Frauenfeld/Leipzig 1924.
- Barbara Helbling: Eine Schweiz für die Schule: nationale Identität und kulturelle Vielfalt in den Schweizer Lesebüchern seit 1900. Chronos, Zürich, S. 96 f.
- K. E. Hoffmann: Basler Dichterstätten. Benno Schwabe, Basel 1934.
- Michael Raith: Breitenstein, Jonas. In: Historisches Lexikon der Schweiz..
- Adolf Socin: Basler Mundart und Basler Dichter. Neujahrsblatt der GGG, Basel 1896, S. 35 ff.
- Eduard Strübin: Jonas Breitenstein. In: Hans Bühler: Heimatkunde Binningen. Liestal 1978, S. 238 f.
- Rudolf Suter: Jonas Breitenstein. In: Der Reformation verpflichtet. Christoph Merian, Basel 1979, S. 125–130.
- Hans Werthmüller: Tausend Jahre Literatur in Basel. Springer, Basel 2014, S. 251 f.
- Eduard Wirz: Jonas Breitenstein. Zu seinem hundertsten Geburtstage, am 22. August 1928. In: Feierstunden. Sonntagsblatt der Basellandschaftlichen Zeitung, Nr. 33, 18. August 1928.
Einzelnachweise
- ↑ Heute befindet sich das Heft im Dichter- und Stadtmuseum Liestal.
- ↑ Der Rezensent des Her Ehrli im Landschäftler bezeichnete Breitenstein denn auch als «Baselbieter Usteri» (zit. nach Geschichten und Dichtungen, Bd. 2, S. 297).
- ↑ Adolf Socin, Basler Mundart und Basler Dichter, zit. nach Geschichten und Dichtungen, Bd. 1, S. 8.
- ↑ www.idiotikon.ch
- ↑ Nah dran, weit weg. Geschichte des Kantons Basel-Landschaft, Bd. 6, Liestal 2001, S. 113 (online)
- ↑ Zit. nach Geschichten und Dichtungen, Bd. 1, S. 11.
Weblinks
- Jonas Breitenstein im Literarischen Archiv der Universitätsbibliothek Basel
- Sendung über ’S Vreneli us dr Bluemmatt von Jonas Breitenstein auf Radio SRF 1, 20. Februar 2014
- Sendung über den Her Ehrli von Jonas Breitenstein auf Radio SRF 1, 30. April 2015
- Publikationen von und über Jonas Breitenstein im Katalog Helveticat der Schweizerischen Nationalbibliothek
- Interview mit Maja Samimi, Projektleiterin der Werkedition, in der Basellandschaftlichen Zeitung
- Beitrag auf Telebasel zur Neuedition
- Stammbaum von Jonas Breitenstein
Personendaten | |
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NAME | Breitenstein, Jonas |
ALTERNATIVNAMEN | Breitenstein-Tschopp, Jonas; Jonas, B.T. (Pseudonym) |
KURZBESCHREIBUNG | Schweizer Schriftsteller und Pfarrer |
GEBURTSDATUM | 22. August 1828 |
GEBURTSORT | Ziefen |
STERBEDATUM | 23. Mai 1877 |
STERBEORT | Basel |
- Reformierter Theologe (19. Jahrhundert)
- Reformierter Geistlicher (19. Jahrhundert)
- Autor
- Literatur (19. Jahrhundert)
- Literatur (Deutsch)
- Literatur (Schweiz)
- Literatur (Alemannisch)
- Erzählung
- Person des Christentums (Schweiz)
- Christliche Literatur
- Realismus (Literatur)
- Person der sozialen Arbeit
- Ehrenbürger im Kanton Basel-Stadt
- Schweizer
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