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Benutzer:HerbertErwin/Spielwiese

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Ethik (von gr.ethos = gewohnter Sitz; Gewohnheit, Sitte, Brauch; Charakter, Sinnesart) ist eines der großen Teilgebiete der Philosophie. Die Ethik bezeichnet man auch als "praktische Philosophie", da sie sich mit dem menschlichen Handeln befasst (im Gegensatz zur "theoretischen Philosophie", zu der die Logik, die Erkenntnistheorie und die Metaphysik als klassische Disziplinen gezählt werden).

Die Ethik beschäftigt sich damit, was gutes oder schlechtes Handeln ausmacht. Eine Ethik sagt also, wie der Mensch handeln soll und wie nicht, bzw. wie er sich beim täglichen Handeln zu entscheiden hat. Dazu gehören die Auseinandersetzung mit dem Ausmaß individueller menschlicher Freiheit sowie eine Bestimmung von Gut und Böse.

Sie befasst sich hierzu mit den Grundlagen menschlicher Werte und Normen, des Sittlichen und der allgemeinen Moral.

Voraussetzungen

Um mit Ethik überhaupt sinnvoll beginnen zu können, muss – im Rahmen der Metaethik – geklärt sein, dass die Ethik eine rationale Disziplin ist, das heißt, dass ihre normativen oder valuativen Propositionen wahr oder falsch sein können. Allein auf dieser Grundlage lassen sich ethische Systeme kritisieren.

Verhältnis von Sein und Sollen

Ethische Aussagen können nicht aus irgendwelchen empirischen Tatsachen abgeleitet werden wie z.B. der allgemeinen Anerkennung sozial geltender Werte (vgl. naturalistischer Fehlschluss). Sollen impliziert Können: Es kann kein Gebot geben, etwas zu tun, was nicht möglich ist.

Kategorische und hypothetische Imperative

Die Pflicht moralisch zu sein, ist nicht auf subjektive Interessen zurückführbar. Man sollte nicht deswegen moralisch sein, weil das langfristig im wohlverstandenen Eigeninteresse ist, sondern weil es eben moralisch ist.

Einteilung der ethischen Positionen

Die Vielzahl ethischer Positionen lässt sich grundsätzlich in deontologische und teleologische Richtungen einteilen. Bei deontologische Ethiken haben normativen Sätze eine Vorrangsstellung. Für sie bilden Gebote, Verbote und Erlaubnisse die Grundbegriffe. Diese Ethiken rücken stark menschliche Handlungen in den Vordergrund, da nur sie gegen eine Norm verstoßen können. Teleologische Ethiken geben valuativen Sätze einen Vorrang gegenüber normativen Sätzen. Für sie stehen Güter und Werte im Vordergrund. Die menschlichen Handlungen nur insoferen, als sie das Erreichen dieser Güter und Werte fördern oder behindern können.

Zentrale Probleme der Ethik betreffen die Motive, die Methoden und die Folgen menschlichen Handelns. Es ergeben sich sehr unterschiedliche Ethiken, je nachdem, wie die Gewichte zwischen diesen drei Bereichen gelegt werden, und was die Quelle der ethischen Normen ist. Von solchen grundsätzlichen Reflexionen einer allgemeinen Ethik (Metaethik oder Fundamentalethik) zu unterscheiden sind die auf besondere lebensweltliche Problemfelder bezogenen Überlegungen der angewandten Ethik.


Verschiedene Ethiksysteme

Durch die Art der Definition lassen sich verschiedene ethische Systeme ableiten:

Teleologische Ansätze

Das griechische Wort „telos“ bedeutet so viel wie Vollendung, Erfüllung, Zweck oder Ziel. Unter teleologischen Ethiken versteht man daher solche Theorieansätze, die ihr Hauptaugenmerk auf bestimmte Zwecke oder Ziele richten. In ihnen wird die Forderung erhoben, Handlungen sollten ein Ziel anstreben, das in einem umfassenderen Verständnis gut ist. Der Inhalt dieses Zieles kann unterschiedlich bestimmt werden.

Onto-teleologischer Ansatz

Bei diesem Ansatz wird davon ausgegangen, dass jedem natürlichen Gegenstand das Streben innewohnt, ein in seiner Natur oder seinem Wesen angelegtes Ziel zu erreichen. Das wesenseigene Ziel wird dadurch verwirklicht, dass der Gegenstand seine spezifischen Anlagen vervollkommnet und so eine natürliche Endgestalt ausbildet. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich bei dem betreffenden Objekt um ein lebloses Ding, eine Pflanze, ein Tier oder ein Vernunftwesen handelt. Als Gegenstände in diesem Sinne kommen aber nicht nur natürlichen Gegenstände in Frage; auch die soziale oder politische Gemeinschaft, die Geschichte oder der gesamte Kosmos können als teleologische Entitäten aufgefasst werden, so dass die intrinsischen Zielbestimmungen ihrer verschiedenen Komponenten lediglich als Teilziele eines großen Zusammenhangs fungieren. Auch der Mensch besitzt ein eigenes Ziel, das er durch die Perfektionierung seiner spezifischen Anlagen verwirklicht. In seiner Natur ist also schon eine ganz bestimmte Zielgestalt angelegt, auf die hin er sich entwickelt. Allerdings ist er - anders als bei unbelebten Gegenstände, Pflanzen oder Tieren - nicht gänzlich durch seine natürlichen Eigenschaften und Zielvorgaben determiniert. Er muss sich in einem gewissen Rahmen an der Realisierung seines „telos“ selbst beteiligen. Der Mensch soll so handeln und leben, wie es seiner Wesensnatur entspricht, und seine artspezifischen Anlagen auf bestmögliche Weise vervollkommnen. Unter der Voraussetzung, dass er tatsächlich über ein gewisses Maß an Freiheit verfügt, kann er seine Zielvorgabe auch verfehlen Eine Unterscheiduug zwischen moralischer Richtigktit und außermoralischer Gutheit ergibt im Rahmen ontoteleologischer Ethiken keinen Sinn. Obgleich die Verfügung über äußere Güter bisweilen durchaus eine Rolle spielen kann, sind es dennoch nicht diese Äußerlichkeiten, die in erster Instanz angestrebt werden. Das Gut, um das es vor allem geht, ist eine bestimmte Art und Weise zu handeln, nämlich das gute Handeln.

Postulat (Kant)

Kant definiert ein Postulat der reinen praktischen Vernunft als „einen theoretischen, als solchen aber nicht erweislichen Satz [...], sofern er einem a priori unbedingt geltenden praktischen Gesetze unzertrennlich anhängt“ (KpV, A 220). Dies bedeutet genauer:

  • Nach seinem Inhalt ist ein Postulat ein theoretischer, nicht ein praktischer Satz, d. h. eine Ist-Aussage, nicht eine Sollens-Aussage
  • Es ist theoretisch nicht erweislich, d. h. wissenschaftlich auf der Ebene bloßen Erkennens nicht streng beweisbar
  • Es ist aber mit einem praktischen, selbst theoretisch nicht erweisbaren, aber a priori geltenden Sittengesetz notwendig verbunden, daher von diesem her aufweisbar.

Grundfragen der Ethik

Einige ethische Grundbegriffe und ihr Zusammenhang

Ethische Grundbegriffe in ihrem Zusammenhang

Sollen

Der Begriff „sollen“ ist ein Grundbegriff deontologischer Ethikansätze. Er bezieht sich – als Imperativ - auf eine Handlung, mit der ein bestimmtes Ziel erreicht werden soll. Dabei müssen folgende Bedingungen erfüllt sein:

  • das vorgegebene Ziel kann verfehlt werden
  • das vorgegebene Ziel steht nicht in Konkurrenz zu anderen, übergeordneten Zielen
  • das vorgegebenen Ziel kann prinzipiell erreicht werden („Jedes Sollen impliziert ein Können“)

Der Begriff „gut“

„Gut“ gehört wie der Begriff „seiend“ zu den ersten und daher nicht mehr definierbaren Begriffen. Es ist zwischen einem adjektivischen und einem substantivischen Gebrauch zu unterscheiden.

Als Adjektiv bezeichnet das Wort „gut“ generell die Hinordnung eines „Gegenstandes“ auf eine bestimmte Funktion oder einen bestimmten Zweck. So spricht man z.B. von einem „guten Messer“, wenn es seine im Prädikator „Messer“ ausgedrückte Funktion erfüllen – also z.B. gut schneiden kann. Analog spricht man von einem „guten Arzt“, wenn er in der Lage ist, seine Patienten zu heilen und Krankheiten zu bekämpfen.
Ein „guter Mensch“ wäre demnach jemand, der in seinem Leben auf das hin ausgerichtet ist, was das Menschsein ausmacht.

Als Substantiv bezeichnet das Wort „Gut“ etwas, auf das hin wir unser Handeln ausrichten. Wir gebrauchen es normalerweise in dieser Weise, um „eine unter bestimmten Bedingungen vollzogene Wahl als richtig oder gerechtfertigt zu beurteilen“ (Ricken, 70). So kann beispielsweise eine Aussage wie „Die Gesundheit ist ein Gut“ als Rechtfertigung für die Wahl einer bestimmte Lebens- und Ernährungsweise dienen. In der philosophischen Tradition war man der Auffassung, dass prinzipiell jedes Seiende – unter einer gewissen Rücksicht - Ziel des Strebens sein könne („omne ens est bonum“). Daher wurde die „Gutheit“ der Seienden zu den Transzendentalien gerechnet.

Das Verhältnis von „gut“ und „gesollt“

Die Begriffe „gut“ und „gesollt“ sind zwar eng miteinander verwandt aber nicht deckungsgleich. So können wir in Situationen stehen, in denen wir nur zwischen schlechten Alternativen wählen können. Hier ist es gesollt, dass wir uns für das „geringere Übel“ entscheiden. Umgekehrt ist nicht alles Gute auch gesollt. Das kann z.B. der Fall sein, wenn das Erreichen eines Gutes ein anderes Gut ausschließt. Hier muss eine Güterabwägung erfolgen, die zum Verzicht eines Gutes führt.

Das höchste Gut

Als das „höchste Gut (summum bonum)“ wird das bezeichnet, was nicht nur unter einer bestimmten Rücksicht für den Menschen gut ist, sondern schlechthin, da es dem Menschen als Menschen ohne Einschränkung entspricht. Es ist identisch mit dem „unbedingt Gesollten“. Seine inhaltlichen Bestimmung hängt ab von der jeweiligen Sicht der Natur des Menschen. In der Tradition wurden dabei die unterschiedlichsten Lösungsvorschläge präsentiert:

  • das Glück (Aristoteles)
  • die Lust (Hedonismus, klassischer Utilitarismus)
  • Macht (Machiavelli, Nietzsche)
  • Einheit mit Gott (christliche Philosophie)
  • Bedürfnisbefriedigung (Hobbes)
  • Einheit von Tugend und Glück (Kant)
  • Freiheit (Sartre)

Tugend

Die richtige Abwägung ethischer Güter und ihre Durchsetzung setzt Tugend voraus. In ihrer klassischen Definition formuliert sie Aristoteles als „jene feste Grundhaltung, von der aus [der Handelnde] tüchtig wird und die ihm eigentümliche Leistung in vollkommener Weise zustande bringt“ (NE 1106a)
Die Leistung der ethischen Tugenden besteht v.a. darin, im Menschen eine Einheit von sinnlichem Strebevermögen und sittlicher Erkenntnis zu bewirken. Wir bezeichnen einen Menschen erst dann als „gut“, wenn er zur inneren Einheit mit sich selbst gekommen ist und das als richtig Erkannte auch affektiv voll bejaht. Dies ist nach Aristoteles nur durch eine Integration der Gefühle durch die ethischen Tugenden möglich. Die ungeordneten Gefühle verfälschen das sittliche Urteil. Das Ziel der Einheit von Vernunft und Gefühl führt über eine bloße Ethik der richtigen Entscheidung hinaus. Es kommt nicht nur darauf an, was wir tun, sondern auch wer wir sind.
Tugend setzt eine Gewöhnung voraus, die durch Erziehung und soziale Praxis erreicht wird. Wir werden gerecht, mutig etc., indem wir uns in Situationen begeben, wo wir uns entsprechend verhalten können. Die wichtigste Rolle kommt dabei der Tugend der Klugheit (phronesis) zu. Ihr obliegt es, die rechte „Mitte“ zwischen den Extremen zu finden und sich für die optimale Lösung in der konkreten Situation zu entscheiden.


Die moralische Handlung

Was ist das Kriterium für die Beurteilung praktischer Grundsätze?

Was ist das Ziel menschlichen Handelns? (V0.2)

Im Mittelpunkt teleologischer Ethiken steht die Frage, was ich mit meiner Handlung letztlich bezwecke, welches Ziel ich mit ihr verfolge. Der Begriff „Ziel“ (finis, telos) ist hier als „letztes Ziel“ oder „Endziel“ zu verstehen, von dem all mein Handeln bestimmt wird. Eng damit im Zusammenhang steht der Begriff „Sinn“: eine Handlung ist dann „sinnvoll“, wenn sie auf ein von mir gesetztes Ziel hin ausgerichtet ist.

Glück als letztes Ziel

In der Tradition wird als letztes Ziel des Menschen das Glück oder die Glückseligkeit (beatitudo) genannt. Der Ausdruck „Glück“ wird dabei in einem mehrdeutigen Sinne gebraucht:

  • zur Bezeichnung eines gelungenen und guten Leben, dem nicht Wesentliches fehlt („Lebensglück“, eudaimonia)
  • zur Bezeichnung günstiger Lebensumstände („Zufallsglück“, eutychia)
  • zur Bezeichnung des subjektiven Wohlbefindens (Glück als Lust , hedone)

Philosophiegeschichtlich konkurrieren die Bestimmungen von Glück als „Lebensglück“ und als subjektives Wohlbefinden gegeneinander. Für die „eudaimonia-Vertreter“ (Platon, Aristoteles) ist Glück die Folge der Verwirklichung einer Norm, die als Telos im Wesen des Menschen angelegt ist. Glücklich ist dieser Konzeption zufolge vor allem, wer auf vernünftige Weise tätig ist.

Für die „hedone-Vertreter“ (Sophisten, klassische Utilitaristen) gibt es kein zu verwirklichendes Telos des Menschen mehr; es steht keine objektive Norm mehr zu Verfügung, um zu entscheiden, ob jemand glücklich ist. Dies führt zu einer Subjektivierung des Glücksbegriffs. Es obliegt nun allein dem jeweiligen Individuum, zu bewerten, ob es glücklich ist. Glück wird hier mit dem Erreichen von Gütern wie Macht, Reichtum, Ruhm etc. gleichgesetzt.

Was ist das Ziel menschlichen Handelns? (V0.1)

Im Mittelpunkt teleologischer Ethiken steht die Frage, was ich mit meiner Handlung letztlich bezwecke, welches Ziel ich mit ihr verfolge. Der Begriff „Ziel“ (finis, telos) ist hier als „letztes Ziel“ oder „Endziel“ zu verstehen, von dem letztlich all mein Handeln bestimmt wird. Eng damit im Zusammenhang steht der Begriff „Sinn“: eine Handlung ist dann „sinnvoll“, wenn sie auf ein von mir gesetztes Ziel ausgerichtet ist.

Glück als letzes Ziel

In der Tradition wird als letztes Ziel des Menschen das Glück oder die Glückseligkeit (beatitudo) genannt. Uneinigkeit besteht allerdings darüber, wie diese zu erreichen sei. Es sind dabei zunächst zwei verschiedenen Grundbedeutungen zu unterscheiden: „Zufallsglück“ (eutychia, fortuna,, chance, luck) und „Lebensglück“ (eudaimonia, beatitudo, bonheur, happiness). Unter „Zufallsglück“ ist der auf günstige Lebensumstände zurückführbare Erfolg zu verstehen. In der philosophischen Tradition steht jedoch das „Lebensglück“ im Vordergrund. Dieses kann wiederum in „Empfindungsglück“ und „Erfüllungsglück“ unterschieden werden. Als Empfindungsglück (beatitudo fomalis) bezeichnet man einen bestimmten mentalen Zustand (Wohlbefinden), als Erfüllungsglück (beatitudo obiectiva) den Besitz wichtiger glücksrelevanter Güter (Wohlergehen).

Für Aristoteles besteht Glück nicht im Besitz eines einzigen Gutes. Es ist vielmehr eine Vielfalt um ihrer selbst willen gewählter Güter (Gemeinschaft, Gesundheit, Anerkennung etc.), die zum Glück führen. Glück ist dabei als Tätigsein (energeia) zu verstehen. Dieses trägt das Ziel in sich selbst und ist im Unterschied zum Prozess (kinesis) nicht auf ein von ihr unterschiedliches Ziel bezogen. Glück wird also nach Aristoteles im Hier und Jetzt erreicht. In diesem Sinne schreibt auch Wittgenstein: „Nur wer nicht in der Zeit, sondern in der Gegenwart lebt, ist glücklich“ (Wittgenstein, Tagebücher 8.7.16)

Glück und Tugend

Das Erreichen von Glück setzt voraus, dass wir auf eine bestimmte Weise leben.

Ethischer Relativismus

Innerhalb des ethischen Relativismus lassen sich grundsätzlich ein deskriptiver und ein normativer Relativismus unterscheiden.

Der deskriptive Relativismus bezieht sich darauf, dass die Moralvorstellungen der Menschen durch äußere Faktoren wie Kultur, Wirtschaftsordnung, Klassenzugehörigkeit etc. bedingt seien. Daher könne auch keine allgemein gültige Moral formuliert werden. So ist z.B. der Ethnologe Melville J. Herskovits der Meinung:

„Maßstäbe und Werte sind relativ auf die Kultur, aus der sie sich herleiten. Daher würde jeder Versuch, Postulate zu formulieren, die den Überzeugungen oder dem Moralkodex nur einer Kultur entstammen, die Anwendbarkeit einer Menschenrechtserklärung auf die Menschheit als ganze beeinträchtigen.“ (Herskovits, Ethnologischer Relativismus und Menschenrechte, in: Texte zur Ethik, S. 39 f.Vorlage:Ref)

Diese Behauptung lässt sich auf zwei Ebenen angreifen. Auf der empirischen Ebene kann bestritten werden, dass die faktischen moralischen Unterschiede zwischen verschiedenen Individuen und Kulturen tatsächlich auf grundlegender Ebene miteinander völlig unvereinbar seien.

So wird als Beispiel in diesem Zusammenhang häufig der in der Vergangenheit in manchen „primitiven“ Gruppen wie den Eskimos verbreitete Brauch der Tötung alter und schwacher Menschen genannt. Diese geschah aber mit deren Einverständnis und „wird nur nachvollziehbar vor dem Hintergrund extremer Lebensverhältnisse, die durch große Unwirtlichkeit des Lebensraums und knappe Lebensmittel geknnzeichnet sind. Nur so ist verstehbar, daß die moralische Norm, seinen Eltern Gutes zu tun und ihnen Leid zu ersparen, dadurch erfüllt wird, daß man ihnen einen qualvollen Tod erspart indem man sie auf schmerzlose Weise tötet und somit die Überlebenschancen der Jungen vergrößert“ (Pieper, 33f.Vorlage:Ref).

Entscheidend ist jedoch der Einwand, dass aus deskriptiven Urteilen keine Geltungsurteile abgeleitet werden können. Daraus, dass Menschen tatsächlich unterschiedlich moralisch urteilen, kann nicht gefolgert werden, dass tatsächlich auch unterschiedliche Moralvorstellungen Gültigkeit hätten. Dies gälte es ja gerade nachzuweisen.

Der normative Relativismus steht dagegen auf dem Standpunkt, dass ein ethisches Urteil dann gültig ist, wenn es vom moralischen Standpunkt jener Gesellschaft richtig ist, welcher der Urteilende angehört. So sieht z.B. der von Alasdair MacIntyre vertretene Kommunitarismus die Tradition als letzten Maßstab ethischer Rationalität. Seiner Ansicht nach können daher ethische Konflikte zwischen zwei unterschiedlichen Traditionen nicht gelöst werden. Gegen diese Argumentation lässt sich v.a. der Einwand erheben, dass sie sich als Metatheorie über den Traditionen stehend verstehen muss und sich insofern selbst widerspricht.

Marcus George Singer

Philippa Foot Quellen

Philippa Foot, geboren 1920, ist Griffin Professor emeritus für Philosophie an der Universität von Kalifornien in Los Angeles, Honorary Fellow des Somerville College, Oxford, und lehrte u.a. in Berkeley, Princeton, Cornell, Stanford und am MIT. Sie ist Mitglied der British Academy, der American Academy of Arts and Sciences und seit den 1940er Jahren aktives Mitglied von Oxfam. Sie lebt und lehrt heute in Oxford.

Die angloamerikanische Philosophin Philippa Foot ist die grande dame der zeitgenössischen Moralphilosophie. Mit Die Natur des Guten liegt nun ihre langerwartete erste Monographie vor, in der sie eine umfassende Theorie der Bedeutung von »gut« entwickelt. Der Begriff des Guten ist für Foot untrennbar verbunden mit dem Begriff des Lebens bzw. der Lebensform. Etwas als »gut« zu bewerten - sei es den Duft einer Blume oder die Handlung eines Menschen -, folgt dabei einem allgemeinen :Muster natürlicher Normativität: »Gut« ist, was für die Mitglieder einer Spezies - ob Pflanze, Tier oder Mensch - lebensnotwendig ist. Der Besonderheit der menschlichen Lebensform, ihrer Befähigung zu moralischen Bewertungen, trägt Foots Diskussion praktischer Rationalität Rechnung. Sie zeigt, daß die Moral nicht auf außermoralische Vernunftgründe angewiesen, sondern wesentlicher Bestandteil menschlicher Vernünftigkeit ist. Sie ist Teil unserer Natur als Vernunftwesen. Mit Die Natur des Guten gelingt Philippa Foot der eindrucksvolle Entwurf einer naturalistischen Ethik und ein souveränes Resümee ihrer lebenslangen Bemühungen um ein angemessenes Verständnis des Zusammenhangs von Tugend und Glück. Sparsam und elegant geschrieben, kann die Studie schon jetzt als Klassiker der modernen Moralphilosophie gelten. Philippa Foot gehört zu den herausragenden Philosophinnen, die Wittgensteins Erbe in der Philosophie auf originelle Weise wach halten. 2001 erschien ihr Buch "Natural Goodness", das nun auch auf Deutsch vorliegt: "Die Natur des Guten".


Um dem Nichtphilosophen die Bedeutung des Buchs klar zu machen, ist es am besten, mit jener These zu beginnen, die Foot zur Gänze ablehnt. Sie lautet: In allen moralischen Fragen spielen Dinge wie persönliches Empfinden, psychologische Verfassung und emotionales Entscheiden eine grundlegende Rolle. Denn die Tatsachen der Welt an sich sind wertneutral. Eine Frau wird wegen Ehebruchs gesteinigt: Das ist eine Tatsache. Wenn wir sagen, dass die Steinigung ein abscheulicher Akt ist, dann bewerten wir, gestützt auf unser Empfinden, die Tatsache. Jede Art, Moral auf diese Weise zu betrachten, fällt unter den Begriff des "ethischen Subjektivismus".

Foot lehnt den Subjektivismus ab; sie ist ethische Objektivistin. Die These des Objektivismus lautet, "dass ein moralisches Argument letztlich in Tatsachen gründet". Das heißt, moralische Argumente gründen nicht in irgendwelchen subjektiven, von Fall zu Fall sich ändernden Reaktionen derer, die argumentieren. Das Steinigen der Ehebrecherin ist nicht bloß deshalb abscheulich, weil wir es so empfinden im Gegensatz zu jenen, die es fordern und betreiben. Das Steinigen der Ehebrecherin ist vielmehr abscheulich, weil es an sich schlecht ist.


Die Schlechtigkeit, so behauptet Foot, wohnt der moralisch schlechten Tatsache inne. Das Urteil "abscheulich" bleibt demnach wahr, unabhängig davon, ob die Menschen das Steinigen der Ehebrecherin abscheulich finden oder nicht. Deshalb ist der ethische Objektivismus unverzichtbar, auch wenn der moderne Standpunkt das Gegenteil zu fordern scheint. Denn der ethische Subjektivismus tendiert in sozialen Angelegenheiten dazu, die Stimme der Mehrheit als Wahrheitskriterium zu akzeptieren. Doch das ist so gut wie ein Pakt mit dem Teufel. Auch wenn wir alle Nazis werden sollten, die den Holocaust bejubeln - wahr bleibt, dass der Holocaust böse ist. Eine Ethik, die diesen Punkt nicht fasst, kriegt keinen moralischen Punkt zu fassen.


Foot vermeidet Anleihen bei der Metaphysik objektiver Werte. Sie sagt nicht, dass Werte unabhängig von uns als Ideen existieren, die wir mehr oder minder korrekt erfassen. Statt platonisch zu denken, hält sie es laut eigenem Bekunden mit Aristoteles.

Zunächst betrachtet sie nichtmenschliche Lebewesen, besonders Tiere, und stellt fest, dass jeder Spezies bestimmte Merkmale eignen, die jedes Mitglied der Spezies haben muss, um nicht als defekt zu gelten. Ein nicht defektes Pfauenmännchen hat einen Pfauenschwanz, denn der Pfauenschwanz dient unter Pfauenmännchen dazu, um Weibchen anzulocken. Der Pfauenschwanz verfügt also, aristotelisch gesprochen, über "natural goodness", also - sagen wir - eine zielorientierte Naturqualität des Gutseins. In Übernahme eines Begriffs ihrer Philosophenkollegin G. E. M. Anscombe spricht Foot von "Aristotelischen Notwendigkeiten": "Wir stützten uns auf dieselbe Idee, wenn wir sagen, dass es für Pflanzen notwendig ist, Wasser zu haben, für Vögel, Nester zu bauen, für Wölfe, in Rudeln zu jagen, und für Löwinnen, ihren Jungen das Töten beizubringen." Entsprechen die Mitglieder einer Spezies den Aristotelischen Notwendigkeiten, die sie kennzeichnen, dann ist das, was sie tun, natürlich und damit objektiv gut - gut unbeschadet der Empfindungen, die ein dummer Mensch haben mag, der es abscheulich findet, wenn Löwinnen ihren Jungen das Töten beibringen.


Nun kommt bei Foot der Sprung in die Moral. Sie behauptet, dass moralische Tugenden ebenso Aristotelische Notwendigkeiten darstellen wie die animalischen Eigenschaften des Menschen. Wir werden von einem Menschen nicht nur dann sagen, er sei defekt, wenn er unfähig ist, sich fortzupflanzen, sondern auch dann, wenn er lasterhaft ist. Foot sagt ausdrücklich, sie sehe "Laster als eine Form des natürlichen Defekts an". Das Laster, sagt Foot, hindere einen Menschen daran, sich so zu verhalten, wie es dem "guten Leben" der Gattung entspricht: "Trotz der Vielfalt der menschlichen Güter kann also dem Begriff des guten menschlichen Lebens bei der Bewertung menschlicher Eigenschaften und Vollzüge dieselbe Rolle zukommen wie dem Begriff des Gedeihens bei der Bestimmung der Qualität im Falle von Pflanzen und Tieren."

Was uns Foot auf den verbleibenden Seiten ihres Buches präsentiert, ist indessen analytisch Feingeschnetzeltes ohne Licht am Ende des Tunnels. Denn die Pointe des Ansatzes besteht ja darin, den Begriff der Aristotelischen Notwendigkeit auf ein Gebiet zu übertragen - das Gebiet des Moralischen -, wo das "gute Leben" etwas ganz anderes bedeutet als "Leben gemäß den Erfordernissen der Spezies im biologischen Sinne". Foot weiß, dass es eine Tugend sein kann, asketisch und gewaltfrei zu leben. Das gute Leben, moralisch verstanden, ist vielleicht eines, das sich zur Überlebenstüchtigkeit der Gattung neutral verhält, ja sie schwächt, indem es die religiösen und humanitären Potenziale des Menschen fördert. Das war die Anklage, die Nietzsche der christlichen Mitleidsmoral entgegenschleuderte.


Foots Ansatz liegt die Annahme zugrunde, dass der moralische Mensch zugleich derjenige ist, der den Anforderungen - soll man sagen: den höheren Anforderungen? - der Spezies am besten genügt. Deshalb handelt der moralische Mensch praktisch vernünftig: "Wer schlecht handelt, handelt ipso facto auf eine Weise, die der praktischen Vernunft widerspricht." Freilich: Hier hängt alles an der Definition des guten Lebens, die nicht exklusiv biologisch sein darf. Sie muss die Existenz von Werten voraussetzen, die keineswegs mit den natürlichen Anforderungen der Spezies identisch sind. Das moralisch Gute ist eben nicht, wie Foot behauptet, das natürlich Gute. Moral ist keine Erscheinungsform der natural goodness.


Foot gibt ausdrücklich zu bedenken, dass Menschen glücklich sein können, wenn sie unter Schmerzen tugendhaft sind, und "dass das Wohl des Menschen in einem Glück besteht, das a priori mit Bosheit unvereinbar ist". In diesem Sinne ist das glückliche Leben das gute. Doch in diesem Sinne ist nichts "natürlich", weder der Begriff des Guten noch der des Glücks. Wittgenstein wusste das und hielt einmal einen Vortrag über Ethik, um klarzustellen, dass alles Ethische "übernatürlich" und daher unaussprechbar ist. Obwohl Foot Wittgensteins Ansicht in puncto Metaphysik teilt, will sie zum Wesen des Guten nicht schweigen. Und so schrieb sie ein Buch in der besten Absicht mit den falschen Mitteln. Im Ergebnis untergräbt Foots Naturalismus den ethischen Objektivismus. Schade. Denn ohne ihn ist gegen den Immoralismus als Prinzip, gegen das Naturrecht des Stärkeren und das vernunftlose Diktat der Mehrheit kein philosophisches Kraut gewachsen Philippa Foot has for many years been one of the most distinctive and influential thinkers in moral philosophy, contributing a large volume of essays and articles to the discipline. Now in her 80th year she has written her first book.

Griffin Professor of Philosophy Emeritus at the University of California, Los Angeles, and an Honorary Fellow of Somerville College, Oxford, Philippa Foot is the granddaughter of Grover Cleveland, President of the USA. She was brought up in the UK and educated at Somerville College, and has held academic posts at Oxford, Cornell, Berkeley, MIT, Princeton, New York, and Stanford.

Professor Foot took a prominent role in postwar philosophy. At Oxford during the 1950s and 1960s when it was the philosophical centre of the world, she knew all the leading figures, including Elizabeth Anscombe, Peter Strawson, and R. M. Hare. She moved to the USA around the time when it became the dominant centre in the study of philosophy. She was one of the first women to hold senior positions in philosophy in the USA, where she associated with such leaders of recent philosophy as Donald Davidson and Bernard Williams. She is a Fellow of the American Academy of Arts and Sciences.

A founder of Oxfam, she has been instrumental in bringing philosophy to bear on practical issues. Philippa Foot was formerly married to historian M.R.D. Foot. She now lives in Oxford. Her publications include: Theories of Ethics (ed, 1967) and Virtues and Vices (1978). Philippa Ruth Foot (1920-), née Bosanquet, is a British philosopher, most notable for her works in ethics. She is one of the founders of contemporary virtue ethics (see also aretaic turn). Her work may be seen as an attempt to modernize Aristotelian philosophy; to show that it was adaptable to current issues; and thus that it could compete with such popular theories as modern deontological and utilitarian ethics.

Foot was born and educated in the UK, the granddaughter of American president Grover Cleveland. She began her career in philosophy as a student and tutor at Somerville College, Oxford. For many years Foot held the position of Griffin Professor of Philosophy at the University of California, Los Angeles.

Selected works

  • Virtues and Vices and Other Essays in Moral Philosophy. Berkeley: University of California Press; Oxford: Blackwell, 1978 (there are more recent editions).
  • Natural Goodness. Oxford: Clarendon Press, 2001.
  • Moral Dilemmas: And Other Topics in Moral Philosophy, Oxford: Clarendon Press, 2002.

Transzendentalpragmatik

Die Transzendentalpragmatik bezeichnet eine ursprünglich von Karl-Otto Apel entwickelte philosophische Richtung, die den Versuch unternimmt, die Transzendentalphilosophie Kants mit verschiedenen Einsichten moderner Philosophieansätze zu verbinden, um so eine aktuelle „Antwort auf die gegenwärtige Situation der Philosophie“ geben zu können (Kuhlmann, S. 12). Sie wird gegenwärtig neben ihrem Gründer Karl-Otto Apel v.a. von Wolfgang Kuhlmann, Dietrich Böhler und in Teilen von Vittorio Hösle vertreten. Sie weist in vielem Ähnlichkeiten mit dem Ansatz von Jürgen Habermas (Universalpragmatik) auf, unterscheidet sich aber von diesem in ihrem Letztbegründungsanspruch.

Das Schlüsselwerk der Transzendentalpragmatik stellt die Aufsatzsammlung Apels „Transformation der Philosophie“ dar. In diesem versucht der Autor eine Synthese der klassischen Tranzendentalphilosophie mit

  • der modernen Sprachphilosophie
  • der pragmatischen Philosophie
  • der hermeneutischen Philosophie

Die Bedeutung der klassischen Transzendentalphilosophie

Unüberholt vorbildlich ist für die Transzendentalpragmatik der transzendentalphilosophische Ansatz Kants, „der Versuch, die Philosophie im reflexiven Rückgang auf die subjektiven Bedingungen der Möglichkeit von gültiger Erkenntnis bzw. von freien, verantworteten Handlungen zu begründen“ (Kuhlmann, S. 13).

Folgende Punkte müssten aber an Kants Ansatz modifiziert werden:

  • die Einengung des Subjektbegriffs
  • die Unterschätzung der Rolle der Sprache
  • die These vom prinzipiell unerkennbaren Ding an sich

Korrekturen an der klassischen Tranzendentalphilosophie

Der Subjektbegriff

Die Transzendentalpragmatik verwirft die Ansicht Kants von einem starren transzendentalen Subjekt. Sie möchte zu „zu reicheren und konkreteren Begriffen vom Subjekt und der Vernunft“ (a.a.O., 15) kommen und greift dabei Ansätze der Hermeneutik, des Marxismus und der Existenzphilosophie auf. Es sei zum einen notwendig, dass das Subjekt „zumindest teilweise in die Geschichte, die Gesellschaft, die soziale und materielle Praxis, die Lebenswelt hineingezogen werde“ (a.a.O., 14). Zum anderen sei es wichtig zu betonen, dass „ein reines (theoretisches) Bewusstsein für sich allein genommen der Welt keinen Sinn abgewinnen kann“ (a.a.O. 30). Um zu einer „Sinnkonstitution“ zu gelangen, müsse der Mensch sich leibhaft im Hier und Jetzt engagieren. Es gebe ein „Leibapriori“, „das zuständig ist für die Probleme der Sinnkonstitution und das sich realisiert in von verschiedenen Interessen, d.h. den Erkenntnisinteressen, getragenenen leibhaftigen Eingriffen in das zu Erkennende“ (a.a.O. 31).

Die Rolle der Sprache

Die wesentlichste philosophische Entwicklung im 20. Jhd. war in den Augen der Transzendentalpragmatik der „linguistic turn“, also der Durchbruch der sprachanalytischen Philosophie zum beherrschenden Paradigma. Die Sprache wurde damit an die Stelle einer entscheidenden subjektiven Erkenntnisvoraussetzung gerückt. Für die Transzendentalpragmatik wird damit die Sprachphilosophie zu einer Art „prima philosophia“, so „dass die Frage nach den Bedingungen der Möglichkeit zuverlässiger Erkenntnis nun transformiert und präzisiert wird zur Frage nach den Bedingungen der Möglichkeit intersubjektiv gültiger Aussagen über die Welt“ (a.a.O., 16). Statt privater Bewusstseinstatsachen müssen nun „öffentlich zugängliche Strukturen von Zeichen und Sprache“ analysiert werden.

Die Transzendentalpragmatik interessiert sich dabei v.a. für die sog. „pragmatische Dimension“ der Sprache, also für die Beziehung zwischen Sprache und Sprachbenutzer. Dabei wurde sie vor allem von der Sprechakttheorie Austins und Searles beeinflusst. In jedem Sprechakt werden vier Geltungsansprüche gemacht, die gemäß Apel auf die intersubjektive Dimension der Sprache hindeuten:

  • die Verständlichkeit der Äußerung
  • die Wahrheit ihres propositionalen Gehalts
  • die Richtigkeit ihres performativen Bestandteiles
  • die Wahrhaftigkeit des sprechenden Subjekts

Die Letztbegründung

Die Transzendentalpragmatik versteht synthetische Urteile a priori nicht mehr als Bedingungen der Möglichkeit von Erfahrung, sondern „als notwendige Voraussetzungen (philosophischer) Argumentation“ (a.a.O., 309). Nur so könne dem Einwand begegnet werden, „man stütze sich auf einen bloß epochenspezifischen Begriff von (wissenschaftlicher) Erfahrung … nur dann kann aus einer klassischen ‚transzendentalen Deduktion’ ein wirklich zwingendes Argument werden“ (a.a.O., 309).

Entscheidend für die Theorie der Letztbegründung ist die von der Sprechakttheorie entdeckte performativ-propositionale Doppelstruktur der menschlichen Rede. Danach besitzen alle lokutionären Akte eine illokutionäre Kraft (force), die durch "performative Phrasen" (Austin) explizit gemacht werden können. Entsprechend dem „Prinzip der Ausdrückbarkeit“ (Searle) kann man alles, was man meinen kann, auch sagen. Neben der Semantik der Propositionen, gibt es auch eine Semantik der Sprechakte. Dieser Ansatz gewinnt Bedeutung für den Letztbegründungsstreit, der vor allem mit dem Kritischen Rationalismus ausgetragen wurde.

Ausgangspunkt der Letztbegründung ist für die Tranzendentalpragmatik die Einsicht von der „Unhintergehbarkeit der Argumentationssituation“. Jede Argumentationssituation enhält nach Kuhlmann folgende Struktur:

„Wenn ich etwas behaupte, dann sage ich (der Sprecher) mit etwas (der Proposition) etwas (Prädikat) über etwas (Referenzobjekt), und dies so, dass ich mit etwas (performativer Satz) zu etwas (Proposition) einen Geltungsanspruch (etwa der Wahrheit) erhebe, und zwar zunächst gegenüber der realen Kommunikationsgemeinschaft (bzw. deren Vertretern, die die gegenwärtige Gesprächssituation mitkonstituieren), dann aber auch gegenüber der idealen unbegrenzten Kommunikationsgemeinschaft (auf die ich Bezug nehme als die Instanz, welche, anders als die reale Kommunikationsgemeinschaft, wirklich imstande ist, das Recht meines Geltungsanspruchs adäquat zu beurteilen). Berücksichtige ich irgendeines der aufgeführten Momente nicht, dann verunglückt meine Behauptung und leistet nicht, was sie soll“ (a.a.O., 23)

Schlussfolgerungen für die Ethik

Aus der Analyse der Argumentationssituation ergeben sich für die Tranzendentalpragmatik folgende Normen für die Ethik (a.a.O., 28f.):

  1. Wir dürfen nicht blind handeln, sondern müssen uns „rational argumentierend um die richtige Handlungsalternative bemühen“.
  2. Alle praktischen Fragen sollen „konsensuell aufgelöst werden“, d.h. es soll ein vernünftiger Konsens hergestellt werden, „dem nicht nur jeder Beteiligte, sondern auch jeder Betroffene zustimmen können muss“.
  3. In allem Tun und Lassen muss es darum gehen, „das Überleben der menschlichen Gattung als der realen Kommunikationsgemeinschaft sicherzuellen, und zweitens darum, in der realen die ideale Kommunikationsgemeinschaft zu verwirklichen“.

Literatur

  • Karl-Otto Apel: Transformation der Philosophie, 2 Bde. Frankfurt a.M., 1976
  • Karl-Otto Apel: Die Erklären:Verstehen-Kontroverse in transzendentalpragmatischer Sicht, Frankfurt a. M. 1979
  • Karl-Otto Apel: Auseinandersetzungen in Erprobung des transzendentalpragmatischen Ansatzes, Frankfurt a. M. 1998
  • Vittorio Hösle: Die Krise der Gegenwart und die Verantwortung der Philosophie. Transzendentalpragmatik, Letztbegründung, Ethik, 3. Aufl. München 1997 ISBN 3-406-39274-1
  • Wolfgang Kuhlmann: Reflexive Letztbegründung. Untersuchungen zur Transzendentalpragmatik, Freiburg/München 1985 ISBN 3-495-47568-0

Analogie (Philosophie)

Analogie bezeichnet in der Philosophie eine Form der Übereinstimmung von Gegenständen hinsichtlich gewisser Merkmale. Die Voraussetzung einer solchen Übereinstimmung ist, dass zwischen den Gegenständen sowohl eine bestimmte Ähnlichkeit als auch Verschiedenheit besteht.

Der Begriff

Der Begriff „Analogie“ wird in der Sprachphilosophie von den Begriffen „Univozität“ und „Äquivozität“ abgegrenzt. Von Univozität spricht man, wenn ein Wort auf eindeutige Weise verwendet wird. Äquivozität besagt, dass dem gleichen Wort völlig verschiedene Bedeutungen in verschiedenen Verwendungen zukommen. Ein klassisches Beispiel hierfür ist das Wort „Strauß“, das ein Blumengebinde, einen Kampf und eine Vogelart bezeichnen kann. Es handelt sich hier also genau genommen um drei verschiedene Begriffe, die mit dem selben Wort (verstanden als bloße Lautfolge) bezeichnet werden. Von Analogie spricht man, wenn ein Wort bei verschiedenen Verwendungen zwar verschiedene Bedeutungen aufweist, die aber noch eine gewisse Ähnlichkeit miteinander haben. Ein Beispiel dafür ist die „Metapher“. Spricht man z.B. vom „Haupt der Familie“ so bezeichnet das Wort „Haupt“ in dieser Verwendung keinen Körperteil eines Lebewesens. Dennoch liegt eine Entsprechung zu dieser Bedeutung vor, denn ähnlich wie die Bedeutung des Körperteils für das gesamte Lebewesen ist die Bedeutung des betr. Familienmitglieds für die gesamte Familie. Der analoge Gebrauch von Wörtern stellt den Nomalfall in der normalen Umgangssprache dar.

Verwendung des Begriffs in der Philosophiegeschichte

Der Begriff der „Analogie“ tauchte als Terminus bereits bei den Pythagoräern als Bezeichnung einer mathematischen Verhältnisgleichheit auf („8:4 ist analog zu 4:2 mit dem gleichen Logos 2:1“). Hier ist aber eigentlich noch von einem univoken Beziehungsverhältnis die Rede. Im eigentlichen Sinne wurde der Begriff erst von Platon in die Philosophie eingeführt. Hier dient die Analogie v.a. als Mittel zur Erkenntnis der intelligiblen Welt. Da nach Platon die Welt des Sichtbaren Abbild der Welt der Ideen ist, kann diese auf dem Wege der Analogie erkannt werden. Die berühmtesten Beispiele hierfür sind das Höhlengleichnis und der Vergleich der göttlichen Idee des Guten mit der Strahlen aussendenden Sonne (Die Idee des Guten erzeugt sich die Sonne als ihr „analogon“ (Politeia 508b)Vorlage:Ref.

Aristoteles teilte die Lebewesen auf Grund analoger Funktionen in Klassen ein. In der Ethik definiert er die distributive Gerechtigkeit als die Analogie derjenigen Verhältnisse, in denen jedem Beteiligten das Seine zukomme (Nikomachische Ethik 1131ff.Vorlage:Ref). In der Metaphysik stellt er fest, dass das „Sein“ in „vielfacher Weise“ ausgesagt werde, aber immer „auf eines hin“, die Substanz, der das Sein zunächst zukomme, während die Akzidentien ihr Sein nur in Bezug auf die Substanz haben (Metaphysik, 1003a 32ff.Vorlage:Ref). Aristoteles spricht zwar in diesem Zusammenhang noch nicht von Analogie, dieser Sachverhalt wird jedoch in der weiteren Philosophiegeschichte als Lehre von der „Analogia entis“ wieder aufgegriffen.

Der Neuplatonismus lehrt in Anknüpfung an das platonische Urbild-Abbild-Schema die analoge Struktur der verschiedenen Seinsbereiche. Der göttliche Ursprung ist zwar in seinen Wirkungen gegenwärtig; diese bleiben jene an Seinsfülle hinter ihm zurück. Das göttliche Urbild kann daher zwar von den Wirkungen her zwar erfasst werden, aber nur inadäquat, analog. Alle Kategorien der sichtbaren Welt gelten für die geistige nur analog.

Die Scholastik des 13. Jh.s bestimmte das Verhältnis von Gott und Geschöpf als Analogie. Gott und Geschöpf seien sich zwar ähnlich, doch sei diese Ähnlichkeit mit einer noch größerer Unähnlichkeit behaftet. Mit dieser Kompromisslösung wollte man sowohl den Pantheismus wie den Agnostizismus vermeiden. Ausgangspunkt war dabei die Lehre des arabischen Aristotelikers Averroes, der die Annahme vertrat, die Analogie sei ein Mittleres zwischen gänzlicher Gleichheit (Univozität) und gänzlicher Verschiedenheit (Äquivozität).

Die Scholastik unterschied zwischen einer Analogie der Attribution („analogia attributionis“) und einer Analogie der Proportionalität („analogia proportionalitatis“). Die „analogia attributionis“ bezeichnet das Verhältnis zweier „Gegenstände“ zueinander. Dabei kommt der analoge Begriffsinhalt einem ersten Gegenstand in einem primären Sinne zu und wird auf einen zweiten Gegenstand in abgeleiteter Weise übertragen. So sprechen wir von einem „gesunden“ Heiltrunk, weil er der Gesundheit eines Lebewesens dient, von dem in erster Linie der Begriff „gesund“ ausgesagt wird (vgl. Thomas von Aquin, „Summa theologiae“). Auch den Begriff „Sein“ verwenden wir in dieser Weise. Er wird sowohl von Gott ausgesagt (ihm „attribuiert“), dem das Sein im primären Sinne zukommt als auch von allen endlichen Geschöpfen, die in ihrem Sein von Gott abhängen. Bei der „analogia proportionalitatis“ geht es um die Ähnlichkeit von Verhältnissen. Als Beispiel verwendet Thomas das leibliche Sehen und die geistige Einsicht:

„Nach der zweiten Weise wird etwas analogisch ausgesagt, wie z.B. das Wort ‚Sehen’ (visus) vom leiblichen Sehen und vom Verstand gesagt wird, weil wie das Sehen im Auge, so die Einsicht (intellectus) im Geist ist“ (Thomas, De veritate q.2 a.11 Vorlage:Ref).

Literatur

Primärtexte

Sekundärliteratur

Geist

Altes Testament

Im Alten Testament entspricht am ehesten das hebräische Wort „rûah“ dem, was im Deutschen unter „Geist“ verstanden wird. Es bedeutet wie das griechische „pneuma“ und das lateinische „spiritus“ zunächst die bewegte Luft, der Wind. Bei Mensch und Tier bezeichnet die rûah weiterhin den Atem, der den Geschöpfen Leben einhaucht. Als Lebensprinzip ist die rûah Gottes Eigentum; die Geschöpfe leben von ihr und sterben, wenn Gott sie entzieht. Im Menschen übt die rûah die verschiedensten Lebensfunktionen geistiger, willensmäßiger, sittlicher und religiöser Art aus und ist hier mit dem Begriff „næpæs“ („Seele“) fast synonym.

Gott als die Quelle der rûah ist selbst Geistwesen. So schwebte im Buch Genesis Gott als Geistwesen vor der Erschaffung des Himmels über den Wassern (Genesis 1, 2) und im Buch der Weisheit heißt es „Der Geist des Herrn erfüllt den Erdkreis“ (Weish. 1,7). Gott teilt sich auserwählten Menschen mit, indem er den Geist über sie kommen lässt. Sie werden charismatisch begabt zu (kriegerischen) Heldentaten, prophetisch-ekstatischen Fähigkeiten und mit dem „Geist der Weisheit“ (Exodus 28,3) erfüllt.

Das Alte Testament kennt auch den bösen Geist, der von Jahwe als dem einzigen Gott ausgehen kann. Dies geschieht dann, wenn die Empfänger Unheil verdienen (vgl. z.B. Das Buch der Richter, 9,22f.: „Als Abimelech drei Jahre lang über Israel geherrscht hatte, sandte Gott einen bösen Geist zwischen Abimelech und die Bürger von Sichem, so dass die Bürger von Sichem von Abimelech abfielen“). Diese böse Geistesmacht, die dem strafenden Gott unterstellt ist, hat später in der Gestalt Satans eine selbständigere Funktion und sogar ihre eigene Personifikation bekommen.

Neues Testament

Im Neuen Testament wird „Geist“ mit dem griech. Wort „ pneuma“ bezeichnet. Er meint meist den Geist Gottes, der als „Heiliger Geist“ scharf vom Geist des Menschen unterschieden wird. Er wird noch nicht so deutlich wie später in der der Trinitätslehre als personal angesehen, sondern als Medium des göttlichen Handelns. Für das personale Wesen sprechen jedoch Stellen wie die in der Apostelgeschichte, in denen Menschen bestraft werden, weil sie den Heiligen Geist belügen.

Pneuma und Jesus

Der Begriff des Pneuma spielt eine zentrale Rolle in der Person Jesu. Bereits seine Empfängnis geschieht unter Einwirkung des Heiligen Geistes (Matthäusevangelium 1,18-20). Vom Pneuma wird er in die Wüste getrieben, um dort den Versuchungen zu widerstehen (Markusevangelium 1,12). Als Geistträger übernimmt er sein öffentliches Amt (Lukasevangelium 4,14); auf ihm ruht nun das Pneuma des Herrn (Mt 12,18). Mit seiner Hilfe ist Jesus in der Lage, die Herrschaft des Satans zu brechen (Mt 12,28). Dies bedeutet allerdings nicht, dass Jesus dämonische Kräfte unterstellt werden dürften (Mk 3,29f). Die Auferweckung Jesu von den Toten bedeutet einen Übergang in die Seinsweise des Pneuma (Römerbrief 1,4), womit Jesus als Herr (Kyrios) identifiziert wird (2. Korintherbrief 3,17).

Das Pneuma in der christlichen Gemeinde bei Paulus

Für Paulus ist fast jede Lebensäußerung der Kirche Wirkung des Pneuma. Schon bei der Konstituierung der christlichen Gemeinde ist das Pneuma am Werk (1. Korintherbrief 12,13). Das Pneuma ist eine Gnadengabe (Charisma), die bei den Gläubigen unterschiedlich verteilt ist (Röm 12,6 ff.). Paulus stellt eine Rangfolge der Charismen auf und verlangt ihre Indienstnahme in den Aufbau der Gemeinde (1 Kor 12ff.).

Paulus kennt auch ein falsches Pneuma, dass die Gemeinde „aus der Fassung bringen und in Schrecken jagen“ kann (2. Thessalonicherbrief 2,2). Es ist daher „die Fähigkeit, die Geister zu unterscheiden“ (1 Kor 12,10) notwendig.

All das geistige Sein der Gläubigen vollzieht sich im Pneuma. Es wird im Glauben als eschatologische Segensgabe empfangen und mit ihr das „Leben“. Das Pneuma heiligt die Glaubenden; selbst ihr Leib ist ein „Tempel“ des Pneuma. Es bedeutet Freiheit von der Herrschaft der Sünde, des Todes (Röm 8,2) und des Gesetzes (Galaterbrief 5,18). Der Gläubige darf aber diese im Pneuma gewährte Freiheit nicht zum „Anlass für das Fleisch“ (Gal 5,13) nehmen, sondern soll sich in seiner sittlichen Existenz von Pneuma leiten lassen (Gal 5,16f). Das Pneuma ist zwar das Fundament des Heils, aber noch nicht dessen Erfüllung. Paulus bezeichnet es daher als „Erstlingsgabe“ (Röm 8,23) oder „Angeld“ (2 Kor 1,22) des Gesamtheils. Die Gläubigen erwarten kraft des Pneumas „die erhoffte Gerechtigkeit“ (Gal 5,5) und v.a die Auferweckung des Leibes (Röm 8,11).

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