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Präsidialkabinett

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Als Präsidialkabinette bezeichnet man die letzten drei Regierungen der Weimarer Republik unter Heinrich Brüning (Zentrumspartei), Franz von Papen (Zentrumspartei) und Kurt von Schleicher. Der Reichspräsident, zu dieser Zeit Paul von Hindenburg, hatte in der Weimarer Verfassung die Stellung eines Ersatzkaisers. Die Artikel 25 (Auflösung des Reichstags), 48 (Notverordnungsrecht]]) und 53 (Einsetzung und Entlassung des Reichskanzlers) ermöglichten ihm die Bildung einer nur auf sein Vertrauen gestützten Regierung.

Bereits am 18. März 1929 hatte Hindenburg mit Kuno Graf Westarp, dem Fraktionsvorsitzendem der DNVP, die Möglichkeit einer Regierung ohne das Vertrauen des Reichstags erörtert. Das letztendliche Ziel des Reichspräsidenten war Reformen zur Wiedererrichtung der Monarchie zu erreichen.

Am 27. März 1930 scheiterte die Großen Koalition unter Hermann Müller (SPD) im Streit um ein halbes Prozent Beitrag zur Arbeitslosenversicherung. Schon 3 Tage später ernannte Hindenburg Heinrich Brüning zum neuen Reichskanzler, der in seinem Kabinett nur die 3 Minister der SPD ersetzte, so dass wahrscheinlich dieses Vorgehen von Hindenburg geplant, und die meisten Parteien in die Pläne eingeweiht waren. Am 1. April erklärte Brüning, der keine Mehrheit im Reichstag besaß, dass er notfalls nur mit Hilfe von Notverordnungen regieren würde. Während der Reichstag die ersten Gesetz noch mit einer knappen Mehrheit beschlossen hatte, lehnte er ein unsoziales Sanierungsprogramm ab.

Nun setzte der Mechanismus der Präsidialregierungen ein: Wenn ein Gesetzesentwurf der Regierung keine Mehrheit im Reichstag fand setzte der Reichspräsident diesen in Form einer Notverordnung in Kraft, obwohl die Notverordnungen nur für Notsituationen gedacht waren. Wenn der Reichstag das Recht wahrnahm die Notverordnung aufzuheben, löste der Reichspräsident gemäß Artikel 25 der Weimarer Verfassung das Parlament auf und und konnte bis zu den Neuwahlen, die spätestens nach sechzig Tagen stattfinden mussten, mit Notverordnungen regieren. Die im Parlament gescheiterten Gesetzesvorschläge setzt er nun, eindeutig verfassungswidrig, durch das Notverordnungsrecht gemäß Artikel 48 unter Umgehung der Legislative in Kraft. Sowohl die Exekutive als auch die Legislative lag nun beim Reichspräsidenten und beim Reichskanzler, die Gewaltenteilung war aufgehoben. Der Reichskanzler regierte, nur auf das Vertrauen des Reichspräsidenten gestützt, in verfassungswidriger Weise nur mit Hilfe von Notverordnungen.


Der Reichstag hatte zwei Möglichkeiten, gegen den Reichspräsidenten vorzugehen:

Für beide Vorgehensweisen war eine, nicht zu erreichende, 2/3 Mehrheit im Reichstag nötig.

Nach den Reichstagswahlen, deren Sieger eindeutig die NSDAP war, entschied sich die SPD Brüning, als das kleinere Übel gegenüber Adolf Hitler, zu tolerieren.

Da durch diese strukturellen Fehler in der Reichsverfassung die Demokratie geschwächt und letzlich deren Zusammenbruch sowie der Aufstieg Adolf Hitlers begünstigt wurde, hat man im Grundgesetz der Bundesrepublik die Stellung des Bundespräsidenten stark beschnitten.

siehe auch Präsidialdiktatur