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Bergpredigt

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Die Bergpredigt ist einer der bekanntesten Texte des Neuen Testaments der Bibel. Von manchen wird sie als der Kern des christlichen Glaubens bezeichnet. Sie steht im Matthäusevangelium, Kapitel 5-7.

Name und Hintergrund

Ihren traditionellen Namen hat die Bergpredigt zum Teil von der Ortsangabe zu Beginn:

1 Als Jesus die vielen Menschen sah, stieg er auf einen Berg. Er setzte sich, und seine Jünger traten zu ihm. 2 Dann begann er zu reden und lehrte sie. (Einheitsübersetzung)

Da jedoch der Begriff „Lehre“ oder das davon abgeleitete „lehren“ sehr oft in der Bergpredigt wiederholt wird, der Begriff Predigt aber nicht, handelt es sich mehr um eine „Berglehre“ des Jesus von Nazareth.

Mit einer feierlichen Einleitung unterstreicht die textliche Redaktion des Matthäus, etwa 40 bis 50 Jahre nach Jesu Tod, die grundsätzliche Bedeutung der Lehre. Die hier redaktionell zusammengestellten Worte Jesu Christi sind als Proklamation einer „neu verstandenen, neu ausgelegten, kritisch-revolutionären Gerechtigkeit“ interpretiert, die der durch ihn angebrochenen Gottesherrschaft entspricht. Dies entspricht inhaltlich und zeitlich auch dem Bruch der jüdischen Strömung des Nazareners Jesus mit dem Judentum, das Christentum verlegt sich auf die Heidenmissionierung vor allem im griechisch-römischen Einflussbereich.

In den folgenden Jahrhunderten wird die Berglehre immer mehr als Bergpredigt, als Verkündigung des christlichen Glaubens begriffen und als „neue“ Lehre und christlich-ethisches Juwel, zum Teil im Widerspruch mit dem Text der Berglehre, begriffen.

Die Berglehre hat als jüdisches Kulturgut, das Jesus so auch verankert (er hebe die Tora nicht auf, sondern erfülle diese), die christliche Religion, viele herausragende Denker und andere Religionen maßgeblich beeinflusst. Vielen heutigen liberalen Juden ist diese Berglehre Jesu aufgrund ihres Charakters einer jüdischen Lehre und Auslegung der antiken Tradition und der Tora vor jüdischen Hörern absolut koscher.

Inhalt

Die Eröffnung der Bergpredigt bilden die berühmten Seligpreisungen (5,3-12). Der Form nach stehen sie in der Tradition der Weisheitsliteratur („Wohl dem, der ...“). Ihr Inhalt stellt jedoch die Alltagsmaßstäbe der Glückseligkeit auf den Kopf und verknüpft sie mit geistlicher Armut, Trauer, Sanftmut, Gerechtigkeit, Barmherzigkeit, Pazifismus und Leidensbereitschaft.

Es folgen die Gleichnisworte vom „Salz der Erde“ und vom „Licht der Welt“ (5,13-16), die die Jüngergemeinschaft der neuen Gerechtigkeit in ihrem Verhältnis zu den übrigen Menschen charakterisieren.

Daran schließen sich Ausführungen über Jesu Verhältnis zu „Gesetz und Propheten“ an (5,17-20): nicht Aufhebung, sondern Erfüllung durch Radikalisierung.

Dies wird im folgenden Hauptteil, den Antithesen, an verschiedenen Themen gezeigt: Töten und Versöhnung (5,21-26), Ehebruch und Ehescheidung (5,27-32), Eid und Wahrhaftigkeit (5,33-37), Vergeltung und Feindesliebe (5,38-48). Jedesmal stellt Jesus einem (frei zitierten) Gebot der Tora ein „Ich aber sage euch“ gegenüber. Jesus führt die Gebote auf ihre eigentlichen Intentionen zurück und bringt sie so zu neuer, uneingeschränkter, bedingungsloser Geltung.

Zu beachten ist, dass die Idee der Antithesen im Kontext der Übersetzung des hebräischen Originals entsteht. Da Jesus selber die Gültigkeit der Tora betont, setzt er dieser auch keine Antithesen entgegen (anti-). Vielmehr geht es ihm um eine Pointierung und Fokussierung, die nicht die Tora zur Gänze wiederholen soll, sondern das (nach seiner Lehre) Wichtigste zusammenfassen soll, da insbesondere seine Jünger, die Gläubigen und allgemein seine Hörer mit den Gesetzen der Juden vertraut sind, da allesamt Juden.

Das sechste Kapitel enthält eindringliche Warnungen vor Veräußerlichung und Heuchelei („dein Vater, der das Verborgene sieht“; 6,1-8;14-18), und im Zentrum der gesamten Komposition eingefügt das Vater unser als „kindliches“ Gebet der neuen Gerechtigkeit (6,9-13). Daran schließen sich Mahn- und Gleichnisworte gegen den Reichtum, die "Sorge" und mangelndes Vertrauen in die Gottesherrschaft an.

Das siebte Kapitel beginnt mit dem Verbot des Verurteilens anderer (7,1-5). Es folgt ein Einzelwort über die Entweihung des Heiligen (7,6), ein weiteres Gleichniswort vom Gebetsvertrauen (7,7-11) sowie die „Goldene Regel“: Alles, was ihr also von anderen erwartet, das tut auch ihnen! Darin besteht das Gesetz und die Propheten. (7,12)

Den Abschluss der Bergpredigt bilden das Mahnwort vom „engen Tor“ (7,13 f.), die Warnung vor heuchlerischen Glaubenslehrern (7,15-23) und das Gleichnis vom Hausbau auf Felsen oder auf Sand für ein Leben mit den Grundsätze der Bergpredigt oder gegen sie (7,24-27).

Der feierlichen Einleitung entspricht ein ebensolcher Schluss: Als Jesus diese Rede beendet hatte, war die Menge sehr betroffen von seiner Lehre; denn er lehrte sie wie einer, der Vollmacht hat, und nicht wie ihre Schriftgelehrten. (7,29 f.)

Bedeutung und Wirkung

In der Wirkungsgeschichte der Bergpredigt wurden unter anderem folgende Deutungsmuster hervorgebracht:

  1. Die Bergpredigt wird verständlich aus der Offenbarung Gottes, des Schöpfers, Vater des Menschen zu sein. Der Mensch ist geliebtes Kind Gottes - folglich sind alle Menschen einander Geschwister.
  2. Die Bergpredigt ist erfüllbar - und wird in intakten Familien erfüllt. Die Nähe erzwingt die Erfüllung der Lehren Jesu. Weil sie miteinander auskommen müssen, können Geschwister nicht auf jeden Klaps mit einer Prügelei antworten, sie müssen sich das was sie in Besitz haben, teilen, und tun ihren Geschwistern zuliebe Dinge, die ihnen bisweilen nicht gerade passen.
  3. Die Forderungen der Bergpredigt haben Bedeutung für den normalen Christen. Die Bergpredigt soll die richtige Gesinnung vermitteln, es geht um das Gute von innen heraus.
  4. Die Menschheit ist im globalen Maßstab dabei, die Lehren Jesu aus Einsicht in die Notwendigkeit nach und nach zu erfüllen. Deeskalation von Konflikten wird eingeübt. UN-Schlichtungstruppen schlagen nicht zurück, wenn sie angegriffen werden. Geldschulden in Milliardenhöhe werden den Gläubigerländern erlassen. Naturkatastrophen, Not und Hunger werden gemeinsam bekämpft.
  5. Die Nähe der Menschen zueinander ist der zwingende Grund. Die Globalisierung erzwingt unaufhaltsam die Nähe aller Menschen zueinander. Der physische Kommunikationsabstand ist dank der Medien und des Internets so gut wie auf Null gesunken. In wenig mehr als 24 Reisestunden kann fast jeder bewohnte Ort der Erde erreicht werden.
  6. Die Bergpredigt ist eine Lehre von Großgeboten, die zur Seligkeit erfüllt werden müssen, im Sinne einer Groß-Gesetzlichkeit und einer Werkgerechtigkeit, um Vollkommenheit zu erlangen (gegen die vermeintlich schlecht-gesetzestreuen Pharisäer).
  7. Die Bergpredigt ist ein universell gültiges Beispiel für einen hohen ethischen Anspruch und moralisches Beispiel. Dieser wird irrigerweise als Antipol der realen Politik oder der "wirklichen" Welt genommen, der dem Weg der Liebe gegenüberliegt oder ihm entgegenwirkt. Die Bergpredigt zielt auf eine neue, vollkommene Gesellschaft.
  8. Jesus fordert seine Jünger (Zuhörer und Anhänger seiner Zeit sowie die Menschen der heutigen Zeit) auf, sich der herannahenden Zeit des Endes bewusst zu werden und sich anzustrengen, um zum baldigen Jüngsten Gericht möglichst gut zu erscheinen.

Daher ist es die allermenschlichste Pflicht des Tuns, das Erhabene anzustreben, im besten Sinne der jüdischen Tradition, den Geboten Gottes zu entsprechen und ihm liebend zu dienen. (Jesus ist Jude und lehrt seine jüdischen Jünger!) Solches Streben ist dem Juden Jesus und dem Judentum zentral, die Forderungen der jesuanischen Bergpredigt sind eine konsequente Auslegung der hebräischen Bibel. Jesus hat dabei die bleibende Ungenügsamkeit menschlicher Werke und menschlichen Tuns vor Augen und fordert dazu auf, mit ihm den Weg der Selbstüberwindung, der Weltverbesserung und der Erheischung einer verheißenen Zukunft zu gehen.

Die Bergpredigt sprengt einige Grundsätze einer bürgerlichen, gemäßigten, pragmatischen Lebens- und Gemeinschaftsordnung und die Grundsätze von Gesellschaften die darunter bleiben. Sie fordert ausdrücklich dazu auf, jede Einschränkung durch real existierende Bedingungen, durch menschliche Schwäche, durch besonders gelagerte "Fälle" (Kasuistik) zu überwinden. Die Berglehre ist ein erfüllbares Wunschbild, die Passion und Kreuzigung Jesu wird zur bindenden Ernsthaftigkeit, sie ist voll vitalem Glauben und bejahender Weltsicht, so wie Jesus es in der Bergpredigt am Ende hervorhebt: Wer diese meine Worte hört und danach handelt, ist wie ein kluger Mann, der sein Haus auf Fels baute. (7,24)

Geschichte

Bereits der Jakobusbrief greift auf die Ethik der Bergpredigt zurück. Auch die Didache und Augustinus begreifen den Text als bedingungslose Anweisungen zum Handeln.

Doch schon Paulus reflektiert auf die Notwendigkeit einer gewaltgestützten Staatlichkeit (Röm 13). Mit der Etablierung der Reichskirche setzen zeitbedingt weitere theologische Milderungsbestrebungen ein, die das Eidverbot, die Feindesliebe und den Gewaltverzicht relativieren.

Gegen alle Bestrebungen, die Bergpredigt realitätsverträglich zu entschärfen, wendeten sich radikalchristliche Bewegungen. Unter ihnen gab es solche, die der Kirche trotz Verdächtigungen nahe blieben (Orden, Heilige), andererseits solche, die mit der Bergpredigt gegen die verfasste Kirche opponierten und, weil unerfüllbar perfektionistisch, dafür (ganz entsprechend Mt 5,11) verfolgt wurden („Ketzer“: Waldenser, Katharer, Täufer).

Die Bergpredigt hat zu allen Zeiten gerade unter denen, die sie ernst nahmen, entschiedene Gegner gefunden, die in ihr eine Übersteigerung des Menschenmöglichen, eine Vergiftung wahrer Ethik oder eine Sklavenmoral sahen (Friedrich Nietzsche). Sie werden der Realität auf eine kurzsichtige Weise nicht gerecht.

Die lutherische Reformation antwortete auf die Bergpredigt mit der Zwei-Reiche-Lehre, wonach der Christ sein Leben einerseits in einem göttlichen, andererseits einem weltlichen Reich zu bewähren hat.

In der Gegenwart hat die von der Bergpredigt beeinflusste Politische Theologie durch Leonhard Ragaz, Dorothee Sölle und Jürgen Moltmann in besonderer Weise von sich Reden gemacht.

Im christlich-jüdischen Dialog kommt der Tatsache, dass Jesus als jüdischer Rabbuni (=Meister),(siehe Joh,20-16), nicht zu verwechseln mit Rabbiner, vor seinen jüdischen Jüngern und Gläubigen lehrte, besondere Bedeutung zu. Nach Auffassung der Christen ist Jesus Christus ganz Mensch und ganz Gott.

Die Feldrede des Lukas

Das Lukasevangelium weist in der Feldrede (6,20-49) eine Parallele von geringerem Umfang auf, doch von vergleichbarer Struktur. Sie unterscheiden sich aber darin, dass in der Feldrede im Lukasevangelium im Gegensatz zur Bergpredigt im Matthäusevangelium auf die Seeligpreisungen die Wehe-Rufe (Wehe dem, ...) folgen. Typisch für die lukanische Fassung der Jesusworte ist, dass Armut und Hunger nicht spiritualisiert werden ("Armut vor Gott", "Hunger nach Gerechtigkeit"), sondern in ihrer materiellen Ursprungsbedeutung gemeint sind (6,20.21b). - Es gibt vage Anhaltspunkte, dass die Feldrede in fixierter Gestalt Matthäus bei der Abfassung der Bergpredigt vorlag.

Siehe auch

Wiktionary: Bergpredigt – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Literatur

Einführungen

  • G. Barth, T. Aukrust: Bergpredigt I. Neues Testament. In: Theologische Realenzyklopädie, Bd. 5, de Gruyter, Berlin 1980, S. 603-618
  • M. Dumais: Le Sermon sur la Montagne. Etat de la recherche, interpretation, bibliographie. Paris 1995 (Forschungsstand mit weiterer Lit.)
  • H.-J. Venetz: Die Bergpredigt. Düsseldorf 1987
  • Klaus Kühlwein: Chaosmeister Jesus. Die Bergpredigt. Verlag Kath. Bibelwerk 1999

Kommentare

  • H.D. Betz: The Sermon on the Mount. A Commentary on the Sermon on the Mount, including the Sermon on the Plain (Matthew 5:3-7:27 and Luke 6:20-49). Minneapolis 1995. (umfangreicher Kommentar zur Bergpredigt)
  • W.D. Davies, D.C. Allison: A Critical and Exegetical Commentary on the Gospel according to Saint Matthew. Vol. 1-3. Edinburgh 1988/1991/1997. (materialreich)
  • Joachim Gnilka: Das Matthäus-Evangelium I. Herders Theologischer Kommentar zum Neuen Testament I,1. Herder, Freiburg 1986 (kath. Kommentarreihe)
  • D. A. Hagner: Matthew 1-13. Word Biblical Commentary 33A. Dallas 1993
  • Ulrich Luz: Das Evangelium nach Matthäus. 1. Teilband: Mt 1-7. Evangelisch-katholischer Kommentar I,1. 5. Aufl. Zürich/Neukirchen-Vluyn 2002. (bedeutendster dt. Matthäuskommentar)
  • Franz Zeilinger: Zwischen Himmel und Erde. Ein Kommentar zur "Bergpredigt" Matthäus 5-7. Stuttgart 2002 (praxisorientiert)
  • Jonathan Düringer: Der Gewalt begegnen. Selbstverteidigung mit der Bergpredigt. Münsterschwarzach: Viertürmeverlag der Benediktiner, TB Reihe Kleinschriften 2005.

Struktur

  • Dale C. Allison: The Structure of the Sermon on the Mount. In: Journal of Biblical Literature 106 (1987), S. 423-445
  • Günter Bornkamm: Der Aufbau der Bergpredigt. In: New Testament Studies 24 (1978), S. 419-432

Wirkungsgeschichte

  • U. Berner: Die Bergpredigt. Rezeption und Auslegung im 20. Jahrhundert. Göttinger theologische Arbeiten 12. 1979. 3. Aufl. Göttingen 1985
  • K. Beyschlag: Zur Geschichte der Bergpredigt in der Alten Kirche. In: Zeitschrift für Theologie und Kirche 74 (1977), S. 291-322
  • Friedrich Wilhelm Kantzenbach: Die Bergpredigt. Annäherung - Wirkungsgeschichte. Stuttgart 1982
  • W.S. Kissinger: The Sermon on the Mount. A History of Interpretation and Bibliography. ATLA.BS 3. Metuchen, N.J. 1975
  • Ulrich Luz: Die Bergpredigt im Spiegel ihrer Wirkungsgeschichte. In: J. Moltmann (Hg.), Nachfolge und Bergpredigt, KT 65, München 1981, S. 37-72
  • B. Stoll: De Virtute in Virtutem. Zur Auslegungs- und Wirkungsgeschichte der Bergpredigt in Kommentaren, Predigten und hagiographischer Literatur von der Merowingerzeit bis um 1200. BGBE 30. Tübingen 1988
  • August Tholuck: Ausführliche Auslegung der Bergpredigt Christi nach Matthäus. 3. Aufl. Hamburg 1845 (mit Auslegungsgeschichte)
  • D. Wittmann: Die Auslegung der Friedensweisungen der Bergpredigt in der Predigt der Evangelischen Kirche im 20. Jahrhundert. EHS.T 224. Lang, Frankfurt a.M. 1984

Weiteres

  • Eberhard Arnold: Salz und Licht, Robertsbridge 2004
  • Georg Strecker: Die Bergpredigt, Göttingen 1984
  • Wolfgang Erk (Hrsg.): Der verbotene Friede. Reflexionen zur Bergpredigt aus zwei deutschen Staaten. Stuttgart 1982
  • Günther Schwarz: Die Bergpredigt, eine Fälschung? Die Worte der Berglehre im Originalton Jesu. München 1991 ISBN 3-927950-03-3