Salvador Allende
Salvador Allende Gossens [26. Juli 1908 in Valparaíso; † 11. September 1973 in Santiago de Chile) war promovierter Arzt und von 1970 bis 1973 Präsident Chiles. Durch einen Militärputsch wurde er 1973 gestürzt und nahm sich in dessen Verlauf das Leben.
] (*Politischer Werdegang
Allende begann in den 1920er Jahren als Medizin-Student politisch aktiv zu werden. Er beteiligte sich an Protesten gegen die Diktatur von Oberst Carlos Ibáñez del Campo und wurde zum Stellvertretenden Präsidenten der Föderation chilenischer Studenten (FECH) gewählt. 1929 trat er sowohl den Freimaurern als auch der so genannten Gruppe „Avance“ („vorwärts“) bei. In beiden Organisationen knüpfte er wichtige Kontakte für seine spätere politische Laufbahn. Nach der Niederschlagung eines von Marmaduque Grove angeführten Aufstandes gegen die Ibáñez-Diktatur wurde Allende verhaftet, später jedoch wieder freigelassen. Kurz darauf wurde er Sekretär der 1933 gegründeten Sozialistischen Partei für die Region Valparaíso.
1937 wurde er erstmals Parlamentsabgeordneter für die Sozialistische Partei. Schon ein Jahr später, 1938, holte ihn der mit Unterstützung der Linken gewählte Präsidentschaftskandidat der radikalen Partei, Pedro Aguirre Cerda, als Gesundheitsminister in seine Regierung (bis 1940). 1945 wurde er überraschend mit großem Vorsprung vom Wahlkreis Valparaiso zum Senator gewählt. 1952 war er erstmals Präsidentschaftskandidat, belegte aber nur den vierten Platz. 1954 bekleidete er das Amt des Stellvertretenden Senatspräsidenten. 1958 war er wieder Präsidentschaftskandidat des Frente de Acción Popular, eines Zusammenschlusses mehrerer linker Parteien, unterlag jedoch dem konservativen Jorge Alessandri Rodríguez. 1964 kandidierte er erneut für das Präsidentenamt. Auch damals unterlag er, diesmal dem Christdemokraten Eduardo Frei.
1966 wurde er zum Senatspräsidenten gewählt. 1968 wurde sein Rücktritt gefordert, als er die Überlebenden der Guerilla um Che Guevara in Bolivien unter seinen persönlichen Schutz stellte. Im gleichen Jahr verurteilte er den sowjetischen Einmarsch in Prag.
1969 wurde die Unidad Popular gegründet, ein Zusammenschluss von Sozialisten, Kommunisten und einigen kleineren Linksparteien. Als deren Kandidat errang Allende bei den Präsidentschaftswahlen am 4. September 1970 36,3% der Stimmen und lag damit knapp vor dem konservativen Gegenkandidaten Allessandri, der 34% der Stimmen erhielt. Da eine absolute Mehrheit fehlte, lag die Wahl des chilenischen Präsidenten laut Verfassung beim Parlament. Da es in Chile eine lange Tradition hat, dass das Parlament sich für den Kandidaten mit der relativen Mehrheit entscheidet, wurde Allende nach Verhandlungen mit den Christdemokraten vom chilenischen Parlament zum Präsidenten gewählt. Im Gegenzug musste er zehn Verfassungszusätzen zustimmen, die von den Christdemokraten gefordert wurden. Allende war der erste Präsident, der im Rahmen einer demokratischen Verfassung an die Macht kam und sich zu marxistischem Gedankengut bekannte.
In der Zeit zwischen Wahl und Amtseinsetzung überlebte Allende einen Mordanschlag, im Gegensatz zum damaligen Oberbefehlshaber der Streitkräfte, General René Schneider, der kurz vor der Abstimmung bei einem teilweise durch die CIA finanzierten Entführungsversuch angeschossen wurde und wenig später starb.
Kritik an der Entscheidung der Christdemokraten, den Kandidaten mit der relativen Mehrheit zu wählen, kam unter anderem auch von der bundesdeutschen CDU. Der Botschafter der USA nannte die politischen Gegner Allendes „dämlich, schlecht organisiert und naiv“.
Präsidentschaft
Während Allendes Regierungszeit wurden wichtige Schlüsselindustrien verstaatlicht. Dies betraf vor allem die Kupferindustrie, die den größten Teil der chilenischen Exporteinnahmen erzielte und sich zu 80 Prozent in der Hand von US-Konzernen befand. Ferner betrieb er die Enteignung von Privatunternehmen, der Banken und eine Agrarreform, bei der 20.000 km² Fläche von Großgrundbesitzern an Bauern übergeben werden sollten. Diese Reformen sollten Chile weniger abhängig vom Rest der Welt, insbesondere den USA, machen.
Ob die Reformpolitik Verbesserungen für die Arbeiter brachte, ist umstritten. Denn obwohl die Löhne erhöht und die Preise für die Miete und für wichtige Bedarfsmittel eingefroren wurden kam es immer wieder zu Versorgungsengpässen. Jedes Kind bekam täglich einen Liter Gratismilch, so dass die Kindersterblichkeitsrate sank. 1973 hatte Chile eine Arbeitslosenquote von nur 3,7 Prozent (8,8 Prozent bei Allendes Amtsantritt).
Auf der anderen Seite stürzten Allendes Wirtschaftspolitik und die Reaktion der Kapitalbesitzer auf diese Chile in eine schwere Wirtschaftskrise. Die Finanzierung der ehrgeizigen Sozialprogramme war nicht gesichert. Aus Angst vor Enteignung setzte eine Kapitalflucht ein. Da ein Teil der Wirtschaft verstaatlicht worden war, gingen die Privatinvestitionen aus Angst vor der Verstaatlichung zurück. Die Regierung druckte daraufhin neues Geld, und die Inflation erreichte über 300%. Die Regierung der USA verhängte ein Handelsembargo, das die Wirtschaft zusätzlich schädigen sollte.
So kam es zu massiven Protesten im Lande und bei ausländischen Investoren, aber auch bei Lastwagenfahrern und Studenten. Diese wurden durch Allendes Gegner zusätzlich angeheizt. Ein Besuch Fidel Castros, der in Santiago de Chile eine revolutionäre Kampfrede hielt, verschärfte die Situation.
Im September 1972 rief Allende, aufgrund eines Generalstreiks kurzzeitig den Notstand aus. Im November gelingt es, durch Einbezug hochrangiger Militärs (Armeechef General Carlos Prats wird Innenminister) in die Regierung, die Krise vorübergehend zu beenden. Nach dem Sieg der Unidad Popular bei den Parlamentswahlen im März 1973, die ihren Stimmenanteil auf 43 % vergrößern konnte, beginnt die Christdemokratische Partei ein informelles Bündnis mit der rechtsgerichteten Nationalen Partei. Die Minderheitsregierung wird zwar weiterhin von ihr toleriert, ist aber nur noch bedingt handlungsfähig.
Der Putsch
Am 22. August 1973 stellt das chilenische Parlament in der Erklärung über den Zusammenbruch der chilenischen Demokratie [1] schwerwiegende Verfassungsverstöße der Regierung fest und fordert den Präsidenten und die Regierung auf, die verfassungsmäßige Ordnung wiederherzustellen. General Prats, der noch im Juni den Putschversuch einer Militäreinheit in Santiago unblutig beenden konnte, tritt daraufhin zurück. Sein Nachfolger wird General Augusto Pinochet, der insgeheim auf eine eigene Machtübernahme spekuliert und nun alle Trümpfe in der Hand hält. Zwei Wochen später demonstrieren in der chilenischen Hauptstadt, in der größten je in Chile stattgefunden Kundgebung, über 700.000 Personen für die Regierung Allende. Diese entschließt sich nun, ein Plebiszit über ihren Verbleib im Amt abhalten zu lassen; Allende plant die Bekanntgabe für den 11. September. Am 9. September informiert er General Pinochet über diese Absicht.
Dies war in Allendes Augen die einzig machbare Lösung. Das Plebiszit sollte die Chilenos über sein Mandat befragen. Sollte das Volk darauf negativ reagieren, würde Allende abdanken. Hätte der Volksentscheid bestanden, wäre ein Staatsstreich unwahrscheinlich gewesen. Im Falle einer Ablehnung durch das Volk (was am wahrscheinlichsten aufgrund der politischen Zusammensetzung des Landes war,) hätte sich Allende mit erhobenem Haupt zurückgezogen. Er würde sein Mandat dann nicht wegen des Druckes der Opposition abgeben, sondern auf Wunsch des Volkes. Sein Problem jedoch lag im Komitee der “Unidad Popular”, das mit dem Plan einer möglichen Volksabstimmung nicht einverstanden war. Die sozialistische Partei vertrat die Meinung, dass eine Volksabstimmung einen politischen Rückschritt bedeutete, der die ersten erfolgreichen demokratischen Strukturen im Lande in Frage stellen würde. Unterstützt wurden sie innerhalb des Komitees durch eine Fraktion der MAPU (Movimiento de Acción Popular Unitaria) und der Christlichen Linken. Die MIR (Movimiento de Izquierda Revolucionaria) war so empört über diese Idee, dass sie gar aufhörten Allende “compañero” zu nennen und nannten ihn nun “señor”.
Allende versuchte Anfang September erneut die Idee des Volksentscheids durchzuführen, aber die Unnachgiebigkeit der Sozialistischen Partei hielt an. Die Kommunisten machten den Weg für Allende frei einen Volksentscheid gegen den Willen der Sozialisten auszurufen, wenn er wollte. Eine Aktion von Orlando Letelier (damals Verteidigungsminister) überzeugte die Sozialistische Partei, sodass sie ihr Veto zurücknahm. Allende konnte schließlich den Volksentscheid ausrufen und es existierten Aussagen, dass der Entscheid am nächsten Tag durchgeführt werden sollte. Aber Leteliers Aktion erfolgte in der Nacht des 10. September, als der Putsch schon im Gange war.
Am 11. September 1973 wird Präsident Salvador Allende um 6:20 Uhr durch das Telefon geweckt. Er erhält die Nachricht, die Flotte in Valparaíso, der größten Hafenstadt Chiles, habe sich gegen ihn erhoben und fordere seinen Rücktritt. Allende versucht sofort den Oberbefehlshaber der Streitkräfte General Augusto Pinochet zu erreichen - dieser meldet sich nicht. Allende begibt sich mit seinem Kabinett und einigen Freunden und Familienangehörigen in den Präsidentenpalast Moneda, darunter zwei seiner Töchter, sein Arzt, die Leibwache des Präsidenten und seine langjährige Geliebte. Nur der Verteidigungsminister Orlando Letelier ist nicht anwesend - er ist bereits von den Putschisten festgenommen worden.
Um 8:00 Uhr wird eine Erklärung der Putschisten, die sich als Militärregierung bezeichnen, im Radio verlesen. Erst hier gibt sich General Pinochet als Putschist zu erkennen. Wenige Minuten später erhält Allende einen Anruf der Putschisten - sie fordern seinen Rücktritt und würden ihm erlauben sofort außer Landes zu fliegen. Er lehnt dies entschlossen ab. Um 9:30 drohen die Putschisten mit der Bombardierung der Moneda. Allende fordert die Palastgarde und alle Unbewaffneten auf das Gebäude zu verlassen. Er selbst bleibt mit wenigen Getreuen zurück und bereitet sich auf seinen letzten Kampf vor.
Um 11:55 Uhr beginnt die Luftwaffe mit zwei Flugzeugen ihre Bombardierung des Präsidentenpalastes. Auch regierungsfreundliche Radiosender sowie einige Viertel der Hauptstadt, in denen mehrheitlich Aktivisten und Sympathisanten der Unidad Popular wohnen, sollen bombardiert worden sein. Erstes Opfer des Putsches wird einer der engsten Freunde des Präsidenten, der bekannte Journalist und Leiter des Fernsehsender Canal 7, Augusto Olivares ("El Perro"). Dieser nimmt sich im Erdgeschoss der Moneda mit einem Maschinengewehr das Leben. Mitten im Chaos ordnet Allende eine Schweigeminute für diesen an. Gegen 14:00 Uhr beginnt die Armee mit der Erstürmung des Palastes. Nach kurzem Gefecht ordnet Allende die Kapitulation an, nur er selbst bleibt im „Saal der Unabhängigkeit“ zurück.
Nach späterer offizieller Darstellung der Militärjunta nahm sich Salvador Allende anschließend das Leben. Als Zeuge wurde der Arzt Patricio Guijón zitiert, der den Leichnam auffand. Allerdings glaubten viele seiner Anhänger, Allende sei von eingedrungenen Soldaten erschossen worden, die dann einen Selbstmord gestellt hätten. Erst 1990, nach Ende der Militärdiktatur, scheint der Suizid des Präsidenten durch eine erneute Obduktion erwiesen zu sein, deren Ergebnisse im Einklang mit den Aussagen der Augenzeugen sowie des polizeilichen Untersuchungsberichts stehen.
Nachdem Pinochet die Macht ergriffen hatte, sagte U.S. Außenminister Henry Kissinger, dass die Vereinigten Staaten „es nicht getan haben“ (bezüglich des Putsches selbst), aber dass sie „die größtmöglichen Voraussetzungen geschaffen haben“ [2], einschließlich ökonomischer Sanktionen. Kürzlich veröffentlichte Dokumente zeigen, dass die US-Regierung und die CIA den Sturz Allendes 1970 angestrebt haben (Project FUBELT). Eine direkte Beteiligung am Putsch von 1973 kann nicht durch die bisher veröffentlichten Regierungsdokumente bewiesen werden. Andererseits haben die USA im Zeitraum vor dem Putsch ihre Militärhilfe an Chile massiv gesteigert. Viele relevante Dokumente unterliegen aber immer noch der Geheimhaltung (U.S.-Intervention in Chile).
Ein Link zu einer Auflistung offizieller, von der CIA veröffentlichten Dokumenten zum Thema findet sich weiter unten.
Nach Peter F. Müller und Michael Mueller (Gegen Freund und Feind) unterrichtete die CIA den Bundesnachrichtendienst wenige Tage vor dem Umsturz. Der Bundesnachrichtendienst soll es jedoch unterlassen haben, den damaligen Bundeskanzler Willy Brandt vom geplanten Putsch zu unterrichten. Mit Alfred Spuler, der Innenquelle des MfS im BND, gelangte die Information nach Ost-Berlin. Da die Warnung zu spät ankam und Allende der Armee bis zuletzt vertraut hatte, blieb die Warnung wirkungslos.
Familie
Im 17 Jhd. kamen die Allendes aus dem Baskenland nach Chile und taten sich ab der ersten Hälfte des 19. Jdh. unter den anderen aristokratischen Familien hervor. Das herausragendste Familienmitglied (vor Salvador Allende) war sein Großvater Ramón Allende Padín, „Der Rote“, ein radikal eingestellter Großmeister der Freimaurer. Sein Sohn (also Salvador Allendes Vater) war ebenfalls radikal und Freimaurer. Er arbeitete als öffentlicher Beamter und als Notar des Hafens von Valparaíso. Er erlangte Bekanntheit durch seinen Einfallsreichtum, seine dichterische Begabung (genau wie sein Vater) und seine fanatische Einstellung zur Chilenisierung von Tacna und Arica. Er heiratete die Tochter eines belgischen Einwanderers, Laura Gossens, eine Frau von großer Schönheit und tiefer Religiosität. Sie hatten sechs Kinder: Alfredo, Inés, Salvador, Laura und auf Grund des frühen Todes von Laura und Salvador bekamen sie zwei neue Kinder, denen sie die gleichen Namen gaben. Dieser Salvador ist der bekannte Expräsident von Chile.
1940 heiratet er die aus gutbürgerlichem Hause stammende Hortensia Bussi. Mit ihr hat er drei Töchter: Carmen Paz (*1941), Beatriz (1943-1977) und Isabel Allende, die seit 2003 Präsidentin des chilenischen Unterhauses (Parlamentskammer) ist. Diese ist nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen als Schriftstellerin berühmten Nichte des ehemaligen Präsidenten, Isabel Allende.
Siehe auch
- Geschichte Chiles
- Isabel Allende
- Augusto Pinochet und andere Bedeutungen von Allende
Weblinks
- Vorlage:PND
- Fotos von Allende
- Foto von Salvador Allende kurz vor seinem Tod, das „World Press Foto“ des Jahres 1973
- Entschließung des chilenischen Parlaments vom 22. August 1973: Aufforderung an Militär und Polizei, die Herrschaft Allendes zu beenden
- Dokumentarfilm von Patricio Guzman (2004)
- Hintergründe zur Ermordung General Schneiders und Zusammenhang mit Salvador Allende
- Artikel der deutschen Wochenzeitschrift DIE ZEIT zum Putsch
- Diverse offizielle, von der CIA veröffentlichte Dokumente über ihre Rolle in der Geschichte der Regierung Allende (Englisch)
- Zusammenfassung der Ergebnisse der angeblich rassistischen Dissertation Allendes
- Artikel der Taz zu den Vorwürfen auf der Seite des Salvador-Allende-Haus
- Informationsstelle Lateinamerika zu den Vorwürfen
- Stiftung Salvador Allende: Analysen und Quelltexte
- Die Dissertation als pdf
- Interview in der jungen Welt mit Juan Garcés. Er ist spanischer Jurist und Präsident der Fundación Presidente Allende (Allende-Stiftung) mit Sitz in Madrid.
- Deutsche Welle, 11.06.05: Allende-Kritiker gerät selbst in die Kritik
- NZZ, 12.06.05 Fahrlässige Wissenschaft
- Context XXI, Herbst 2005, Wer hat die Pistole auf dem Tisch gelassen? Interview mit Víctor Farías über Salvador Allende/ Antisemitismus
- Context XXI, Herbst 2005, Interview mit Gadebusch-Bondio über die problematische Disseratation Salvador Allendes/ Antisemitismus
- Context XXI, Herbst 2005, Ein chilenischer Sozialdemokrat und seine kruden Thesen/ Antisemitismus
- Trigon-Film, Schweiz: Vertreibt den Dokumentarfilm von Patricio Guzmán über Allende
Personendaten | |
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NAME | Gossens, Salvador Allende |
ALTERNATIVNAMEN | Allende, Salvador |
KURZBESCHREIBUNG | Arzt, Präsident Chiles von 1970 bis 1973 |
GEBURTSDATUM | 26. Juli 1908 |
GEBURTSORT | Valparaíso |
STERBEDATUM | 11. September 1973 |
STERBEORT | Santiago de Chile |