Flugzeugkollision vor Namibia 1997
Flugzeugkollision vor Namibia 1997 | |
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Bildmontage der verunglückten Tupolev Tu-154 | |
Unfall-Zusammenfassung | |
Unfallart | Kollision |
Ort | Atlantik, vor der Küste Namibias |
Datum | 13. September 1997 |
Todesopfer | 33 |
1. Luftfahrzeug | |
Luftfahrzeugtyp | Tupolev Tu-154 |
Betreiber | ![]() |
Kennzeichen | 11+02 |
Abflughafen | ![]() |
Zwischenlandung | ![]() ![]() |
Zielflughafen | ![]() |
Passagiere | 14 |
Besatzung | 10 |
Überlebende | keine |
2. Luftfahrzeug | |
Luftfahrzeugtyp | Lockheed C-141 Starlifter |
Betreiber | ![]() |
Kennzeichen | 65-9405 |
Abflughafen | ![]() |
Zielflughafen | ![]() |
Besatzung | 6 |
Überlebende | keine |
→ Listen von Luftfahrt-Zwischenfällen |
Die Flugzeugkollision vor Namibia 1997 ereignete sich am 13. September 1997 über dem Atlantik vor dem südafrikanischen Staat Namibia zwischen einer Tupolev Tu-154 der Flugbereitschaft der Bundeswehr und einem amerikanischen Militärtransporter des Typs Lockheed C-141 Starlifter. Bei der Kollision kamen alle Insassen beider Flugzeuge ums Leben.
Grund für die Kollision war eine falsch gewählte Flugfläche der Tupolev entgegen der Halbkreisflughöhen sowie eine mangelnde bzw. nicht vorhandene Flugverkehrskontrolle im betroffenen Gebiet, wodurch auch kein Fluglotse die Besatzung der deutschen Maschine auf ihren Fehler aufmerksam machte.[1][2]
Luftfahrzeuge
Tupolev Tu-154
Das Flugzeug war von der Nationalen Volksarmee der DDR eingesetzt worden und ging mit dem Ende der DDR in den Besitz der Bundesrepublik und damit den Bestand der Luftwaffe der Bundeswehr über, die entschied, das Unfallflugzeug (registriert als 11+02) sowie ein Schwesterflugzeug des gleichen Typs (11+01) weiter zu betreiben und für den Passagiertransport und Flüge im Rahmen des Open-Skies-Vertrags weiter einzusetzen. Die Unfallmaschine war bereits mit der Sensorik für solche Flüge ausgerüstet, ihre Schwestermaschine sollte kurze Zeit später die Umrüstung erfahren.
Besatzung
Die Cockpitbesatzung des Fluges galt als hocherfahren. Die Luftfahrzeugführer waren aus den Luftstreitkräften der Nationalen Volksarmee in die Bundeswehr übernommen worden und hatten alle mindestens 1.200 Flugstunden auf der Tupolev Tu-154 erflogen, der Kommandant kam dabei auf eine Gesamtstundenzahl 7.369 von, der Kopilot auf 3.947 Stunden; auch Flüge durch den wenig kontrollierten afrikanischen Luftraum mit den entsprechenden Anforderungen hatten alle Besatzungsmitglieder bereits früher durchgeführt.
Flugauftrag
An Bord der Maschine befanden sich neben der zehnköpfigen Besatzung zwei Ehefrauen ebendieser, 12 Marineangehörige,[3][4] die in Kapstadt auf Einladung der südafrikanischen Marine an einer Regatta zum 75-jährigen Jubiläum der Seestreitkräfte des Landes teilnehmen sollten, sowie ein Techniker der Elbe Flugzeugwerke, der wegen der Open-Skies-Elektronik mitflog.[5]
Lockheed C-141 Starlifter
Das zweite involvierte Luftfahrzeug war eine Lockheed C-141 Starlifter mit dem Kennzeichen 65-9405 und dem Funkrufzeichen Reach 4201 („Reach“ ist das Rufzeichen aller Flugzeuge, die mit einem Auftrag des Air Mobility Command unterwegs sind).
Ablauf
Die deutsche Tupolev war am Sitz der Flugbereitschaft auf dem Flughafen Köln-Bonn gestartet und zum Tanken auf dem Flughafen Niamey im Niger gelandet, sie sollte vor dem Ziel Kapstadt noch einmal in Windhuk landen. Der Starlifter der US Air Force war in der namibianischen Hauptstadt gestartet und sollte zur Insel Ascension fliegen.[6]
Die deutsche Maschine hatte als Reiseflughöhe im Flugplan Flugfläche 390 (39.000 ft (11.887 m)) angegeben und flog zum Zeitpunkt des Unfalls in Flugfläche 350, also 35.000 ft (10.668 m) auf der entsprechenden Route, hatte jedoch keinen Funkkontakt mit einer Flugverkehrskontrollstelle. Durch die mangelhafte Radarabdeckung in den zentralafrikanischen Ländern bedingt, geben Flugzeuge in den entsprechenden Gebieten routinemäßig Positionsmeldungen per Funk ab, sodass andere Flugzeuge auf der gleichen Frequenz sich ein Bild vom restlichen Flugverkehr machen können. Der Flugplan der Tupolev lag sowohl in Luanda (der zuständigen Flugverkehrskontrolle vor Windhuk) und in Windhuk selbst vor, die Controller in Luanda konnten aber nur einmal auf einer Kurzwellenfrequenz Kontakt zu der deutschen Besatzung aufnehmen.[6]
Reach 4201 war nach dem Start ebenfalls auf FL350 gestiegen und befand sich in Kontakt mit der Flugverkehrskontrolle in Windhuk. Das amerikanische Flugzeug befand sich bis zum Absturz auf der Frequenz von Windhuk. Die vom Flugplan abweichende Flughöhe fiel keinem der beteiligten Lotsen auf, sodass beide Maschinen etwa um 15:10 Uhr UTC kollidierten. Die Wrackteile der Flugzeuge fielen etwa 120 Kilometer vor der Küste Namibias ins Meer, Überlebende gab es keine.[6]
Ursachen
Als Unfallursache wurde festgelegt, dass die deutsche Tupolev auf einer falschen Flughöhe flog. Die sogenannten Halbkreisflughöhen werden entsprechend dem magnetischen Kurs gewählt, dabei gilt, dass Flugzeuge mit einem magnetischen Kurs von 360–179° eine ungerade Flughöhe wählen (FL230, FL250 usw.), bei einem magnetischen Kurs von 180–359° wird eine gerade Flugfläche gewählt (FL220, FL240 usw.), so ist jederzeit eine vertikale Staffelung von mindestens 1000 Fuß gewährleistet, wenn sich Flugzeuge mit einer entsprechenden Geschwindigkeit entgegenkommen. Oberhalb von Flugfläche 290 beträgt die Staffelung sogar 2000 Fuß, die Tupolev hätte demnach auf FL330 oder FL370 fliegen müssen – der Fehler im Flugplan war allerdings weder der Besatzung noch den Fluglotsen aufgefallen. Der Starlifter flog korrekt auf FL350, er hätte auch auf FL390 fliegen können.[6]
Zudem war keine der Maschinen mit einem Traffic Alert and Collision Avoidance System (TCAS) ausgerüstet, das die eine Maschine im Cockpit der jeweils anderen zur Anzeige gebracht hätte; eine Einrüstung in die Tupolev war zwar angedacht, aber zum Unfallzeitpunkt noch nicht umgesetzt.[6]
Als beitragende Ursache gilt die schlechte Radarabdeckung in Afrika generell und das Verhalten der Lotsen in Luanda im Besonderen. Diese hatten zwar den Kontakt zu GAF 074 verloren und konnten der Besatzung direkt keine Anweisungen geben, sie versuchten aber auch nicht, das Flugzeug von einer anderen Flugverkehrskontrolle, z. B. Windhuk, erreichen zu lassen. Dass die Maschine auf einer inkorrekten Flughöhe flog, fiel den Lotsen ebenfalls nicht auf.[6]
Folgen
Die politisch-parlamentarische Aufklärungsarbeit befasste sich vor allem mit der Frage, warum die Tupolev weder mit einem TCAS noch mit einem Flugdatenrekorder ausgestattet war. Laut Focus befanden sich die Maschinen der Flugbereitschaft in der Umrüstung, allerdings hatte man bis zum Unfallzeitpunkt nur die für den VIP-Transport genutzten Airbus A310 und Bombardier Challenger-Kurzstreckenjets umgerüstet. Die Tupolev Tu-154 hätten Ende 1997 mit dem Gerät ausgerüstet werden sollen.[7] Aufgrund der nicht vorhandenen „Black boxes“ konnte auch die Unfallursache nie zweifelsfrei geklärt werden.
Die geplante Umrüstung des Schwesterflugzeugs, der Maschine mit dem Kennzeichen 11+01, zum Open-Skies-Systemträger wurde nach der Kollision ad acta gelegt und das Muster aus der Flotte der Flugbereitschaft entfernt.
Siehe auch
Einzelnachweise
- ↑ Kein Geld für Sicherheit. In: Der Spiegel. Nr. 39, 20. März 1997, ISSN 0038-7452, S. 34–38 (online abrufbar [abgerufen am 2015-03-00]).
- ↑ Rüdiger Moniac: Deutscher Pilot verursachte Zusammenstoß. In: Die Welt. 1. April 1998, abgerufen Format invalid.
- ↑ Kollision verursachte Flugzeugunglück. In: Rhein Zeitung. 17. September 1997, abgerufen am 15. August 2015.
- ↑ Gudrun Dometeit, Peter Gruber, Peter Hinze, Axel Hofmann, Michael Jach, Frank Räther, Günter Stauch: Todesflug GAF 074. In: Focus. 22. September 1997, abgerufen am 15. August 2015.
- ↑ Sascha Jonak: Gedenkzeremonie auf hoher See und Abschied vom Vater. In: Marine.de. Bundeswehr, 2. März 2015, abgerufen Format invalid.
- ↑ a b c d e f Flugunfalldaten und -bericht der Lockheed C-141 im Aviation Safety Network (englisch), abgerufen am 15. August 2015 (englisch).
- ↑ Fehler des Piloten der Bundeswehr Ursache für Tupolew-Absturz. In: tagesspiegel.de. Tagesspiegel, 31. März 1998, abgerufen am 15. August 2015.
Koordinaten: 20° 12′ 0″ S, 12° 0′ 0″ O