Inkassounternehmen (Deutschland)
Ein Inkassobüro ist ein Dienstleistungsunternehmen, das Gläubigern dazu verhilft, das ihnen geschuldete Geld wiederzuerlangen. Dies ist juristisch ausgedrückt "gewerbsmäßige Einziehung von Forderungen". Die Tätigkeit der Inkassobüros steht in Deutschland unter Erlaubniszwang; wer nicht über die behördliche Erlaubnis gemäß Art. 1 § 1 Nr. 5 Rechtsberatungsgesetz (RBerG) verfügt, darf nicht als Inkassounternehmer arbeiten. Zuständig für die Erteilung der Inkassoerlaubnis ist der Präsident des Landgerichts oder der Präsident des Amtsgerichts in dessen Bezirk das Inkassounternehmen seinen Sitz hat.
Vielfach arbeiten Inkassobüros mit Privatdetektiven und/oder Anwaltskanzleien zusammen. Die Zusammenarbeit mit Anwaltskanzleien ist die Regel, weil Inkassounternehmen nur außergerichtlich tätig sein dürfen. Um offene Forderungen durch Zwangsvollstreckungsmaßnahmen mit Hilfe des Gerichtsvollziehers gegenüber dem Schuldner durchsetzen zu können, benötigt das Inkassounternehmen einen sogenannten Schuld- oder Vollstreckungstitel. Dieser kann durch Klage vor Gericht oder über das gerichtliche Mahnverfahren erlangt werden.
Legale Methoden
typische Arbeitsmethoden von Inkassobüros sind:
- Den Schuldner durch wiederholte briefliche, telefonische oder persönliche Mahnungen zur Zahlung zu bewegen,
- durch Zwangsvollstreckung mit Hilfe des Gerichtsvollziehers eine Pfändung herbeizuführen,
- die Information des Schuldners über mögliche juristische Folgen seiner Säumigkeit (Klage, Pfändung usw.),
- das Auffinden von Werten, die sich im Eigentum des Schuldners befinden und dem Gerichtsvollzieher für eine Pfändung empfohlen werden, z.B. vom Schuldner versteckter Schmuck oder Bankkonten,
- das Aushandeln und Abwickeln von Ratenzahlungen, Stundungs- und Vergleichsvereinbarungen.
Der schlechte Ruf
Die Inkassobranche hat in Deutschland einen sehr schlechten Ruf. Dies dürfte daran liegen, dass einige ihrer Vertreter mit Methoden arbeiten, die zwar nicht illegal, aber zumindest moralisch fragwürdig sind, wie:
- Anprangern: Das private und/oder geschäftliche Umfeld des Schuldners wird mit Absicht - auf direktem oder indirektem Wege - über dessen Schulden informiert. Die daraus folgende Blamage und/oder Rufschädigung (die im Geschäftsleben oft auch eine finanzielle Schädigung bedeutet) soll den Schuldner zur "freiwilligen" Zahlung bewegen,
- Einschüchterung: Durch Suggerieren massiver juristischer Konsequenzen, mitunter unter Vorspiegelung falscher Tatsachen (letzteres überschreitet die Grenze zur Illegalität)
- Bedrohung mit dem wirtschaftlichen Ruin: Durch Geltendmachung von Inkasso-"Gebühren", die mit jedem Schreiben steigen und oft mehrfach höher sind als die zu Recht beanspruchte ursprüngliche Forderung wird dem Schuldner suggeriert, er könne das wirtschaftliche Aus nur durch sofortige Zahlung vermeiden
Bei alledem darf nicht übersehen werden, dass es viele seriöse Inkassounternehmen gibt, die vollkommen berechtigte Ansprüche von Gläubigern verfolgen und damit einen wichtigen Beitrag zum Funktionieren des Wirtschaftslebens leisten. Insbesondere Branchen mit massenhaftem Waren- oder Dienstleistungsumschlag wie z.B. Versandhandel, Telekommunikation oder Banken sind auf Inkassounternehmen angewiesen, weil zu große Forderungsausfälle die Preisstabilität gefährden und letztlich von den zahlenden Kunden mitgetragen werden müssen. Ein Indiz dafür, ob ein Inkassounternehmen seriös ist, kann u.a. die Mitgliedschaft im Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen (BDIU) oder im Bundesverband Deutscher Rechtsbeistände sein, die über die ordnungsgemäße Ausübung der Tätigkeiten ihrer Mitglieder wachen und bei denen man sich ggf. ebenso wie bei den jeweils zuständigen Zulassungsbehörden beschweren kann.
Illegale Methoden
Die Anwender solcher Methoden fallen nicht mehr unter den Geschäftsbegriff Inkassobüro. Es handelt sich üblicherweise um Angehörige des kriminellen Milieus, wo eine Eintreibung von Schulden auf dem Gerichtsweg nicht möglich ist. Zu den illegalen Methoden gehören:
- Selbstjustiz, beispielsweise "Rückholen" der Schulden durch Diebstahl am Besitz des Schuldners,
- Gewaltanwendung (Straftaten von Sachbeschädigung bis zum Mord),
- Androhen der Gewaltanwendung gegen den Schuldner oder diesem nahestehende Personen,
- Nötigung, d.h. die bloße "Drohung mit einem empfindlichen Übel" - eine strafbare Nötigung kann daher u.U. bereits durch das weiter oben beschriebene "Anprangern" begangen werden.
Ausnutzung des schlechten Rufes
Auch äußerlich scheinbar legal arbeitende Inkassounternehmen nutzen mitunter den schlechten Ruf der Branche. Dabei wird dem Schuldner suggeriert, das betreffende Inkassobüro oder der Gläubiger verfüge über Verbindungen zum kriminellen Milieu, beispielsweise zu osteuropäischen Mafiaorganisationen. Dies geschieht durch gezielte Äußerungen gegenüber Schuldnern, durch entsprechend gestaltete Internetauftritte (mitunter inklusive des Firmennamens) oder auch durch entsprechend martialisches Auftreten von Mitarbeitern.
Erwerb von Ansprüchen
Befindet sich der Schuldner bei Beauftragung eines Inkassobüros bereits in Zahlungsverzug, so hat der Schuldner auch die berechtigten Kosten des Inkassobüros zu tragen. Häufig werden diese jedoch von den Inkassobüros rechtswidrig zu ungunsten des Schuldners berechnet. Bei rechtswidrig berechneten Kosten empfielt es sich, zunächst nur die Hauptforderung inkl. Zinsen zu bezahlen. Inkassobürokosten analog den Rechtsanwaltsgebühren werden im allgemeinen als zulässig erachtet. Im gerichtlichen Mahnverfahren können die Kosten für die Tätigkeit des Inkassobüros - ähnlich wie Mahngebühren - ganz oder teilweise dem Schuldner auferlegt werden, da das Mahngericht lediglich prüft, ob verlangte Inkassokosten nicht völlig aus dem Rahmen fallen. Im Gegensatz zu Rechtsanwälten existiert nämlich für Inkassobüros in Deutschland keine gesetzlich festgelegte Gebührenstruktur (anders z.B. in Österreich). Deswegen kann es sich für Schuldner lohnen, der Zahlung von Inkassokosten unter Hinweis auf das Kostenminimierungsprinzip zu widersprechen, weil eine (allerdings zunehmend schrumpfende) Anzahl Amtsgerichte die Einschaltung von Inkassobüros grundsätzlich für "Kostentreiberei" hält, da die Verfolgung berechtigter Ansprüche durch Rechtsanwälte erfolgen kann. Die von Rechtsanwälten nach dem Gebührenvorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes berechneten Kosten sind bei Verzug grundsätzlich von dem Schuldner zu bezahlen. Ein Widerspruch gegen diese Kosten führt zu weiteren Kosten zu Lasten des Schuldners.
Eine weitere legale Arbeitsweise von Inkassobüros ist der Erwerb von Forderungen: Der Gläubiger tritt seine Ansprüche gegen den Schuldner komplett an das Inkassobüro ab. Dieses bezahlt einen bestimmten Kaufpreis für die Forderung und wird damit zum Gläubiger der Forderung. Der ursprüngliche Gläubiger erhält seinen Anspruch somit nicht in vollem Umfang befriedigt, er ist jedoch von dem Risiko befreit, dass die Vollstreckung seiner Ansprüche - z.B. infolge von Insolvenz oder Flucht des Schuldners - ganz oder teilweise scheitert. Anschließend macht das Inkassobüro die erworbenen Ansprüche gegen den Schuldner geltend.