Textilbeton



Textilbeton ist ein künstlicher Verbundwerkstoff, der ähnlich dem Stahlbeton aus den zwei Komponenten Beton und Bewehrung besteht. Er eignet sich sowohl zur Herstellung neuer als auch für die Verstärkung bestehender Bauteile. Der Beton ist sehr feinkörnig und in der Regel hochfest, was ihn vom üblichen Normalbeton unterscheidet. Wie im Stahlbetonbau auch wird die vergleichsweise geringe Zugfestigkeit des Betons durch zugfeste Bewehrung kompensiert. Bei Textilbeton werden technische Textilien, in der Regel Gelege, benutzt. Als Fasermaterial bewährt haben sich alkaliresistentes Glas und Carbonfasern. Textilbeton wurde seit Mitte der 1990er Jahre vornehmlich an den Universitäten in Dresden und Aachen entwickelt und im Rahmen zweier Sonderforschungsbereiche der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) in seinen Grundlagen erforscht.
Geschichte

Der größte Nachteil herkömmlichen Bewehrungsstahls ist seine Korrosionsanfälligkeit. Alternativen werden seit längerem gesucht. Die Verwendung von Textilbeton wurde erstmals 1994 in Dresden erprobt. Seit 1999 wurde die Entwicklung dieses neuartigen Werkstoffes in zwei von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Sonderforschungsbereichen – SFB 528 (Schwerpunkt Verstärkung, Sprecher: Prof. Manfred Curbach) in Dresden und SFB 532 (Schwerpunkt neue Bauteile, Sprecher: Prof. Josef Hegger) in Aachen – vorangetrieben. Im Dresdner Sonderforschungsbereich lag der Fokus vor allem auf Möglichkeiten der Instandsetzung und Verstärkung von Massivbauwerken mit Textilbeton. An der RWTH Aachen stand der Einsatz von Textilbeton für neue Bauteile im Vordergrund der Forschung. Mit Hilfe von Zulassungen im Einzelfall wurden schon während der Laufzeit der Sonderforschungsbereiche erste Praxisprojekte verwirklicht.
Am 1. Oktober 2007 wurde in Dresden das Deutsche Zentrum Textilbeton (DZT) gegründet.[1] Unter dem Dach der TUDAG – der Vermarktungsgesellschaft der TU Dresden – ist das DZT als Plattform für die Überführung der Erkenntnisse rund um Textilbeton aus der Grundlagenforschung in die Praxis gedacht.
Im September 2008 wurde durch die TUDAG die Marke TUDALIT vom Deutschen Patent- und Markenamt in das Markenregister eingetragen. Unter der markenrechtlich geschützten Bezeichnung TUDALIT ist die Herstellung und die Anwendung von Textilbeton auf der Grundlage vorgegebener Qualitätsstandards für die Komponenten des Verbundwerkstoffes, die Verfahren ihrer Fertigung, die aus oder mit dem Verbundwerkstoff entwickelten und eingesetzten Produkte, deren Herstellungsverfahren sowie Verfahren zur Verstärkung und Instandsetzung geschützt.
Am 26. Januar 2009 erfolgte die Gründung des TUDALIT e. V.[2] Gemeinsam mit seinen derzeit 24 Verbandsmitgliedern macht das Deutsche Zentrum Textilbeton unter der Marke TUDALIT Produkte aus oder mit Textilbeton bekannt und fördert Möglichkeiten zur Verstärkung und Instandsetzung mit Textilbeton. Eine erste Allgemeine Bauaufsichtliche Zulassung ist beim Deutschen Institut für Bautechnik DIBt beantragt.
Bestandteile und Zusammensetzung
Textilbewehrter Beton besteht aus zwei Komponenten: dem Bewehrungstextil zur Aufnahme der Zugkräfte und einem speziellen hochfesten Feinbeton für die Abtragung von Druckspannungen, die Herstellung des Verbundes und den mechanischen Schutz des Textils. Typische Schichten sind lediglich 1–3 cm dick.
Textilien aus Hochleistungsendlosfasern wie z. B. aus alkaliresistentem Glas oder Carbon haben den großen Vorteil, nicht zu rosten. Ein textiles Gelege besteht aus Garnen, die wiederum aus vielen Endlosfasern (Filamenten) zusammengesetzt und auf Textilmaschinen zu gitterartigen Strukturen verarbeitet werden. Variieren können sowohl der Faserwerkstoff als auch Herstellungsart und Geometrie der Textilien. Somit können Textilien maßgeschneidert für verschiedenste Anwendungen bereitgestellt werden.
Der hochfeste Feinbeton besitzt in der Regel ein Größtkorn von maximal 2 mm Durchmesser und wurde für die Kombination mit technischen Textilien optimiert. Gerade bei Bauteilverstärkungen ist man bestrebt, Textilbeton in dünnen Schichten aufzutragen, was nur bei Verwendung einer feinen Körnung funktioniert. Sind größere Schichtdicken erlaubt, haben sich auch schon Betone mit größerem Größtkorn (bis 4 mm) bewährt.
Anwendungen

Textilbeton zeichnet sich in erster Linie durch seine Leichtigkeit bei gleichzeitig hoher Tragfähigkeit aus. Außerdem ist er prädestiniert für die Herstellung von frei geformten Schichten und Bauteilen, da das Gelege flexibel ist und der anfangs plastische Beton nach der Erstarrung jede Form konservieren kann.
Die Verstärkung von Betonbauteilen mit Textilbeton erlaubt enorme Tragfähigkeitssteigerungen und ist eine ernsthafte Alternative zu herkömmlichen Methoden wie Spritzbeton oder faserverstärkten Kunststoffen. Außer der Traglasterhöhung sind auch eine Begrenzung der Verformungen und eine Verringerung von Rissbreiten sehr positiv. Ausgeführte Projekte sind z. B. die Ertüchtigung eines Hörsaaldaches an der FH Schweinfurt, eines denkmalgeschützten Tonnendaches und einer denkmalgeschützten Kuppel in Zwickau, von Decken in einem Geschäftshaus oder eines Zuckersilos. Diese Maßnahmen wären ohne Textilbeton nicht realisierbar gewesen.
Auch für neue Bauteile ist Textilbeton gut geeignet. Etabliert hat sich der Baustoff bereits bei leichten Fassadenplatten. Ein weiteres Anwendungsgebiet sind leichte Brücken. Die weltweit erste Brücke aus Textilbeton entstand 2005 für die Landesgartenschau in Oschatz. Sie wurde mit mehreren Preisen ausgezeichnet, darunter dem Special Encouragement Award der fib (fédération internationale du béton). Im Herbst 2007 wurde eine zweite, rund 17 Meter lange Fuß- und Radwegbrücke in Kempten der Öffentlichkeit übergeben, welche im Gegensatz zu der Brücke in Oschatz neben der Fußgängerlast auch ein Räumfahrzeug tragen kann. Dies ist aktuell die weltweit längste Segmentbrücke aus Textilbeton. Die derzeit längste Brücke aus Textilbeton überquert die Bundesstraße 463 in Albstadt-Lautlingen. Diese im November 2010 fertiggestellte Brücke hat eine Länge von 97 Meter bei Einzelstützweiten von bis zu 17 Meter.
Siehe auch
Literatur
- Dupke, M.: Textilbewehrter Beton als Korrosionsschutz. Diplomica Verlag, 1. Auflage 2010, ISBN 978-3836694056
- Curbach, M. et al.: Sachstandsbericht zum Einsatz von Textilien im Massivbau. In: Deutscher Ausschuss für Stahlbeton. Heft 488, Berlin : Beuth, 1998
- Curbach, M.; Jesse, F.: Verstärken mit Textilbeton. In: Betonkalender 99 (2010), T. 1, Berlin : Ernst & Sohn, S. 457-565
- Bergmeister, K. und J.-D. Wörner: Betonkalender 2005. Ernst & Sohn 2004, ISBN 3-433-01670-4
- Brameshuber, W. (HRSG.): Textile Reinforced Concrete: State-of-the-Art Report of RILEM Technical Committee 201-TRC: Textile Reinforced Concrete. Report 36, Bagneux: RILEM, 2006, ISBN 2-912143-99-3
- Curbach, M.; Scheerer, S.: Concrete light – Possibilities and Visions. . In: Šrůma, V. (Ed.): Proceedings of the fib Symposium Prague 2011: Concrete Engineering for Excellence and Efficiency, 8.-10. Juni 2011, Keynote Plenary Lectures, DVD-ROM, S. 29–44 – ISBN 978-80-87158-29-6
- Curbach, M.; Scheerer, S.: Wie die Baustoffe von heute das Bauen von morgen beeinflussen. In: KIT (Hrsg.): Baustoffe und Betonbau - Lehren, Forschen, Prüfen, Anwenden. Festschrift zum 60. Geburtstag von Prof. Dr.-Ing. Harald S. Müller, zusammengestellt von M. Haist und N. Herrmann, Karlsruher Institut für Technologie, Karlsruhe, ISBN 978-3-86644-795-0., 2012, S. 25-36
- Curbach, M.; Hauptenbuchner, B.; Ortlepp, R.; Weiland, S.: Textilbewehrter Beton zur Verstärkung eines Hyparschalentragwerks in Schweinfurt. Beton- und Stahlbetonbau 102 (2007) 6, S. 353-361 - doi:10.1002/best.200700551
- Schladitz, F., Lorenz, E., Jesse, F., Curbach, M., Verstärkung einer denkmalgeschützten Tonnenschale mit Textilbeton. Beton- und Stahlbetonbau (2009) 104, 7, S. 432–437
- Ehlig, D.; Schladitz, F.; Frenzel, M.; Curbach, M.: Textilbeton-Ausgeführte Projekte im Überblick. Beton- und Stahlbetonbau 107 (2012) 11, S. 777-785
- Horstmann, M., Hegger, J., Sandwichfassaden aus Textilbeton – experimentelle Untersuchungen. Bautechnik (2011) 88, 5, S. 281–291.
- Schneider, H. N.; Schätzke, C.; Feger, C.; Horstmann, M.; Pak, D.: Modulare Bausysteme aus Textilbeton-Sandwichelementen. In: Curbach, M.; Jesse, F. (Hrsg): Textile reinforced structures: Proceedings of the 4th colloquium on textile reinforced structures (CTRS4), 3.–5. Juni 2009, Dresden, S. 565–576.
- Curbach, M., Graf, W., Jesse, D., Sickert, J.-U., Weiland, S., Segmentbrücke aus textilbewehrtem Beton. Beton- und Stahlbetonbau (2007) 102, 6, S. 342–352
Weblinks
- Deutsches Zentrum Textilbeton
- TU Dresden Aktiengesellschaft (TUDAG)
- TUDALIT e. V.
- TU Dresden, Sonderforschungsbereich 528
- RWTH Aachen, Sonderforschungsbereich 528/532
- Vergleich Stahlbeton - Glasfaserbeton - Textilbeton
Einzelnachweise
- ↑ „Textilbeton in die Praxis überführen.“ BauBlog der TU Dresden vom 31. Oktober 2007, abgerufen am 21. Juni 2013
- ↑ „Aufbruchstimmung bei Anwendertagung Textilbeton.“ Baublog der TU Dresden vom 10. Oktober 2012, abgerufen am 21. Juni 2013