Humor
Humor ist die Fähigkeit, ein Lachen hervorrufen zu können, „Humor ist, wenn man trotzdem lacht“ – so die kürzeste und verbreitetste Definition von Humor im Deutschen.
Bis heute ist keine umfassende Theorie des Humors entwickelt worden, weil Lachen als ein Kulturphänomen an eine bestimmte historische, soziale und personelle Konstellation gebunden ist – und zumindest für historisch frühe Formen mehr offene Fragen als Quellen existieren.
Auch die Feldforschung der Ethnologie hat bisher keine Integration ihrer vielen Beobachtung erarbeiten können: Worüber man lacht, wer das Lachen wie auslöst, welche Wirkung ein Lachen im sozialen Kontext hat – die Antworten auf diese Fragen sind immer noch sehr heterogen und wenig verallgemeinert.
Die weite, pragmatische Definition
Mit einem Blick ausschließlich auf das Ergebnis könnte man sagen, dass Humor alles ist, was Lachen hervorbringt – sowohl das Lachen über sich selbst als auch das mehr oder weniger vernichtende Lachen über andere.
Wenn man aber den Begriff des Humors auf diese weite Art fasst, dann öffnet sich ein uferloses Begriffsfeld, in dem literarische Formen und bildnerische Gestaltungen, clownesque und Theateraufführungen, jüdischer, rheinischer und sonstiger Humor nebeneinander stehen, ohne dass die Unterschiede des Lachens deutlich werden, dessen wichtigster der zwischen den integrierenden und den eskalierenden Formen des Lachens ist.
Die enge, analytische Definition
Abgesehen von den Positionen, die aus Prinzip die Anwendung von analytischem Denken auf etwas so spontanes wie das Lachen ablehnen, haben sich sowohl Praktiker des Humors (Autoren, Kabarettisten,…) als auch Theoretiker (Philosophen, Literaturwissenschaftler, Psychologen, Historiker,…) darum bemüht, das Lachen - genauer: das, was uns zum Lachen bringt - zu ergründen.
Schon Aristoteles, dessen 2. Buch zur Poetik der Komödie leider verloren ist, bemerkte an anderer Stelle, der Mensch sei das einzige Wesen, das zum Lachen befähigt sei und betonte die Funktion, die das Lachen in der Auseinandersetzung des Menschen mit den Widrigkeiten seines Lebens habe.
Nach Siegmund Freuds Untersuchungen über den Witz entsteht bei der Bewegungskomik das Lachen durch übermäßige, allzu aufwendige Bewegungen, die mit den eigenen Vorstellungen von einem angemessenen Verhalten verglichen werden; bei der Gedankenkomik lache man über Minderleistungen, über unangemessene Ersparungen an seelischem Aufwand.
Im Wahrig, dem „Deutschen Wörterbuch“, lesen wir, Humor sei eine Fähigkeit, auch die Schattenseiten des Lebens mit heiterer Gelassenheit und geistiger Überlegenheit zu betrachten.
Diese drei Ansätze verfolgen den Gedanken einer eigentümlichen Verbindung von Schwäche und Stärke im Humor. Hier wird Humor zu einer Anstrengung eines Betrachters, die das Schwierige seines Lebens auf eine typische Art erleichtert. In einer Situation der Gefahr oder der Niederlage wird gelacht - nicht verharmlosend, sondern über die Fehler, die einem trotz anderer, die man sich schon geleistet hat, noch nicht unterlaufen sind.
Humor ist dann ein optimistisches Tiefstapeln des Widerstands, ein scheinbares Festhalten an einem offenbar unangemessenen, nebensächlichen Standpunkt oder an einer unzulänglichen Verhaltensweise, die gerade dadurch ein Hinweis darauf wird, dass man sich der Situation nicht ohne Widerstand ausliefert. Im Humor macht man sich dümmer als man ist und wird dadurch stärker als man scheint.
Humor ist eine Denkfigur, die das Scheitern auf eine fadenscheinige Weise überwindet. So wird die Beschwernis als Luxus, das Unangenehme als Errungenschaft formuliert und nachträglich ein durchschaubarer Sinn oder Nutzen konstruiert: ... wenigstens haben wir ... immerhin besser als ... Christopher Fry schrieb: „Humor ist eine Flucht vor der Verzweiflung, ein knappes Entkommen in den Glauben.“
Ein frühes Beispiel: 480 v.Chr. drohte Xerxes den Griechen bei den Thermopylen: Ich habe so viele Speerwerfer, dass ihre Speere die Sonne verdunkeln werden! König Leonidas von Sparta ließ der Überlieferung nach antworten: Umso besser - dann kämpfen wir im Schatten!
Im Gegensatz zur Kommentierung anderer in der Ironie, im Spott oder im Zynismus macht der Betrachter aber diese humorvolle Bemerkung über sich selbst oder bezieht sich wenigstens mit ein, ist Mitbetroffener und kein Besserwisser. Im Gegensatz zu anderen Formen des Lachens ist Humor sozialverträglich und stiftet Gemeinschaft - Spott, Ironie und Zynismus dagegen sind Denkformen der Destruktion und sozialen Eskalation und nur über den Umweg sozialer Kämpfe integrierend. „Lieber einen Freund verlieren als einen Witz!“ – dieses auf Quintilian zurückgehende Motto kann manches Lachen meinen, aber eben keinen Humor.
Zur Geschichte des Humors
Bedingt durch die Quellenlage kann eine grobe historische Übersicht nur den weiten, pragmatischen Begriff des Humor zu Grunde legen und sich nur mit dem Lachen an sich, ohne nähere Differenzierung, befassen.
In der Kultur der griechischen Antike wurde im öffentlichen Bereich auf dem Theater, bei Festen und in den Straßen gelacht, in denen schlagfertige Männer Passanten oder einflussreiche Bürger der Polis verspotteten. Im privaten Bereich sind seit etwa 550 v. Chr. Spaßmacher belegt, die sich auf Sammlungen von Witzen in Schriftrollen als Berufsgrundlage stützten. Mit dem Zerfall der Polis wurde das Lachen den Besit-zenden gefährlich und die großen Philosophen der Antike (auch Platon, Aristoteles und Pythagoras) forderten die Zähmung des „groben Lachens“ zugunsten von feinerem Witz und kultivierter Ironie: In Platons Akademie zum Beispiel war das Lachen sogar verpönt.
Da es im römischen Recht ausdrücklich verboten war, einen Bürger (faktisch: einen Adligen) lächerlich zu machen, beschäftigte sich Cicero mehrfach ausdrücklich mit der Angemessenheit eines Witzes, der sonst die Karriere eines Redners schnell beenden konnte.
Im Mittelalter und der Renaissance wurde der Humor mehr und mehr aus der höfischen Kultur verdrängt und zu einem Thema der Volkskultur und der städtischen Feste (Karneval, Fastnacht). Zwischen etwa 1450 und 1750 kursierte eine Vielzahl von sog. Schwankbüchern mit Streichen, Witzen und schlagfertigen Antworten als Munition für kurzweilige Gespräche.
Mit der Auseinandersetzung zwischen Reformation und Gegenreformation wurde der Humor einerseits in Dienst genommen, um den ideologischen Gegner lächerlich zu machen, andererseits fürchtete die jeweilige Kirche, selbst Opfer des Lachens der anderen Seite zu werden. Daher diskutierten auch Theologen, ob und welche Witze von der Kanzel erlaubt wären und ob auch Jesus jemals gelacht hätte.
In der Aufklärung wurde Humor anfangs als Vergehen gegen das Ideal der Ernsthaftigkeit und logischen Argumentation aufgefasst. Lachen war daher zunächst in der französischen Nationalversammlung verboten, wurde aber zunehmend als ein Mittel der politischen Auseinandersetzung akzeptiert. Mit dem Parlamentarismus näherten sich also Volkskultur und kultiviertes Lachen der Oberschichten wieder an und beeinflussen sich bis heute unter dem Einfluss der Massenmedien permanent.
(siehe auch: J. Bremmer, H. Roodenburg: Kulturgeschichte des Humors. Von der Antike bis heute, Darmstadt 1999)
Das Begriffsfeld des Humors
Das Feld der mit „Lachen“ und „Humor“ verbundenen Begriffe ist weit - und schwer zu ordnen. Die folgende Übersicht ist unvollständig und behelfsmäßig, einige Zuordnungen können auch anders erfolgen. Am wichtigsten wird es in Zukunft sein, die hier sog. „Denkformen“ weiter gegeneinander abzugrenzen und ihre besonderen Methoden zu entschlüsseln ; sind diese Verfahren begriffen, sind auch ihre Darstellungen in schriftlicher, mündlicher, usw. Form nicht länger ein analytisches Problem.
- Denkformen:
Hohn, Ironie, Komik, Parodie, Sarkasmus, Selbstironie, Spott, Witz, Zynismus, ...
- Schriftliche Formen:
Anekdote, Glosse, Limerick, Satire, ...
- Mündliche Formen:
Running Gag (Dauerwitz), Galgenhumor, Kalauer, Krätzchen, Radio Eriwan, Scherz, Schlagfertigkeit, Trockener Humor, ...
- Verhaltensformen:
Albernheit, Chuzpe, ...
- Darstellende Formen:
Clown, Comedy, Farce, Groteske, Kabarett, Komiker, Komödie, Slapstick, ...
- Bildliche Formen:
Cartoon, Comic, Karikatur, ...
- Ereignisgebundene Formen:
Aprilscherz, Fastnacht, Fasching, Karneval, Schwarzer Humor, ...
- Regionale Formen:
Britischer Humor, Jüdischer Witz, Rheinischer Humor, ...