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Berner Modell (Didaktik)

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Berner Modell (Didaktik)

Das Berner Modell ist ein kompetenz- und ressourcenorientiertes, didaktisches Planungsmodell, das am ehemaligen ‚Berner Seminar für Erwachsenenbildung’ von einem Team von Ausbildenden entwickelt und von Hans Furrer publiziert wurde.[1] Darstellungsmässig lehnt es sich an das ‚Berliner Modell’ an, orientiert sich aber nicht - wie dieses - an Lernzielen, sondern an zu entwickelnden Kompetenzen.
Unter Kompetenz wird im Berner Modell die Möglichkeit einer Person verstanden, in einer bestimmten Situation diejenigen Ressourcen zu mobilisieren, welche sie für die Bewältigung der Situation benötigt (Performanz). Ressourcen werden üblicherweise unterschieden in Wissen, Fertigkeiten und Fähigkeiten, Haltungen und Werte und externe Ressourcen. In der Berufsbildung werden neuerdings auch die Begriffe Wissen, Können, Wollen und Dürfen verwendet.
Kompetenzen können im Unterricht weder vermittelt, noch erworben werden. Man hat sie nicht ein für alle Male, sondern sie müssen in der spezifischen Situation durch Integration der entsprechenden Ressourcen entwickelt werden. Sie können darum auch nicht geprüft oder gemessen werden. Unter Beweis gestellt werden kann nur die Performanz.
Im Unterricht können aber die für eine bestimmte Kompetenz bzw. Perfomanz notwendigen Ressourcen vermittelt werden. Zudem müssen didaktische Arrangements gewählt werden, in welchen die Lernenden die Ressourcen zu Kompetenzen integrieren können.

Konsequenzen für den Unterricht

Aus den oben erwähnten Aspekten ergibt sich folgendes Vorgehen:

kompetenzorientiert Planen ressourcenorientiert Unterrichten performanzorientiert Prüfen

Kompetenzorientiert Planen

Meist sind in den heutigen Bildungsplänen oder Curricula zu erreichende Kompetenzen vorgegeben. Dazu ein Beispiel aus dem Schreinerberuf:

  • Flächeneckkonstruktionen kennen, planen, nach VSSM-Normen zeichnen
  • Die Folgen von Schwinden und Quellen des Holzes auf die Verbindung von verschiedenen Holzarten kennen
  • Gefugte Verbindungen kennen, planen und nach VSSM-Normen zeichnen
  • Einfache Werkzeichnungen nach VSSM-Normen in der Normalprojektion zeichnen

Diese sind aber meist so abstrakt, dass sie in eine typische Situation bzw. eine Performanz umgesetzt werden müssen.

Der didaktische Planungsprozess verläuft in fünf Schritten:

1. Schritt:
die zu erreichende Performanz wird sehr detailliert beschrieben:

Patrick (Schreinerlehring im 1. Lehrjahr) sieht das Bild eines Ulmer-Hockers. Er gefällt ihm sehr und er würde gerne so einen Hocker herstellen. Er frägt sich, wie dieser wohl gefertigt worden ist und was die besonderen Schwierigkeiten bei der Herstellung sein könnten.

Er googelt nach dem Stichwort „Ulmer-Hocker“ und liest die Beschreibung. Er überlegt sich, die geeignete Flächeneckenverbindung und wie die Fussleisten befestigt sind. Er berücksichtigt dabei, dass Hocker und Fussleiste aus verschiedenem Holz gefertigt sind und überlegt sich die Konsequenzen, die das für die Herstellung hat und fertigt eine einfache Werkzeichnung an. Aus dem Internet übernimmt er dafür die Masse für Höhe, Breite und Tiefe des Hockers. Um die Dicke der Bretter zu bestimmen, berechnet er diese aus den bekannten Angaben. Er ist stolz auf seine Zeichnung und zeigt sie dem Lehrmeister, der ihm sagt, dass er den Hocker an einem Samstag herstellen dürfe und Patrick freut sich darüber.

2. Schritt:
Die für diese Performanz benötigten Ressourcen werden analysiert und aufgeführt

Wissen
  • verschiedene Flächeneckenverbindungen und deren Vor- und Nachteile kennen
  • das Verhalten verschiedener Holzarten bezüglich Schwinden und Quellen kennen
  • VSSM-Normen kennen
  • eine quadratische Gleichung lösen können
Fertigkeiten, Fähigkeiten (Können)
  • sauber zeichnen können
  • eine Gleichung korrekt aufstellen können
Haltungen, Werte (Wollen)
  • Interesse
  • Beharrlichkeit
  • auf das Erreichte Stolz sein können
  • sich auf eine Arbeit freuen
externe Ressourcen
  • Internet
  • Ordner Schreiner Fachkunde
  • Zeichenbrett

3. Schritt:

Es wird analysiert, welche Ressourcen die Lernenden eventuell bereits mitbringen

4. Schritt:
Die noch fehlenden Ressourcen werden gruppiert und zu Unterthemen zusammengefasst. Im Idealfall können diese in einem Morphem (siehe unten) dargestellt werden.

5. Schritt
Nun wird entschieden welche Methoden, Sozialformen und Medien sich für die einzelnen Sequenzen am besten eignen und eingesetzt werden können.

Ressourcenorientiert Unterrichten

Im Unterricht soll von den vorhandenen Ressourcen der Lernenden ausgegangen werden

Performanzorientiert Prüfen

Es ist grundsätzlich nicht möglich Kompetenzen zu prüfen oder zu messen. Geprüft werden, können nur einzelne Ressourcen und die zu erreichende Performanz.

Morpheme

In der Linguistik versteht man unter Morphemen die kleinsten bedeutungstragenden Einheiten einer Sprache. Dabei unterscheidet man lexikalische und grammatische Morpheme. An dieser Stelle interessieren nur die lexikalischen Morpheme. Dies sind die Wortwurzeln, die die Grundlage für die Bildung abgeleiteter Wörter in einer Sprache bilden.

Didaktik kann nun im weitesten Sinne auch als eine Sprache betrachtet werden, in welche wir den Unterrihtsstoff übersetzen, so dass er für die Lernenden verständlich wird. Analog sind dann die Morpheme in der Didaktik die kleinsten sinntragenden Einheiten eines Themas bzw. einer Unterrichtssequenz. Furrer verlangt im Berner Modell nun, dass aus den Morphemen jeweils das ganze Thema generiert werden kann. Er bezieht sich dabei auf die generativen Bilder im Sinne Freires. Es ist eine der schwierigsten, aber gleichzeitig lohnendsten Aufgaben der Didaktik, zu einem bestimmten Thema Morpheme zu bestimmen, weil die Lernenden, ausgehend von solchen Morphemen, sich das Thema weitgehend selbstgesteuert und ressourcenorientiert erarbeiten können. Dies soll an zwei Beispielen erläutert werden:

Für eine Bildungsreise nach Istanbul wurden als zwei Morpheme die Hagia Sophia und die Bosporus-Brücke (Boğaz Köprüsü) herausgearbeitet. Aus dem Morphem Hagia Sophia kann die ganze Geschichte von Istanbul abgeleitet werden. Vom vorchristlichen griechischen Tempel an dieser Stelle, über den Bau der Hagia Sophia als Hauptkirche des Byzantinischen Reiches, zur Umwandlung zu einer Moschee nach der Eroberung Konstantinopels durch die Osmanen im Jahre 1453 bis zur heutigen Verwendung als Museum (seit 1931) in der Türkischen Republik. Die Bosporus-Brücke steht als Morphem für die Stadt auf zwei Kontinenten. Doch kann von ihr aus auch auf die Modernisierung, das Bevölkerungswachstum und die Verkehrspolitik eingegangen werden.

Für die Berufskunde der Schreiner-Lehrlinge kann z.B. der Wassergehalt von Holz als Morphem genommen werden. Ausgehend davon können die verschiedensten grundlegenden Themen zur Holzverarbeitung behandelt werden, wie Schwinden und Quellen, Lagerung des Holzes, Beizen und vieles anderes mehr.

Morpheme eignen sich auch sehr gut als Elemente eines advance organizer oder einer Driftzone.

Driftzone

Der Begriff der Driftzone wurde von Edmund Kösel in die Didaktik eingeführt. Er bezeichnet damit einen Interaktions-Raum, in dem sich Lehrende und Lernende begegnen, in dem die Impulse und Wissensangebote der Lehrenden sich mit den Erfahrungen und Inter- essen der Lernenden verschränken, gleichsam strukturell gekoppelt sind und dadurch Lernfortschritte möglich sind.[2]
Eine Driftzone besteht aus einzelnen Lernstationen - im besten Fall entsprechen diese Morphemen -, in welchen sich die Lernenden gemäss ihren Interessen und Fähigkeiten bewegen können. Sie können bei den Stationen beginnen, die ihren Vorkenntnissen, Lernfragen oder auch ihrem Lerntyp entsprechen. Bei neu entstehenden Fragen driften sie zu anderen Stationen und sie können sich so, den ganzen Stoff selbstgesteuert zu eigen machen. Handelt es sich dabei um prüfungsrelevanten Stoff, muss anschliesend in der Lerngruppe durch die unterrichtende Person eine Ergebnissicherung gemacht werden.



Einzelnachweise

  1. Furrer, Hans (2009), Das Berner Modell - ein Instrument für eine kompetenzorientierte Didaktik. Bern: hep-Verlag
  2. vgl. Kösel, Edmund (1993): Die Modellierung von Lernwelten. Eltztal-Dallau: Laub, vgl. S. 236ff