Koran
Der Koran (arabisch qur'an, قران = "Rezitation") ist das Heilige Buch des Islam. Für die Muslime ist er die Niederschrift der sich über einen Zeitraum von mehr als 2 Jahrzehnten erstreckenden, durch den Erzengel Gabriel vermittelten Offenbarung Allahs an Mohammed. Wenn Muslime sich dem Koran nähern, dann nähern sie sich damit in ihrem Verständnis einem Buch, in dem sie Allah selbst, sozusagen im "Oringinal-Ton", reden hören. Das erklärt die zentrale Stellung und die Hochachtung, die der Koran im Leben der Muslime hat. Der Koran besteht aus 114 mit Namen versehenen Suren, wovon 113 mit "Bism' Allah Alrahman Alrahim": Im Namen Allahs, des Gnädigen Erbarmers (بسم الله الرحمن الرحيم) anfangen. Es wird nach zwischen mekkanischen und medinischen Suren unterschieden. Die Suren bestehen aus einer unterschiedlichen Anzahl an Versen (ayat, ايات). Erwähnenswert ist, dass der Koran fast durchgehend gereimt ist und auch literarisch als Meisterwerk ohnegleichen.
Dabei erscheint der Koran Nicht-Muslimen auf den ersten Blick oft sperrig. Während viele Muslime nicht verstehen, dass der westliche Leser bei seiner Lektüre nicht sofort vollauf begeistert ist, gerät der Leser, der zum ersten Mal den Koran in die Hand nimmt und "vorne" anfängt zu lesen, gleich in eine erste Schwierigkeit. Da die Suren grob der Länge nach geordnet wurden, die frühen mekkanischen Suren, in denen in bildgewaltiger poetischer Sprache gesprochen wird, in der Regel aber nur wenige Zeilen umfassen, stößt der Leser zu Anfang auf die längeren, eher "trockenen" wenn auch wichtigen medinischen Suren, die später entstanden sind. In diesen werden eher Fragen des Zusammenlebens wie zum Beispiel Erbschaftsangelegenheiten oder das Verhalten bei Geschäften untereinander geregelt. Deswegen empfiehlt es sich beim ersten Studium des Korans nach Sure 1 (Al-fatiha: die Eröfnende) bei Sure 114 abwärts zu lesen. Konsequenterweise lässt Murad Hoffmann in seiner Überarbeitung der Hennig- Übersetzung die Einleitung und den Text nach westlichem Verständnis hinten beginnen und kommt damit dem Original am nächsten.
Für Johann Wolfgang von Goethe ist der Koran ein Buch, "das uns, so oft wir auch daran gehen, immer von neuem anwidert, dann aber anzieht, in Erstaunen setzt und am Ende Verehrung abnötigt."
Der Koran ist neben der Sunna die Hauptquelle des göttlichen Gesetzes, der Scharia.
Textgeschichte
Die Entstehung des schriftlichen Koran verlief auf folgende Weise: Zunächst wurde der Koran mündlich weitergegeben. Dabei gab es immer eine ganze Reihe von Muslimen, die den bis dahin geoffenbarten Text komplett beherrschten. Sobald Mohammed ein weiterer Text geoffenbart wurde, war dies in der damaligen Gemeinschaft der Muslime, wegen der z.T.unmittelbaren Auswirkungen auf den Alltag (zB beim Alkoholverbot) Gegenstand höchster Aufmerksamkeit. Mohammed trug jede neu empfangene Offenbarung zunächst den Männern der Gemeinde vor und danach einer Versammlung der Muslimischen Frauen. Der Prophet sorgte auch für die Einordung der neuen Stellen. Jeden neu geoffenbarten Text ordnete er einer bestimmten Stelle im vorliegenden Text zu. Vor dem Tod des Propheten war die Offenbarung abgeschlossen und nach Abstimmung mit allen, die den Koran auswendig bewahrt hatten, (siehe Hafiz), entstand auf Anordnung des Kalifen Uthman ibn Affan (644-656) die erste offizielle Niederschrift des Konsonantentexts (noch ohne die Punkte, durch die in der heutigen arabischen Schrift einige ansonsten gleich aussehende Konsonanten unterschieden werden; und natürlich auch ohne Vokalzeichen). Mindestens fünf Abschriften wurden versandt und zwar nach Medina, nach Mekka, nach Kufa, nach Basra und nach Damaskus. Gleichzeitig erging die Anordnung, alle privaten Koranaufzeichnungen zu verbrennen. Die Abschrift, die nach Medina gesandt wurde, wird heute in Taschkent aufbewahrt. Ein zweites Exemplar befindet sich im Topkapi Museum in Istanbul. Es existiert noch ein drittes Exemplar, das möglicherweise eine erste Abschrift der fünf urspünglichen Exemplare ist, und im Archiv des britischen India-Office aufbewahrt wird.
Die Authenzität des ursprünglichen Textkörpers, so wie er Mohammed offenbahrt wurde und zu seinen Lebzeiten von Tausenden auswendig beherrscht wurde, ist heute auch in der westlichen Islamwissenschaft nicht mehr strittig.
Wirkung
Der Koran bildete die Grundlage für zahlreiche Zweige der arabischen Wissenschaft.
Seine Sprache beeinflusste stark die Entwicklung der arabischen Grammatik – neben den erhaltenen Fragmenten der vorislamischen Dichter galt und gilt das koranische Arabisch als Richtschnur für die Korrektheit sprachlicher Ausdrücke.
Aus dem Bedürfnis nach Auslegung der an manchen Stellen rätselhaften Aussagen des Korans entwickelte sich die ilm at-tafsir, die Wissenschaft der (Koran)-Auslegung. Ausführliche, oft Dutzende Bände füllende Kommentarwerke entstanden, zu den berühmtesten zählen die von Tabari, Qurtubi oder Ibn Kathir.
Auch westliche Kommentatoren liefern immer wieder Beiträge zum Versuch den Koran zu deuten und zu verstehen.
Ungewöhnliche, aber auch sehr umstrittene Interpretationsansätze liegen zum Beispiel von dem deutschen Philologen Christoph Luxenberg vor, der u.a. eine neue Interpretation der Jenseitsbeschreibungen im Koran vorstellt.
Nach einem islamischen Weisheitsspruch ist der Koran ein sprechendes Universum und das Universum ein schweigender Koran.
Inhalt
Name, Verszahl und Offenbarungsort werden gewöhnlich als Titel der Suren gedruckt. Danach folgt (außer in Sure 9) jeweils die Eröffnungsformel "Bismillah ir-Rahman ir-Rahim" ("Im Namen Allahs, des Barmherzigen, des Erbarmers"), die so genannte Bismillah. Diese wird gewöhnlich nicht als Vers mitgezählt.
Die im Arabischen übliche Zitierweise des Korans ist "<Name der Sure>, <Versnummer>"; im Westen, wo nicht so viele Menschen die Namen der Suren auswendig wissen, ist dagegen "Koran, Sure <Surennummer>:<Versnummer>" üblich.
Anordnung der Suren
Die Zusammenstellung der einzelnen Verse zu Suren und deren Anordnung geht auf den Propheten Mohammed zurück, der jährlich gemeinsam mit seinen Anhängern den jeweils bis dahin offenbarten Text komplett auswendig rezitierte. Die Suren sind, mit Ausnahme der ersten, grob (aber nicht genau) nach abnehmender Länge geordnet, nicht etwa chronologisch. Thematisch springen die meisten längeren Suren häufig zwischen verschiedenen Themen hin und her, ohne dass ein direkter Zusammenhang offensichtlich wäre.
Viele kurze Erzählungen erscheinen im Koran wieder und wieder, leicht variiert, in verschiedensten Zusammenhängen; die häufigste ist die von Moses' Konfrontation mit dem Pharao und dessen Hofzauberern.
Auch manche Lehrthemen erscheinen extrem häufig; etwa die Lehre dass Menschen, welche Allah "Partner beigesellen", in die Hölle verbannt werden.
Rolle des Korans im islamischen Leben
Der Koran wird von Muslimen hochgeschätzt. In den regelmäßigen Gebeten ist die erste Sure Al-Fatiha fester Bestandteil, andere Suren oder Teile davon werden den ersten beiden Gebetseinheiten hinzugefügt. Darüber hinaus wird der Koran auch privat studiert, rezitiert, und (live oder von Kasetten/CDs) angehört.
Übersetzungen
Der Orientalist Friedrich Rückert hat in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts weite Teile des Koran in gebundener Sprache ins Deutsche übertragen. Rückerts Übersetzung ist für ihre sprachliche Ausdrucksstärke berühmt, die so viel wie möglich vom Klang des koranischen Arabisch ins Deutsche hinüberzuretten versucht. Als Manko dieser Übersetzung wird von vielen Lesern allerdings empfunden, dass Rückert nach eigenem Ermessen Textstellen weggelassen hat, so dass auf der Grundlage dieser Übersetzung kein vollständiges Bild vom Koran gewonnen werden kann. Trockener und schwerer lesbar, dafür vollständig und auch näher am Text bleibt die moderne wissenschaftliche Übersetzung von Rudi Paret. Daneben existieren der so genannte Ahmadiya-Koran (eine zweisprachige Ausgabe mit dem arabischen Originaltext auf jeder geraden Buchseite), sowie Übersetzungen von Adel Khoury in neuer umfangreich verzierter Schmuck- Ausgabe (traditionsgebunden, vom Islamischen Weltkongress unterstützt), Lazarus Goldschmidt, Ahmad von Denffer und Max Henning (Reclam). Die Henning- Ausgabe ist aktuell von Murad Hoffmann überarbeitet und mit behutsamen Anmerkungen versehen worden. Eine der besten neuen deutschsprachigen Übersetzungen, die auch den arabischen Text und gleichzeitig zu jedem Vers eine Auswahl aus wichtigen, auf Deutsch übersetzten Kommentaren bringt, wurde von einer Gruppe deutschsprachiger Musliminnen unter Leitung von Fatima Grimm unter dem Titel Die Bedeutung des Koran herausgegeben.
- Die Bedeutung des Koran. SKD Bavaria Verlag, München, 2.Aufl. 1998 (5 Bände). ISBN 3-926575-40-9.
- Der Koran. Übersetzung von Max Henning. Stuttgart 1960. Überarbeitet und leicht kommentiert von Murad Wilfried Hofmann, Diederichs 3.Aufl. 2001.
- Der Koran. Übersetzung von Adel Khoury. Gütersloh 1987.
- Der Koran. Übersetzung von Rudi Paret. Stuttgart 1966.
- Hartmut Bobzin (Hg.): Der Koran in der Übersetzung von Friedrich Rückert, 4. Aufl., Würzburg 2001.
- Der Heilige Koran. Übersetzung der Ahmadiyya Muslim Jamaat, Verlag der Islam
Literatur
- Koran, in: Meyers Konversationslexikon, 4.Aufl. 1888, Bd.10, S.80.
- Theodor Nöldeke: Geschichte des Qorans.
- Über den Ursprung des Qorans. Leipzig 1909
- Die Sammlung des Qorans. Leipzig 1919
- Die Geschichte des Qorantextes. Leipzig 1938
- William Montgomery Watt: Companion to the Qur'an, based on the Arberry translation. London 1967
- Tilman Nagel: Der Koran. Einführung - Texte - Erläuterungen, München 1983 ISBN 3-406-43886-5
- Hartmut Bobzin: Der Koran. Eine Einführung. München 1999 (Beck) ISBN 3-406-43309-X
- Christoph Luxenberg: Die syro-aramäische Lesart des Koran, Berlin: Verlag Das Arabische Buch 2000. ISBN 3-89930-028-9
- Murad Hoffmann: Koran, München 2002, Diederichs. ISBN 3-7205-2316-0
- Ahmadiyya Muslim Jamaat: Einführung in den Heiligen Koran
Weblinks
- Projekt Gutenberg: Der heilige Koran
- http://cwis.usc.edu:80/dept/MSA/quran/ - Online-Fassung des Koran
- http://www.theholyquran.org/ - Koran in verschiedenen Übersetzungen
- http://www.sub.uni-goettingen.de/ebene_1/orient/quran-text.htm - Rüdiger Lohlker, Der Koran im Internet
- Mona Naggar: Wie aramäisch ist der Koran? Ein provokatives Buch zur Deutung «unklarer» Stellen, in: NZZ Online, 3. Februar 2001 (2003-05-17 eingesehen)
- http://zeus.zeit.de/text/2003/21/Koran - Die Zeit: Jörg Lau, Keine Huris im Paradies am 14. Mai 2003, 47
- http://www.publik-forum.de/aktuell/SUB_AKT3.HTM - Publik-Forum: Die Weintrauben des Paradieses - Kritische Analyse des Koran...